Die Wightman-Axiome, oder auch Gårding–Wightman-Axiome, sind ein von Arthur Wightman und Lars Gårding in den 1950er[1] Jahren formuliertes Axiomensystem zur mathematischen (axiomatische) Beschreibung von Quantenfeldtheorien. Publiziert wurden die Axiome im Jahre 1964,[2] nachdem der Erfolg der Haag-Ruelle Streutheorie[3][4] deren Bedeutung aufzeigte.
Im Folgenden werden die Wightman-Axiome für ein hermitesches skalares Quantenfeld beschrieben. Die Nummerierung der Axiome basiert auf der von Arthur Wightman und Ray Streater verfassten Monografie "PCT, Spin, Statistik und all das".[5]
- Die Zustände der Theorie werden durch Vektoren in einem separablen komplexen Hilbertraum
beschrieben. (Etwas präziser: Zustände werden durch "Strahlen" im Hilbertraum beschrieben, das heißt, dass zwei Vektoren in
, die sich nur durch einen Phasenfaktor unterscheiden, identifiziert werden. Die Menge aller so definierter Äquivalenzklassen wird auch als "projektiver Hilbertraum" bezeichnet.)
- Das relativistische Transformationsgesetz ist durch eine stark-stetige unitäre Darstellung der eigentlichen orthochronen Poincaré-Gruppe
gegeben. Die Gruppe
besteht aus allen Paaren der Form
mit
und
, wobei
die eigentliche orthochrone Lorentz-Gruppe bezeichnet. Die Gruppenverknüpfung ist definiert als
Eine unitäre Darstellung der Gruppe
ist ein Gruppenhomomorphismus der Form
, wobei
die Menge aller unitären Operatoren auf
bezeichne.
- Nach dem Satz von Stone existieren 4 kommutierende und selbstadjungierte Operatoren
, sodass
(hier wurde die Einsteinsche Summenkonvention verwendet), wobei die Exponentialfunktion mittels des Spektralsatzes für unbeschränkte, selbstadjungierte Operatoren wohl-definiert ist. Man fordert nun, dass diese 4 Operatoren die sogenannte "Spektralbedingung" erfüllen, was bedeutet, dass der Operator
ein positiver Operator ist, oder etwas abstrakter, dass das zu
gehörige Spektralmaß gänzlich im abgeschlossen, positiven Lichtkegel
liegt. Die Operatoren
entsprechen den Operatoren für den Viererimpuls.
- Es existiert ein (bis auf einen Phasenfaktor) eindeutig bestimmter Vektor
, genannt „Vakuum“, sodass
für alle
.
- Ein "Quantenfeld" ist eine operatorwertige temperierte Distribution, das heißt, eine Abbildung
, wobei
den Raum der Schwartz-Funktionen und
die Menge aller (nicht notwendigerweise beschränkten) Operatoren auf
bezeichnet, sodass die folgenden Eigenschaften erfüllt sind:
- Es existiert ein dichter Unterraum
, sodass für alle
gilt, dass der Definitionsbereich
des Operators
und der Definitionsbereich
des Operators
die Menge
enthalten und auf ihr übereinstimmen. (
bezeichnet hier den adjungierten Operator)
und für alle
gilt, dass
.
- Für alle
ist die Funktion
eine temperierte Distribution.
Sei nun
und
wie oben beschrieben. Für alle
gilt, dass
Des Weiteren fordert man, dass das Quantenfeld für alle
, für alle
und für alle
die folgende Transformationseigenschaft besitzt:
wobei
.
- Seien
so, dass die Träger
raumartig getrennt sind, dann fordert man, dass
für alle
gilt.
- Die Menge
ist dicht in
.
Ein Quintupel
, das die obigen Axiome erfüllt, wird als „hermitesche skalare Wightman-Quantenfeldtheorie“ bezeichnet.
Das Quantenfeld wird in den Axiomen als "operatorwertige temperierte Distribution" definiert, wohingegen in der Physik Quantenfelder meist als operatorwertige Funktionen auf der Raumzeit beschrieben werden. Hierzu schrieb Arthur Wightman und Ray Streater in "PCT, Spin, Statistik und all das":[5]
"It was recognized early in the analysis of field measurements for the electromagnetic field in quantum electrodynamics that, in their dependence on a space-time point, the components of fields are in general more singular than ordinary functions. This suggests that only smeared fields be required to yield well-defined operators. For example, in the case of the electric field ,
is not a well-defined operator, while
is."
Übersetzung:
"Es wurde früh in der Analyse von Feldmessungen für das elektromagnetische Feld in der Quantenelektrodynamik erkannt, dass die Komponenten von Feldern in ihrer Abhängigkeit von einem Raum-Zeit-Punkt im Allgemeinen singulärer sind als gewöhnliche Funktionen. Dies legt nahe, dass nur verschmierte Felder geeignet sind, um wohl-definierte Operatoren zu erhalten. Zum Beispiel ist im Falle des elektrischen Feldes
kein wohl-definierter Operator, wohingegen
einer ist."
