Trierer Floyris

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Der Trierer Floyris ist ein Fragment mittelalterlichen Literatur. Es ist ein frühhöfischer Versroman, der den Stoff der Sage um Floris und Blanscheflur behandelt. Benannt ist er nach seinem Fundort Trier. Dort wurde er 1877 im Kartäuserkloster St. Alban in zwei Inkunabeln aus dem Jahr 1503 entdeckt.

Seine Entstehung wird auf 1170 geschätzt. Heute befindet sich das Fragment in der Stadtbibliothek Trier in der Handschriftenmappe X. Der „Trierer Floyris“ ist das älteste bekannte Textzeugnis des Florisstoffes aus Deutschland, Frankreich gilt als Ursprungsland der Floris-Sage, die altfranzösische Version Aristocratique ist die älteste erhaltene Fassung und gilt als mögliche Vorlage des „Trierer Floyris“.

Der „Trierer Floyris“ wurde auf Pergamentdoppelblättern geschrieben, von denen zwei erhalten sind. Sie wurden in den Buchdeckeln zweier Inkunabeln als Verstärkung des Bucheinbandes benutzt, sind also zerschnitten und stark abgenutzt. Von den Doppelblättern ist jeweils das obere Viertel erhalten. Da jeweils Vorder- und Hinterseite beschrieben sind und der Text in zwei Spalten geschrieben wurde, sind vom Text 16 einzelne Bruchstücke erhalten. Sie umfassen etwa 20 Verse, insgesamt sind 368 Verse erhalten. Die erhaltenen Textteile sind durch Abnutzung, Wurmfraß und Flecken zum Teil unleserlich. Er ist in einer kleinen Handschrift geschrieben, dreimal markiert ein roter Zierbuchstabe über zwei Zeilen hinweg den Anfang eines neuen Abschnitts, es gibt keine großen Verzierungen.

Es gibt verschiedene Thesen über die Vorlage des „Trierer Floyris“. Während Ehrismann die Ansicht vertrat, dass diesem ein altfranzösisches Gedicht zu Grunde läge, welches uns nicht überliefert ist, geht man mittlerweile davon aus, dass die version aristocratique als Vorlage diente. Man könne davon ausgehen, dass der Dichter des maasländischen Florisromas sehr gute Kenntnisse des französischen Textes hatte, aber selbstständig den Stoff umgestaltet habe.

Datierung und Lokalisierung

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Die Datierung wurde aufgrund von reimtechnischen und metrischen Schriftmerkmalen sowie der Verwendung der karolingischen Majuskel vorgenommen und weist auf circa 1170 als Entstehungszeitraum. Helmut de Boor vertritt hingegen die Meinung, dass der Trierer Floyris im Raum Köln-Aachen-Bonn um 1160 entstanden sei, ohne diesen Zeitraum jedoch näher zu begründen.

Die Entstehung kann auf einen kleinen geographischen Raum eingegrenzt werde. E. Steinmeyer, der den „Trierer Floyris“ 1877 das erste Mal herausgab, schrieb ihm den niederrheinischen Raum zu. J. v. Dam grenzt das Gebiet schließlich auf das Dreieck Köln-Aachen-Kleve ein. Das Gebiet ist als Entstehungsort allgemein anerkannt, zumal aufgrund von sprachlichen Kriterien für diesen Raum typischen Überarbeitungstechniken ermittelt wurden. Die Sprache ist (ost)maasländisch. Der „Trierer Floyris“ wurde in der Germanistik lange „niederrheinischer Floyris“ genannt, heute hat sich die Bezeichnung „maasländischer Floyris“ durchgesetzt.

Indem van Dam die Sprache untersucht, versucht er herauszufinden, ob man zwischen der Dichtersprache und der Abschreibersprache Unterschiede feststellen kann und ob der Abschreiber Einfluss auf den Text hatte. Er stellt fest, dass wahrscheinlich ein hochdeutscher Schreiber den Text abgeschrieben, dabei jedoch den niederfränkischen Charakter nicht überschrieben habe. Weiterhin schließt er aus der Sprache des Textes, dass der Dichter in einer Gegend zu lokalisieren sei, in der die deutsche Lautverschiebung noch nicht stattgefunden habe, aber bereits ein „Kampfgebiet der verschiedenen Pronomina formen war“.[1]

