Benutzer:DerMaxdorfer/Heroon des Kar

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Koordinaten: 37° 58′ 41,9″ N, 23° 19′ 51″ O Als Heroon des Kar werden die Reste eines monumentalen Bauwerks südwestlich der griechischen Stadt Megara bezeichnet, dessen ursprüngliche Funktion nicht abschließend geklärt ist. Zwischenzeitig erkannte man in den ausgegrabenen Baustrukturen das Heroon (Grabmal/Heiligtum) von Kar, dem mythischen ersten König der Stadt Megara. Diese Deutung, von der sich die übliche Behelfsbezeichnung der Anlage ableitet, wird heute überwiegend abgelehnt. Daneben wurden Interpretationen als Grabmal oder Kenotaph (Scheingrab ohne Bestattung), als Siegesdenkmal oder als Wachposten vorgeschlagen. Da die Ausgrabungsergebnisse zu dem Bauwerk noch nicht publiziert sind, ist dieses nur sehr unzureichend erforscht.

Lage und archäologischer Befund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Heroon des Kar wurde südwestlich der antiken (wie auch der modernen) Stadt Megara auf den Ausläufern des Geraneia-Gebirges nahe der Küste des Ägäischen Meers errichtet.[1] Es befindet sich zwischen der alten Nationalstraße (Ethniki Odos) von Athen nach Korinth (heute bezeichnet als „Παλαιά ΕΟ Αθηνών Κορίνθου“) und der nördlich davon verlaufenden Eisenbahnstrecke.[2][3] An dieser Stelle verlief bereits eine antike Straße auf die Peloponnes,[1] an deren Seiten sich die Westnekropole von Megara erstreckte.[4] Unterhalb des Heroons befindet sich ein Steinbruch aus moderner Zeit.[5]

Das Bauwerk ist angelegt auf einer hügelartigen Erhebung und besteht aus einer großen, auf das Meer hin ausgerichteten rechteckigen Terrasse[6] mit Ausmaßen von ungefähr 25 x 12,5 m.[1] Sie wurde auf der rechten und linken Seite durch den Hang hinabführende Mauerzungen gestützt. Die linke Mauerzunge ist deutlich kleiner, vermutlich, da das starke Gefälle des Geländes an dieser Stelle keine größere Ausführung zuließ.[7] In der Mitte der besagten Terrasse stand ein runder Bau, dessen Fundamenten ein kleines Stück weit über deren Längsseiten herausragen.[6] Dieses turmähnliche Gebäude wies einen Durchmesser von 10 m auf[1] und war – zumindest in seinen unteren Mauerschichten – stufenförmig angelegt.[7] Nach innen hin wurde es durch Zungenmauern stabilisiert; im Zentrum des runden Gebäudes stand ursprünglich ein massiver stützender Mittelpfeiler[6] von ungefähr quadratischem Grundriss.[1] Das Baumaterial der gesamten Anlage sind quaderförmige Stücke des in der Gegend vorkommenden Kalksteins, in den zahlreiche versteinerte Muschelschalen eingeschlossen sind.[1]

Da in dem Schutt, der bei den Ausgrabungen freigelegt wurde, Reste der Baudekoration gefunden worden sind, kann man restaurieren, dass das Bauwerk ursprünglich oben mit einem steinernen dorischen Gebälk mit Triglyphen und Metopen abschloss.[8][6]

Die massiven Grundmauern deuten darauf hin, dass die Anlage ursprünglich monumentale Ausmaße hatte und einen entsprechenden Eindruck auf den Betrachter machte.[4] Der heutige Erhaltungszustand ist jedoch relativ schlecht, sodass sich zum Beispiel über die ursprüngliche Höhe keine Aussagen mehr treffen lassen und auch über die Gestaltung etwa des Daches nur Vermutungen angestellt werden können.[6] Teilweise wird vermutet, dass das Dach von einem aufgesetzten Marmorgefäß bekrönt gewesen sei.[7] Die rechteckige Struktur aus Kalksteinquadern, auf der sich der Rundbau befindet, lässt sich möglicherweise auch als Umfassungsmauer (Peribolos) eines Heiligtums oder Grabbaus deuten.[7]

Die Keramikfunde, die bei der Ausgrabung des Gebäudes ans Tageslicht kamen, stammen aus der späten klassischen oder frühen hellenistischen Epoche. Dies führt die Wissenschaftler zu einer ungefähren Datierung der gesamten Anlage in diese Zeit.[9] Jutta Stroszeck nimmt für die Überreste des dorischen Gebälks dagegen eine deutlich frühere Datierung in das 5. Jahrhundert n. Chr. an.[1]

