Benutzer:Complex/3R

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Als Dritte Republik bezeichnet man den französischen Staat zwischen 1870 und 1940. Am Ende des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 gegründet, konnte sie sich nach erheblichen Schwierigkeiten durchsetzen und blieb bis zu ihrem Ende 1940 durch häufige innen- und außenpolitische Krisen erschüttert. Charakteristisch für das politische System war die hohe Anzahl schnell wechselnder Regierungen bei dennoch hoher personeller Stabilität.

Die Dritte Republik endete 1940 mit der erneuten Kapitulation gegen Deutschland, als Nordfrankreich von Deutschen besetzt wurde und Philippe Pétain in Vichy den „Französischen Staat“ (État Français) gründete.

Gründung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sitzverteilung in der Nationalversammlung nach den Wahlen vom 8. Februar 1871

Nachdem in der Schlacht von Sedan am 2. September 1870 der französische Kaiser Napoléon III. gefangen genommen wurde und sich die Hauptarmee Frankreichs ergab, rief Léon Gambetta am 4. September die Republik Paris die Republik aus. Eine provisorische Regierung der nationalen Verteidigung (gouvernement provisoire de la Défense nationale), der unter anderem Jules Favre, Jules Ferry, Léon Gambetta und Jules Simon angehörten, wurde gebildet. Die provisorische Regierung versuchte zunächst, den Krieg gegen Deutschland fortzuführen, war aber am 28. Januar 1871 gezwungen, einen Waffenstillstand zu unterzeichen, der auch eine Neuwahl der Nationalversammlung vorsah. Bei den für den 8. Februar angesetzten Wahlen konnten die Monarchisten, die sich als Garanten des Friedens ausgaben und breite Unterstützung der Bevölkerung in der Provinz fanden, eine deutliche Mehrheit erringen.

Die Nationalversammlung, die zunächst in Bordeaux tagte, wählte den Orléanisten Adolphe Thiers zum Leiter der Exekutive (chef du pouvoir exécutif de la République française), der den Präliminarfrieden mit dem Deutschen Reich akzeptierte. Nach der Unterzeichnung des Vorfriedens von Versailles am 26. Februar 1871, in dem Frankreich das Elsass mit Ausnahme des Territoire de Belfort und einen Teil Lothringens an das Deutsche Kaiserreich abtrat und sich auf eine Zahlung von für die damalige Zeit hohe Summe von fünf Milliarden Francs verpflichtete, wählte die Nationalversammlung am 20. März Versailles als ihren Sitz und nicht Paris, das sich schon im Aufstand der Pariser Kommune befand. Die Pariser Kommune wurde Ende Mai 1871 blutig niedergeschlagen, es kam zu rund 30.000 Todesopfern und rund 40.000 Verhaftungen.[1]

Trotz des großen Erfolges bei den Wahlen konnten die Monarchisten eine erneute Restauration (Geschichte) der Monarchie nicht durchsetzen. Schon bei den Nachwahlen zur der Nationalversammlung errangen die Republikaner erste Erfolge und es deutete sich heraus, dass die Sitzverteilung in der Kammer nicht mit den politischen Kräfteverhältnissen übereinstimmte. Als sich Thiers als konservativer Republikaner erwies, wurden erst seine Befugnisse erst von der monarchistischen parlamentarischen Mehrheit erst beschränkt und er später am 24. Mai 1873 abgewählt. Sein Nachfolger Patrice de Mac-Mahon scheiterte ebenfalls an der Restauration der Monarchie, da der Thronprätendent Henri d’Artois sich weigerte, die Trikolore anstelle des weißen Lilienbanners zu akzeptieren.

Außenpolitisch hatte es der neue Staat zunächst schwer. Bismarck sorgte für seine außenpolitische Isolierung, und als einzige längerfristig bestehende europäische Republik neben San Marino und der Schweiz hatte der Staat mit dem Misstrauen der anderen, monarchischen Mächte zu rechnen.

