Benutzer:Alex42/Polizei zur Aufstandsbekämpfung

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Polizist des US Federal Protective Service in Schutzkleidung
Die irische Public Order Unit auf der O'Connell Street während der 2006 Dublin Riots.

Eine Polizeieinheit zur Aufstandsbekämpfung (engl. Riot police, span. Policía antidisturbios, franz. Police antiémeute; auch CRC-Kräfte) ist eine Polizeiliche Organisation, die ausgebildet oder ausgerüstet ist, um Menschenmengen, Protesten, Unruhen oder Krawallen entgegenzutreten. In Deutschland wird diese Funktion von den Bereitschaftspolizeien[1][2], in Österreich von den Einsatzeinheiten und in der Schweiz von speziellen Einheiten der Kantonspolizeien wahrgenommen.

Rechtsgrundlage, Zuständigkeit und Zielrichtung unterscheiden sich bei den Bereitschaftspolizeien unterschiedlicher Länder zum Teil erheblich. In einigen Ländern liegt die Zuständigkeit für "crowd and riot control" bei vormilitärisch organisierten Gendamerien. In einigen Fällen fungieren Polizeieinheiten zur Aufstandsbekämpfung als Instrument der politischen Unterdrückung, indem sie Proteste gewaltsam auflösen und Dissens oder zivilen Ungehorsam unterdrücken. In den letzten Jahrzehnten wurde eine zunehmende Militarisierung der Aufstands- und Protestpolizeikräfte in vielen Ländern festgestellt. Auch kommen zunehmend potenziell tödliche Einsatzmittel wie Blendgranaten, Gummigeschosse und scharfe Waffen zum Einsatz.[3][4]

Ausprägungen und Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Polizei zur Aufstandsbekämpfung kann eine reguläre Polizei sein, die in bestimmten Situationen als Bereitschaftspolizei fungiert, oder es kann sich um separate Einheiten handeln, die innerhalb oder parallel zu regulären Polizeikräften organisiert ist. Die Polizei zur Aufstandsbekämpfung wird meist zur Wiederherstellung der durch nationales Recht definierten öffentlichen Ordnung eingesetzt.

Politisch wird teilweise in Deutschland und Mitteleuropa die Militarisierung von Spezialkräften der Polizei kritisiert. In Deutschland gilt ein historisch fundiertes Trennungsgebot zwischen Polizei und Militär. Die Fraktion Die Linke sieht u.a. die regelmäßig stattfindenden internationalen Polizeiübungen „European Union Police Forces Training (EUPFT)“ als Teil der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik als einen Beleg für eine zunehmende Militarisierung. Sie sei "gekennzeichnet durch die Vermischung normaler Polizei- mit paramilitärischen Gendarmeriekräften."[5] Den gemeinsamen Einheiten gehörte auch jeweils ein Zug der Guardia Civil (Spanien) und der Militärpolizei Polens an.[5]

Einsatzmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Demonstranten und Wasserwerfer 9000 im Mittleren Schlossgarten bei den Protesten gegen Stuttgart 21, 30. September 2010
Rheinmetall Defence Survivor R als Sonderwagen 5 der Berliner Landespolizei

Die Einsatzkräfte der Polizeieinheiten zur Kontrolle von Aufständen sind national mit sehr unterschiedlichen Befugnissen und Einsatzmittel ausgestattet.

Fast alle Einheiten setzen als sogenannte Distanzmittel Schlagstöcke (Tonfa), Reizgas und Wasserwerfer ein. International werden vielfach auch Gummigeschosse eingesetzt. Diese können zu massiven Verletzungen und besonders zu irreperablen Schäden der Augen führen. Bei etlichen Einsätzen der französischen Polizei wurde diese erhöhte Verletzungsgefahr dokumentiert. Auch der unsachgemäße Einsatz von Wasserwerfern kann zu erheblichen Verletzungen führen, wie z.B. bei Stuttgart 21. In Deutschland werden hingegen ballistische Systeme zur Markierung von Straftätern in Menschenansammlungen für einen leichteren Zugriff der BFEs diskutiert.

Um den persönlichen Schutz der eingesetzten Kräfte zu gewährleisten sind diese meist mit feuerhemender Einsatzkleidung und modulare Systemen zum Schutz gegen Schläge und Bewurf (Protektoren und Helme) ausgestattet.

