Vedrfölnir

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Adler und Habicht am Weltenbaum. Aus einer isländischen Handschrift des 17. Jahrhunderts.

Vedrfölnir (altnordisch Veðrfǫlnir), eingedeutscht auch Wedrfölnir, ist in der nordischen Mythologie ein Habicht, der am Weltenbaum Yggdrasil zwischen den Augen des dortigen Adlers sitzt.

Dieser Habicht wird in der eddischen Literatur nur in der Prosa-Edda Snorri Sturlusons erwähnt:

„Örn einn sitr í limum asksins, ok er hann margs vitandi
en í milli augna honum sitr haukr, sá er heitir Veðrfölnir.
Íkorni sá, er heitir Ratatoskr, renn upp ok niðr eftir askinum
ok berr öfundarorð milli arnarins ok Níðhöggs,
en fjórir hirtir renna í limum asksins ok bíta barr.“

„Ein Adler sitzt in den Ästen der Esche, der hat manches Wissen
und zwischen seinen Augen sitzt der Habicht mit Namen Wedrfölnir.
Das Eichhörnchen, das Ratatosk heißt, springt an der Esche hinauf und hinunter.
Zwischen dem Adler und Nidhögg
tauscht es Gehässigkeiten aus.“

Snorri Sturluson, Prosa-Edda: Gylfaginning, Kapitel 16 (Übersetzung von Arnulf Krause)[1]

In den Þulur ist Vedrfölnir ein Heiti für Habicht.[2] Das heißt, ein Dichter konnte den Namen als Synonym für den Habicht verwenden.

Der Name Vedrfölnirs spielt offenbar auf das weiße Gefieder der Habichte an.

Altnordisch Veðrfǫlnir setzt sich zusammen aus veðr „Wind, Sturm, Wetter“ und vielleicht fǫlr „bleich, fahl, weißlich“ oder fǫlna „verwelken, blass werden, bleich werden“[3]. Demnach wird der Name Vedrfölnirs als „der Sturmbleiche“, „der Wetterbleiche“ oder „der durch Sturm und Wetter gebleicht wird“ übersetzt.[4]

Sprachlich weniger naheliegend sind Namensdeutungen als „Wettermacher“[5] oder als der „im bzw. vom Sturm Zerzauste“[6].

Bedeutung des Habichts

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Die Adeligen hatten ein besonderes Verhältnis zu den Habichten. Sie richteten die Vögel ab und setzten sie zur Beizjagd ein. Aus der Nähe zwischen Jäger und Greifvogel erwuchs dem Habicht ein hohes Ansehen, wie die Lieder-Edda mehrfach bezeugt (Guðrúnarkviða in fyrsta 18; Guðrúnarkviða in önnur 40; Sigurðarkviða Fafnisbana önnur 31). Der Habicht war so angesehen, dass er sogar Sinnbild für das Königtum sein konnte (Skáldskaparmál 62). Nicht umsonst war er in der nordischen Mythologie dem Göttervater Odin zugeordnet, wie sich aus der Wendung „wie die aasgierigen Habichte Odins“ (Helgakviða Hjörvarðssonar 42) ergibt.

Da der Habicht sich im Auge des Adlers befindet, scheint wegen der räumlichen Nähe beider die Vielwissenheit des Adlers mit dem Habicht in Verbindung zu stehen. So vermutet man, dass er vergleichbar Odins Raben ausfliegt und Wissen zurückbringt.[7] Jedoch könnte die Weisheit des Habichts auch einfach nur eine andere oder höhere Qualität als die des Adlers haben. Jacob Grimm weist darauf hin, dass die altnordische Redewendung haukr í horni „Habicht im Winkel“ einen verborgenen Ratgeber bedeutet. Er sieht deswegen in dem Habicht nicht nur einen Freund des Adlers: Gilt schon der Adler als vielwissend, wie sehr muss es erst dann sein Ratgeber sein.[8]

Einzelnachweise

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  1. Arnulf Krause: Die Edda des Snorri Sturluson. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-15-000782-2
  2. Þulur, III 50. – Hauks heiti
  3. Walter Baetke: Wörterbuch der altnordischen Prosaliteratur. 1. & 2. Auflage (digitale Fassung). Greifswald 2006 – Gerhard Köbler: Altnordisches Wörterbuch. 2. Auflage. 2003 (Online, wikiling Altnordisch)
  4. Andy Orchard: Cassell dictionary of Norse myth and legend. Cassell, London 1997, ISBN 978-0-304-35134-3, Stichwort Vedrfölnir: wind-witherer „Wind Welker“ – John Lindow: Handbook of Norse Mythology. ABC-CLIO Ltd, USA 2001, ISBN 978-1-57607-217-2, S. 312: storm-pale „der Sturmbleiche“ – René L. M. Derolez: Götter und Mythen der Germanen. Benziger Verlag, Köln 1959, S. 272: „der von Wind und Wetter Verfärbte“
  5. So Hansferdinand Döbler: Die Germanen. Gondrom Verlag, Bindlach 1992, ISBN 978-3-8112-0935-0, S. 146
  6. So zum Beispiel bei Reiner Tetzner: Germanische Göttersagen (nach den Quellen neu erzählt). Reclam-Verlag, Ditzingen 1992, ISBN 978-3-15-008750-3, S. 17. Vielleicht in dem Zusammenhang, weil altnordisch veðr von der indogermanischen Wurzel *au- „wehen, blasen, hauchen“ abstammt
  7. John Lindow: Handbook of Norse Mythology. ABC-CLIO Ltd, USA 2001, ISBN 978-1-57607-217-2, S. 312
  8. Jacob Grimm: Deutsche Mythologie (3 Bd.e). Nachdruck der 4. Auflage, Berlin 1875–1878 durch Marix Verlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-143-8, Bd. 1, S. 664, Fußnote 2