AN/ALQ-119

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ECM-Störgondeln AN/ALQ-101, AN/ALQ-119 und AN/ALQ-131 im National Electronics Museum. (Der AN/ALQ-119 ist der Behälter in der Mitte.)

AN/ALQ-119 ist die JETDS-Typenbezeichnung für einen amerikanischen Störbehälter (englisch ECM-pod), der von Kampfflugzeugen mitgeführt wird, um elektronische Gegenmaßnahmen (EloGM) zum Selbstschutz einsetzen zu können. Er wurde von der Firma Westinghouse (heute Northrop Grumman) produziert und wird seit den 1970er Jahren verwendet.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zweck, Wirkungsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der AN/ALQ-119 schützt Kampfflugzeuge gegen Bedrohung durch radargesteuerte Luftabwehrsysteme, indem er durch elektronisches Stören die Wirkung und Genauigkeit von Radargeräten zur Zielerfassung und Zielverfolgung beeinträchtigt.[1] Entwickelt in der Zeit des Vietnamkrieges war er eines der ersten Störsysteme, welches zugleich die Betriebsmodi Rauschstören und Täuschantwortstören ausführen konnte (englisch dual-mode jammer).

Der AN/ALQ-119 arbeitet in insgesamt drei Frequenzbändern und deckt Bedrohungen im E-J-Band ab.[2][3]

Anbringung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Er wird an Außenlastträgern von Flugzeugen angebracht. Voraussetzung ist jedoch eine entsprechende Verkabelung. Daher ist ein Betrieb in der Regel nur an bestimmten Stationen möglich.[4]

Form[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie bereits der AN/ALQ-101, so hat auch der Behälter des AN/ALQ-119 die Form einer doppelten Gondel. Äußerlich unterscheidet er sich vom AN/ALQ-101 durch ein im vorderen Bereich unten befindliches weiteres Segment.

Aufbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Behälter befinden sich die programmierbare Steuerung, Empfänger und Sender mit Wanderfeldröhren sowie eine Kühlung. Die Antennen befinden sich jeweils vorne und hinten an der Gondel. Dabei sind die Sendeantennen oben und die Antenne für den Empfang darunter angebracht.[5]

Anzahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der AN/ALQ-119 wurde in großer Stückzahl hergestellt und war über viele Jahre eine tragende Säule der US-Ausrüstung für den elektronischen Kampf. Für die Mitte der 1980er Jahre wird von mehr als 1600 produzierten Geräten berichtet.[6]

Bezeichnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bezeichnung AN/ALQ-119 leitet sich aus der Systematik des amerikanischen MIL-STD-196 ab. Dabei ist „AN/“" ein Präfix und verweist auf das „Air/Navy“ System. Die folgende Kodierung zeigt an, dass es sich um

  • ein Gerät für bemannte Luftfahrzeuge (Buchstabe A an der ersten Stelle),
  • für elektronische Gegenmaßnahmen (Buchstabe L an der zweiten Stelle)
  • und für besondere Zwecke, bzw. mit mehreren Funktionen handelt (Buchstabe Q an der dritten Stelle).

ECM-pod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Umgangssprachgebrauch wird an Stelle des Begriffs Störbehälter zumeist der englische Begriff ECM-Pod verwendet.

Programmierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Programmierung und Anpassung des AN/ALQ-119 an die im Einsatzgebiet erwartete elektronische Bedrohung entsprach dem Stand der Technik der 1970er Jahre und war zeitaufwändig und umständlich. Die Parameter mussten für jedes Gerät einzeln mit Hilfe von über 200 Schaltern und Potentiometern auf einer Testbank justiert werden.[7]

Bedienung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bedienpanel im Cockpit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bedient wird der AN/ALQ-119 über ein Panel im Cockpit, über das der Behälter ein- und ausgeschaltet wird und voreingestellte Programme abgerufen werden können. Es gibt verschiedene Typen von Bedienpanels, je nach Flugzeugmuster, bzw. Variante.[8][9]

Compass Tie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Technisch möglich war zudem eine Anbindung des AN/ALQ-119 an den Radarwarnempfänger AN/ALR-46 der Firma Litton Industries. Diese Kombination wurde als Compass Tie bezeichnet.[10][11]

Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorläufer – Nachfolger[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projekt QRC-335 (QRC=Quick Reaction Capability), aus welchem der Störbehälter AN/ALQ-101 hervorging, waren Basis für das Projekt QRC-522. Aus dieser im Jahre 1970 begonnenen Entwicklung entstand das Serienprodukt AN/ALQ-119.[12]

In der ersten Version deckte der AN/ALQ-119 neben der SA-2 auch die SA-3 ab.[10] Ursprünglich für die F-4 Phantom vorgesehen und dort zuerst bei den Wild Weasel in Vietnam im Einsatz, wurde der AN/ALQ-119 schnell zum Standardselbstschutzstörer einer Reihe von US-Kampfflugzeugen, wie z. B. A-10, F-16 und F-111. Im Laufe der Jahre wurde der AN/ALQ-119 immer wieder modernisiert und an veränderte Bedrohungen angepasst. Insgesamt entstanden 17 Varianten. Der AN/ALQ-119(V)17 wurde Anfang der 1980er Jahre zum AN/ALQ-184 weiterentwickelt.[10]

Einsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der AN/ALQ-119 musste sich während des Vietnamkrieges, des Jom Kippur Krieges[10] und in geringer zuletzt auch noch während der Operation Desert Storm[13] im Einsatz bewähren.

Außerdienststellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die US-Luftwaffe musterte den AN/ALQ-119 ab dem Jahre 1992 aus. Ungefähr 700 Geräte wurden zum Preis von 500 Mio. USD zu AN/ALQ-184 umgebaut.[14][15][16]

Verwendung in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland war der AN/ALQ-119 der Standard ECM-pod für den Aufklärer RF-4E Phantom, nach dessen Außerdienststellung er bei der F-4F Phantom bis zu deren Außerdienststellung weiter genutzt wurde. Aktuell findet der AN/ALQ-119 noch zu Ausbildungszwecken Verwendung: Zieldarstellungsflugzeuge der Firma GFD können bis zu zwei dieser Störbehälter an Aufhängungen unter den Tragflächen mitführen und mit Trainingsstörprogrammen elektronische Bedrohungen darstellen. Mit den so erzeugten realen EloGM werden Radarbediener im Erkennen von Störungen und in der Anwendung von elektronischen Schutzmaßnahmen trainiert.[17][18]

Technische Daten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die technischen Daten variieren ja nach Version des AN/ALQ-119.[19]

Version Länge (inch) Länge (Meter) Durchmesser (inch) Durchmesser (cm) Masse (lbs) Masse (kg) Varianten
long version 143 3,63 21 53 575 261 (V) 1, 4, 7, 10, 12, 13
medium version 115 2,92 21 53 400 181 (V) 3, 6, 9, 11, 14
short version 105 2,67 15 38 319 145 (V) 2, 5, 8, 13, 16, 17
  • Frequenzbereich: 2,6–16,5 GHz[20]
  • Leistungsaufnahme: 10,3 kVA[20]