Europa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland geht die Bereitschaftspolizei auf preußische deutsch-nationale Polizeiverbände in den 1920er Jahren zurück. Schnell nach dem 2. Weltkrieg wurden am Bundesgrenzschutz orientierte Bereitschaftspolizei-Einheiten aufgestellt. Heute verfügen alle Bundesländer und die Bundespolizei über solche Einheiten. In der DDR wurden stehende Einheiten der Volkspolizei geschaffen.[6]

In der Schweiz übernehmen die Kantonspolizeien die Aufgabe der Aufstandsbekämpfung. 2013 wurde über eine nationale Polizeitruppe für den Einsatz bei Großanlässen und Ausschreitungen nach deutschem Vorbild mit einer stehenden Truppe von rund 300 Polizisten diskutiert. Jedoch wollten die Kantone die Polizeikompetenz nicht an den Bund abgeben und die Idee wurde verworfen.[7]

CRS bei den Gelbwestenprotesten in Frankreich 2018

In Frankreich wurden die militärisch organisierten Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS) und die Gendarmerie Mobile (Einheit der Gendarmerie nationale) speziell zur Aufstandsbekämpfung aufgestellt.

In Italien unterhalten die Carabinieri entsprechende Einheiten. Als einzige europäische Polizeiorganisation stellte sie 1998 mit der Multinational Specialized Unit (MSU), eine eigene Einheit für polizeilichen Aufgaben bei Militärmissionen im Ausland auf. Sie kam bei Peacekeeping Operationen in verschiedenen NATO Einsätzen in Albanien, im Kosovo, Bosnien und Herzegowina und dem Irak zum Einsatz.

Englische Polizisten mit Schildern während der "Brixton riots" in London, 1981.
Als Hollændervogn bezeichnetes Einsatzfahrzeug (Mercedes Benz Vario) der Dänischen Polizei in Kopenhagen 2007

In Dänemark übernehmen normale Polizeieinheiten die Aufgaben der Bereitschaftspolizei.

In Irland unterhält die Nationalpolizei Garda Síochána die Garda Public Order Unit. Neben Einsätzen bei Fußballspielen war sie auch bei den Auschreitung 2006 in Dublin eingesetzt. Sie rekrutiert sich aus Streifenbeamten mit einer zusätzlichen Ausbildung.

Russland und GUS[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Historisch übernahmen die als Inneren Truppen des Innenministeriums bezeichneten Einheiten in vielen Ländern des Warschauer Paktes Aufgaben der Aufstandsbekämpfung. In Russland wurde als deren Nachfolger die Nationalgarde (russisch Росгвардия) als eine Art Gendarmerie im Jahr 2016 gegründet. Befehligt wird die Nationalgarde seit ihrer Gründung von dem Armeegeneral Wiktor Solotow (* 1954). Die Nationalgarde mit ihren etliche Teileinheiten gilt als eines der wichtigsten innenpolitischen Machtinstrumente der russischen Regierung. Das Aufgabenspektrum umfasst nicht nur den Schutz der öffentlichen Ordnung, Kriminalitätsbekämpfung sondern auch die Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus und eine Beteiligung an Territorialverteidigung und dem Grenzschutz. Ihre Einheiten bewachen außerdem kritische staatliche Infrastrukturen.[8]

In Belarus agiert die dem Innenministerium unterstellte OMON als riot police. Sie wird von der Belarussischen Regierung zur Unterdrückung der Demokratiebewegung eingesetzt.[9]

Asien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fast alle Länder in Asien verfügen über Polizeieinheiten zur Aufstandsbekämpfung.

Die Türkische Polizei unterhält mit den Çevik Kuvvet Aufstandsbekämpfungseinheiten, die unter anderem bei den Protesten in der Türkei ab 2013 eingesetzt wurden.[10]

Die Yasam (Hebräisch יס"מ‎) ist die Bereitschaftspolizei der Isralischen Polizei. Die Einheit war maßgeblich an der Rückführung israelischer Siedler aus der Siedlung Amona in der Westbank im August 2005 verantwortlich. Bei Aufständen in Westjerusalem wird die Einheit ebenfalls eingesetzt.[11]

Als politisches Machtinstrument wird die militärisch organisierte Myanmar Police Force in Myanmar von der Militärjunta gegen die Demokratiebewegung eingesetzt. Die Organisationseinheit "Special Branches" ist mit der Zerschlagung von Protesten beauftragt.[12]

Die Kidō-tai ist die japanische schnelle polizeiliche Eingreiftruppe der Prefectural Police Headquarters (PPH). Die Einheiten werden eher als Notfall-Reserve zur Aufrecherhaltung der öffentlichen Ordnung und jeglicher Art von Katastrophenschutz eingesetzt, als als reine Polizei zur Aufstands Kontrolle. Sie sind direkt dem Security Bureau der National Police Agency unterstellt.

