Benutzer:Discoursology/Digitale Bildung

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Digitale Bildung beschreibt den Einbezug der Digitalisierung in den Bildungsalltag. Sie beschreibt weiterhin, wie sich der gesamte Prozess der Bildung mit dem Einsatz digitaler Medien und auch im Hinblick auf das Bildungsziel grundlegend verändert. Nicht die „Bildung“ ist „digital“, sondern „digitale Bildung“ ist als hilfreiche Kurzform für „Bildung in der digitalen vernetzten Welt“ zu verstehen. Unter Bildung ist in diesem Kontext ein kontinuierlicher Prozess zu verstehen, der die aktive Gestaltung des Lebens und Lernens in einer digitalisierten Welt ermöglicht. Es geht dabei nicht um Faktenwissen, sondern um die Kompetenz, sich Wissen selbstorganisiert anzueignen, es anzuwenden und kreative Lösungen für technische, soziale, politische, ethische, ökonomische und praktiktische Problemstellungen selbstständig entwickeln zu können. Anders als bei den klassischen Kulturtechniken (Rechnen, Schreiben, Lesen) lassen sich Kompetenzen für den Umgang mit digitalen Medien nicht einmalig gänzlich erwerben. Sie müssen aufgrund der schnellen technologischen Entwicklungen kontinuierlich aktualisiert werden.[1] [2]

Digitale Bildung in Deutschland [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bildung wird weltweit als zentrale Dimension von der politischen „Digitalen Agenda“ betrachtet.[3] Um den digitalen Wandel im Bereich der formalen Bildung in Deutschland voranzutreiben, wurden ab 2016 vermehrt Aktivitäten von der Politik unternommen: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung startetet eine „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ (DigitalPakt#D)[1]; ein Positionspapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie beschrieb digitale Bildung als den „Schlüssel zu einer Welt im Wandel“[2]; das Kultusministerkonferenz (KMK) präsentierte eine Strategie für „Bildung in der digitalen Welt[4], mit Hilfe derer das Bildungssystem versucht, auf die zunehmende Digitalisierung im Alltag einzugehen und Lernende mit den Kompetenzen, die ihnen eine kompetente und reflektierte Nutzung ermöglichen, auszustatten. Im KMK Strategie werden sechs verschiedene Handlungsfelder einbezogen:

  • Bildungspläne und Unterrichtsentwicklung, curriculare Entwicklungen,
  • Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erziehenden und Lehrenden,
  • Infrastruktur und Ausstattung,
  • Bildungsmedien, Content,
  • E-Government, Schulverwaltungsprogramme, Bildungs- und Campusmanagementsysteme,
  • rechtliche und funktionale Rahmenbedingungen.
Kompetenzrahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Strategiepapier des KMK wird ein Kompetenzrahmen vorgeschlagen, der sich auf verschiedene Modelle beruft (d.h. „DigComp“,„Kompetenzorientierte Konzept für die schulische Medienbildung“, „Computer- und Informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe im Internationalen Vergleich“).[5] Im Kompetenzrahmen werden die zentralen Kompetenzen der zukünftigen jungen Menschen in sechs Bereiche gruppiert: 

  1. „Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren“
  2. „Kommunizieren und Kooperieren“,
  3. „Produzieren und Präsentieren“,
  4. „Schützen und sicher Agieren“,
  5. „Problemlösen und Handeln“ und
  6. „Analysieren und Reflektieren“.
Kritik am Strategiepapier[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das KMK leitete einen partizipativen policy Prozess ein, in dem es einen vorläufigen Entwurf des Strategiepapers veröffentlichte, mit der Bitte um Stellungnahmen. Viele Stellungsnahmen sind online zugänglich und zeigen die gesellschaftliche Debatte darüber, welche Prioritäten in der Gestaltung von „Bildung in einer digitalen Welt“ gesehen werden:

So kritisiert etwa Wikimedia [6], dass es zur Erreichung der Kompetenzziele „eines Ausbaus von Fort- und Ausblildungsangeboten [bedarf]“ sowie einer Reformierung des Lehrerselbstverständnis. Desweiteren kritisiert Wikimedia die Forderung der KMK nach einer Infrastruktur für Open Educational Resources (OER) und bemängelt, dass die KMK noch keine eindeutige Definition von OER aufgestellt oder (z.B. von der UNESCO) übernommen habe.

