Benutzer:Automobilia8545/Steuer-PS

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Steuer-PS ist eine Maßeinheit, mittels derer jn früheren Zeiten in fast allen Staaten die für den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges zu entrichtende Steuer bemessen wurde.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ausgangslage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als ab 1885/6 die ersten Automobile mit Ottomotor am Straßenverkehr teilnahmen, tauchte bald der Wunsch auf, sie zu klassifizieren. Hierbei war die Leistung des jeweiligen Motors ausschlaggebend: Sie bestimmte, welche Lasten an Personen und Material transportiert werden konnte und welche Höchstgeschwindigkeit erreicht werden konnte. Problematisch war allerdings das Messen dieser Leistung: War sie an der Kurbelwelle, am Schwungrad, an der Antriebswelle zu messen, war sie mit oder ohne Luftfilter, Schalldämpfer und sonstige Zusatzaggregate zu messen, wie waren Höchst- und Dauerleistung zu bestimmen, wie bei Serienfertigung die Serienstreuung, verursacht durch die damals noch sehr großen Fertigungstoleranzen? Einheitliche Motorenprüfstände gab es nicht, und so herrschte hier größte Unsicherheit.

Messung der Motorleistung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Folgezeit, also im wesentlichen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, waren es vor allem die Automobilbesitzer-Vereinigungen der einzelnen Staaten, die sich zum Schutze ihrer Mitglieder bemühten, einheitliche für den jeweiligen Staat geltende Regeln zu entwickeln, wie die Motorleistung zu messen und zu bemessen war.

Besteuerung von Automobilen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Davon unabhängig kam ein Interesse des Staates auf, den Besitz eines Automobils zu besteuern. Schließlich verlangte die Tatsache, daß sich vermehrt Fahrzeuge mit bislang nie erreichten Geschwindigkeiten auch unter bislang ungewohnter Lärmentwicklung im Verkehr bewegten, nach besonderen (Kosten auslösenden) Schutzvorrichtungen, die von der Allgemeinheit zu finanzieren waren. Daneben sorgte allgemein vorhandener Neid dafür, daß eine große Mehrheit es begrüßte, den "Reichen" (die sich ein Automobil leisten konnten) eine zusätzliche Steuer aufzubürden. Um indessen staatlicher Willkür vorzubeugen, mußte diese Steuer (die natürlich auch je nach Motorleistung gestaffelt sein sollte) aufgrund genau ermittelbarer Daten fixiert werden. Dazu waren aber die von den Automobilclubs angestellten Überlegungen häufig mangels exakt meßbarer Größen nicht geeignet. So entwickelte sich in allen Staaten der Begriff der „Steuer-PS“ (englisch „tax HP“, französisch „Cheval fiscal“, italienisch „cavalli fiscali“ (CF) oder „potenza fiscale“ u.a.m.) zur Bemessung der zu entrichtenden Kraftfahrzeugsteuer.

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erste Regelung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland wurde erstmalig im Reichsstempelgesetz vom Juni 1906 die Besteuerung von Kraftfahrzeugen geregelt. Nach einer in diesem Gesetz aufgestellten Formel berechnete sich die Kraftfahrzeugsteuer wie folgt:

1 Steuer-PS = 0,3 x i x d²x s, hierbei bedeutete:
i = Anzahl der Zylinder
d = Zylinderbohrung in cm
s = Kolbenhub in m
Rechnet man dies nach, so entsprach 1 Steuer-PS einem Hubraum von 261,8 cm³[1].

Die Analyse dieser Formel ergibt: Einerseits wollte man sich an der Formel für die Berechnung eines Zylinderinhaltes (Pi x (Radius)² x Höhe) orientieren, gleichzeitig aber den Gebrauch der irrationalen Zahl Pi (dem Grundsatz der Bestimmtheit von Gesetzen folgend) vermeiden.

Auswirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Erlaß des Gesetzes im Jahr 1906 konnte ein Viertakt-Ottomotor aus 261,8 cm³ Hubraum etwa 1,5 bis 2 effektive PS entwickeln, wie Vergleiche mit damals gebauten Autos zeigen.

Auf die Konstruktion von Automobilmotoren hatte das Gesetz folgende Auswirkungen:

  • Die Bezeichnung der Kraftfahrzeugtypen änderte sich: Bislang hatte man häufig die Typenbezeichnung nach der Dauer- und Höchstleistung gewählt: Der Benz 28/30 PS war also ein Kraftfahrzeug mit einer Dauerleistung von 28 und einer kurzfristigen Höchstleistung von 30 PS. Dasselbe Fahrzeug hieß ab 1907 „Benz 18/28 PS“, woraus man auf 18 Steuer-PS (also maximal 4712 cm³ Hubraum) und eine effektive Dauerleistung von 28 PS schließen konnte. Diese Bezeichnung war gleichzeitig werbewirksam: "Du hast 28 PS zur Verfügung, mußt jedoch nur 18 versteuern!"
Benz 6/18 PS von 1920
  • Einerseits wollte man die in 261,8 cm³ Abstand angesetzten Hubraumgrenzen jeweils voll ausschöpfen: So hatte z.B. der Benz 6/18 PS von 1920 (4 Zylinder, 68 mm Bohrung, 108 mm Hub) genau 1570 cm³ Hubraum oder 5,997 Steuer-PS. Beliebt waren bei die Motormaße von 85 mm Bohrung und 115 mm Hub oder 80 mm Bohrung und 130 mm Hub: In beiden Fällen errechnen sich beim Vierzylindermotor 2610 cm³ Hubraum oder 9,97 Steuer-PS, beim Sechszylindermotor 3915 cm³ Hubraum oder 14,954 Steuer-PS.
  • Andererseits war man bemüht, die Literleistung der Motoren zu steigern: Für das Auto sollte eine möglichst geringe Steuer entrichtet werden, gleichwohl sollte es eine möglichst hohe Leistung haben. Dies ging natürlich zunächst auf Kosten der Haltbarkeit der Motoren. Auf Dauer führte es indessen dazu, daß man besonders bemüht war, durch Entwicklung neuer Legierungen und anderer Mittel die Haltbarkeit der Motoren zu stärken. Das führte schließlich dazu, daß Deutschland führend im Bau kleiner und sparsamer, aber gleichwohl haltbarer Motoren wurde.