Die Wightman-Axiome lassen sich auch auf Felder mit Spin ungleich von 0 verallgemeinern. Hierzu fordert man, dass die Theorie ein
-Tupel
an operatorwertigen temperierten Distribution enthält. Das zugehörige Transformationsgesetz lautet
![{\displaystyle U(a,\Lambda )\Phi _{i}(f)U(a,\Lambda )^{-1}=\sum _{j=1}^{d}D_{ij}({\widetilde {\Lambda }}^{-1})\Phi _{j}((a,\Lambda )f)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/16a118ee7b1f0b7cbf1b44fd2aeab43bb957948e)
für alle Komponenten
.
bezeichnet dabei eine irreduzible Darstellung der Gruppe
, der universellen, einfach-zusammenhängenden Überlagerungsgruppe von
. Die Matrix
ist die zu
gehörige Lorentz-Transformation (siehe auch Darstellungstheorie der Lorentz-Gruppe).
Das Axiom der Lokalität und die Zyklizität des Vakuums müssen wie folgt abgewandelt werden:
- Beschreibt die Darstellung
ein Teilchen mit ganzzahligem Spin, dann gilt für alle
mit raumartig getrennten Trägen, dass
und
. Wird hingegen ein Teilchen mit halbzahligem Spin betrachtet, so lauten die Bedingungen
und
.
- Die Zyklizität des Vakuums wird für alle
gefordert.
Eine wichtige Folgerung der Wightman-Axiome ist die Tatsache, dass die Erwartungswerte der Theorie gewisse Eigenschaften erfüllen, mit denen sich die Wightman-Axiome vollständig rekonstruieren lassen. Dies soll im folgenden Absatz erläutert werden.
Sei
eine hermitesche skalare Wightman-Quantenfeldtheorie. Man bezeichnet eine Funktion
mit
, welche für
durch
![{\displaystyle {\mathcal {W}}_{n}(f_{1},\dots ,f_{n}):=\langle \Omega ,\Phi (f_{1})\cdot {\dots }\cdot \Phi (f_{n})\Omega \rangle }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/87333e528e0ff3585909d4ea7fbe814ad91689c5)
definiert ist, als "Wightman-Korrelationsfunktion". Nach einem Satz in der Theorie der Distributionen[6][7], existiert zu
eine eindeutig bestimmte temperierte Distribution
, sodass
![{\displaystyle {\mathcal {W}}_{n}(f_{1},\dots ,f_{n})=W_{n}(f_{1}\otimes \dots \otimes f_{n})}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/003dda32e31964320522f8829da4b01319beaa5d)
für alle
gilt, wobei
das Tensorprodukt von Funktionen bezeichnet.
Es lässt sich nun zeigen, dass
die folgenden Eigenschaften besitzt:
- Positive Definitheit: Es sei
und
für
. Dann gilt
, wobei
durch
für alle
definiert ist.
- Realität: Für alle
gilt, dass
.
- Relativistische Invarianz: Für alle
und für alle
gilt, dass
, wobei
punktweise wie oben definiert ist.
- Spektralbedingung: Für alle
existiert eine temperierte Distribution
, sodass für alle
mit der Eigenschaft, dass ihre Fourier-Transformation gänzlich im positiven, abgeschlossenen Lichtkegel
enthalten ist, gilt, dass
, wobei
durch
für alle
definiert ist.
- Lokalität: Seien
so, dass die Träger
raumartig getrennt sind, dann
.
- Cluster-Eigenschaft: Ist
ein raumartiger Vektor, dann gilt für alle
, dass
, wobei
den Translationsoperator bezeichne, welcher durch
definiert ist.
Wightman's Rekonstruktionssatz:
Es sei
eine Menge von Funktionen, die die obigen 6 Eigenschaften besitzen. Dann existiert eine hermitesche skalare Wightman-Quantenfeldtheorie
, welche die Wightman-Axiome erfüllt, sodass die Wightman-Korrelationsfunktionen genau den Distributionen
entsprechen. In anderen Worten, es gilt, dass
.
Ein Beweis dieser Aussage lässt sich zum Beispiel in[5] und[8] finden.
- ↑ Wightman-Axiome in nlab ncatlab.org
- ↑ A. S. Wightman, L. Gårding, "Fields as Operator-valued Distributions in Relativistic Quantum Theory," Arkiv f. Fysik, Kungl. Svenska Vetenskapsak. Band 28, 1964, S. 129–189.
- ↑ R. Haag, "Quantum field theories with opposite particles and asymptotic conditions," Phys. Rev. 112 (1958).
- ↑ D. Ruelle, "On the asymptotic condition in quantum field theory," Helv. Phys. Acta 35 (1952).
- ↑ a b c R. F. Streater and A. S. Wightman, PCT, Spin and Statistics and All That, Princeton University Press, Landmarks in Mathematics and Physics, 2000 (1. Aufgabe, New York, Benjamin 1964).
- ↑ A. Schwarz: Quantum Field Theory and Topology. Springer-Verlag, 1993.
- ↑ E. de Faria, W. de Melo: Mathematical Aspects of Quantum Field Theory (= Cambridge studies in advanced mathematics 127). Cambridge University Press, Cambridge 2010, S. 120.
- ↑ S. P. Gudder: Stochastic Methods in Quantum Mechanics. Courier Corporation, 2014.