Überdeckungslemma von Wiener

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Überdeckungslemma von Wiener (englisch Wiener covering lemma) ist ein mathematischer Lehrsatz, der im Übergangsfeld zwischen den Gebieten der Topologie, der Maßtheorie und der Harmonischen Analyse angesiedelt ist. Dieses Lemma wird dem US-amerikanischen Mathematiker Norbert Wiener zugeschrieben und behandelt eine Fragestellung zu offenen Überdeckungen von kompakten Teilmengen im euklidischen Raum und in Räumen vom homogenen Typ. Es ist verwandt mit einem ähnlichen Überdeckungslemma, welches auf den italienischen Mathematiker Giuseppe Vitali zurückgeht. Beide Lemmata sind bedeutungsvoll für die Herleitung von Sätzen zur Frage der punktweisen Konvergenz von Fourier-Reihen.[1][2][3][4]

Formulierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Lemma lässt sich angeben wie folgt:[5][6]

Sei der n-dimensionale euklidische Raum oder – allgemeiner – ein Raum vom homogenen Typ, für den die in der Quasi-Dreiecksungleichung erscheinende Konstante sein soll.
In seien eine kompakte Teilmenge gegeben und zudem eine Familie von offenen -Kugeln, welche überdecken.
Dann gilt:
Es gibt in eine aus endlich vielen paarweise disjunkten -Kugeln bestehende Teilfamilie derart, dass für die -fach vergrößerten -Kugeln eine Überdeckung von bilden.
Im Falle kann dabei und damit gewählt werden.

Erläuterungen und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ein Raum vom homogenen Typ (englisch space of homogeneous type) ist eine mathematische Raumstruktur über einer nichtleeren Grundmenge derart, dass ein semimetrischer Raum und ein Maßraum ist, wobei die folgenden Zusatzbedingungen gelten:
    • Die Semimetrik , welche die topologische Struktur von erzeugt, hängt ab von einer Konstanten , so dass für stets die Quasi-Dreiecksungleichung (englisch quasi-triangle inequality) erfüllt ist.[7]
    • Der Maßraumstruktur von liegt eine σ-Algebra über der Grundmenge zugrunde, welche die borelsche σ-Algebra von sowie alle -Kugeln enthält.[8]
    • ist ein Maß auf ,
      • welches einerseits für jede -Kugel die Ungleichungen erfüllt,
      • welches andererseits eine Konstante aufweist, so dass jede -Kugel die Verdopplungseigenschaft hat,[9]
      • und welches schließlich für die Punkte stets der Bedingung genügt.
  • Im Falle wird in der Regel als die übliche euklidische Metrik und als das Lebesgue-Maß als gegeben vorausgesetzt.
  • Die Grundkonzeption der Räume vom homogenen Typ beruht auf Ideen, welche Kennan T. Smith und Lars Hörmander entwickelt haben und die in der heutigen Form im Wesentlichen von Ronald Raphael Coifman und Guido Weiss ausgearbeitet wurden. Eine weiter verallgemeinerte Auffassung des Konzepts gab Steven G. Krantz in seiner Monographie Explorations in Harmonic Analysis.[10]
  • Die Räume vom homogenen Typ sind nicht zu verwechseln mit den homogenen Räumen.

Das Überdeckungslemma von Vitali[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Überdeckungslemma von Vitali (englisch Vitali covering lemma) lässt sich folgendermaßen formulieren:[11][4]

Ist eine nichtleere Familie von reellen Intervallen, die allesamt dem Intervall angehören und die dabei eine Lebesgue-messbare Menge überdecken, so lässt sich daraus eine endliche oder unendliche Folge von paarweise disjunkten Intervallen auswählen, welche in Bezug auf das Lebesgue-Maß die Ungleichung
erfüllt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Steven G. Krantz: A Panorama of Harmonic Analysis. 1999, S. 71, 235 ff, 357
  2. Donggao Deng, Yongsheng Han: Harmonic Analysis on Spaces of Homogeneous Type. 1999, S. 13
  3. Yitzhak Katznelson: An Introduction to Harmonic Analysis. 2004, S. 96 ff
  4. a b Henry Helson: Harmonic Analysis. 1983, S. 130
  5. Krantz, op. cit., S. 71, 246
  6. Deng/Han, op. cit., S. 13
  7. Aufgrund dieser Ungleichung wird in der englischsprachigen Fachliteratur im hiesigen Kontext auch von einer quasi-metric gesprochen. Das Konzept der Quasimetrik wird allerdings in der deutschsprachigen Fachliteratur stellenweise – wie etwa in Horst Schuberts Topologie (4. Auflage, S. 114) – anders aufgefasst, nämlich so, dass zwar für zwei verschiedene Punkte sowohl der Abstand als auch der Abstand zugelassen sind, dass jedoch ansonsten die Quasimetrik alle üblichen Eigenschaften einer Metrik besitzt und insbesondere die Dreiecksungleichung erfüllt.
  8. Die -Kugeln sind im Falle nicht notwendig offene Teilmengen von .
  9. In der englischsprachigen Fachliteratur bezeichnet man die Verdopplungseigenschaft (englisch doubling property) auch als Verdopplungsbedingung (englisch doubling condition).
  10. Steven G. Krantz: Explorations in Harmonic Analysis. 2009, S. 192 ff
  11. Katznelson, op. cit., S. 97