Benutzer:Alexander Leischner/Tissø

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Der Tissø der Gegenwart
Ehemalige Grabungsareal des Herrensitz Fugledegård. Im Vordergrund die Lage des als Kultbezirk angesprochene Gebäude mit Einhägung. Im Hintergrund die ebenfalls mit modernen Steinsetzungen gekennzeichneiten Lagen der Lagerhäuser/Wirtschaftsgebäude
Das große Hallenhaus des Herrensitz Fugledegård (Pfostenlöcher durch Steinsetzungen markiert)

Tissø ist ein frühgschichtlicher Siedlungskomplex und Zentralort und Reichtumszentrum der germanischen Eisenzeit und Wikingerzeit vom 6. bis 11.Jahrhundert am gleichnamigen See Tissø bei Store Fuglede Sogn, Kalundborg Kommune, westliches Seeland in Dänemark.

Der Siedlungskomplex bestand aus einem Ensemble von befestigten Herrensitzen mit Kultbezirken, Wohnsiedlungen und Marktplatz mit handwerklich produzierenden Gewerbebauten und Hafenanlagen mit zahlreichen Importwaren, Metalfunden und verabeiteten kunstfertigen Edelmetalprodukten von großer Funddichte.

Der gesammte Fundplatz liegt natur- und landschaftsräumlich im Naturpark Åmosen westlich des Sees und östlich der Küste zum Großen Belt auf einer leichten [[Werder Anhöhe [Werder, aus festen Sedimenten dominiert durch Lehmansammlungen in nord-südlichen Verlauf zwischen westlich Store Fuglede, nördlich Lille Fuglede und südlich begrenzt durch den Seeabfluss der „Halleby Å“. Der Komplex ist über eine Strecke von 1200 m Länge mit einer Breite von 200 bis 300 m verteilt. Ursprünglich zeigten die Anlagen bedingt durch höhere Wasserstände des Tissø und mithin die „Halleby Å“ eine werderartige (Halb)Insellage, die im Westen und Norden durch die Moorniederungen „Maderne“ und „Ejle Mose“ strategisch gut gesichert war.

Das Gelände umfasste eine Fläche von ca. 500.000 m 2 , davon ca. 93.000 m 2 wurden vom Nationalmuseum in Zusammenarbeit mit dem Kalundborg Museum in den Jahren 1995-2013 ausgegraben. Im Laufe der Jahre wurden mehr als 12.000 Detektorfunde von Eisen, Bronze, Silber und Gold aus der entwurzelten Pflugschicht registriert. Hinzu kommen die vielen anderen Funde von Knochen, Keramik, Glas und Metall, die im Zusammenhang mit den archäologischen Ausgrabungen gefunden wurden. Die Ausgrabungen und Studien der vielen Funde haben deutlich gemacht, dass der Platz von der Mitte des 5. Jahrhunderts bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts existierte. Auf dem Platz wurden zwei Magnatenresidenzen identifiziert. Der erste wurde in Bulbrogård gebaut und der zweite in Fugledegård. Beide Residenzen haben mehrere Bauphasen.


Bulbrogård 6. bis 7. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Bulbrogård, im nördlichsten Teil des Platzes, war im 5. und 6. Jahrhundert die erste Residenz des Platzes. Hier während ca. 150 Jahre errichtete monumentale Gebäude mit großen, dicken Holzpfosten und weiß getünchten, mit Lehm verkleideten Mauern auf einer Fläche von 10.000 m 2 , die von einem Palisadenzaun umschlossen war. Archäologisch äußert sich das größte der Gebäude unter anderem durch die monumentale Bauweise und durch die Verwendung sehr großer Pfosten. Gebäude dieser Art, die nicht für gewöhnliches Wohnen genutzt wurden oder an einem Ende Stallungen hatten, haben in der Archäologie den Begriff "Halle". Die Mitte des 5. Jahrhunderts erbaute Halle war 38 Meter lang und bis zu 7 Meter breit. Es hatte sechs Paar dachtragende Pfosten und drei Eingänge.

