Artillerieschule (Hannover)

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Die Artillerieschule in Hannover war eine 1782 von der hannoverschen Armee eingerichtete Schule für die Artillerie[1] und gilt als Vorläuferin der (preußischen) Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule.[2] Standort der Artillerieschule, die mit ihrer Bibliothek schnell zur bedeutendsten militärischen Bildungsanstalt im Kurfürstentum Hannover aufstieg, war der Pavillon am Calenberger Tor.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1766 bis 1803[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stadtplan Hannover 1834; auf dem westlichsten Ravelin in der Verlängerung der Calenberger Straße die „Militärschule;“
Verlag Hahn’sche Hofbuchhandlung

Schon 1766, wenige Jahre dem Siebenjährigen Krieg, richtete Oberst von Estorff „für die Offiziere des 8. Kavallerie Regiments, Dragoner eine erste Offizierschule ein, an der ab 1778 auch der spätere preussische General Scharnhorst lehrte“. 1782 erhielt General von Trew die Genehmigung für eine Artillerieschule, die noch im September desselben Jahres ihren Unterricht aufnahm.[2]

Auf eigenen Wunsch wurde der zuvor im Dragonerregiment Estorff (Garnison Northeim)[4] zum Artillerieleutnant ernannte Scharnhorst an die Kriegsschule Hannover berufen,[5] nachdem König Georg III. von Großbritannien und Irland „unter dem 17. Mai 1782 die Anlegung und Einrichtung einer Artillerie-Schule zu Hannover“ befohlen hatte, die finanziell dem Artillerie-Regiment zugeordnet werden sollte.[6] Unterstützend wirkte das Vermächtnis des Generalleutnants Anton Ulrich Braun,[7] „der seine private Sammlung wissenschaftlicher und militärwissenschaftlicher Literatur dem [hannoverschen] Offizierskorps vermachte“ und so die Grundlage schuf für eine eigene Artillerie-Bibliothek. 1782 wurde Scharnhorst leitender Bibliothekar an der neugegründeten Artillerieschule.[8] Scharnhorst, der spätere Reformator der Preußischen Armee, gehörte der Artillerieschule als zweiter Lehrer[9] bis 1801 an.[1][10]

Nachdem der Generalmajor Georg Josua du Plat durch die negativen Erfahrungen im Siebenjährigen Krieg bereits seit 1763 in mehreren Denkschriften die Einrichtung einer Ingenieurschule gefordert hatte, brachten die positiven Erfahrungen mit der neugegründeten Artillerieschule und eine weitere „Denkschrift [du Plats] an den kommandierenden General von der Decken vom 10. Januar 1783“ schließlich den Durchbruch:[2] 1784 – Scharnhorst wurde zum Leutnant befördert – [9] wurde der Artillerieschule eine den Offizieren vorbehaltene Ingenieurschule angegliedert (bis 1831).[1]

1789 wurde durch königliches Reskript das Verhältnis der beiden Militärschulen neu geregelt: Ein neugeschaffenes, gemeinsames Direktorium führte nun die Oberaufsicht über das Militärbildungswesen, Wilhelm von Freytag und Ernst Franz Carl von Hake wurden zu Direktoren berufen.[3] In den 1790er Jahren unterstand die Artillerieschule von Trew und die Ingenieurschule Oberst Friedrich Christoph Kunze. „Kriegsrat von Hake gehörte der Direktion beider Institutionen an, berichtete und legte die Rechnung gemeinsam mit den jeweiligen Direktoren jeweils am gleichen Tag“. Eine Schenkungsnotiz in der Artilleriebibliothek deutet zudem auf eine auch bibliothekarische Tätigkeit von Hakes.[3]

Rund 100 Jahre nach Knigges Schreiben: Kanoniere mit preußischen Pickelhauben;
Ansichtskarte 406 von Karl F. Wunder, um 1898

Über die Artillerieschule schrieb Adolph Freiherr von Knigge in seinen 1792 veröffentlichten Briefe[n], auf einer Reise von Lothringen nach Niedersachsen geschrieben:

„…schöne Leute … sehr vorteilhaft gekleidet … Das Corps der Offiziere [besteht] aus gebildeten, geschickten, feinen, gesitteten und bescheidnen Männern und Jünglingen … Bey diesen [beiden] Militär-Schulen muß ich Ihnen den Hauptmann Scharnhorst nennen, den ich seiner gründlichen Kenntnisse, seiner edlen Bescheidenheit und seines sanften Charakters wegen gleich hoch schätze.[11]

An den Napoleonischen Kriegen nahm Scharnhorst 1793/94 teil als Adjutant des Generals von Hammerstein. 1801 wurde Hannover vom April bis Oktober durch preußische Truppen besetzt, die so einer französischen Besetzung zuvorkamen.[12] Schon am 19. Mai desselben Jahres wechselte Scharnhorst vom hannoverschen Dienst in den preußischen und verließ damit die Artillerieschule in Hannover. Er blieb jedoch Mitglied der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft und „hat seine Verbindungen zu H[annover] offenbar nie ganz abreissen lassen.“[13] 1803 wurde die kurhannoversche Armee gänzlich aufgelöst – Teile davon kämpften jedoch in der King’s German Legion – und für die Stadt Hannover begann eine beinahe zehnjährige Fremdherrschaft,[12] während der weder an der Artillerie- noch an der angegliederten Ingenieurschule unterrichtet wurde.[3]

