(110) Lydia

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Asteroid
(110) Lydia
Berechnets 3D-Modell von (110) Lydia
Berechnets 3D-Modell von (110) Lydia
Eigenschaften des Orbits Animation
Epoche: 31. März 2024 (JD 2.460.400,5)
Orbittyp Mittlerer Hauptgürtel
Asteroidenfamilie Lydia-Familie
Große Halbachse 2,733 AE
Exzentrizität

0,080

Perihel – Aphel 2,516 AE – 2,951 AE
Neigung der Bahnebene 6,0°
Länge des aufsteigenden Knotens 56,8°
Argument der Periapsis 282,2°
Zeitpunkt des Periheldurchgangs 29. September 2025
Siderische Umlaufperiode 4 a 190 d
Mittlere Orbital­geschwin­digkeit 17,99 km/s
Physikalische Eigenschaften
Mittlerer Durchmesser 86,1 ± 2,0 km
Albedo 0,18
Rotationsperiode 10 h 56 min
Absolute Helligkeit 7,9 mag
Spektralklasse
(nach Tholen)
M
Spektralklasse
(nach SMASSII)
X
Geschichte
Entdecker A. Borrelly
Datum der Entdeckung 19. April 1870
Andere Bezeichnung 1870 HA, 1899 VA, 1972 YS1
Quelle: Wenn nicht einzeln anders angegeben, stammen die Daten vom JPL Small-Body Database. Die Zugehörigkeit zu einer Asteroidenfamilie wird automatisch aus der AstDyS-2 Datenbank ermittelt. Bitte auch den Hinweis zu Asteroidenartikeln beachten.

(110) Lydia ist ein Asteroid des mittleren Hauptgürtels, der am 19. April 1870 vom französischen Astronomen Alphonse Louis Nicolas Borrelly in Marseille entdeckt wurde.

Der Asteroid wurde benannt nach dem Land Lydien in Kleinasien, dessen frühe Bewohner Phryger genannt wurden. Etwa zur Zeit des Trojanischen Krieges herrschten dort die Herakleiden.

Aufgrund seiner Bahneigenschaften gilt (110) Lydia als größtes und namensgebendes Mitglied der Lydia-Familie, eine Gruppe von Asteroiden, die sehr ähnliche Werte für die Exzentrizität, Große Halbachse und Bahnneigung besitzen.[1]

Durchmesser und Albedo[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus Ergebnissen der IRAS Minor Planet Survey (IMPS) wurden 1992 erstmals Angaben zu Durchmesser und Albedo für zahlreiche Asteroiden abgeleitet, darunter auch (110) Lydia, für die damals Werte von 86,1 km bzw. 0,18 erhalten wurden.[2] Vom 8. bis 12. November 2008 war (110) Lydia am Arecibo-Observatorium radarastronomisch beobachtet worden. In Verbindung mit gleichzeitigen Beobachtungen an der IRTF wurde für den Durchmesser des Asteroiden ein effektiver Wert von etwa 89 km bei einem maximalen Wert von etwa 98 km abgeleitet.[3] Die Messungen wurden noch einmal durchgeführt vom 15. bis 18. Oktober 2012. Die Abschätzungen zum Durchmesser wurden daraufhin aktualisiert auf einen effektiven Wert von etwa 82 km und einen maximalen Wert von etwa 90 km bei einer optischen Albedo von 0,20.[4] Eine Auswertung von Beobachtungen durch das Projekt NEOWISE im nahen Infrarot führte 2011 zu vorläufigen Werten für den Durchmesser und die Albedo im sichtbaren Bereich von 89,0 km bzw. 0,17.[5] Die Werte wurden später auf 88,2 km bzw. 0,17 korrigiert.[6]