Sprache und Schreibstil

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Der „Trierer Floyris“ ist eine frühhöfische Dichtung. Es sind abenteuerliche Züge enthalten; so geht Floris auf die Reise in die Fremde, um seine geraubte Blanscheflur zurückzuholen, doch kann man es keinen Abenteuerroman nennen. Es sind wenig Spannungselemente eingebaut und Konflikte lassen sich schnell bewältigen. Der „Trierer Floyris“ wird als „human“ bezeichnet, so hat zum Beispiel der Emir, der die Liebenden zunächst zum Tode verurteilt, schnell Erbarmen und lässt sie ziehen. Der Text wird zum Teil sogar als idealisierend und naiv bezeichnet. Der Sprachstil ist einfach und nüchtern gehalten, die Darstellung des Inhalts beschränkt sich auf das Wesentliche und folgt einer klaren Handlungsstruktur. Ausschweifungen oder eine reflexive Haltung innerhalb des Textes sind nicht gegeben.

Historische Hintergründe

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Die Thematik der Eheschließung zwischen einem muslimischen Fürsten und einer Christin war nach Winkelmann zur Entstehungszeit des „Trierer Floyris“ auffallend aktuell. Es ist eine Urkunde (1173) von Friedrich I. Barbarossa überliefert, die dieses Thema behandelt: „Der König schlägt eine Ehe zwischen seinem Sohn und der Tochter des Kaisers vor, wofür er mit seinem Reich den christlichen Glauben annehmen und alle christlichen Gefangenen freilassen will.“[2] Der König von Babylon, der dieses Angebot unterbreitete, ist zu dieser Zeit Saladin. Saladin eroberte 1187 Akkon und Jerusalem, woraufhin der Papst einen dritten Kreuzzug ausrief.

Der Florisstoff war im Mittelalter sehr beliebt und es gibt Versionen in vielen westeuropäischen Sprachen. (Zum Beispiel: Konrad Fleck: „Flore und Blanscheflur“ (niederalemannisch), Diederic von Assende: „Flôris ende Blanceflor“, eine altnordische Prosasaga: „Flóres Saga ok Blankiflúr“) Den unterschiedlichen Versionen liegt folgende Handlung zugrunde: (Zusammenfassung der „Version Aristocratique“ des ältesten Textzeugnisses, dem altfranzösischen Florisroman „Floire et Blancheflor“):

Floris ist der Sohn eines heidnischen spanischen Königs und wächst zusammen mit der christlichen Sklaventochter Blanscheflur auf. Die Eltern lernten sich auf dem Jakobsweg kennen. Floris und Blanscheflur sind sich sehr nah und um einer unstandesgemäßen Heirat vorzubeugen verkaufen Floris´ Eltern Blanscheflur während Floris auf Reisen ist. Als er zurückkehrt erklären sie ihm, dass seine Geliebte gestorben sei.

Floris ist krank vor Trauer und zum Selbstmord bereit, sodass seine Mutter ihm aus Mitleid die Wahrheit beichtet. Daraufhin macht Floris sich auf die Suche nach Blanscheflur, und diese führt ihn nach Babylon. Dort soll Blanscheflur in einem Turm im Harem des Emirs leben, der sie zur Frau nehmen will.

Mit Hilfe des Brückenpächters und durch Überlistung des Turmwächters gelingt es Floris, in den Turm zu gelangen. Allerdings findet er sich nicht in Blanscheflur Zimmer wieder, sondern in dem ihrer Freundin, der Dame Cloris. Diese führt die Liebenden zusammen. Sie werden jedoch entdeckt und vom Emir zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Schließlich lässt der Emir Gnade vor Recht ergehen. Es kommt zu einer Doppelhochzeit und das Paar kehrt in das Königreich in Spanien zurück, wo Floris die Erbschaft seines Vaters antritt.

Der „Trierer Floyris“ setzt beim Ende der Brückenpächterszene ein und alle 16 Bruchstücke beschreiben Szenen in Babylon. Man erfährt wie er den Turmwächter besticht und dieser ihm hilft. Es wird berichtet wie er im Zimmer der Dame Cloris ankommt und diese ihn vor den anderen Damen versteckt und wie sie die Zusammenkunft der Liebenden verheimlicht. Die Szene der Verurteilung ist sehr lückenhaft, jedoch das Ersuchen um Gnade durch einen gewissen Graf Bernhart wird in den Versen 270–301 geschildert. Diese Person taucht in keinem anderen Florisstück auf und lässt vermuten, dass er vom Autor genannt wird (in anderen Versionen ist dieser Graf anonym), um einen Gönner oder Auftraggeber zu ehren. Im letzten Anschnitt erhält Floris einen Brief aus der Heimat, mit dem Aufruf das Erbe seines verstorbenen Vaters anzutreten.