Forschungsgeschichte und Interpretation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grabungsgeschichte und grundlegende Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Heroon des Kar befindet sich direkt oberhalb eines nicht mehr benutzten Steinbruches. Als Anfang der 1970er Jahre zwischenzeitig geplant war, den Steinabbau auszudehnen, gerieten die archäologischen Befunde am Berghang in akute Gefahr, zerstört zu werden. Daher wurde das Areal durch den damaligen verantwortlichen Ephoros N. Yalouris vollständig archäologisch ausgegraben und dabei auch das „Heroon“ freigelegt.[10] Die Ergebnisse wurden im Anschluss daran allerdings nicht wissenschaftlich publiziert. Deswegen haben Ulla Kreilinger und Ulrich-Walter Gans den vorhandenen Baubefund neu untersucht und eine Veröffentlichung ihrer Ergebnisse angekündigt,[2] die bisher allerdings ebenfalls noch nicht erfolgte. Neben kurzen Notizen zum archäologischen Befund liegt daher lediglich ein Steinplan von D. Giraud vor, den John Travlos in seinem „Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika“ publiziert hat.[11]

  • Häufig wurde es hinsichtlich seiner Baugestalt mit dem „Rundbau beim dritten Horos“, einem Bauwerk im athenischen Friedhof Kerameikos verglichen (erstmals bei Knigge[12], die sich jedoch nicht weitergehend für das Bauwerk in Megara interessierte. Weiters bei Mallwitz S. 121; Valavanis S. 198; Stroszeck S. 326), es handele sich um das „typologisch nächst verwandte Gebäude“ (Valavanis a. a. O.)
  • Wird in seiner architektonischen Form allgemein als ein Grabbezirk angesehen (Kreilinger), es wurde jedoch keine Bestattung darin gefunden, obwohl man das gesamte Areal peinlich genau danach absuchte und selbst die Fundamentsteine des Mittelpfeilers anhob (Stroszeck 326).
  • Daher gilt es aufgrund seiner „Größe, Lage und anspruchsvollen architektonischen Gestaltung“ (Kreilinger S. 334) als Kenotaph („Scheingrab“, Ehrengrabmal für einen anderswo bestatteten Toten) oder eher als Heroon (Heiligtum in Form einer Grabanlage für einen mythischen Helden): Knigge 173; Travlos 259; Valavanis 198 f. Auch Kreilinger ist wohl dieser Ansicht.

Lokalisierung des Kar-Heroons[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine verbreitete Theorie bringt das Bauwerk in Verbindung mit Kar, einem mythischen König von Megara, von dessen Namen sich unter anderem die Bezeichnung für den östlichen der beiden Akropolis-Hügel (Karia) herleitet (Goette S. 311). Pausanias schreibt, er sei an der Straße nach Korinth bestattet worden.

In der Gegend war man bereits länger auf der Suche nach dem Grabmal des Kar, von dem der antike Reiseschriftsteller Pausanias in seiner Beschreibung Griechenlands aus dem 2. Jahrhundert schreibt, es befände sich an der Straße von Megara nach Korinth. Weiter erläutert er: „dies war ursprünglich nur ein einfacher Erdhügel [χῶμα γῆσ], später aber wurde derselbe auf die Weisung des Orakels mit Muschelkalk geschmückt [ἐκοσμέθε λίθῳ κογχίτῃ].“ (Pausanias 1,44,6; Übersetzung bisher nur nach Lolling!) Der deutsche Archäologe Habbo Gerhard Lolling hatte in einem Vortrag von 1886[13] und einem Aufsatz von 1887 ursprünglich vermutet,[14] diese Grabanlage mit einem Hügel nahe von Megara identifizieren zu können. Archäologische und geologische Untersuchungen ergaben jedoch, dass es sich bei diesem lediglich um eine natürlich entstandene Erhebung und nicht um eine antike Grabanlage handelt,[15] woraufhin Lolling seinen Identifizierungsvorschlag auch selbst wieder verwarf.[16] An Funden kam im Bereich dieses Hügels lediglich Keramik zutage, die vermutlich aus römischer Zeit stammt.[17]

  • Es lag nahe, in dem Bauwerk das durch Pausanias beschriebene Heroon des Kar zu sehen, das ja auch aus "Muschelkalk" ("mussel-stone", Stroszeck "shell-limestone") besteht. Dieser war in der Umgebung Megaras reichlich vorhanden und wurde dort häufig verwendet (Stroszeck S. 326). Stroszeck: "but that does not explain the peculiar architecture"
  • Vertreten wird diese Deutung durch Travlos (S. 259) und durch Goette (S. 311).

