2S4 Tjulpan

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
2S4 Tjulpan

Vorlage:Infobox AFV/Wartung/Bild ohne Beschreibung

Allgemeine Eigenschaften
Besatzung 5 (Kommandant, Fahrer, Richtschütze, zwei Ladeschützen)
Länge 7,94 m
Breite 3,25 m
Höhe 3,20 m
Masse 28,2 t
Panzerung und Bewaffnung
Panzerung max. 15 mm Panzerstahl
Hauptbewaffnung 240-mm-Granatwerfer M-240 (GRAU-Index 2B8)
Sekundärbewaffnung 7,62-mm-Maschinengewehr PK
Beweglichkeit
Antrieb W-59-V12-Mehrstoffmotor
520 PS (382 kW)
Federung Torsionsstab
Geschwindigkeit 62 km/h (Straße), 25 km/h (Gelände)
Leistung/Gewicht 18,4 PS/t
Reichweite 500 km (auf der Straße)

Die 2S4 Tjulpan (russisch 2С4 Тюльпан; dt.: Tulpe) ist ein sowjetischer Mörser auf Selbstfahrlafette. Der NATO-Code lautet M1975. Er ist der derzeit weltweit größte im Einsatz befindliche Mörser.

Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1950 wurde bei den sowjetischen Streitkräften der gezogene 240-mm-Mörser M-240 (russisch 240-мм миномёт М-240 образца 1950 года; GRAU-Index: 2B8 / 52M864) eingeführt. Der Entwurf dieses Mörsers basierte auf den Erfahrungen der Roten Armee während des Zweiten Weltkrieges.[1] Das Hauptaufgabengebiet dieses gezogenen Mörsers lag in der Bekämpfung von befestigten Stellungen, Bunkern und Gebäuden im Belagerungskampf. Eine gute Mobilität und eine hohe Schusskadenz waren nebensächlich. So dauerte es 25 bis 30 Minuten bis zur Feuerbereitschaft und die Kadenz lag bei rund einem Schuss alle zwei Minuten.[1] Im Zuge der zunehmenden Mechanisierung der Sowjetarmee entstand Bedarf an einer selbstfahrenden Ausführung dieses Mörsers. Diese sollte über Panzerschutz und ein Kettenlaufwerk verfügen, um die gepanzerten mechanisierten Formationen begleiten zu können. Die Entwicklungsarbeiten am Objekt 305 begannen 1966 in den Motowilichawerken (OKB-152) und beim Uralwagonsawod-Tochterunternehmen Uraltransmasch.[2] Im Jahr 1969 waren die ersten drei Prototypen einsatzbereit und ab 1971 wurden die ersten Serienfahrzeuge an die sowjetischen Streitkräfte ausgeliefert.[3] Vom Westen wurde der 2S4 erstmals im Jahr 1975 beobachtet und bekam daher den NATO-Code M1975. 2S4 wurden zunächst nur von der Sowjetunion verwendet. Die Produktion endete in den 1980er-Jahren.[2] Im Jahr 2017 wurde bekanntgegeben, dass bis 2020 alle Tjulpan-Mörser einer Überholung und Modernisierung unterzogen werden sollen.[4]

Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Film, der eine Batterie 2S4 bei einer Übung zeigt. Gezeigt werden dabei die Aufstellung, der Ladevorgang und das Abfeuern der Waffe.
2S4 mit der Waffenanlage in Marschstellung
Laden einer Granate

Das Fahrzeug basiert auf dem kettengetriebenen GM-123 (GMZ)-Fahrgestell und wiegt 28,2 Tonnen. Das Fahrzeug wird von einem W-59-Dieselmotor mit 520 PS Leistung angetrieben.[1] Auf der Straße wird eine maximale Fahrgeschwindigkeit von über 62 km/h erreicht und die maximale Reichweite beträgt 420 bis 500 km.[5] Die fünfköpfige Besatzung ist im vorderen Teil des Fahrzeugs in zwei Kabinen unter ABC-Schutz untergebracht. Zur Selbstverteidigung ist auf der Kommandantenkuppel ein 7,62-mm-Maschinengewehr vom Typ PKT mit einem Kampfsatz von 1500 Schuss montiert. Weiterhin gehören ein Nachtsichtgerät für den Fahrer sowie eine mobile Funkstelle vom Typ R-123M zur Ausrüstung. Im mittleren Bereich des Fahrzeuges sind zwei Trommelmagazine für die Mörsergranaten untergebracht. Jedes Magazin kann 20 Granaten aufnehmen.[3] Am Fahrzeugheck ist der 2B8-Hinterlader-Mörser mit dem Rohrbodenstück, das den Verschluss trägt, untergebracht. Darunter befindet sich die zugehörige Bodenplatte, an der in einer Rohrwiege das Mörserrohr befestigt ist. Für die Fahrt wird das Mörserrohr auf das Fahrzeugdach abgesenkt und die Bodenplatte an das Fahrzeugheck hochgeklappt.

