36 Boys

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Wandbild 36 Boys in der Naunynstraße in Berlin-Kreuzberg, ehemals: Berlin SO 36

Die 36 Boys waren eine Jugendbande im Berliner Ortsteil Kreuzberg.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wohnbauten am Kottbusser Tor, dem „Revier“ der 36 Boys
Das Logo der Kleidermarke 36 Boys

Die Bande war Ende der 1980er Jahre bis Mitte der 1990er Jahre aktiv. Neben türkisch- und kurdischstämmigen Jugendlichen, aus denen sie zu 90 % bestanden haben soll,[1] waren auch andere Nationalitäten in der über 100 Personen großen Gruppe vertreten.[2] Das Gebiet, in dem sich die Bande betätigte, war der Bereich um das Kottbusser Tor bis zu den Wohngebieten zwischen der Naunyn- und der Waldemarstraße, sowie bis zum Görlitzer Bahnhof. Benannt hat sich die Bande wie andere Gangs z. B. in Neukölln auch nach dem ehemaligen Berliner Postbezirk Berlin SO 36.[3] Die Idee zu dem Namen kam von Maxim, einem Mitbegründer der Berliner Rapszene, der 2003 von einem Rentner erstochen wurde.[4] Maxim gründete die 36 Boys ursprünglich als Hip-Hop-Crew.[5]

Anfang der 1990er Jahre lieferte sich die Gruppe Revierkämpfe mit Neonazis und Skinheads, die teilweise im Park der Jungfernheide ausgetragen wurden.[6] Andere rivalisierende Banden waren die Warriors vom Schlesischen Tor und die Black Panthers aus Wedding. Während der Mai-Krawalle in Kreuzberg schlossen sich die 36 Boys anfangs den Autonomen an, eine Allianz, die wegen der fehlenden politischen Ausrichtung der Gruppe nicht lange anhielt.[3] Die Graffiti der 36 Boys waren in ganz Berlin verteilt. In Kreuzberg dienten sie auch zur Markierung des Reviers.[7] Neben den 36 Boys gab es die 36 Juniors (die sich als „Jugendorganisation“ der 36 Boys verstand), die durch ein höheres Gewaltpotential auffielen.[4]

Nach der Auflösung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Berliner Senat hat 2007 ehemalige Mitglieder der 36 Boys als sogenannte Kiez­läufer angestellt, um mit ihrer Hilfe in Kreuzberg präventiv gegen Jugendkriminalität vorzugehen. Tätigkeitsschwerpunkt wurde der Bereich um die Naunynstraße, der vom Senat als No-go-Area bezeichnet worden ist.[8]

Nach der Auflösung der Bande gingen die ehemaligen Mitglieder unterschiedliche Wege. Einige blieben im kriminellen Milieu, andere wie der Koch Tim Raue[9]  – ausgezeichnet vom Gault-Millau – wendeten sich bürgerlichen Karrieren zu. Wiederum andere engagierten sich sozial in Kiezprojekten und Jugendzentren. Das ehemalige Mitglied Sinan Tosun (1972–2023)[10] hatte nahe dem Kottbusser Tor einen Laden eröffnet, in dem er Kleidung mit einem Logo 36 Boys vertrieb.[2] Der Bruder von Sinan, Muzaffer Tosun, Profiboxer im Halbweltergewicht, war ebenfalls Mitglied der 36 Boys, ebenso der Rapper Killa Hakan[11] sowie, in der Vorläufergruppe 36er, der Filmautor und Regisseur Neco Çelik.[12]

In den Medien wird die Jugendbande als prototypische „Gang“ mit Migrationshintergrund beschrieben.[13]

Dokumentationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: 36 Boys – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Plutonia Plarre: Die Brutalität wächst - aber keiner handelt. In: Die Tageszeitung, 26. Januar 1990, S. 21. Abgerufen am 1. Februar 2024.
  2. a b Silja Ukena: Du kannst dein Leben ändern. In: Der Spiegel. Nr. 20, 2009, S. 162 (online).
  3. a b Joachim Fahrun: Kein Respekt mehr vor dem Leben. In Berliner Morgenpost, 13. September 2007.
  4. a b Plutonia Plarre: Ich habe den Asphalt studiert. In: Die Tageszeitung, 1. Dezember 2006, S. 23.
  5. Spaiche: Maxim: Kämpfer an allen Fronten. In: Backspin Nr. 34, 2002, S. 100 ff.
  6. Jeder Deutsche ein Nazi. In: Der Spiegel. Nr. 47, 1990, S. 157 (online – Spiegel-Serie über Jugend und Gewalt in der Bundesrepublik (II): Ausländer-Streetgangs).
  7. Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung Scribo ergo sum: Graffiti
  8. Markus Deggerich: Drei Engel für Kreuzberg. In: Der Spiegel. Nr. 38, 2007, S. 58 (online).
  9. vgl. Thirty-Six-Boys. In: Manfred Günther: Wörterbuch Jugend – Alter, Berlin 2010
  10. Katja Demirci: Nachruf auf Sinan Tosun: Delikanlı – verrücktes Blut. In: Tagesspiegel.de, 21. Juli 2023, abgerufen am 1. Februar 2024.
  11. Ich muß blöd gewesen sein. In: Der Spiegel. Nr. 16, 1997, S. 88 (online – Interview mit Hakan Durmuş).
  12. Blind vor Stolz. In: brand eins. Nr. 05, 2011, S. 48–53 (online).
  13. Torsten Thissen: Akute Bedrohungslage. In Die Welt, 5. Juli 2007
  14. Marie Frank: Doku über die „36 Boys“: Mit Fäusten gegen Diskriminierung. In: Die Tageszeitung, 9. Februar 2024, abgerufen am 13. Februar 2024.