Weitere Deutungen des Bauwerkes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • N. Yalouris soll darin das Heroon des Pandion sehen (zit. bei Kreilinger S. 334 Anm. 8 und bei Travlos S. 259).
  • Valavanis S. 198 zitiert auch eine Deutung als Grabmal des Telephanes, vielleicht bezieht er eine Deutung des nahegelegenen sogenannten Telephanes-Grabmals (siehe oben) auch auf die hier beschriebene Baustruktur? (Zuzutrauen wäre es ihm...)
  • Laut N. D. Papachatzis, Πανσανίου ‘Ελλάδος περιήγησις I. Attika (1974) 515 f. soll es sich um einen Rundturm handeln, der eine Funktion als Wachtposten gehabt habe. Laut Stroszeck 326 schreibt das auch Goette 1993, S. 239 f. (dieser zitiert die Interpretation dort jedoch nur ablehnend.) – Stroszeck führt dagegen allerdings das Fehlen von Türen in den erhaltenen unteren Steinschichten sowie die für einen Wachturm ungewöhnliche Verzierung mit einem dorischen Fries an.
  • Jutta Stroszeck hat 2004 eine neue Deutung als Tropaion vorgeschlagen. Dafür spricht ihrer Ansicht nach das Fehlen einer Bestattung und die prominente Position hoch über dem Meerufer nahe an der Grenze zwischen der Megaris und dem korinthischen Territorium. Zudem argumentiert sie mit der architektonischen Ähnlichkeit zum Tropaion von Leuktra und dem Rundbau beim dritten Horos im Kerameikos, in dem sie ebenfalls ein Tropaion sehen möchte (Stroszeck S. 326).
  • Als möglichen historischen Hintergrund für das Gebäude sieht sie den athenischen General Myronides, der 458 v. Chr. einen entscheidenden Sieg über die Korinther erzielte (Stroszeck S. 328 mit den literarischen Belegstellen).