Nordamerika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Kanada gibt es Bereitschaftspolizei-Einheiten bei den regionalen Polizeibehörden. In Montreal existiert die GI (Groupe Intervention) bei der SPVM.

In den Vereinigten Staaten existieren mehr als 18.000 unterschiedliche Polizeibehörden parallel. Viele der größeren Departements unterhalten Einheiten zur Aufstandsbekämpfung. Speziell die Polizeien der Bundesministerien und Behörden unterhalten solche Einheiten. Auch die Nationalgarden des Bundes und der Staaten werden zur Aufstandsbekämpfung mit quasi polizeilichen Aufgaben eingesetzt.

Mittel und Südamerika[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Peruanische Bereitschaftspolizei in Lima, 2015

Die Policía Federal unterhält in Mexiko Einheiten zur Aufstandsbekämpfung.

Die Carabineros de Chile unterhalten Einheiten zur Aufstandsbekämpfung in Chile.

In Brasilien, dem größten Land Südamerikas, unterhält die Polícia Militar verschiedene Einheiten zur Aufstands- und Kriminalitätsbekämpfung. Eine der bekanntesten und umstrittensten ist die Rondas Ostensivas Tobias de Aguiar (ROTA) der Polícia Militar im brasilianischen Bundesstaat São Paulo.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • J. Pfister (2017): Protest Policing als transnationale bürokratische Herrschaft. In Herrschaft in den Internationalen Beziehungen (pp. 95-118). Springer VS, Wiesbaden
  • S. Parson (2015): Parks, permits, and riot police: San Francisco Food Not Bombs and autonomous occupations of space. New Political Science, 37(3), 346-362
  • J. Schürkes (2014): Die Befriedung Rio de Janeiros: ein Modell für die Aufstandsbekämpfung im urbanen Raum
  • P. A.Waddington & M. Wright (2008): Police use of force, firearms and riot control. Handbook of policing, 2, 465-496.
  • C. Stott & G. Pearson (2007): Football'hooliganism': policing and the war on the'English disease' (p. 218). London: Pennant Books.
  • J. Earl & S. Soule (2006): Seeing blue: A police-centered explanation of protest policing. Mobilization: An International Quarterly, 11(2), 145-164.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. German riot police cross a small river as the follow anti-nuclear protesters near Lemgrabe. Abgerufen am 4. Mai 2021 (deutsch).
  2. https://www.washingtonpost.com/world/europe/germany-coronavirus-lockdown-protests/2020/11/12/3e9879ea-2422-11eb-9c4a-0dc6242c4814_story.html
  3. Die Militarisierung der Polizei - der Fall Ferguson. In: Deutsche Welle. 16. August 2014; (deutsch).
  4. US police go military with 1033 program. In: Deutsche Welle. 15. August 2014; (britisches Englisch).
  5. a b Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag: Internationale Polizeiübung "European Union Police Forces Training" 2010 in Lehnin. BT-Drs 17/1921 Link
  6. Steike, Jörn. "Von den “Inneren Truppen” zur Bereitschaftspolizei (1953–1990)." Im Dienste der Partei: Handbuch der bewaffneten Organe der DDR (1998): 69-95.
  7. Schweiz - Bereitschaftspolizei ist vom Tisch. In: SRF. 20. November 2013;.
  8. Magarete Klein: Russlands neue Nationalgarde. Eine Rückversicherung für Putin gegen Massenproteste und illoyale Eliten. SWP 2016
  9. Süddeutsche Zeitung: 200 Festnahmen in Minsk. Abgerufen am 4. Mai 2021.
  10. Çevik Kuvvet Taksim Meydanı'na Girdi. In: Haberler. 11. Juni 2013; (türkisch).
  11. Amona Live Updates: After Years of Delay, Israel Evacuates Illegal West Bank Outpost. In: Haaretz. 2. Februar 2017 (haaretz.com [abgerufen am 3. Mai 2021]).
  12. Myanmar Police Force. (englisch).


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