Akademisches Selbstkonzept

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Akademisches Selbstkonzept ist ein verbreiteter Anglizismus für den Begriff schulisches Selbstkonzept (academic self-concept). Man versteht darunter den Teil des Selbstkonzepts einer Person, der sich im Zusammenhang mit schulischen (akademischen) Bereichen entwickelt. Es enthält alle auf die eigene Person bezogenen Informationen, wie zum Beispiel das Wissen über die eigenen Fähigkeiten, Vorlieben, Überzeugungen und Absichten in schulischen Bereichen wie beispielsweise Mathematik oder Sprachen. Zusätzlich zu dieser kognitiven, das heißt beschreibenden und bewertenden, Komponente beinhaltet das akademische Selbstkonzept auch eine emotionale Komponente, also die Einstellung gegenüber der eigenen Person in schulischen Bereichen auf der emotionalen, gefühlsmäßigen Ebene. Die beiden Komponenten des akademischen Selbstkonzepts sind jedoch zu trennen.[1] In der aktuellen Forschung wird unter dem akademischen Selbstkonzept vornehmlich die kognitive Komponente, das heißt die Selbstwahrnehmung eigener Fähigkeiten und Kompetenzen verstanden.

Struktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Forschung geht man davon aus, dass es ein akademisch/mathematisches und ein akademisch/verbales Selbstkonzept gibt. Diese werden als voneinander unabhängig angesehen. Das akademisch/mathematische Selbstkonzept setzt sich aus den Selbstkonzepten in den naturwissenschaftlichen Bereichen und in Mathematik zusammen, während das akademisch/verbale Selbstkonzept aus den Selbstkonzepten in den einzelnen sprachlichen Bereichen besteht.[2] Inzwischen konnte gezeigt werden, dass das schulische Selbstkonzept noch stärker inhaltsspezifisch gefasst und diagnostiziert werden muss.[3] Entsprechend bilden Schüler für jedes Schulfach fachspezifische schulische Selbstkonzepte aus.[4]

Einflüsse auf das akademische Selbstkonzept[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach anfänglichen Kontroversen über Wirkungsrichtung zwischen Leistung und Selbstkonzept geht man heute davon aus, dass sowohl das schulische Selbstkonzept die Leistung beeinflusst (self-enhancement-model), als auch die Leistung auf das Selbstkonzept rückwirkt (skill-development-model). Es bestehen also wechseitige (reziproke) Zusammenhänge zwischen beiden.[5][6] Sie lassen sich finden, wenn Leistung durch Schulnoten und durch standardisierte Leistungstests erfasst wird.[7] Die Zusammenhänge sind fachspezifisch. So hat zum Beispiel das Selbstkonzept in Mathematik einen höheren Zusammenhang zur Leistung in Mathematik als zur Leistung in Deutsch. Zumindest für den Grundschulbereich und den fachlichen Bereich des Lesens stellt jedoch Forschung mit neueren Methoden die wechselseitigen Zusammenhänge in Frage.[8]

