Abū Hāschim al-Dschubbā'ī

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Abū Hāschim ʿAbd as-Salām ibn Muhammad al-Dschubbā'ī (arabisch أبو هاشم عبد السلام بن محمد الجبائي, DMG Abū Hāšim ʿAbd as-Salām ibn Muḥammad al-Ǧubbāʾī; gest. 933) war ein islamischer Kalām-Gelehrter und Begründer der bahschamitischen Schule der Muʿtazila, die von ihren Gegnern auch Dhammīya genannt wurde. Er ist vor allem für seine Modus-Theorie bekannt.

Abū Hāschim war der Sohn und Schüler von Abū ʿAlī al-Dschubbā'ī (gest. 915) und wirkte nach dessen Tod als Oberhaupt der Muʿtaziliten von Basra. Er verbrachte wahrscheinlich die meiste Zeit seines Lebens in ʿAskar Mukram in Chuzistan und in Basra.[1] Von seinen Werken sind nur die Titel erhalten, doch ist man über seine Lehren recht gut durch die Streitschriften seiner Gegner informiert. Sāhib ibn ʿAbbād at-Tālaqānī (938–95), der Wesir der buyidischen Prinzen Mu'aiyid ad-Daula and Fachr ad-Daula, betrachtete Abū Hāschim als seinen Lehrer.

Abū Hāschim ist vor allem für seine Theorie der Zustände oder Modi (aḥwāl, Sing. ḥāl) bekannt, die eine Antwort auf die viel diskutierte Frage des Verhältnisses zwischen den göttlichen Attributen und dem göttlichen Wesen gab. Während Abū Hāschims Vater Abū ʿAlī al-Dschubbā'ī und die meisten Muʿtaziliten vor ihm aus dem Wunsch nach Bewahrung der absoluten Einheit Gottes die Attribute Gottes mit seinem Wesen identisch erklärt und damit gewissermaßen geleugnet hatte, versuchte Abū Hāschim zwischen der muʿtazilitischen und der sunnitischen Lehre zu vermitteln, indem er diese Attribute für Zustände erklärte. Darunter verstand er Bestimmungen, die dem Wesen der Dinge näher stehen als die davon trennbaren Akzidentien und deshalb nicht allein bei Gott, sondern auch bei den Universalien eine wichtige Rolle spielen. Der Begriff des Zustands leitet sich von der arabischen Grammatik her.[2] Da die Modi nichts Wesenhaftes, sondern nur Erscheinungsweisen Gottes sind, hoffte Abū Hāschim, mit dieser Lehre sowohl die Einheit Gottes als auch die Berechtigung, von Attributen Gottes zu sprechen, retten zu können.

Abū Hāschims Hāl-Theorie hatte großen Einfluss auf den späteren Kalām und die islamische Philosophie. So wie das Konzept des Kasb von den Aschʿariten aufgegriffen und transformiert wurde, wurde auch das Hāl-Konzept von ihnen übernommen und weiter ausgestaltet, so insbesondere von al-Bāqillānī und al-Dschuwainī. Ibn Taimīya zählte Abū Hāschims Theorie von den Modi zusammen mit an-Nazzāms Tafra-Theorie und Abū l-Hasan al-Aschʿarīs Kasb-Theorie zu den drei „Wundern“ (ʿaǧāʾib) des Kalām.[3]

Louis Gardet charakterisierte Abū Hāschims Theorie als eine Art Konzeptualismus und meinte mit ihr auch den Semi-Konzeptualismus von Avicenna und seinem Kommentator Nasīr ad-Dīn at-Tūsī erklären zu können.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ahmed Alami: L’ontologie modale: Étude de la théorie des modes d’Abū Hāšim al-Ǧubbāʾī. Vrin, Paris, 2001.
  • Artikel “Djubbāʾī” in Enzyklopaedie des Islam. Brill, Leiden, 1913–1936. Bd. I, S. 1104b–1105a. Digitalisat
  • Richard Frank: “Abū Hāshim's theory of 'states': its structure and function”, in Actas do Congressu de Estudos Arabes e Islámicos. Leiden, 1971. S. 85–100.
  • Louis Gardet: Art. al-Djubbāʾī in The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. II, S. 569b–570b.
  • Daniel Gimaret: Matériaux pour une bibliographie des Jubbaʾi in Journal Asiatique 264 (1976) 277–332.
  • Daniel Gimaret: Matériaux pour une bibliographie des Jubbaʾi: Note complémentaire. in Michael E. Marmura (ed): Islamic Theology and Philosophy: Studies in Honor of George F. Hourani. SUNY, Albany, 1984. S. 31–38.
  • Max Horten: „Die Modus-Theorie des abū Haschim († 933): Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie im Islam“ in Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 63 (1909) S. 303–324. Digitalisat
  • Max Horten: Die philosophischen Systeme der spekulativen Theologen im Islam. Friedrich Cohen, Bonn, 1912. S. 403–426. Digitalisat
  • Jan Thiele: „Abū Hāshim al-Jubbāʾī’s (d. 321/933) theory of ‘states’ (aḥwāl) and its adaption by Ashʿarite theologians“. In Sabine Schmidtke (Ed.), The Oxford handbook of Islamic theology. Oxford: Oxford University Press, 2016. S. 364–383.
  • Jan Thiele: „Abū Hāshim al-Jubbā’ī“ in Encyclopaedia of Medieval Philosophy 2018. Digitalisat
  • William Montgomery Watt, Michael Marmura: Der Islam II. Politische Entwicklungen und theologische Konzepte. Stuttgart u. a. 1985. S. 299f.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Thiele: „Abū Hāshim al-Jubbā’ī“. 2018, S. 2.
  2. Watt/Marmura: Der Islam II. 1985, S. 299f.
  3. Ibn Taimīya: Minhāǧ as-sunna an-nabawīya fī naqḍ kalām aš-šīʿa wa-l-qadarīya. Ed. Muḥammad Rašād Sālim. Ǧamiʿat al-Imām Muḥammad Ibn-Saʿīd, Riad, 2003. Bd. I, S. 459. Digitalisat