Konsolidierung der Republik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verabschiedung der Verfassung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem alle Versuche, die Monarchie wieder einzuführen, scheiterten, wurde mit der Arbeit begonnen, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Dies mündete jedoch nicht in einem gesammelten Verfassungstext, sondern in drei Verfassungsgesetzen (lois constitutionnelles) ohne Präambel und Grundrechtskatalog. Dies waren im einzelnen:

  • das Gesetz vom 24. Februar 1875 über die Organisation des Senates,
  • das Gesetz vom 25. Februar 1875 über die Organisation der Staatsgewalt,
  • das Gesetz vom 16. Juli 1875 über die Beziehungen zwischen den Staatsgewalten.

Die Legislative wurde in zwei Kammern geteilt, die zusammen ein Parlament (Assemblée nationale) bildeten. Die Abgeordnetenkammer (Chambre des Députés) mit mehr als 600 Abgeordneten wurde durch ein Allgemeinwahlrecht gewählt. Der Sénat, bestehend aus 300 für neun Jahre gewählten Senatoren wurde alle drei Jahre in einem Drittel neu gewählt. Die Mitglieder des Senats wurden indirekt von den Wahlkomitees (collèges électoraux) der Départements oder der Dorfgemeinschaften gewählt.

Das Haupt der Exekutive war der Präsident, gewählt für sieben Jahre durch die Assemblée nationale. Der Präsident hatte eine starke Stellung in der Verfassung. Er konnte mit Zustimmung des Senats die Abgeordnetenkammer auflösen und ernannte den Ministerrat (Conseil des ministres). Der Ministerrat, verantwortlich gegenüber dem Abgeordnetenhaus und dem Senat, wurde primus inter pares von dem Premierminister, dem Président du Conseil; dieses Amt fand aber keine explizite Erwähnung in den Verfassungstexten. Der Präsident war politisch nicht gegenüber der Assemblée nationale verantwortlich, lediglich bei einer Anklage des Präsidenten wegen Hochverrats konnte der Senat als Hoher Gerichtshof (Haute Cour de justice) fungieren und über den Präsidenten urteilen.

Ausdrückliche Erwähnung der Staatsform erhielt die Verfassung erst während der Beratung im Parlament durch einen Änderungsantrag (amendement) des Abgeordneten Henri Wallon. Der nach ihm benannte Amendement Wallon schlug vor, das Staatsoberhaupt explizit als Président de la République zu bezeichnen. Dieser Änderungsvorschlag wurde mit 353 zu 352 Stimmen knapp angenommen und verankerte implizit die republikanische Staatsform in der Verfassung.

Diese verabschiedete Verfassung kann durchaus als Kompromiss zwischen Orléanisten und Republikanern verstanden werden: Die Orléanisten verzichteten zu Gunsten der Republikaner auf das Zensuswahlrecht, die Republikaner stimmten ihrerseits zu, mit dem Senat eine zweite Kammer zu schaffen, die die eher konservativ wählenden ländlichen Gebiete bevorzugte.[2][3]

Krise vom Mai 1877[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zusammensetzung der Abgeordnetenkammer nach den Wahlen 1876

Bei den Wahlen zur Abgeordnetenkammer im Februar und März 1876 konnten sich die Republikaner durchsetzen und gewannen die absolute Mehrheit, wodurch sich eine Mehrheit der Mitte und der Linken in der Abgeordnetenkammer und ein konservativer Staatspräsident gegenüberstanden. Diese Art der Cohabitation[3] gipfelte am 16. Mai 1877 in einer Machtprobe, als Präsident Mac-Mahon in einem Schreiben an den Regierungschef Jules Simon, ob er glaube, immer über die Abgeordnetenkammer „genügend Einfluss habe, um seine Ziele durchsetzen zu köennen“[4] Die republikanischen Abgeordneten werteten dies als Machtmissbrauch Mac-Mahons gegen das allgemeine Wahlrecht. Nach Simons Rücktritt ernannte Mac-Mahon den konservativen Albert de Broglie zum Président du Conseil, woraufhin die Abgeordnetenkammer de Broglie ihr Misstrauen aussprach. Mac-Mahon löste die Abgeordnetenkammer daraufhin mit Zustimmung des Senats auf. Am 15. August proklamierte Gambetta auf einer Rede in Lille, dass Mac-Mahon nach der Wahl nur die Wahl habe, „sich zu fügen oder zurückzutreten.“[5]

