Arrecina Tertulla

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Arrecina Tertulla (gestorben um 63) war eine Angehörige der gens Arrecina und die erste Frau des römischen Kaisers Titus.

Arrecina Tertulla war die Tochter des Marcus Arrecinus Clemens, der – er gehörte nur dem Ritterstand an – unter Caligula Prätorianerpräfekt war.[1] Im Jahr 41 zählte er zu den Mitverschwörern bei der Ermordung Caligulas.[2] Ihr Bruder war Marcus Arrecinus Clemens, der im Jahr 70 unter Vespasian Prätorianerpräfekt wurde, obwohl er senatorischen Rangs war, und im Jahr 73 erstmals, im Jahr 85 zum zweiten Mal Suffektkonsul war, zudem weitere wichtige Ämter innehatte, bevor ihn der mit ihm eng vertraute Domitian irgendwann nach dem Jahr 83 hinrichten ließ.[3]

Anfang der 60er-Jahre heiratete Arrecina Tertulla den im Jahr 39 geborenen Sohn des späteren Kaisers Vespasian, Titus Flavius Vespasianus, der im Jahr 79 selbst Kaiser werden sollte. Wenige Jahre später starb sie. Titus heiratete nun, noch bevor er um das Jahr 65 sein Amt als Quästor antrat, Marcia Furnilla, mit der er laut Sueton eine Tochter hatte, sich nach deren Geburt aber von ihr scheiden ließ.[4] Namentlich bekannt ist lediglich eine Tochter Iulia, deren Namen Sueton in Zusammenhang mit Marcia Furnilla allerdings nicht erwähnt, obwohl sie in seiner Darstellung des Lebens und des Charakters Domitians eine Rolle spielt.[5] In der Regel wird Marcia Furnilla als Mutter Iulias angesehen.[6] Gavin Townend stellte 1961 die Frage, wie ihr Name Iulia zu erklären ist, da dies nach den Regeln römischer Namensgebung eine Verwandtschaft mit den Juliern erwarten lässt. Für die Arrecinier kann er eine solche Beziehung herstellen, denn ein Iulius Lupus wird von Flavius Josephus als Verwandter (συγγενής) ihres Vaters Marcus Arrecinus Clemens bezeichnet.[7] Im Ergebnis blieb er bei der Einschätzung, dass Iulia die Tochter der Marcia Furnilla war, aber nach der Scheidung im Haushalt des Arrecinus Clemens erzogen wurde und hier nachträglich den Namen Iulia erhielt.[8] Der Lösung widersprach Helmut Castritius, die Verbindung der Arrecinier zu den Iulii Lupi unterstreichend. Er sah als erster Arrecina Tertulla als Mutter der Iulia, sie selbst als die Tochter einer Iulia.[9] Seiner Argumentation für die Mutterschaft der Arrecina Tertulla folgten andere Historiker und Historikerinnen.[10]

Unabhängig von der Frage, ob Iulia ihre Tochter war,[11] wird sie wenigstens zwei Töchter geboren haben, denn Titus hatte laut Philostrat neben Iulia mehrere Töchter.[12] Nur eine stammte aus der kurzen Ehe mit Marcia Furnilla, die namentlich nicht weiter bekannten Töchter werden früh gestorben sein.[13] Losgelöst von der Problematik ihrer Mutterschaft der Iulia wurde erwogen, dass die Mutter der Arrecina Tertulla eine Iulia aus der Familie der Iulii Lupi war.[14]

