Tatjana Sergejewna Warscher

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Tatjana Sergejewna Warscher (russisch Татьяна Сергеевна Варшер; * 19. Junijul. / 1. Juli 1880greg. in Moskau; † 2. Dezember 1960 in Rom) war eine russische, später italienische Klassische Archäologin.[1][2] Sie widmete sich intensiv der Erforschung der pompejanischen Wandmalerei.

Leben und Leistungen

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Warscher stammte aus einer adligen Familie jüdischer Herkunft.[2] Ihre Eltern waren der Literaturhistoriker Sergei Warscher und die Französin Nina Depelnor. Nach dem Tod des Vaters 1889 wurde die Familie durch einen Freund der Mutter, den liberalen Politiker und Archäologie-Freund Pawel Miljukow, unterstützt.[3][4]

Von 1898 bis 1901 studierte Warscher in St. Petersburg in den Höheren Bestuschew-Kursen für Frauen insbesondere bei dem Historiker Michael Rostovtzeff.[1] Durch Miljukow kam sie in Kontakt mit liberalen Kreisen St. Petersburgs. Sie beteiligte sich 1900 an der Auseinandersetzung um ein antisemitisches Theaterstück Wiktor Krylows. Als eine Gruppe von Studenten die Premiere des Stückes zu verhindern versuchte und weitere Unruhen im Lande folgten, wurden viele der protestierenden Studenten verhaftet und vom weiteren Studium ausgeschlossen. Warscher blieb dies dank des persönlichen Einsatzes von Professoren erspart.[3]

Ab 1907 arbeitete Warscher als Lehrerin in Riga. Sie heiratete 1911 den örtlichen Arzt Suslow. Auf der Hochzeitsreise besuchten sie Pompeji, wo sie ihre ersten Fotografien von Ausgrabungen machte. Nach dem frühen Tod ihres Mannes 1913 kehrte sie nach St. Petersburg zurück, studierte weiter bei Rostovtzeff und betätigte sich journalistisch. In Verbindung mit Miljukows Kadetten schrieb sie auch über politische Themen. Sie heiratete erneut, nun den verwitweten Bruder ihres ersten Mannes.[2]

Nach der Oktoberrevolution im Bürgerkrieg wurde Warschers Mann 1917 wegen Unterstützung der Weißen Bewegung erschossen.[4] Sie floh in den Norden und unterrichtete dann in Mädchenschulen in Archangelsk, Riga und Dorpat. Sie arbeitete für die russischsprachige Presse in Riga und war Korrespondentin der Berliner Emigrantenzeitung Rul sowie der Pariser Poslednije nowosti. Ein Buch mit ihren Erinnerungen an die Revolutions- und Bürgerkriegsjahre erschien 1923.[3][5]

Nach dem Sieg der Bolschewiki verließ Warscher 1921 die RSFSR und nahm an der Universität zu Berlin bei den Pompeji-Forschern Ferdinand Noack und Gerhart Rodenwaldt wieder ihr Studium auf.[1] In Paris traf sie 1923 den emigrierten Rostovtzeff wieder, der ihr nahelegte, in Pompeji zu forschen. Zudem vermittelte er ihr Arbeit am Deutschen Archäologischen Institut in Rom und der American Academy in Rome.[2][3]

In Rom begann Warscher ihr Hauptwerk The social and Economic History of the Roman Empire auf der Grundlage unveröffentlichter Grabungsergebnisse aus Pompeji. Ihr Pompeji. Ein Führer durch die Ruinen wurde 1925 ins Englische übersetzt. Aus ihren vielen Manuskriptbänden entstand 1937 der Codex Topographicus Pompeianus.[6] Bis zu ihrem Tod 1960 entstanden 37 Bände des Katalogs der pompejanischen Wandbilder.[7]

Einzelnachweise

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  1. a b c American Academy: Warsher Collection (abgerufen am 15. August 2024).
  2. a b c d Richardson Jr., L.: Tatiana Warsher 1880–1960. In: Breaking Ground: Women in Old World Archaeology. Brown University ([1] [PDF; abgerufen am 15. August 2024]).
  3. a b c d Cadamagnani, Cinzia: Страсть к античности: Михаил Ростовцев, Татьяна Варшер и изучение помпейских руин. In: Archivio Russo-Italiano X. Collana di Europa Orientalis, Salerno 2015, ISBN 978-88-97174-10-3, S. 183–202.
  4. a b Нехорошев, Григорий: Русская принцесса Помпеи. In: Совершенно Секретно. Nr. 9, 15. September 2016 ([2] [abgerufen am 15. August 2024]).
  5. Варшер Т.С.: Виденное и пережитое в Советской России. Труд, Berlin 1923.
  6. Codex Topographicus Pompeianus, 1937-1957 and undated (abgerufen am 15. August 2024).
  7. Illustrated catalogue of Pompeian paintings in the Naples National museum: Hall LXXIX, 1939; Índice del Museo Borbónico, 1948 Índice del Bullettino Archeologico Napoletano: (1841-1847, only the excavations of Pompeii), 1949.