Notizen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Goette S. 311: „A grave was found a few metres east cut into the rock, which contained a fine Classical marble sarcophagus closed with a gabled lid; a canal was cut into the protruding rock on the slope above to divert the rain water so that it would not wash into the grave. [...] The marble sarcophagus next to the building cannot be directly connected to the observations of Pausanias, as it belongs to a Late Classical grave, but, together with the figural decoration of the Doric building, it supports its interpretation as a heroon to Kar more than the alternative interpretation that it was a watch tower.“ (An Literatur zitiert er nur generell Travlos)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Alfred Mallwitz: Das Staatsgrab am 3. Horos. In: Rundbauten am Kerameikos (= Kerameikos. Ergebnisse der Ausgrabungen. Band 12). Walter de Gruyter & co., Berlin 1980, S. 99–125 (mit einzelnen Informationen auch zum Heroon des Kar).
  • John Travlos: Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika. Wasmuth, Tübingen 1988, ISBN 3-8030-1036-5, S. 259 und S. 278 f. mit Abb. 348–351.
  • Panos Valavanis: „Das stolze runde Denkmal“. Bemerkungen zum Grabmonument am dritten Horos. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung. Band 114, 1999, S. 185–205, hier S. 198 f.
  • Hans Rupprecht Goette: Athens, Attica, and the Megarid. An archaeological guide. Routledge, London 2001, ISBN 0-415-24370-X, S. 311.
  • Jutta Stroszeck: Greek Trophy Monuments. In: Synnøve des Bouvrie (Hrsg.): Myth and Symbol II. Symbolic Phenomena in Ancient Greek Culture. Papers from the second and third international symposia on symbolism at the Norwegian Institute at Athens, September 21–24, 2000 and September 19–22, 2002 (= Papers from the Norwegian Institute at Athens. Band 7). Norwegian Institute at Athens, Bergen 2004, ISBN 82-91626-22-7, S. 303–332, hier S. 326–328.
  • H. G. Lolling, Der Tumulus des Kar, Ein Vortrag. Übertragen und kommentiert von Ulla Kreilinger. In: Klaus Fittschen (Hrsg.): Historische Landeskunde und Epigraphik in Griechenland. Akten des Symposiums veranstaltet aus Anlaß des 100. Todestages von H. G. Lolling (1848–1894) in Athen vom 28. bis 30. 9. 1994. Scriptorium, Münster 2007, ISBN 978-3-932610-38-7, S. 331–335.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g Jutta Stroszeck: Greek Trophy Monuments. In: Synnøve des Bouvrie (Hrsg.): Myth and Symbol II. Symbolic Phenomena in Ancient Greek Culture. Norwegian Institute at Athens, Bergen 2004, ISBN 82-91626-22-7, S. 303–332, hier S. 326.
  2. a b H. G. Lolling, Der Tumulus des Kar, Ein Vortrag. Übertragen und kommentiert von Ulla Kreilinger. In: Klaus Fittschen (Hrsg.): Historische Landeskunde und Epigraphik in Griechenland. Scriptorium, Münster 2007, ISBN 978-3-932610-38-7, S. 331–335, hier S. 334.
  3. Ein Lageplan befindet sich bei John Travlos: Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika. Wasmuth, Tübingen 1988, ISBN 3-8030-1036-5, S. 263.
  4. a b Alfred Mallwitz: Das Staatsgrab am 3. Horos. In: Rundbauten am Kerameikos. Walter de Gruyter & co., Berlin 1980, S. 99–125, hier S. 100.
  5. Hans Rupprecht Goette: Athens, Attica, and the Megarid. An archaeological guide. Routledge, London 2001, ISBN 0-415-24370-X, S. 311.
  6. a b c d e Alfred Mallwitz: Das Staatsgrab am 3. Horos. In: Rundbauten am Kerameikos. Walter de Gruyter & co., Berlin 1980, S. 99–125, hier S. 121.
  7. a b c d Panos Valavanis: „Das stolze runde Denkmal“. Bemerkungen zum Grabmonument am dritten Horos. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung. Band 114, 1999, S. 185–205, hier S. 198.
  8. John Travlos: Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika. Wasmuth, Tübingen 1988, ISBN 3-8030-1036-5, S. 259 und S. 279 mit Abb. 351.
  9. Unpublizierte Ergebnisse von N. Yalouris, aufgrund einer mündlichen Mitteilung zusammengefasst bei Panos Valavanis: „Das stolze runde Denkmal“. Bemerkungen zum Grabmonument am dritten Horos. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung. Band 114, 1999, S. 185–205, hier S. 198.
  10. John Travlos: Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika. Wasmuth, Tübingen 1988, ISBN 3-8030-1036-5, S. 259.
  11. John Travlos: Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika. Wasmuth, Tübingen 1988, ISBN 3-8030-1036-5, S. 278, Abb. 348.
  12. Ursula Knigge: Zum Löwen von Kantzas. In: Athenische Mitteilungen. Band 91, 1976, S. 167–173, hier S. 172 f.
  13. Das Manuskript ist herausgegeben in: H. G. Lolling, Der Tumulus des Kar, Ein Vortrag. Übertragen und kommentiert von Ulla Kreilinger. In: Klaus Fittschen (Hrsg.): Historische Landeskunde und Epigraphik in Griechenland. Akten des Symposiums veranstaltet aus Anlaß des 100. Todestages von H. G. Lolling (1848–1894) in Athen vom 28. bis 30. 9. 1994. Scriptorium, Münster 2007, ISBN 978-3-932610-38-7, S. 331–335.
  14. Habbo G. Lolling: Συμβολαι εισ την τοπογραφιαν τησ Μεγαριδοσ. In: Εφημερίσ Αρχαιολογική. Jahrgang 1887, Sp. 201–216, hier Sp. 203 f. und Sp. 209–211 (Digitalisat).
  15. Demetrios Philios: Ανασκαφαι παρα τα Μεγαρα. In: Εφημερίσ Αρχαιολογική. Jahrgang 1890, Sp. 21–56, hier Sp. 25–28 (Digitalisat).
  16. Habbo G. Lolling, Demetrios Philios: Μεγαρικα. In: Εφημερίσ Αρχαιολογική. Jahrgang 1890, Sp. 55–64, hier Sp. 61 f. (Digitalisat).
  17. Philip J. Smith: The Archaeology and Epigraphy of Hellenistic and Roman Megaris, Greece (= BAR International Series. Band 1762). British Archaeological Reports, Oxford 2008, ISBN 978-1-4073-0212-6, S. 24, Nr. 4.