Trägerflugzeuge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nutzer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bernard Blake (Hrsg.): International Electronic Countermeasures Handbook 1996. Horizon House, ISSN 1091-9422.
  • Jane’s Avionics 1987–88. Jane’s Information Group, ISBN 978-0-7106-0846-8.
  • Doug Richardson: An Illustrated Guide to the Techniques and Equipment of Electronic Warfare. Acro Pub, 1985, ISBN 978-0-668-06497-2.
  • Alfred Price: War in the Fourth Dimension. Greenhill Books, London 2001, ISBN 1-85367-471-0.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Andreas Parsch: AN/ALQ to AN/ALT – Equipment Listing. Abgerufen am 22. September 2020 (englisch).
  2. Stephen R. Broadbent (Editor): Jane’s Avionics 1987-88, Seite 172, 6th Edition, London 1987, ISBN 978-0-7106-0846-8
  3. John Pike: ALQ-119 Jamming Pod. Abgerufen am 23. September 2020 (englisch).
  4. Als Beispiel: kein Autor angegeben: TO 1F-4E-1 - Flight Manual USAF Series F-4E Aircraft. Abgerufen am 23. September 2020 (englisch).; |auf Page 5–31, Figure 5–10, Sheet 18 of 23
  5. kein Autor angegeben: kein Titel. Abgerufen am 22. September 2020 (englisch).; Das Schaubild ist stellt zwar das Nachfolgemodell AN/ALQ-187 dar, das Prinzip des Aufbaus gilt aber auch für den AN/ALQ-119.; Hinweis: Das Bild ist eingebettet in die Seite [1]
  6. Stephen R. Broadbent (Editor): Jane’s Avionics 1987-88, Seite 172, 6th Edition, London 1987, ISBN 978-0-7106-0846-8
  7. Charles Ankner: What did you do in the cold war daddy? Abgerufen am 22. September 2020 (englisch).; Im Abschnitt beginnend mit "I cut my teeth on the ALQ-119; a true CPU-less leviathan."
  8. Abbildung eines ECM-Bedienpanels: [2]; abgerufen am 23. September 2020
  9. Abbildung eines anderen ECM-Bedienpanels: [3]; abgerufen am 23. September 2020
  10. a b c d Gian Vito: Westinghouse AN/ALQ-119. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 14. Mai 2021 (italienisch).
  11. Andreas Parsch: AN/ALQ to AN/ALT – Equipment Listing. Abgerufen am 22. September 2020 (englisch).
  12. Andreas Parsch: QRC - Equipment Listing. Abgerufen am 23. September 2020 (englisch).
  13. Carlo Kopp: Operation Desert Storm - The Electronic Battle - Parts 1 - 3; im Part 3, Abschnitt „Defensive Electronic Counter Measures“. Archiviert vom Original am 17. August 2020; abgerufen am 23. September 2020 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ausairpower.net
  14. Stephen R. Broadbent (Editor): Jane’s Avionics 1987-88, Seite 165, 6th Edition, London 1987, ISBN 978-0-7106-0846-8
  15. United States General Accounting Office - Report to the Chairman, Committee on Armed Services, House of Representatives: "Electronic Warfare - Radar Jammer Proliferation continues" vom Februar 1992; im Internet verfügbar unter https://www.gao.gov/assets/160/151527.pdf ; abgerufen am 23. September 2020
  16. James W. Canan: The Electronic Storm. Abgerufen am 23. September 2020 (englisch).
  17. GFD GmbH: Flugzieldarstellung. Abgerufen am 23. September 2020.
  18. Robert Kysela / Check SIX - the military aviation online magazine: Target Towing - GFD / Rendsburg-Hohn. Abgerufen am 23. September 2020 (englisch).
  19. Jon Lake (Hrsg.): Mc Donnel F-4 Phantom – Spirit in the Skies. Aerospace Publishing, London 1992, ISBN 1-874023-28-X, S. 106 (englisch).
  20. a b NATO (Hrsg.): FINAL DECISION OM MC 131 - NATO ELECTRONIC WARFARE EQUIPMENT CATALOGUE. S. J US A 10 (englisch, nato.int [PDF; abgerufen am 23. September 2020]).
  21. EW in the Third World. Abgerufen am 17. Mai 2021 (englisch): „The Egyptian air force is becoming increasingly well equipped with EW systems. The range currently ... "Possible" systems include Thomson-CSF's Serval RWR (Mirage 2000), Westinghouse's AN/ALQ-119(V) jamming pod (F-4E), Tracor's AN/ALE-40(V) dispenser (F-4E and F-16) and Thomson's Remora jamming pod (Mirage 2000).“
  22. AN/ALQ-119 DECM Pod. Abgerufen am 17. Mai 2021 (englisch): „Used by Germany, Japan and Turkey, Egypt, Israel and the USA.“
  23. EW in the Third World. Abgerufen am 17. Mai 2021 (englisch).
  24. F-4EJ Phantom II Kai - 1991. Abgerufen am 17. Mai 2021 (englisch).
  25. F/RF-4E Phantom II in THE TURKISH AIRFORCE. Abgerufen am 17. Mai 2021 (englisch).
  26. AN/ALQ-119 DECM Pod. Abgerufen am 17. Mai 2021 (englisch): „Used by Germany, Japan and Turkey, Egypt, Israel and the USA.“