Einen maßgeblichen Einfluss auf das akademische Selbstkonzept einer Person haben die so genannten Referenzrahmen (vergleiche Streblow, 2004). Darunter sind Standards zu verstehen, gegen die eine Person ihre eigenen schulischen Leistungen vergleicht. Für das akademische Selbstkonzept sind drei Vergleichsarten von großer Bedeutung: Der soziale Vergleich (Vergleich der eigenen Leistungen in einem schulischen Bereich mit den Leistungen anderer Personen in demselben Bereich), der dimensionale Vergleich (Vergleich der eigenen Leistungen in einem schulischen Bereich mit den eigenen Leistungen in einem anderen schulischen Bereich);[9][10] und der temporale Vergleich (Vergleich der eigenen Leistung in einem schulischen Bereich mit den eigenen Leistungen in demselben schulischen Bereich zu einem früheren Zeitpunkt). Zu den Auswirkungen des sozialen Vergleichs auf das akademische Selbstkonzept siehe auch: Big-Fish-Little-Pond-Effekt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Herbert W. Marsh: Verbal and math self-concepts. An internal/external frame of reference model. In: American Educational Research Journal. Band 23, Nr. 1, 1986, S. 129–149.
  • Joachim Tiedemann, Elfriede Billmann-Mahecha: Zum Einfluss von Migration und Schulklassenzugehörigkeit auf die Übergangsempfehlung für die Sekundarstufe I. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Band 10, 2007, S. 108–120.
Bücher
  • H. W. Marsh: Self-concept theory, measurement and research into practice: The role of self-concept in educational psychology. British Psychological Society, Leicester, UK 2007.
  • C. Schöne, O. Dickhäuser, B. Spinath, J. Stiensmeier-Pelster: Die Skalen zur Erfassung des schulischen Selbstkonzepts (SESSKO). Hogrefe, Göttingen 2002.
  • Lilian Streblow: Bezugsrahmen und Selbstkonzeptgenese. Waxmann, Münster 2007, ISBN 978-3-8309-1353-5 (zugl. Univ. Diss. Bielefeld)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. A. K. Arens, A. S. Yeung, R. G. Craven, M. Hasselhorn: The twofold multidimensionality of academic self-concept: Domain specificity and separation between competence and affect components. In: Journal of Educational Psychology. Band 103, 2011, S. 970–981.
  2. Elke Wild, Manfred Hofer, Reinhard Pekrun: Psychologie des Lernens. In: Andreas Krapp, Bernd Weidenmann (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. Ein Lehrbuch. Beltz, Weinheim 2006, ISBN 3-621-27564-9, S. 225.
  3. Detlef H. Rost, Jörn Sparfeldt, Susanne R. Schilling: Differentielles schulisches Selbstkonzept-Gitter mit Skala zur Erfassung des Selbstkonzepts schulischer Leistungen und Fähigkeiten. Verlag Hogrefe, Göttingen 2007.
  4. H. W. Marsh, O. Lüdtke, B. Nagengast, U. Trautwein, A. S. Abduljabbar, F. Abdelfattah, M. Jansen: Dimensional comparison theory: Paradoxical relations between self-beliefs and achievements in multiple domains. In: Learning and Instruction. Band 35, 2015, S. 16–32.
  5. Andreas Helmke, Marcel A. van Aken: The causal ordering of academic achievement and selfconcept of ability during elementary school. A longitudinal study. In: Journal of Educational Psychology. Bd. 87, 1995, S. 624–637.
  6. H. W. Marsh, R. G. Craven: Reciprocal effects of self-concept and performance from a multidimensional perspective. Beyond seductive pleasure and unidimensional perspectives. In: Perspectives on Psychological Science. Band 1, 2006, S. 133–163. doi:10.1111/j.1745-6916.2006.00010.x
  7. A. K. Arens, H. W. Marsh, R. Pekrun, S. Lichtenfeld, K. Murayama, R. vom Hofe: Math self-concept, grades, and achievement test scores: Long-term reciprocal effects across five waves and three achievement tracks. In: Journal of Educational Psychology. Band 109, 2017, S. 621–634, doi:10.1037/edu0000163.
  8. J.-H. Ehm, M. Hasselhorn, F. Schmiedek: Analyzing the Developmental Relation of Academic Self-Concept and Achievement in Elementary School Children: Alternative Models Point to Different Results. In: Developmental Psychology. Advance online publication. 2019, doi:10.1037/dev0000796.
  9. Olaf Köller u. a: Zum Zusammenspiel von schulischer Leistung, Selbstkonzept und Interesse in der gymnasialen Oberstufe. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie. Bd. 20, 2006, S. 27–39.
  10. J. Möller, B. Pohlmann, O. Köller, H. W. Marsh: A meta-analytic path analysis of the internal/external frame of reference model of academic achievement and academic self-concept. In: Review of Educational Research. Band 79, Nr. 3, 2009, S. 1129–1167, doi:10.3102/0034654309337522.