Artillerie- und Ingenieurschule 1814 bis 1834[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Noch vor der Schlacht bei Waterloo[12] wurde 1813 die königlich hannoversche Armee neu gebildet und 1814 „der Unterricht in der neueingerichteten Artillerie- und Ingenieurschule wiederaufgenommen“.[14]

Die Schulung der Unteroffiziere und Unteroffiziersanwärter dauerte lediglich ein Jahr und „umfaßte die Fächer Mathematik (Arithmetik und Geometrie), Artillerie und Mechanik sowie Zeichnen, ergänzt durch praktische Übungen.“ Davon getrennt wurden in der zweiten und dritten Klasse die Offiziersanwärter ausgebildet sowie diejenigen Offiziere, die noch keine ausreichenden Qualifikationen für ihren Beruf erlangt hatten. Im Mittelpunkt der zweiten, einjährigen Klasse stand wiederum Mathematik mit den Gliederungen Algebra, Arithmetik, Geo- und Trigonometrie. Erst in der dritten Klasse, die zwei Jahre dauerte, „wurden die sogenannten angewandten Wissenschaften gelehrt, also Artillerie, Mechanik (besonders Ballistik), Taktik, Befestigungskunde und die großen Feldoperationen“.[11]

Während in den Winterhalbjahren die theoretische Unterweisung der Kadetten und Offiziere im Hörsaal stattfand, wurden alle Schüler in den Sommerhalbjahren gründlich in der Praxis unterrichtet. Nach dem damaligen Verständnis wurden die Auszubildenden währenddessen sehr anspruchsvoll praktisch ausgebildet in „Geschützkunde, dem Einsatz der Geschütze, dem Schätzen von Entfernungen, der Geländeaufnahme sowie der Lösung konkreter militärischer Probleme“. Anders als in vergleichbaren zeitgenössischen Militäreinrichtungen wurden die Offizierschüler und Offiziere in Hannover jedoch „über die mit ihrem Dienstgrad verbundenen Funktionen hinaus aus[gebildet].“ Unterstützung fand diese erweiterte Ausbildung durch die Unterrichtung von von Scharnhorst, der die Schüler während seines Unterrichtes auch zu selbständigen Entscheidungen anleitete.[11]

Weitere Lehrer an der Artillerieschule in Hannover waren die ehemalige Mitarbeiter von Carl Friedrich Gauß, Stabskapitän Georg Wilhelm Müller (1785–1835) und der Leutnant Johann Georg Friedrich Hartmann (1796–1834). Hartmann wechselte nach seiner Lehrtätigkeit an der Artillerieschule 1831 an die neugegründete Höhere Gewerbeschule, der späteren Technischen Hochschule Hannover, und unterrichtete dort praktische Geometrie und praktisches Zeichnen.[15]

Die Marieninsel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1843 wurde auf dem Gelände der Artillerieschule die Marieninsel eingerichtet, eine Restauration mit Park, Kegelbahn und Freilichttheater.[16]

Nach der Schlacht bei Langensalza im Deutschen Krieg und dem Ende des Königreichs Hannover[17] wurden ab 1866 auch die letzten Gebäude der Artillerieschule auf dem Artilleriehof abgebrochen.[18]

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Direktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lehrer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerhard Johann David von Scharnhorst, leitender Bibliothekar[8] und zweiter Lehrer[9]
  • 1800–1803: Christian Ziehen, ordentlicher Lehrer[19]
  • Stabskapitän Georg Wilhelm Müller (1785–1835)[15]
  • 1821–1831:[20] Leutnant Johann Georg Friedrich Hartmann[15] (1796–1834), ab 1831 „Lehrer für praktische Geometrie und geometrisches Zeichnen an der Höheren Gewerbeschule, …nebenamtlich Lehrer der mathematischen Geographie an der Generalstabs-Akademie[20]