Rotationsperiode[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vom 2. bis 29. Dezember 2003 wurden am Carbuncle Hill Observatory in Rhode Island photometrische Messungen des Asteroiden durchgeführt. Aus der gemessenen Lichtkurve konnte eine Rotationsperiode von 10,924 h abgeleitet werden.[7] Aus einer Auswertung dieser und anderer photometrischer Daten vom Dezember 2003 konnten von Ďurech et al. Modelle der Form des Asteroiden erstellt sowie zwei alternative Möglichkeiten für die Orientierung der Rotationspole abgeleitet werden. Die Rotationsperiode wurde zu 10,926 h bestimmt.[8] Messungen am Santana Observatory in Kalifornien im Dezember 2003 und vom 11. bis 13. November 2008 ergeben einen Wert von 10,926 h. Auch eine Bestimmung der Rotationspole und der Form des Asteroiden konnte durchgeführt werden, die zu ähnlichen Ergebnissen wie die Untersuchung von Ďurech et al. führte.[9] Weitere Messungen am Center for Solar System Studies (CS3) in Kalifornien und am Palmer Divide Observatory (PDO) in Colorado vom 22. bis 25. Oktober 2012 in Kombination mit den Daten des Santana Observatory führten zu einem Wert für die Rotationsperiode von 10,928 h.[10]

Zusammensetzung und Oberfläche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits 1979 hatten am Charkiw-Observatorium in der heutigen Ukraine photometrische Messungen von (110) Lydia stattgefunden. Die Messergebnisse wurden später mit entsprechenden Messungen an Meteoritenmaterial, terrestrischen Silicaten und Metallen verglichen. Es wurde gefunden, dass die Oberfläche des Asteroiden nicht rein metallisch ist und erhebliche Silicatanteile enthält. Am wahrscheinlichsten enthielte sie etwa 50 % Metalle und entspräche am ehesten Stein-Eisen-Meteoriten.[11] Aus spektroskopischen Beobachtungen mit der Infrared Telescope Facility (IRTF) am Mauna-Kea-Observatorium auf Hawaiʻi vom 2. bis 4. Mai 2001 konnte festgestellt werden, dass die Oberfläche von (110) Lydia auf allen Seiten des Asteroiden, die beobachtet wurden, neben Silicaten geringfügige Mengen von Orthopyroxen mit niedrigem Fe- und niedrigem Ca-Gehalt enthält.[12]

Am Osservatorio Astrofisico di Asiago in Italien wurde (110) Lydia im November und Dezember 2003 polarimetrisch untersucht. Die gemessenen Polarisationen waren typisch für die taxonomische Zuordnung zum Tholen-M-Typ.[13]

Am 16. und 19. November 2004 wurde (110) Lydia am Telescopio Nazionale Galileo (TNG) am Roque-de-los-Muchachos-Observatorium auf La Palma im sichtbaren und infraroten Bereich spektroskopisch untersucht und mit Meteoriten verglichen. Das Spektrum entsprach am ehesten dem von Pallasiten.[14] Auch an der Infrared Telescope Facility (IRTF) am Mauna-Kea-Observatorium auf Hawaiʻi wurden an mehreren Zeitpunkten im Dezember 2007 und November/Dezember 2008 spektroskopische Untersuchungen des Asteroiden durchgeführt und mit Ergebnissen radarastronomischer Messungen verglichen. Es wurde ein typisches Spektrum von Asteroiden des Xk-Typs gefunden. Ein Vergleich ergab Ähnlichkeiten mit Eisen- und Pallasit-Meteoriten.[15]

Bahndaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach einer Begegnung von (110) Lydia mit dem Asteroiden (66778) 1999 TL221 am 22. März 2010 bis auf etwa 14.800 km Abstand bei einer Relativgeschwindigkeit von 1,6 km/s wurden die präzisen Positionsdaten des Gaia DR3-Katalogs ausgewertet und daraus für (110) Lydia eine Masse von 1,37·1018 kg und bei einem angenommenen Durchmesser von etwa 78,5 km eine Dichte von 5,42 g/cm³ bestimmt.[16]

