Aminoglutethimid

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Strukturformel
Strukturformel von Aminoglutethimid
Racemat
Allgemeines
Freiname Aminoglutethimid[1]
Andere Namen
  • 3-(4-Aminophenyl)-3-ethyl-2,6-piperidindion (IUPAC)
  • 2-(p-Aminophenyl)-2-ethylglutarimid (WHO)
  • (3RS)-3-(4-Aminophenyl)-3-ethylpiperidin-2,6-dion
  • 3-(p-Aminophenyl)-3-ethylpiperidin-2,6-dion
Summenformel C13H16N2O2
Kurzbeschreibung

weißer Feststoff[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 204-756-4
ECHA-InfoCard 100.004.325
PubChem 2145
ChemSpider 2060
DrugBank DB00357
Wikidata Q241150
Eigenschaften
Molare Masse 232,28 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[2]

Schmelzpunkt
Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Achtung

H- und P-Sätze H: 315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​264​‐​271​‐​280​‐​302+352​‐​305+351+338[2]
Toxikologische Daten

625 mg·kg−1 (LD50Rattei.p.)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Aminoglutethimid ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Glutarimide und wird als Arzneistoff verwendet.

Gewinnung und Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aminoglutethimid kann durch eine mehrstufige Reaktion ausgehend von 2-Phenylbutyronitril gewonnen werden. Dieses wird nitriert und das entstandene Zwischenprodukt unter basischer Katalyse mit Acrylsäureester umgesetzt. Ein saurer Ringschluss und anschließende katalytische Hydrierung liefert (R,S)-Aminoglutethimid.[4]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aminoglutethimid ist ein weißer, geruchloser Feststoff mit bitterem Geschmack.[4] Er ist wenig löslich[2] bzw. praktisch unlöslich[3] in Wasser.

Das Molekül hat ein chirales Zentrum am C-3. Aminoglutethimid ist das Racemat der beiden Enantiomere (3R)-3-(4-Aminophenyl)-3-ethylpiperidin-2,6-dion [(+)-Aminoglutethimid] und (3S)-3-(4-Aminophenyl)-3-ethylpiperidin-2,6-dion [(−)-Aminoglutethimid].

Pharmakologisch fungiert Aminoglutethimid als Hemmstoff in der körpereigenen Steroid-Biosynthese. Über die Hemmung der Aromatase vermindert es die Bildung von Estrogenen. Über die Hemmung der Cholesterin-Monooxygenase (P450scc) reduziert Aminoglutethimid ferner die Biosynthese aller hormonell aktiven Steroide, einschließlich der des Cortisols.[5]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aminoglutethimid ist aufgrund seiner aromatasehemmenden (antiestrogenen) Wirkung als Zytostatikum zur Behandlung von hormonsensitiven metastasierenden Mammakarzinomen verwendbar (Orimeten, a. H.).[6][7] Das Enzym Aromatase kommt in verschiedenen Geweben, aber auch in den Zellen des Mammakarzinoms vor.[6] Wegen der hemmenden Wirkung auf die Cortisol-Biosynthese wurde Aminoglutethimid zur Behandlung des Cushing-Syndroms eingesetzt.[8] Es wurde schon 1955 als Hypnotikum und Antiepileptikum eingeführt. Als Nebenwirkungen können Benommenheit und gastrointestinale Störungen auftreten. Die Halbwertszeit im menschlichen Körper beträgt etwa 13 Stunden bei Einmalgabe und 7 Stunden nach 6-wöchiger Behandlung. Die übliche Dosis beträgt 250 mg je Tag.[8][9]

Regulierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über den Safe Drinking Water and Toxic Enforcement Act of 1986 besteht in Kalifornien seit 1. Juli 1990 eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die Aminoglutethimid enthalten.[10]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. INN Recommended List 4, World Health Organisation (WHO), 9. März 1962.
  2. a b c d e f g h i Datenblatt DL-Aminoglutethimid, bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 11. Mai 2023 (PDF).
  3. a b c Monographie „Aminoglutethimide“, European Pharmacopoeia 10th Edition (Ph. Eur. 10.0), EDQM Council of Europe, 2019.
  4. a b c d F.v. Bruchhausen, S. Ebel, A.W. Frahm, E. Hackenthal et al. (Hrsg.): Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. Springer Berlin Heidelberg, 1993, S. 186 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. R.J. Santen, R.I. Misbin: Aminoglutethimide: Review of Pharmacology and Clinical Use. In: Pharmacotherapy, 1981, Band 1, Nummer 2, S. 95–119. DOI:10.1002/j.1875-9114.1981.tb03557.x.
  6. a b Ernst Mutschler: Mutschler Arzneimittelwirkungen. 7. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1996, S. 759.
  7. Aminoglutethimid: eine weitere Waffe gegen das Mammakarzinom, Deutsches Ärzteblatt, 1984.
  8. a b Curt Hunnius, Artur Burger: Hunnius pharmazeutisches Wörterbuch. De Gruyter, 1993, ISBN 978-3-11-086901-9, S. 64 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. A. Kleemann, B. Kutscher (Hrsg.): Ullmann’s Pharmaceuticals. Wiley, 2022, ISBN 978-3-527-80733-8, S. 50 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Aminoglutethimide. OEHHA, 1. Juli 1990, abgerufen am 14. Mai 2023 (englisch).