Von Arrecina Tertulla sind zwei Grabinschriften bekannt, die sie ihren „Lieblingen“ (delicio suo), einem Freigelassenen Marcus Arrecinus Melior[15] und einer Freigelassenen Arrecina Gnomes,[16] hatte setzen lassen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sueton, Titus 4,2; Tacitus, Historien 68,4,2
  2. Sueton, Caligula 56,1; Flavius Josephus, Jüdische Altertümer 19,37–47. 154–155.
  3. Tacitus, Historien 68,4,2; Sueton, Domitian 11.
  4. Sueton, Titus 4,2.
  5. Sueton, Domitian 17. 22.
  6. Vorbehaltlos Brian W. Jones: The Emperor Titus. Croom Helm, London 1984, S. 19; Brian Jones, Robert Milns: Suetonius: The Flavian Emperors. A Historical Commentary, with Translation and Introduction. Bristol Classical Press, London 2002, S. 96; so auch Franz Miltner: Marcia 126. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XIV,2, Stuttgart 1930, Sp. 1606 f. (Digitalisat). Max Fluß: Iulius 552a. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Supplementband VI, Stuttgart 1935, Sp. 134–137. Meret Strothmann: Marcia 9. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 7, Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01477-0, Sp. 853 (Digitalisat). Werner Eck: Titus 3. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 12/1, Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 3-476-01482-7, Sp. 633–634. Mit Vorbehalt Dietmar Kienast: Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, S. 114.
  7. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer 19,190–191.
  8. Gavin Townend: Some Flavian Connections. In: The Journal of Roman Studies. Band 51, 1961, S. 54–62; zuletzt vertrat Thomas D. Kohn: The Enigma of Julia Augusta Titi. In: Historia. Band 71, 2022, S. 459–484, wieder die These, Iulia habe ihren Namen erst als Heranwachsende erhalten.
  9. Helmut Castritius: Zu den Frauen der Flavier. In: Historia. Band 18, 1969, S. 492–502, hier S. 492–494.
  10. Siehe etwa Marie-Thérèse Raepsaet-Charlier: Prosopographie des femmes de l’ordre senatorial (Ier–IIe siècles). Peeters, Löwen 1987, S. 109–110. 324; Ulrike Hahn: Die Frauen des römischen Kaiserhauses und ihre Ehrungen im griechischen Osten anhand epigraphischer und numismatischer Zeugnisse von Livia bis Sabina (= Saarbrücker Studien zur Archäologie und Alten Geschichte. Band 8). Saarbrücker Druckerei und Verlag, Saarbrücken 1994, S. 233; Brian W. Jones: The Emperor Domitian. Routledge, London u. a. 1992, ISBN 0-415-04229-1, S. 38; Miriam Griffin: The Flavians. In: Alan K. Bowman, Peter Garnsey, Dominic Rathbone (Hrsg.): The Cambridge Ancient History. Zweite Auflage. Band 11. Cambridge University Press, Cambridge 2000, ISBN 978-1-139-05439-3, S. 1–83, hier S. 10; Melvin G. L. Cooley: The Flavians (= Lactor Sourcebooks in Ancient History. Band 20). Zweite Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2023, S. 173.
  11. Siehe zusammenfassend auch Gian Luca Gregori, Emanuelle Rosso: Giulia Augusta, figlia die Tito, nipote di Domiziano. In: Anne Kolb (Hrsg.): Augustae. Machtbewusste Frauen am römischen Kaiserhof? Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis II. Akten der Tagung in Zürich 18.–20.9.2008. Akademie Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-05-004898-7, S. 193–210, bes. S. 194–195.
  12. Flavius Philostratos, Vita Apollonii 7,7; zum Wert der Darstellung bei Philostrat siehe etwa Mario Mazza: Parole d’ordine del buon governo nella tarda antichità. In: Maria Letizia Caldelli, Gian Luca Gregori, Silvia Orlandi (Hrsg.): Epigrafia 2006. Atti della XIVe rencontre sur l’épigraphie in onore di Silvio Panciera. Quasar, Rom 2008, S. 1085–1112, hier S. 1091 mit Anm. 27–29.
  13. Gavin Townend: Some Flavian Connections. In: The Journal of Roman Studies. Band 51, 1961, S. 54–62, hier S. 57; Marie-Thérèse Raepsaet-Charlier: Prosopographie des femmes de l’ordre senatorial (Ier–IIe siècles). Peeters, Löwen 1987, S. 316–317; Robert Étienne: Ces morts que l’on compte dans la dynastie flavienne. In: François Hinard (Hrsg.): La mort, les morts et l’au-delà dans le monde romain. Actes du Colloque Caen 20–22 novembre 1985. Université de Caen, Caen 1987, S. 65–90, hier S. 68, geht von mindestens zwei weiteren Töchtern aus
  14. Gavin Townend: Some Flavian Connections. In: The Journal of Roman Studies. Band 51, 1961, S. 54–62, hier S. 57–58; Ronald Syme: Some Arval Brethren. Clarendon Press, Oxford 1980, S. 21; John Nicols: Vespasian and the Partes Flavianae (= Historia Einzelschriften, Band 28). Franz Steiner, Wiesbaden 1978, S. 31–34, machte dagegen darauf aufmerksam, dass die Eltern der Arrecina Tertulla auch eine Arrecina und ein Iulius gewesen sein könnten, obgleich er S. 36–39 akzeptiert, dass Arrecina Tertulla eine Tochter des Prätorianerpräfekten Marcus Arrecinus Clemens war.
  15. CIL 6, 12355; Melvin G. L. Cooley: The Flavians (= Lactor Sourcebooks in Ancient History. Band 20). Zweite Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2023, S. 173.
  16. CIL 6, 12357