Schüler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erhaltene Bücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Archivalien haben sich von der Bibliothek der Archivschule insgesamt 731 Titel (ohne Zeitschriften) im Bestand der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek erhalten, zumeist mit einem Exlibris der Archivschule.[3]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Geschichte der Stadt Hannover, Band 1 Von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, S. 199, 246, online über Google-Bücher
  2. a b c Lars Ulrich Scholl: Ingenieurschule 1786 bis 1803. In: Ingenieure in der Frühindustrialisierung / Staatliche und private Techniker im Königreich Hannover und an der Ruhr (1815–1873), zugleich Dissertation von 1977 an der Technischen Universität Hannover, Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften, in der Reihe Studien zu Naturwissenschaft, Technik und Wirtschaft im neunzehnten Jahrhundert, Bd. 10, S. 52ff., online über Google-Bücher
  3. a b c d e Georg Ruppelt (Hrsg.): Von der Büchersammlung zur Bibliothek … (siehe Literatur)
  4. Dietmar Schössler: Clausewitz – Engels – Mahan: Grundriss einer Ideengeschichte militärischen Denkens, in der Reihe Politik / Forschung und Wissenschaft, Bd. 27, Berlin; Münster: Lit, 2009, ISBN 978-3-8258-0220-2, S. 44, online
  5. Karl Gustav von Berneck: Ein Lebensbild Scharnhorsts. In: Blätter für literarische Unterhaltung, Jahrgang 1861, Erster Band, Januar bis Juni (enthaltend: Nr. 1–26.), Leipzig: F. A. Brockhaus, S. 112, online
  6. Louis Heinrich Friedrich von Sichart: Geschichte der königlich-hannoverschen Armee, vierter Band, Fünfter Zeitraum, 1789 bis 1803, Hannover: Hahn’sche Hofbuchhandlung, 1871, S. 134ff., online über Google-Bücher
  7. „60 von ursprünglich 489 Büchern der Stiftung sind erhalten“ laut Thomas Fuchs, Ulrich Kandolf: Die Wehrbereichsbibliothek II und ihre Vorgängerinstitutionen. In: Die Wehrbereichsbibliothek II (Hannover) in der Niedersächsischen Landesbibliothek, S. 171, PDF-Dokument, online
  8. a b Iris Becker: Funktion und Stellenwert von Militärbibliotheken im 18. und 19. Jahrhundert. In: Jutta Nowosadtko, Matthias Rogg (Hrsg.): „Mars und die Musen“. Das Wechselspiel von Militär, Krieg und Kunst in der Frühen Neuzeit, in der Reihe Herrschaft und soziale Systeme in der frühen Neuzeit, Bd. 5, Berlin; Münster: Lit, 2008, ISBN 978-3-8258-9809-0, S. 92; nach: Joachim Kiefert: Militärbibliotheken in Hannover. In: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge 17 (1963), S. 292, online über Google-Bücher
  9. a b c Heinz Stübig: Gerhard von Scharnhorst … (siehe Literatur)
  10. Davon abweichend wird eine Lehrtätigkeit von 1782 bis lediglich 1793 aufgeführt, in: Klaus Mlynek: Scharnhorst, Gerhard Johann David von. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9. Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 537.
  11. a b c Heinz Stübig: Gerhard von Scharnhorst …, S. 31f. (siehe Literatur)
  12. a b c Klaus Mlynek: Napoleonische Kriege. In: Stadtlexikon Hannover, S. 459 f.
  13. Klaus Mlynek: Scharnhorst, Gerhard Johann David von. In: Stadtlexikon Hannover, S. 537
  14. Lars Ulrich Scholl: Artillerie- und Ingenieurschule 1814 bis 1834. In: Ingenieure in der Frühindustrialisierung …, S. 58f., online
  15. a b c Wolfgang Torge: Geschichte der Geodäsie in Deutschland, Berlin; New York: de Gruyter, 2007, ISBN 978-3-11-019056-4, S. 134, online über Google-Bücher
  16. Helmut Knocke: Marieninsel. In: Stadtlexikon Hannover, S. 425
  17. Klaus Mlynek: Deutscher Krieg 1866. In: Stadtlexikon Hannover, S. 130
  18. Arnold Nöldeke: Militärakademie und Generalstabsakademie. In: Stadt Hannover. Die Kunstdenkmale der Stadt Hannover, Teil 1, Denkmäler des „alten“ Stadtgebietes Hannover, Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover Bd. 1, H. 2, Teil 1, Hannover, Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Schulzes Buchhandlung, 1932 (Neudruck Verlag Wenner, Osnabrück 1979, ISBN 3-87898-151-1) Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, hrsg. von der Provinzial-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Denkmäler der Provinz Hannover, S. 392
  19. Johannes Kunisch: Gerhard von Scharnhorst / Private und dienstliche Schriften, in der Reihe Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, hrsg. von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Bd. 52, Köln; Weimar; Wien: Böhlau, S. 7, online
  20. a b Harald Vennegeerts: Johann Georg Friedrich Hartmann (Memento vom 6. Januar 2013 im Webarchiv archive.today), in: Professoren am GIH auf der Seite des Geodätischen Instituts Hannover der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover.
  21. Georg Waitz: Hartmann, Julius von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 688–691.
  22. Karl Karmarsch: Georg Wilhelm Glünder. In: Die polytechnische Schule zu Hannover, zweite, sehr erweiterte Auflage, „Mit drei Blättern Abbildungen des Gebäudes der Anstalt“, Hannover: Hahnsche Hofbuchhandlung, 1856, S. 154 u.ö., online über Google-Bücher
  23. Karl Karmarsch: Arnold Heinrich Deichmann. In: Die polytechnische Schule zu Hannover, 2., sehr erweiterte Auflage, Hannover: Hahn’sche Hofbuchhandlung, 1856, S. 149 u.ö.; online über Google-Bücher
  24. Dirk Böttcher: DEICHMANN, Ludewig Wilhelm Arnold Heinrich. In: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 91f.

Koordinaten: 52° 22′ 11,2″ N, 9° 43′ 21,9″ O