Um den Mörser feuerbereit zu machen und zu bedienen, muss die Besatzung das Fahrzeug verlassen. Dabei wird die Bodenplatte hydraulisch auf den Boden abgesenkt. In der Rohrwiege schwenkt nun das Rohr nach hinten und wird in die Waagerechte angehoben.[6] Das Rohr befindet sich jetzt auf der Höhe des Fahrzeugdachs. Aus einem der automatisch rotierenden Trommelmagazine wird nun eine Granate ausgegeben und mit einem Förderstempel auf dem Fahrzeugdach in das Mörserrohr geschoben.[6] Nach dem Schließen des Verschlusses wird das Rohr wieder abgesenkt, bis es die gewünschte Erhöhung einnimmt.[7] Nun kann die Granate abgefeuert werden und ein neuer Ladevorgang erfolgen. Die maximale Feuergeschwindigkeit liegt bei einem Schuss alle 62 Sekunden. Bei großer Rohrelevation beträgt die Schussfolge einen Schuss alle 72 Sekunden.[2] Der Mörser hat einen vertikalen Richtbereich von +50° bis +80° sowie einen seitlichen Richtbereich von ±10°.[5] Für den Munitionsnachschub stehen separate Fahrzeuge zur Verfügung. Zum Aufmunitionieren und Nachladen verfügt der 2S4 über einen Ladekran auf dem Fahrzeugdach.[7]

Munition für den M240[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

53-F-864-Granate
Name Funktion/Typ Länge Gewicht Sprengkopf/Ladung Schussdistanz
53-F-864 Splittersprenggranate 1,53 m 130,7 kg 31,9 kg Sprengstoff 0,8–9,65 km
3WF2 Splittersprenggranate mit 3M15-Raketenantrieb 2,35 m 228 kg 46,5 kg Sprengstoff 19,7 km
3O8 Granate mit Raketenantrieb für Streumunition unbek. 230 kg 14 O-10-Splitterbomblets zu je 3,9 kg 19,3 km
3WS5 „Сайда Brandgranate mit Raketenantrieb unbek. unbek. 42 kg weißer Phosphor 19 km
1K113 „Smeltschak“ Präzisionsgelenkte Munition 1,63 m 134,2 kg 32,5 kg, Splittergefechtskopf 9,2 km
3WB4 Nukleargranate unbek. unbek. Nukleargefechtskopf mit 2 kT TNT-Äquivalent 9,5 km
3WB11 Nukleargranate mit Raketenantrieb unbek. unbek. Nukleargefechtskopf RD14 (9N232) 18 km
Смола Nukleargranate unbek. unbek. Nukleargefechtskopf mit erhöhter Neutronenstrahlung unbek.
Фата Nukleargranate mit Raketenantrieb unbek. unbek. Nukleargefechtskopf mit erhöhter Neutronenstrahlung unbek.

[2][3][8][9][10]

Gefechtsgliederung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine 2S4-Batterie besteht aus vier 2S4-Selbstfahrlafetten sowie Unterstützungs- und Versorgungsfahrzeugen.[2] Der 2S4 Tjulpan kam innerhalb der Sowjetarmee wegen seiner Fähigkeit zum Einsatz von Nukleargranaten ausschließlich bei der schweren Artillerie auf Brigade- und Divisionsebene zum Einsatz.[3]

Kriegseinsätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Afghanistan[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Selbstfahrlafette 2S4 wurde erstmals während der sowjetischen Intervention in Afghanistan eingesetzt.[3] Bei diesen Einsätzen kam auch erstmals die präzisionsgelenkte Munition „Smeltschak“ zum Einsatz.[8]