(110) Lydia bildet mit dem Asteroiden (1393) Sofala ein quasi-complanares Asteroidenpaar.[17] Sie besitzen sehr ähnliche Bahnelemente und bewegen sich nahezu in der gleichen Bahnebene, allerdings sind ihre Apsidenlinien deutlich gegeneinander verdreht. (1393) Sofala besitzt eine kürzere Umlaufzeit um die Sonne als (110) Lydia, so dass sie diese etwa alle 23 Jahre überholt. In den 1000 Jahren um die derzeitige Epoche herum kommen sich die beiden Körper aber nicht näher als 1,2 Mio. km.[18]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. V. Zappalà, A. Cellino, P. Farinella, Z. Knežević: Asteroid Families. I. Identification by Hierarchical Clustering and Reliability Assessment. In: The Astronomical Journal. Band 100, Nr. 6, 1990, S. 2030–2046, doi:10.1086/115658 (PDF; 1,54 MB).
  2. E. F. Tedesco, P. V. Noah, M. Noah, S. D. Price: The Supplemental IRAS Minor Planet Survey. In: The Astronomical Journal. Band 123, Nr. 2, 2002, S. 1056–1085, doi:10.1086/338320 (PDF; 398 kB).
  3. M. K. Shepard, B. E. Clark, M. Ockert-Bell, M. C. Nolan, E. S. Howell, C. Magri, J. D. Giorgini, L. A. M. Benner, S. J. Ostro, A. W. Harris, B. D. Warner, R. D. Stephens, M. Mueller: A radar survey of M- and X-class asteroids II. Summary and synthesis. In: Icarus. Band 208, Nr. 1, 2010, S. 221–237, doi:10.1016/j.icarus.2010.01.017 (PDF; 2,04 MB).
  4. M. K. Shepard, P. A. Taylor, M. C. Nolan, E. S. Howell, A. Springmann, J. D. Giorgini, B. D. Warner, A. W. Harris, R. Stephens, W. J. Merline, A. Rivkin, L. A. M. Benner, D. Coley, B. E. Clark, M. Ockert-Bell, C. Magri: A radar survey of M- and X-class asteroids. III. Insights into their composition, hydration state, & structure. In: Icarus. Band 245, 2015, S. 38–55, doi:10.1016/j.icarus.2014.09.016 (PDF; 3,69 MB).
  5. J. R. Masiero, A. K. Mainzer, T. Grav, J. M. Bauer, R. M. Cutri, J. Dailey, P. R. M. Eisenhardt, R. S. McMillan, T. B. Spahr, M. F. Skrutskie, D. Tholen, R. G. Walker, E. L. Wright, E. DeBaun, D. Elsbury, T. Gautier IV, S. Gomillion, A. Wilkins: Main Belt Asteroids with WISE/NEOWISE. I. Preliminary Albedos and Diameters. In: The Astrophysical Journal. Band 741, Nr. 2, 2011, S. 1056–1085, doi:10.1088/0004-637X/741/2/68 (PDF; 73,0 MB).
  6. J. R. Masiero, T. Grav, A. K. Mainzer, C. R. Nugent, J. M. Bauer, R. Stevenson, S. Sonnett: Main Belt Asteroids with WISE/NEOWISE. Near-infrared Albedos. In: The Astrophysical Journal. Band 791, Nr. 2, 2014, S. 1–11, doi:10.1088/0004-637X/791/2/121 (PDF; 1,10 MB).
  7. D. P. Pray: Lightcurve analysis of asteroids 110, 196, 776, 804, and 1825. In: The Minor Planet Bulletin. Bulletin of the Minor Planets Section of the Association of Lunar and Planetary Observers, Band. 31, Nr. 2, 2004, S. 34–36, bibcode:2004MPBu...31...34P (PDF; 308 kB).