Die Neuwahlen der Kammer vom 14. und 28. Oktober verliefen für die Republikaner, die mit 321 Sitzen erneut eine absolute Mehrheit der Sitze erlangten, erfolgreich. Nachdem Mac-Mahon den Bonapartisten Gaëtan de Rochebouët zum Regierungschef ernannte und daraufhin die Abgeordnetenkammer am 1. Dezember den Haushalt ablehnte, fügte sich Mac-Mahon: Er kündigte vor beiden Kammern der Nationalversammlung an, die Abgeordnetenkammer nicht mehr aufzulösen, und überließ die Regierungsgeschäfte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt dem gegen de Rochebouët ausgetauschten Président du Conseil Jules Dufaure. Ohne Änderung des Verfassungstextes wurde das präsidentielle Regierungssystem parlamentarisch und blieb es bis zum Ende der Republik: Der Staatspräsident nahm seitdem nur noch eine protokollarische Funktion ein, während die Leitung der Exekutive dem Premierminister unterlag.

Die Exekutive hing also nun ausschließlich von den beiden Kammern des Parlaments ab. Da politische Parteien in der heutigen Form noch nicht existierten, dafür aber verschiedene Tendenzen innerhalb der politischen Hauptströmungen, aufgrund fehlender Fraktionsdisdisziplin der einzelnen Abgesordneten kam es durch diese Übermacht des Parlaments zu häufig wechselnden Regierungen, die aus opportunistischen oder zufälligen Gründen in der Nationalversammlung eine Mehrheit fanden und ebenso einfach wieder zerbrachen. Da viele Minister in mehreren Regierungen das gleiche Ministerium leiteten oder übernahmen ein anderes übernahmen, kam es zu einer hohen personellen Kontinuität, die auch nach der Jahrhundertwende vorhalten sollte.

Durchsetzung des republikanischen Programms[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jules Ferry setzte als Président du Conseil und als Bildungsminister Reformen des Schulwesens durch, die den Einfluss der katholischen Kirche zurückdrängen sollten

In den darauffolgenden Jahren konnten die Republikaner ihre Position weiter stärken: Nach dem Rücktritt Mac-Mahons 1879 übernahm der Republikaner Jules Grévy das Amt des Staatspräsidenten. Die Linke besetzte damit die zentralen Positionen des Staates, allerdings übte die Rechte, unterstützt von der Katholischen Kirche, noch entscheidenen Einfluss auf die Verwaltung, das Militär und die Justiz aus. Die 1880er Jahre waren politisch davon geprägt, dass die Repbublikaner begannen, den republikanischen Staat auf allen Gebieten zu verankern.

