Affäre Magolsheim

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Die Affäre Magolsheim bezeichnet einen Fall von Landfriedensbruch im Jahr 1957. Dabei haben Einwohner des Dorfes Magolsheim (heute ein Stadtteil von Münsingen) das Haus einer Sinti-Familie komplett zerstört. Die Affäre war eines der deutlichsten Zeichen dafür, dass es auch nach dem Nationalsozialismus noch vehementen Antiziganismus in Deutschland gab.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Sinti-Familie hatte 1957 in der kleinen Gemeinde Magolsheim ein Haus erworben. Das Geld war ihr vom Bürgermeister der Gemeinde Herrlingen unter der Bedingung zur Verfügung gestellt worden, dass sie die Stadt verließen.

Die Gemeinde Magolsheim hatte erfolglos versucht, den Einzug der Familie auf legalem Weg zu verhindern. Am Abend des 3. Juni 1957, bevor die Familie einziehen sollte, versammelten sich die Einwohner, um zu beratschlagen, wie sie den Umzug der Familie verhindern können. Der Satz „Reißt doch das Haus nieder!“ soll gefallen sein, sodass gegen 22 oder 23 Uhr[1] eine Gruppe von mehreren Dutzend Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern loszog, um das zweistöckige Wohnhaus gemeinsam bis auf die Grundmauern einzureißen. Dazu benutzten sie Traktoren.

Am nächsten Morgen musste die Sinti-Familie ihren Einzug abbrechen.

Es wurden 31 Personen vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Tübingen angeklagt. Die Anklage lautete auf gemeinschaftlich begangenen Landfriedensbruch und Zerstörung von Gebäuden. Die Verhandlung fand am 15. März 1958 im Sitzungssaal des Landratsamtes Münsingen statt. Unter den Angeklagten war auch der Bürgermeister Anton Wassner[2], die Gastwirte, die Freibier gespendet hatten, und der Lehrer[3]. Ein Jugendlicher musste drei Wochen Arrest absitzen, die weiteren Angeklagten wurden zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Zur Strafe gehörte auch, dass die Gemeinde Magolsheim die 14 000 Mark für das nicht mehr existente Haus in der Hauptstraße an die Gemeinde Herrlingen zurückzahlen musste. Mit diesem Geld baute die Gemeinde Herrlingen ein neues Haus für die Sinti-Familie.

Für die Angeklagten warfen sich Abgeordnete des Landtages und des Bundestages, allen voran Tiberius Fundel, in die Bresche.

Die verurteilten 31 Bürger Magolsheims stellten sich nach der Urteilsverkündigung vor dem Gebäude des Landratsamtes in Münsingen „mit zufriedenen Gesichtern zu einer Gruppenaufnahme in Positur“.[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Stadt Münsingen (Hrsg.): Münsingen – die Fünziger, Münsingen 2002, S. 118.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. „Wir sind Zigeuner“ (Memento des Originals vom 2. Januar 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.swp.de in Südwest Presse vom 18. März 2017.
  2. DER SPIEGEL 13/1958: Zigeuner. Das Kreuz des Kreuz (25. März 1958); eingesehen am 22. März 2022
  3. „Disteln im Auge des Dorfes“ aus der ZEIT NR. 12/1958 vom 20. März 1958.
  4. DER SPIEGEL 13/1958: Zigeuner. Das Kreuz des Kreuz (25. März 1958); eingesehen am 22. März 2022