  8. J. Ďurech, M. Kaasalainen, A. Marciniak, W. H. Allen, R. Behrend, C. Bembrick, T. Bennett, L. Bernasconi, J. Berthier, G. Bolt, S. Boroumand, L. Crespo da Silva, R. Crippa, M. Crow, R. Durkee, R. Dymock, M. Fagas, M. Fauerbach, S. Fauvaud, M. Frey, R. Gonçalves, R. Hirsch, D. Jardine, K. Kamiński, R. Koff, T. Kwiatkowski, A. López, F. Manzini, T. Michałowski, R. Pacheco, M. Pan, F. Pilcher, R. Poncy, D. Pray, W. Pych, R. Roy, G. Santacana, S. Slivan, S. Sposetti, R. Stephens, B. Warner, M. Wolf: Physical models of ten asteroids from an observers’ collaboration network. In: Astronomy & Astrophysics. Band. 465, Nr. 1, 2007, S. 331–337, doi:10.1051/0004-6361:20066347 (PDF; 618 kB).
  9. B. D. Warner, R. D. Stephens, A. W. Harris, M. K. Shepard: Coordinated Lightcurve and Radar Observations of 110 Lydia and 135 Hertha. In: The Minor Planet Bulletin. Bulletin of the Minor Planets Section of the Association of Lunar and Planetary Observers, Band. 36, Nr. 2, 2009, S. 38–39, bibcode:2009MPBu...36...38W (PDF; 203 kB).
  10. R. D. Stephens, B. D. Warner: Lightcurves for 110 Lydia and 1680 Per Brahe. In: The Minor Planet Bulletin. Bulletin of the Minor Planets Section of the Association of Lunar and Planetary Observers, Band. 40, Nr. 2, 2013, S. 93–94, bibcode:2013MPBu...40...93S (PDF; 259 kB).
  11. D. F. Lupishko, I. N. Belskaya: On the surface composition of the M-type asteroids. In: Icarus. Band 78, Nr. 2, 1989, S. 395–401, doi:10.1016/0019-1035(89)90186-3 (PDF; 1,00 MB).
  12. P. S. Hardersen, M. J. Gaffey, P. A. Abell: Near-IR spectral evidence for the presence of iron-poor orthopyroxenes on the surfaces of six M-type asteroids. In: Icarus. Band 175, Nr. 1, 2005, S. 141–158, doi:10.1016/j.icarus.2004.10.017 (PDF; 287 kB).
  13. S. Fornasier, I. N. Belskaya, Yu. G. Shkuratov, C. Pernechele, C. Barbieri, E. Giro, H. Navasardyan: Polarimetric survey of asteroids with the Asiago telescope. In: Astronomy & Astrophysics. Band 455, Nr. 1, 2006, S. 371–377, doi:10.1051/0004-6361:20064836 (PDF; 323 kB).
  14. S. Fornasier, B. E. Clark, E. Dotto, A. Migliorini, M. Ockert-Bell, M. A. Barucci: Spectroscopic survey of M-type asteroids. In: Icarus. Band 210, Nr. 2, 2010, S. 655–673, doi:10.1016/j.icarus.2010.07.001 (Preprint: PDF; 999 kB).
  15. M. E. Ockert-Bell, B. E. Clark, M. K. Shepard, R. A. Isaacs, E. A. Cloutis, S. Fornasier, S. J. Bus: The composition of M-type asteroids: Synthesis of spectroscopic and radar observations. In: Icarus. Band 210, Nr. 2, 2010, S. 674–692, doi:10.1016/j.icarus.2010.08.002 (PDF; 1,00 MB).
  16. F. Li (李凡), Y. Yuan (袁烨), Y. Fu (傅燕宁), J. Chen (陈健): Dynamical Masses of 20 Asteroids Determined with Gaia DR3 Asteroid Observations. In: The Astronomical Journal. Band 166, Nr. 3, 2023, S. 1–9, doi:10.3847/1538-3881/ace52b (PDF; 595 kB).
  17. J. L. Simovljević: Duration of Quasi-complanar Asteroids Regular Proximities In: Bulletin de l’Académie serbe des Sciences et des Arts. Band 76, 1981, S. 33–37 (PDF; 1,99 MB).
  18. A. Vitagliano: SOLEX 12.1. Abgerufen am 9. Juli 2020 (englisch).