Symbolische Entscheidungen wie die Verlegung des Sitze von Nationalversammlung und Regierung von Versailles nach Paris sowie die Erklärung der Marseillaise zur Nationalhymne des 14. Juli zum Nationalfeiertag sollten die Abkehr zur Monarchie verdeutlichen und einen Bezug der Dritten Republik zur Französischen Revolution herstellen. Dazu gehörten eine Generalamnestie für alle Kommunarden am 14. Juli 1880 und der Erlass von Gesetzen, die bestimmte Grundfreiheiten gewähren sollten: 1881 wurde eine eingeschränkte Presse- und Versammlungsfreiheit beschlossen, die jedoch bis 1935 keine Demonstrationsfreiheit vorsah, ebenso musste bis in das Zwanzigste Jahrhundert die Gründung von Vereinen mit mehr als zwanzig Mitgliedern genehmigt werden. 1884 wurde das Loi Le Chapelier aufgehoben und damit die Koalitionsfreiheit wieder eingeführt. Per Gesetz (loi municipale) wurde im gleichen Jahr die Stellung der Gemeinden gestärkt: Außerhalb von Paris wurde der Bürgermeister einer Gemeinde wurde von nun an nicht mehr zentralistisch von Paris ernannt, sondern vom Gemeinderat gewählt. Dies führte jedoch nicht zur Autonomie der Kommunen, da die den Staat vertretenden Präfekten innerhalb eines Monats einen Beschluss des Gemeinderates durch sein Veto blockieren konnte. Das Gesetz verpflichtete weiterhin die Gemeinden, eine Mairie zur Verfügung zu stellen, was dazu führte, dass in jeder Gemeinde ein Gebäude, das die Republik verkörperte, zu finden war.

Als zentrales Element der Durchsetzung republikanischer Strukturen erwiesen sich von Jules Ferry initiierte Reformen des Bildungswesens, die den Einfluss der katholischen Kirche zurückdrängen sollten. Die Einführung des kostenlosen Schulbesuchs 1881 flankierte die Verabschiedung der allgemeinen Schulfplicht für alle Sieben- bis Dreizehnjährigen ein Jahr später, ebenso wurden 1882 der Lehrplan und 1886 der gesamte Lehrkörper laizisiert. Weitere antiklerikale Maßnahmen waren die Abschaffung des öffentlichen Gebets und das Verbot christlicher Symbole in öffentlichen Gebäuden.

Krisen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab Mitte der 1880er Jahre kam es trotz der politischen Festigung der Republik zu einer Reihe von innen- und außenpolitischen Krisen, von denen einige die Republik an den Rand der Auflösung brachten und Frankreich stark erschütterten. Es hatte sich eine „opportunistische Republik“ herausgebildet, die, trotz der begonnenen Durchsetzung des Laizismus und republikanischer Reformen einen Kompromiss zwischen den Ansichten verschiedener bürgerlicher Schichten darstellte und dementsprechend bürgerlich war. Zentrale soziale Fragen, die nach einer Wirtschaftskrise 1882 auftraten, wurden nicht gelöst.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jens Ivo Engels: Kleine Geschichte der Dritten französischen Republik (1870-1940). Köln, 2007
  • William Fortescue: The Third Republic In France 1870-1940. Conflicts and Continuities. London, 2000
  • Günther Fuchs, Udo Scholze Detlev Zimmermann: Werden und Vergehen einer Demokratie. Frankreichs Dritte Republik in neun Porträts. Leipzig, 2004.
  • Bernhard Schmidt, Jürgen Doll, Walther Fekl, Siegfried Loewe, Fritz Taubert: Frankreich-Lexikon: Schlüsselbegriffe zu Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Geschichte, Presse- und Bildungswesen. Erich Schmidt, Berlin 2006, ISBN 3503079912
  • Hans J. Tümmers: Das politische System Frankreichs. Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-52839-2
  • Michel Winock: La France politique: XIXe-XXe siecle (Points. Histoire). Seuil, ISBN 9782020350518

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Schmidt, Doll et. al., S. 231
  2. Schmidt, Doll et. al., S. 957
  3. a b Winock, S. 85
  4. l’influence nécessaire pour faire prévaloir ses vues, vgl. Histoire de l'Assemblée nationale: La Troisième République (1870–1940) auf den Seiten der französischen Nationalversammlung
  5. Quand la France aura fait entendre sa voix souveraine, [...] il faudra se soumettre ou se démettre., vgl. etwa Discours prononcé à Lille : 15 août 1877 auf den Seiten der französischen Nationalversammlung und Tümmers S. 31

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Lois constitutionnelles de 1875 – Quellen und Volltexte (französisch)