Tschetschenien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die russische Armee setzte den Mörser im Tschetschenienkrieg ein, wo die große Explosionskraft im bebauten Gelände hohe Verluste unter der Zivilbevölkerung forderte.[8][11]

Syrien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die syrischen Streitkräfte sollen den Mörser im Februar 2012 innerhalb von Wohngebieten zur Bekämpfung des Aufstands in Homs eingesetzt haben.[9][12] Ebenso kam der 2S4 vermutlich im Kampf um weitere Städte wie Damaskus zum Einsatz.[9]

Ukraine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Krieg in der Ukraine seit 2014 wurde die 2S4 Anfang Juli 2015 von Beobachtern der OSZE auf dem Gebiet der Volksrepublik Donezk gesichtet.[9][13]

Im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 wird der 2S4 ebenfalls eingesetzt. Bis Mitte März 2024 gelang es den ukrainischen Streitkräften, über 40 Mörser zu zerstören.[14][15]

Nutzerstaaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aktueller Nutzer

  • Russland Russland – Per Januar 2022 befinden sich 40 2S4 im Dienst und weitere 390 sind eingelagert.[16]:195

Ehemalige Nutzer

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: 2S4 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c T. J. O'Malley: Moderne Artilleriesysteme. 1996, S. 156–159.
  2. a b c d e A. W. Karpenko: Waffen aus Russland. Moderne Selbstfahrlafetten. 2009, S. 22–26.
  3. a b c d e Andrew W. Hull: Soviet/Russian Armor and Artillery Design Practices: 1945 to Present. 1999, S. 137–139.
  4. Russlands Militär baut wieder Atomkanonen. de.sputniknews.com, 12. November 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 8. Juli 2019.
  5. a b 2S4 Tyulpan M-1975 self-propelled mortar carrier. armyrecognition.com, abgerufen am 29. April 2016 (englisch).
  6. a b 2S4 Tyulpan 240-mm Self-Propelled Mortar. In: Military-Today.com. youtube.com, 3. Dezember 2013, abgerufen am 29. April 2016 (englisch).
  7. a b Самоходный 240-мм миномет 2С4 „Тюльпан“. snariad.ru, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. Mai 2016; abgerufen am 29. April 2016 (russisch).
  8. a b c Sébastien Roblin: The largest-caliber mortar system in the world is shelling cities in Syria and Ukraine (1/2). offiziere.ch, 20. April 2016, abgerufen am 29. April 2016 (englisch).
  9. a b c d Sébastien Roblin: The largest-caliber mortar system in the world is shelling cities in Syria and Ukraine (2/2). offiziere.ch, 25. April 2016, abgerufen am 29. April 2016 (englisch).
  10. Боеприпасы к 240-мм минометам М-240 и 2С4 (арт. часть 2Б8). soviet-ammo.ucoz.ru, abgerufen am 12. Mai 2016 (russisch).
  11. Sonja Zekri: Assad greift zur mörderischen «Tulpe». In: tagesanzeiger.ch. 25. Februar 2012, abgerufen am 7. Juli 2015.
  12. ’Friends of Syria’: Push to End Indiscriminate Shelling. 24. Februar 2012.
  13. Latest from OSCE Special Monitoring Mission (SMM) to Ukraine based on information received as of 19:30 (Kyiv time), 5 July 2015. In: osce.org. OSCE, 6. Juli 2015, abgerufen am 7. Juli 2015 (englisch): „Also in “DPR”-controlled areas, two MBTs were observed…as well as one 240mm mortar (Tyulpan) near Komsomolske (44km south-east of Donetsk).“
  14. Attack On Europe: Documenting Equipment Losses During The 2022 Russian Invasion Of Ukraine. In: oryxspioenkop.com. Abgerufen am 20. Juli 2023 (englisch).
  15. Analysis: Ukrainian army destroys Russian 2S4 240mm mortar revealed by Russian journalist. Abgerufen am 24. Mai 2022 (englisch).
  16. The International Institute for Strategic Studies (IISS): The Military Balance 2022. 1. Auflage. Routledge, London 2022, ISBN 978-1-03-227900-8 (englisch, Stand: Januar 2022).
  17. a b c d e The International Institute for Strategic Studies (IISS): "The Military Balance 1993–1994." Routledge, 1993, ISBN 978-1-857-53038-4.