Angrenzend an die Halle befand sich ein kleineres Gehege, das ca. 50 Meter lang und ca. 20 Meter breit. An seinem nördlichen Ende war der Zaun mit einem kleineren Gebäude verbunden. Unmittelbar östlich des eingezäunten Geländes befand sich ein weiteres Gebäude. Es war ca. 23 Meter lang, bis zu 6,5 Meter breit und hatte drei Paar dachtragende Pfosten. Dabei ging es auch um ein weiteres Hallengebäude. Südlich des großen eingezäunten Geländes befand sich ein Handwerks- und Gewerbegebiet mit eingegrabenen Werkstatthütten, sogenannten Grubenhäusern. Hier arbeiteten Handwerker als Schmiede und Perlenmacher in Grubenhäusern oder unter freiem Himmel. Zu besonderen Anlässen wurden die etlichen Grubenhäuser wohl von Besuchern bewohnt, die kamen, wenn z.B. religiöse Versammlungen in Tissø. Der Komplex am Bulbrogård brannte in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts nieder. Etwas weiter östlich wurde dann ein neues Wohnhaus errichtet, bestehend aus einer großen Halle, die 34 Meter lang und bis zu 8 Meter breit war. Im Norden wurde ein kleineres Gebäude errichtet. Auch hier war das Ganze von einer Palisade umgeben. Die Halle wurde abgerissen und um das Jahr 700 wurde 600 Meter südlich am Fugledegård ein neues Wohnhaus gebaut.

Fugledegård 7. bis 11. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insgesamt konnten auf Fugledegård vier verschiedene Bauphasen identifiziert werden. Während der ersten drei Bauphasen war die Gebäudestruktur im Wesentlichen dieselbe wie bei Bulbrogård. Zum Beispiel befanden sich Gebäude mit sehr großen Pfosten und weiß getünchten und mit Lehm verkleideten Wänden innerhalb eines Palisadenzauns, und die erste Phase des Komplexes in Fugledegård war ungefähr so ​​​​groß wie in Bulbrogård, wuchs aber in den folgenden Jahrhunderten.

In der dritten Phase am Fugledegård, die aus dem 8. und 9. Jahrhundert stammt, war das zentrale Hallengebäude ca. 48 Meter lang und 12 Meter breit. Sowohl in dieser als auch in den vorherigen Hallen auf demselben Gelände waren die Pfostenlöcher drei Meter tief, weshalb die Hallen eine ganz besondere Konstruktion gewesen sein müssen. Vielleicht hatten sie einen ersten Stock? Funde aus dem Innenraum des Saals zeigen, dass das westliche Ende repräsentativen Zwecken diente, während das andere Ende des Saals vermutlich dem privaten Bereich diente.

Angrenzend an die Halle befand sich ein kleineres Gebäude innerhalb eines speziellen eingezäunten Bereichs, das anscheinend ein Kultgebäude war. Westlich der Halle befanden sich vier Gebäude, die wahrscheinlich als Stallungen oder Lagergebäude genutzt wurden, und etwas nördlich der großen Halle befand sich ein weiteres Gebäude, das vielleicht die Residenz der engsten Krieger des großen Mannes war, seiner Herde. In der Nähe des nördlichen Teils der Palisade befand sich eine Schmiede. Hier wurden auch die frühesten Kalkbrennöfen des heutigen Dänemarks gefunden. Alle diese Gebäude befanden sich innerhalb einer Palisade, die eine Fläche von ca. 18.000 m² . Im Süden wurde die Palisade von einem Tor durchbrochen.