Die Brückenpächter- und Tumwächterepisode

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Die Brückenpächter- und Turmwächterepisode wurde von dem maasländischen Dichter am deutlichsten verändert. Elemente, die zuvor in der Brückenpächterepisode erzählt werden, baut der Schreiber des Trierer Floyris in die Turmwächterepisode ein. Es ist auffällig, dass es zwar wörtliche Übereinstimmungen gibt, aber dennoch inhaltliche Differenzen. Zu den Gemeinsamkeiten zählen beispielsweise die sogenannte „Architektenlist“, bei der Floyris vorgibt, sich den Turm, in dem Blanscheflur gefangen ist, näher ansehen zu wollen, da er in seinem Land einen ebensolchen bauen wolle. Auf diese Weise kommt er dem Turmwächter näher. Zuvor bekommt er ebenfalls von dem Brückenpächter den Rat, den Turmwächter mit Gold zu bestechen. Auch die Schachspielszene weist mehrere Gemeinsamkeiten mit dem französischen Florisroman auf. Zum einen wird mehrmals um Einsatz Schach gespielt, zum anderen schenkt Floyris dem Turmwächter den verlorenen Einsatz zurück.

Neben diesen Gemeinsamkeiten gibt es aber auch einige Unterschiede. So wird der Turmwächter zu einer freundlichen Figur und bittet sogar zu Gott, dass er Floyris beschützen möge. Zudem bittet er Floyris zu bleiben, nachdem er sich den Turm angesehen hat. Früher als in der Vorlage gesteht ihm Floyris, dass Blanscheflur seine Geliebte ist und dass er sie befreien wolle. De Smet vertritt die Ansicht, dass der Dichter die Vorlage sehr gut kannte, beim Schreiben diese allerdings nicht vorliegen hatte, sodass er frei aus dem Gedächtnis erzählte. Andererseits vermutet er, dass der Schreiber „der Vorlage manchmal bewusst nicht gefolgt ist und den Stoff verändert und umgestaltet hat.“[3]

Winkelman stellt heraus, dass der maasländische Dichter sowohl ursprüngliche Elemente übernommen hat, als auch Erzählelemente neu einführte. So seien die List, die Bestechung des Wächters, die Führung um den Turm, das Dienstangebot und das Geständnis von Floyris, dass Blanscheflur seine Geliebte ist, bekannte Elemente, die der Schreiber im beinah gleichen Handlungsverlauf übernehme. Neueingeführte Elemente hingegen seien das „verschlüsselte Geständnis“ von Flore, welches der Dichter in die Turmwächterepisode überträgt und in ein „offenes Geständnis“ umwandelt. Zudem überträgt er die Schachspielszene aus der Brückenpächterepisode in die Turmwächterepisode. Flore zeigt sich zum zweitenmal freigiebig, obwohl er die Gunst des Wächters bereits erkauft habe. Winkelman kritisiert, dass die Schachspielszene im Trierer Floyris daher wenig sinnvoll wirke.

Thesen und Interpretationen in der Forschung

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In der Szene, in der die Verurteilung von Floyris und Blanscheflur vollzogen werden soll, tritt ein Graf Bernhart auf, der die Ausführung des Urteils verhindert und somit Floyris und Blanscheflur rettet. Nach einer These von de Smet könnte diese Erwähnung eine Huldigung an einen unbekannten Gönner oder Auftraggebers des Dichters sein. Winkelmann (2008) zufolge käme dafür ein Graf Bernhard von Anhalt aus dem sächsischen Markgrafengeschlecht der Askanier in Betracht. Zum einen sei er vertraut gewesen mit dem Adelskreis um Barbarossa und sei in seiner Jugend in Frankreich gewesen. Im Jahre 1184 habe er zum anderen an einem Hoftag in Mainz teilgenommen, bei dem auch Heinrich von Veldeke anwesend war.