Weitere Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1922[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Ersten Weltkrieg kamen für Kleinwagen vermehrt Zweitaktmotoren in Gebrauch, die konstruktionsbedingt eine erheblich höhere Literleistung aufwiesen. Mit Gesetz vom 8.4.1922 wurde daher verfügt, daß zur Berechnung der Steuer-PS von Zweitaktmotoren folgende Formel gelten sollte:

1 Steuer-PS = 0,45 x i x d²x s, 1 Steuer-PS entsprach beim Zweitaktmotor daher 175,5 cm³.

In den 1920er Jahren kostete die jährlich zu entrichtende Steuer für einen Pkw mit 4 Steuer-PS 132.- Reichsmark (RM) [2]. 1927 betrug der durchschnittliche Stundenlohn eines gelernten Arbeiters etwa 80 Pfennige[3], mithin der Monatslohn bei 200 Arbeitsstunden im Monat 160.-RM. Allein die Kfz-Steuer machte daher noch in den 1920er Jahren die Anschaffung eines Automobils für die Masse der arbeitenden Bevölkerung unerschwinglich.

1928[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch das Kraftfahrzeugsteuer-Gesetz vom 1.4.1928 wurde die Steuer nach dem jeweiligen Hubraum (in 100er-Schritten) versteuert, der Begriff "Steuer-PS" entfiel damit. Um die Verwendung der irrationalen Kreiszahl Pi zu vermeiden, wurde ab jetzt der Hubraum nach folgender Formel berechnet:

0,00078 x Zylinderzahl x (Zylinderbohrung in mm)² x Kolbenhub in mm.
Bruchteile von mm unter 0,5 mm sind abzurunden, ab 0,5 mm und mehr mit 0,5 mm zu berechnen[4].
Durch Verwendung der Konstante 0,00078 ist der steuerlich relevante Hubraum um einige cm³ geringer als der tatsächliche. Dies soll an zwei Beispielen erläutert werden:
Opel Kapitän P2,6 von 1963
  • Der Opel Kapitän P2,6, gebaut von 1959–1963, hatte einen Sechszylindermotor mit 85 mm Bohrung und 76,5 mm Hub. Der Hubraum betrug daher 2605 cm³[5]. Nach Anwendung der obigen Formel errechnete sich aber ein steuerlich relevanter Hubraum von nur 2587 cm³, das Auto war also als 2,6-Liter-Wagen und nicht als 2,7-Liter-Wagen zu versteuern.
Mercedes-Benz Motor Typ M117, Schnittmodell
  • Der von 1969–1980 gebaute Motor Mercedes M 117 hatte 8 Zylinder, eine Bohrung von 92 und einen Hub von 85 mm. Damit betrug sein Hubraum 4520 cm³, nach der Steuerformel jedoch nur 4489 cm³.

Die Kfz-Steuer für Lkw wurde ab jetzt nach dem Gewicht des Fahrzeugs berechnet.

1933[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neuwagen waren ab sofort von jeglicher Kraftfahrzeugsteuer befreit. Vor 1933 gebaute Automobile konnte gegen Zahlung der doppelten Jahressteuer für alle Zukunft von jeglichen Kfz-Steuern befreit werden[6].

Damit wurde für größere Teile der Bevölkerung die Anschaffung eines Pkw möglich. Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Pkw stieg von 485.828 Stück (1932)[7] auf 1.271.983 Stück (1938)[8] und damit etwa um das 2,6-Fache.

1948[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Kfz-Steuer nach den 1928 entwickelten Prinzipien wurde wieder eingeführt. Allerdings wurden die jährlich zu entrichtenden Beträge niedriger angesetzt, sodaß sie neben den sonstigen Kosten für Beschaffung und Betrieb eines Automobils heute nicht mehr ins Gewicht fallen.

Österreich-Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Austro-Daimler 14/32 PS

Österreich-Ungarn führte das deutsche System etwa um 1910 ein, wie zahlreiche Typenbezeichnungen belegen (Austro-Daimler 9/30 PS Alpenwagen, 14/32 PS, 18/36 PS; Puch Alpenwagen 14/38 PS, Gräf & Stift 28/45 PS, 35/65 PS, Premier 4/12 PS).

Zumindest in Österreich blieb dieses Besteuerungssystem auch noch nach 1918 längere Zeit in Gebrauch, wie aus den Typenbezeichnungen Austro-Fiat 9/24 PS, Austro-Daimler AD 6-17, Austro-Daimler 10/40 PS, 10/45 PS und 12/100 PS, Austro-Daimler 17/60 PS hervorgeht.

Belgien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Großbritannien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Oswald S.532
  2. Oswald S.533
  3. Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1927, S.319
  4. Oswald S.532/533
  5. Oswald, Deutsche Autos 1945-1990 S.195
  6. Oswald S.533
  7. Tatsachen und Zahlen aus der Kraftfahrzeugwirtschaft Jahrgg. 1932 S.28
  8. Tatsachen und Zahlen aus der Kraftfahrzeugwirtschaft Jahrgg. 1938 S.16