Anaplastisch-großzelliges Lymphom

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Klassifikation nach ICD-10
C84.6 Anaplastisches großzelliges Lymphom, ALK-positiv
C84.7 Anaplastisches großzelliges Lymphom, ALK-negativ
ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Histologisches Präparat eines ALCL in HE-Färbung.

Das anaplastisch-großzellige Lymphom (ALCL) ist ein malignes T-Zell-Lymphom, das nach der WHO-Klassifikation zu den Non-Hodgkin-Lymphomen gezählt wird. Der Name leitet sich aus den Begriffen ‚Anaplasie‘ und ‚großzelliges Lymphom‘ ab. Es wurde erstmals 1985 als eigenständige Tumorentität beschrieben.[1]

Epidemiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das anaplastisch-großzellige Lymphom kommt vor allem bei Kindern und Jugendlichen vor, aber auch ältere Erwachsene können betroffen sein. Es macht etwa 15 % der kindlichen Non-Hogkin-Lymphome aus.[2] Bei pädiatrischen Patienten beträgt das mediane Erkrankungsalter etwa zehn Jahre. Mit einem Verhältnis von 1,8:1 sind Jungen häufiger betroffen.[3][4]

Klinik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei 60 bis 70 % der Patienten wird die Diagnose erst in einem fortgeschrittenen Stadium (III oder IV) gestellt. Häufig ist eine extranodale (außerhalb von Lymphknoten) Beteiligung von Haut, Knochen und Bindegewebe. Gelegentlich tritt eine Leukozytose auf, vor allem in Form einer Neutrophilie.

Pathophysiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der ALK-positiven Form kommt es zu einer chromosomalen Translokation mit Bildung eines Fusionsproteins. Die häufigste Translokation ist die t(2;5)q(p23;q35). Dabei kommt es zur Bildung eines Fusionsproteins aus Nucleophosmin (NMP) und der Anaplastic Lymphoma Kinase (ALK). Durch dieses Translokation kommt es zu einer Aktivierung verschiedener intrazellulärer Signalwege, die zu einer Tumorentstehung beitragen.[5]

Diagnostik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Immunhistochemie eines ALCL mit Positivität der Tumorzellen für CD30.

Die Diagnose wird mittels einer Biopsie gestellt. Als diagnostische Kriterien fordert die WHO den Nachweis typischer Zellen sowie der Expression des Zytokin-Rezeptors CD30. Prognostisch bedeutend ist der Nachweis der Anaplastic Lymphoma Kinase (ALK). Fast alle Fälle des ALCL im Kindesalter sind ALK-positiv.

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Behandlung findet vorwiegend in spezialisierten Zentren im Rahmen von Therapiestudien statt. Zum Einsatz kommen verschiedene Chemotherapeutika, wie zum Beispiel Methotrexat, Vinblastin, Ifosfamid, Cyclophosphamid und Doxorubicin. Begleitend wird Dexamethason verabreicht.[6]

Seit Ende 2012 ist in der Europäischen Union mit der Substanz Brentuximab-Vedotin ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) zur Behandlung des systemischen anaplastisch-großzelligen Lymphoms (sALCL) verfügbar. Brentuximab-Vedotin verknüpft einen anti-CD30 Antikörper über einen Aminosäure-Linker mit dem Zytostatikum Monomethyl-Auristatin E (MMAE).[7] Das Arzneimittel ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen bei einem Rückfall bzw. Wiederauftreten eines sALCL oder bei einem therapierefraktären (nicht auf die üblichen Therapien ansprechenden) sALCL.[8]

Prognose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Kindern ist die ereignisfreie 5-Jahres-Überlebensrate mit etwa 70–75 % etwas geringer als bei anderen NHL.[3] Allerdings können bei einem Rückfall immer noch 50–60 % der Patienten erfolgreich behandelt werden, so dass die Gesamtüberlebensrate bei etwa 90 % liegt.[9] Erwachsene Patienten mit einem ALK-positiven ALCL haben mit 60 % eine bessere ereignisfreie Überlebensrate als ALK-negative Patienten mit 36 %.[10]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • M. C. Kinney, R. A. Higgins u. a.: Anaplastic large cell lymphoma: twenty-five years of discovery. In: Arch Pathol Lab Med. (2011); 135(1), S. 19–43.
  • H. D. Foss, T. Marafioti u. a.: Die vielen Gesichter des anaplastischen großzelligen Lymphoms. In: Der Pathologe. 2000; 21(2), S. 124–136.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. H. Stein, D. Y. Mason, et al.: The expression of the Hodgkin's disease associated antigen Ki-1 in reactive and neoplastic lymphoid tissue: evidence that Reed-Sternberg cells and histiocytic malignancies are derived from activated lymphoid cells. In: Blood. Band 66, Nummer 4, 1985, S. 848–858.
  2. D. Wright, P. McKeever, R. Carter: Childhood non-Hodgkin lymphomas in the United Kingdom: findings from the UK Children's Cancer Study Group. In: Journal of Clinical Pathology. Band 50, Nummer 2, Februar 1997, S. 128–134, ISSN 0021-9746. PMID 9155693. PMC 499737 (freier Volltext).
  3. a b B. Burkhardt, M. Zimmermann u. a.: The impact of age and gender on biology, clinical features and treatment outcome of non-Hodgkin lymphoma in childhood and adolescence. In: British Journal of Haematology. Band 131, Nummer 1, Oktober 2005, S. 39–49, ISSN 0007-1048. doi:10.1111/j.1365-2141.2005.05735.x. PMID 16173961.
  4. R. D. Gascoyne, P. Aoun u. a.: Prognostic significance of anaplastic lymphoma kinase (ALK) protein expression in adults with anaplastic large cell lymphoma. In: Blood. Band 93, Nummer 11, Juni 1999, S. 3913–3921, ISSN 0006-4971. PMID 10339500.
  5. R. Chiarle, C. Voena, et al.: The anaplastic lymphoma kinase in the pathogenesis of cancer. In: Nature Reviews Cancer. Band 8, Nummer 11, Januar 2008, S. 11–23, doi:10.1038/nrc2291. PMID 18097461
  6. ALCL 99-Studie (Memento vom 17. Dezember 2010 im Internet Archive)
  7. N. M. Okeley, J. B. Miyamoto, Zhang X et al.: Intracellular activation of SGN-35, a potent anti-CD30 anti-body-drug conjugate. In: Clin Cancer Res. 2010; 16, S. 888–897. PMID 20086002
  8. Summary of the European public assessment report (EPAR) for Adcetris
  9. W. Woessmann, M. Zimmermann u. a.: Relapsed or refractory anaplastic large-cell lymphoma in children and adolescents after Berlin-Frankfurt-Muenster (BFM)-type first-line therapy: a BFM-group study. In: Journal of Clinical Oncology. Band 29, Nummer 22, August 2011, S. 3065–3071.
  10. K. J. Savage, N. L. Harris u. a.: ALK- anaplastic large-cell lymphoma is clinically and immunophenotypically different from both ALK+ ALCL and peripheral T-cell lymphoma, not otherwise specified: report from the International Peripheral T-Cell Lymphoma Project. In: Blood. Band 111, Nummer 12, Juni 2008, S. 5496–5504, ISSN 1528-0020. doi:10.1182/blood-2008-01-134270. PMID 18385450.