Wikipedia:Hochschulprogramm/Marburg SoSe 2016/Theoriefindung

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Theoriefindung (auch: Theoriebildung, Theorieetablierung) ist ein Begriff in der deutschsprachigen Wikipedia, der den Verstoß gegen die Richtlinien zur Vermeidung originärer Forschung (engl. no original research, deutsch: „keine Theoriefindung“) bezeichnet.

Vor Wikipedia

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Bevor sich der Begriff „Theoriefindung“ als Terminus der Wikipedia etablierte, wurde er vereinzelt seit den 1970er Jahren verwendet, allerdings in abweichender Bedeutung.[1]

In Wikipedia

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Theoriefindung bedeutet in der Wikipedia „eine eigenständige wissenschaftliche Forschungsleistung“ beim Erstellen eines Artikels in Wikipedia.[2] Dies soll nach dem bestehenden Regelwerk nicht vorkommen.

Als wichtige Grundregel in der Wikipedia wird sie außerhalb[3] und innerhalb der Enzyklopädie an vielen Stellen behandelt, sowohl auf der Ebene der Artikel selbst[4] als auch auf den Diskussionsseiten.

Die Regel „Keine Theoriefindung“

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Beim Aufstellen der Regeln für die ursprüngliche, englischsprachige Wikipedia wurden fünf Grundregeln aufgestellt.[5] Heute sind es noch drei.[6] Eine davon lautet: „No original research“.[Anm. 1]

Mit dem Entstehen der deutschsprachigen Wikipedia wurden diese Regeln aus der englischsprachigen übernommen und ins Deutsche übertragen. Dies geschah nicht ohne Diskussion. Anfang Oktober 2003 wurde für die aus der englischsprachigen Wikipedia übernommene Regel „No original research“ der Begriff Theoriefindung eingeführt. Das ist im Konsens von drei Benutzern geschehen.[7]

Theoriefindung liegt nicht vor, wenn Artikel in der Wikipedia auf überprüfbaren Aussagen beruhen. „Überprüfbar ist, was mithilfe verlässlicher Informationsquellen belegt werden kann“. Was das genau ist, ist nicht widerspruchsfrei geklärt:

In einer engen Fassung wird definiert: „Als Theoriefindung (originäre Forschung) gelten Aussagen, die nicht in anerkannter Fachliteratur veröffentlicht sind“. Diese Beschränkung auf Fachliteratur als einzig zulässiger Quelle stößt auf Kritik, weil dann z.B. historische Quellen als Belege für Artikel mit historischen Inhalten unzulässig wären.[8]

An gleicher Stelle wird aber in der deutschsprachigen Wikipedia auch eine weiter gefasste Beschreibung der zulässigen Quellen gegeben. Diese unterscheidet zwischen zwei Arten von Nachweisen:

  • Quellen (einschließlich Primärquellen) als Informationen, die durch archäologische Funde, Filme, Bilder, Gesetzestexte, historische Dokumente oder andere empirische Daten belegt sind und
  • Sekundärliteratur (Fachliteratur).

Der Begriff Theoriefindung ist ein weitgehend nur in Wikipedia genutzter Begriff. Er verstößt damit selbst gegen eines der Verbote, die er umfasst (siehe Performativer Selbstwiderspruch): „Eine besondere Form der Theoriefindung ist die Einführung nicht gebräuchlicher Termini“.