Zudem gibt es keinen Christen- und Heidenkonflikt. De Smet erkennt darin einen rechtschaffenen Charakter des Dichters, der die Menschheit nicht in Christen und Heiden aufteile. Daher habe der Dichter die Szene der Überlistung des Turmwächters umgeschrieben und diese freundlicher und menschlicher gestaltet. Darin lasse sich eine Utopie des Friedens sehen.

Literaturhinweise und Quellen

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  • Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur. Eine Erzählung. Herausgegeben von Emil Sommer. Basse, Quedlinburg u. a. 1846, S. viii-xxxviii (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit. Abteilung 1, Band 12), online.
  • Jan van Dam: Die Sprache des Floyris. In: Karg-Gasterstädt, Elisabeth (Hrsg.): Fragen und Forschungen im Bereich und Umkreis der germanischen Philologie: Festgabe für Theodor Frings zum 70. Geburtstag. Berlin, 1956, S. 126–129.
  • René Pérennec: Le Trierer Floyris, adaption du roman de Floire et Blancheflor. In: Etudes germaniques 35 (1980) S. 316–320.
  • Gilbert A. R. de Smet: „Trierer Floyris“. In: Burghart Wachinger (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band 9: Slecht, Reinbold – Ulrich von Liechtenstein. 2. völlig neu bearbeitete Auflage. de Gruyter, Berlin u. a. 1995, ISBN 3-11-014024-1, Spalte 1043–1049 (Veröffentlichungen der Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften).
  • Gilbert A. R. de Smet, Maurits Gysseling: Die Trierer Floyris-Bruchstücke. In: Studia Germanica Gandensia. 9, 1967, ISSN 0081-6442, S. 157–196.
  • Gilbert A.R de Smet: Der Trierer Floyris und seine französische Quelle. In: Schröder, Werner (Hg.) Festschrift für Ludwig Wolf zum 70. Geburtstag. Neumünster, 1962. S. 203–216.
  • Gilbert A.R de Smet: Zur Turmwächterepisode im Trierer Floyris. In: Huschenbett, Dietrich u. a. (Hrsg.): Medium Aevum Deutsch. Beiträge zur deutschen Literatur des hohen und späten Mittelalters. Festschrift für Kurt Ruh zum 65. Geburtstag. Tübingen 1979, S. 327–333
  • Max Roediger, Elias von Steinmeyer: Trierer Bruchstücke. I Floyris. II Aeigiduis. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und Literatur. 21, 1877, ISSN 0044-2518, S. 307–412.
  • Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde und Flore und Blanscheflur. Herausgegeben von Wolfgang Golther. Band 2: Tristan und Isolde (Schluß). Die Fortsetzer Gottfrieds. Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg. Union Deutsche Verlags-Gesellschaft u. a., Stuttgart 1889, S. 235–246 (Joseph Kürschner (Hrsg.): Deutsche National-Litteratur. Abt. 3, Bd. 4).
  • J. H. Winkelman: Die Brückenpächter- und die Turmwächterepisode im „Trierer Floyris“ und in der „Version Aristocratique“ des altfranzösischen Florisromans. Rodopi, Amsterdam 1977, ISBN 90-6203-499-3 (Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur 27), (Zugleich: Leiden, Univ., Diss., 1977).
  • Johan H. Winkelman: Florisromane. In: Pérennec, René/ Schmidt, Elisabeth (Hrsg.): Höfischer Roman in Vers und Prosa. Berlin/ New York 2010, S. 331–367.
  • Johan H.Winkelman: ‚die greue bernhart sprac do‘ (‚Trierse Floyris‘, vers 273). Het signalement van een mecenas. In: Voortgang 26 (2008), S. 7–27.
  • Johan H. Winkelman: Zum Trierer Floyris. In: Neophilologus 66 (1982), S. 391–406.

Einzelnachweise

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  1. Jan van Dam: Die Sprache des Floyris. In: Elisabeth Karg-Gasterstädt (Hrsg.): Fragen und Forschungen im Bereich und Umkreis der germanischen Philologie: Festgabe für Theodor Frings zum 70. Geburtstag. Berlin 1956, S. 129.
  2. Johan Winkelmann: Florisromane. In: Pérennec, René/ Schmidt, Elisabeth (Hrsg.): Höfischer Roman in Vers und Prosa. Berlin/ New York 2010, S. 337.
  3. Gilbert Smet: Der Trierer Floyris und seine französische Quelle. In: Werner Schröder (Hrsg.): Festschrift für Ludwig Wolf zum 70. Geburtstag. Neumünster 1962, S. 206.