Die letzte und vierte Phase erstreckt sich von der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, bis der Standort Tissø Mitte des 11. Jahrhunderts aufgegeben wurde. In dieser Phase umfasste der Komplex am Fugledegård eine Fläche von ca. 25.000 m² . Ein Hallenbau anderer Art, aber mit den gleichen Abmessungen wie der vorherige, stand zwar weiterhin zentral, aber das eigens umzäunte Areal mit dem Kultgebäude und der Schmiede gehörte nicht mehr zur Anlage. Stattdessen wurden mehrere andere Gebäude hinzugefügt, und der Gebäudebestand wuchs zu einem beispiellosen Ausmaß.

Kalmergården 7. bis 11. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Halleby Å mündet in Storebælt auf der Halbinsel Reersø, die früher eine Insel war. In der Nähe der Bachmündung bei Dalby Hals befand sich ein Landeplatz, der zur gleichen Zeit wie der Platz bei Tissø war. Wenn Schiffe ankamen, wurden ihre Waren sicher umgeladen, damit kleinere Schiffe sie die ca. 7 km Halleby Å hinauf zum Marktplatz bei Tissø. Auf dem Marktplatz am Kalmergården entlang des Flusses gab es eine Konzentration von Gebäuden, und rund 6.000 archäologische Funde aus der Umgebung bezeugen, dass Handwerker und Händler auf dem Platz arbeiteten, der zu bestimmten Jahreszeiten wahrscheinlich als Handelsposten diente.

Auf Kalmergården lebten und arbeiteten Handwerker in kleineren Häusern und Werkstatthütten in der Nähe des Baches. Die archäologischen Funde zeugen beispielsweise von der Schmuck- und Textilherstellung. Die Handwerker stellten wahrscheinlich Luxusgüter für den Magnaten und seinen Haushalt her, waren aber auch Teil des auf dem Gelände florierenden Handels.

Dass in Kalmergården Handel getrieben wurde, wird durch Funde von Waagen, Gewichten und Silber bestätigt. Die lokalen Handelswaren bestanden unter anderem aus den Dingen und Dingen, die die Handwerker herstellten (z. B. Waffen, Kämme und Perlen), während unter anderem arabische Münzen und Gegenstände vom Kontinent und den britischen Inseln von Handelsverbindungen zeugen in weiter entfernte Regionen.

Dalby Hals (Seehafen)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Josefine Franck Bican: Bulbrogård, the first aristocratic complex at Tissø – and a new approach to the aristocratic sites. In: Erwin Strahl (Hrsg.): Herrenhöfe und die Hierarchie der Macht im Raum südlich und östlich der Nordsee von der Vorrömischen Eisenzeit bis zum frühen Mittelalter und zur Wikingerzeit. Gedächnis-Kolloqium Werner Haarnagel (1907 – 1984). (= Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 33). Verlag Marie Leidorf, Rahden/Westf. 2010, S. 147–154.
  • Lars Jørgensen: Tissø (Archäologisch). In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 30, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-018385-4, S. 619–624.
  • Lars Jørgensen: Manor, Cult and Market at Lake Tissø In: Stefan Brink, Neil Price.(Hrsg.): The Viking World. Routledge, London/New York 2008, S. 77–82.
  • Lars Jørgensen: Gudme and Tissø. Two magnates’ complexes in Denmark from the 3rd to the 11th century AD. In: Babette Ludowici (Hrsg. et al.): Trade and Communication Networks of the First Millennium AD in the northern part of Central Europe: Central Places, Beach Markets, Landing Places and Trading Centres. (= Neue Studien zur Sachsenforschung 1). Niedersächsisches Landesmuseum Hannover 2010, ISBN 978-3-8062-2412-2, S. 277–286.
  • Eva Nyman: Tissø (Namenkundlich). In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 35, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2007, ISBN 978-3-11-018784-7, S. 172.
  • Egon Wamers (Hrsg.): Odin, Thor und Freyja Skandinavische Kultplätze des 1. Jahrtausends n. Chr. und das Frankenreich. Eine Ausstellung des Archäologischen Museums Frankfurt und des Dänischen Nationalmuseums Kopenhagen. Verlag Schnell & Steiner GmbH, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3220-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]