  • Andrew Lih: The Wikipedia Revolution. How a Bunch of Nobodies Created the Wold’s Greatest Encyclopedia. London 2009. ISBN 978-1-84513-473-0
  • Thomas Wozniak: Wikipedia in Forschung und Lehre – eine Übersicht. In: Thomas Wozniak, Jürgen Nemitz, Uwe Rohwedder (Hrsg.): Wikipedia und Geschichtswissenschaft. [Anm. 2] Berlin 2015. ISBN 978-3-11-037634-0, S. 33–52.
  • Anne Baillot, Christof Schöch: Schreibt Wikipedia Biographien? Autorität und Reputation beim Verfassen biographischer Artikel. Peter Lang, 2016, ISBN 978-3-0343-1467-1, PDF.
  • Ivo de Gennaro: Wahrheit und Information. In: Eudia, 14/2020, S. 1–22, PDF.
  • Ziko van Dijk: Wikis und die Wikipedia verstehen: Eine Einführung. transcript Verlag, 2021, ISBN 978-3-8394-5645-3, S. 206.
  1. Dies wird folgendermaßen erläutert: „Wikipedia does not publish original thought: all material in Wikipedia must be attributable to a reliable, published source. Articles may not contain any new analysis or synthesis of published material that serves to reach or imply a conclusion not clearly stated by the sources themselves.” (No original research; abgerufen am 6. April 2016), abgekürzt: NOR. Übersetzung: Wikipedia veröffentlicht keine Originalforschung: Alles in Wikipedia Veröffentlichte muss aus einer verlässlichen, veröffentlichten Quelle stammen. Artikel sollten keine Analyse oder Synthese aus Veröffentlichtem enthalten und daraus eine Schlussfolgerung ziehen, die nicht auch in dem Veröffentlichten enthalten ist.
  2. Vorträge aus der Sektion „Wikipedia und Geschichtswissenschaft“ des 50. Deutschen Historikertages in Göttingen 2014.

Einzelnachweise

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  1. Vgl:
    1969/1970: Von stärkerer Theoretisierung der DDR-Forschung erwartet sich Burrichter Hilfe: Gerade die allgemein anerkannten Probleme der Informationsbeschaffung – der empirischen DDR-Forschung also – sollten aber doch Grund genug sein, im Bereich der Theoriefindung besonders intensiv zu arbeiten. (Deutschland Archiv 1969/1970, Bd. 3, S. 801).
    1972: Nötigung vom Text zur Predigt durch Ernst Fuchs könne „von keiner heute verlangten theologischen Theoriefindung überholt werden“. (Ulrich Engel, Olaf Schwencke: Gegenwartssprache und Gesellschaft: Beiträge zu aktuellen Fragen der Kommunikation. 1972, S. 148).
    1979: René Wellek (Yale), der die Literatur wie Rüdiger als eine Garantie gegen den Verfall in die Barbarei benannte, plädierte, nicht zum erstenmal, für eine Theoriefindung der Wertung (‚theory of criticism‘) als dringlichste Aufgabe der Literaturwissenschaft. (Manfred S. Fischer: Eigene Sprach-Welt - Komparatisten-Kongreß in Innsbruck. In: Zeit Online. 31. August 1979, abgerufen am 10. Mai 2016.).
    1997: Dabei ist es generell fraglich, inwiefern ‚feste‘ Begriffsdefinitionen für eine praxisorientierte „Theoriefindung“ möglich und sinnvoll sind. (Ralph-Peter Rembor: Controlling in der Kommunalverwaltung. Koordination dezentraler Verantwortung. Deutscher Universitäts-Verlag. Wiesbaden 1997. S. 4. ISBN 978-3-8244-0341-7. Abgerufen am 10. Mai 2016).
  2. Wozniak, S. 39.
  3. Martin Beyer: Wissenschaft und Wikipedia – ein ungleiches Paar? (PDF) Universität Bamberg, abgerufen am 10. Mai 2016.
    NN: Anhang – Glossar. In: Wikimedia Deutschland e.V. (Hrsg.): Alles über Wikipedia und die Menschen hinter der größten Enzyklopädie der Welt. Hamburg 2011. ISBN 978-3-455-50236-7, S. 327–332 (332).
    Thomas Wozniak: Exkurs zum Begriff „Theoriefindung“. In: ders. Wikipedia in Forschung und Lehre – eine Übersicht, S. 39f.
  4. Vgl. etwa: Ockhams Rasiermesser.
  5. Lih, S. 113.
  6. Wikipedia:Core content policies; eine Verlinkung auf die deutschsprachige Wikipedia fehlt; abgerufen am 6. April 2016.
  7. Wozniak, S. 40.
  8. Wozniak, S. 39.

Kategorie:Wikipedia:Grundprinzipien Kategorie:Wikipedia Kategorie:Neologismus der 2000er-Jahre