Die Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) kritisiert in ihrer Stellungnahme[7], dass in der offiziellen Strategie der KMK der Medienbegriff zu eindimensional - nämlich ausschließlich instrumental, d.h. als Werkzeug zum Erfolg - aufgefasst werde. Sie fordert, dass die grundlegenden kulturellen Veränderungen, welche die Digitalisierung mit sich bringt, ins Curriculum zentral einbezogen werden. Ein Fach „Medienkultur“ wurde eine Reflexion der gesellschaftlichen Transformationen, die mit der Digitalisierung einhergehen, ermöglichen sowie Kompetenzen für die Analyse von Technisierung und audiovisuelle Kommunikation fördern.

Historische Entwicklung der digitalen Bildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Digitale Technologien sind die aktuellsten „neuen“ Medien, die in der formalen und informellen Bildung eingesetzt werden. In einer historischen Analyse der „neuen“ Medien zeigt Larry Cuban[8], wie ein ähnlicher Kreislauf die Einführung von u.a. Lehrfilmen, Fernsehen und den ersten PCs in den 1980er Jahren begleitet: In einer ersten Phase der „Begeisterung“ (exhiliaration) gibt es euphorische Berichte über die Potentiale des Mediums für das Lehren und Lernen. In einer zweiten Phase der „wissenschaftlichen Kredibilität“ (scientific credibility) zeigen erste Studien, wie effektiv das Medium beim Lernen ist. In einer dritten Phase der Enttäuschung (disappointment) wird klar, wie wenig das Medium eingesetzt wird. In einer vierten Phase der Lehrerkritik (teacher-bashing) werden die Lehrkräft dafür kritisiert, dass das Medium sich nicht ausreichend verbreitet und eingesetzt wird. Cuban kritisiert an diesem Kreislauf, dass an keiner Stelle gefragt wird, warum diese neue Medien gebraucht werden und was deren Mehrwert sein soll.

Kritik an der aktuellen Umsetzung der digitalen Bildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kritik an „digitaler Bildung“ ist auf verschiedenen Ebenen ausgeübt worden. Erstens, Kritik am Begriff: „Bildung“ ist nicht „digital“, sondern dient weiterhin der reflexiven Verortung der Menschen in der Welt. Sie ist nicht zu reduzieren auf die Vermittlung von „digitalen Skills“ zur effektiven Verarbeitung von Informationen oder optimalen Verortung im System, sondern Bildung ermöglicht, sich mit Neugier auf Unbekanntes einzulassen, produktiv und kreativ mit Unbestimmtheit umzugehen, Verfehlungen für sich produktiv zu wenden und auch Widerstand zu entwickeln."[9]

Zweitens, Kritik an der Verwendung von digitalen Medien. Hier geht es um das „Ob“: Ob digitale Medien überhaupt eingesetzt werden sollen.[10] Beobachter kritisieren, dass die Nutzung von digitalen Medien der junger Generation schadet.[11] Dadurch, so der Untertitel eines Buches, verlernen unsere Kinder das Lernen.[12] Weitere Beobachter kritisieren die zunehmende Kommerzialisierung der öffentlichen Schule durch die verstärkte Rolle der privaten Anbieter von digitalen Bildungstechnologien.[13]

Drittens, Kritik an der Vorgehensweise. Hier geht es um das „Wie“: Wie werden digitale Medien eingesetzt. Eine Reihe Vorschläge werden hier gemacht, um die Entwicklung der zukünftigen digitalen Bildung zu gestalten, unter anderem:

  • Vielschichtigkeit: „Bildung in der digitalen vernetzten Welt (kurz: Digitale Bildung) muss aus technologischer, gesellschaftlich-kultureller und anwendungsbezogener Perspektive in den Blick genommen werden.“ [14]
  • Gemeinschaft: Zentral bei Überlegungen zum digitalen Lehren und Lernen sollten die interpersönlichen Beziehungen – zwischen Lehrenden und Lernenden oder unter Lernenden - sein. Derzeit steht oft Technologie an erster Stelle, statt Personen oder Gemeinschaft.[15]
  • Ethik: Ein ethischer, verantwortungsvoller Umgang mit digitalen Medien sollte zum einen von Instituten und zum anderen bei den Lernenden gefördert werden: In Großbritannien gibt es z.B. einen ethischen Kodex, um unter anderem sicherzustellen, dass die durch learning analytics gesammelte Daten ethisch verwendet werden.[16]
  • Primat des Pädagogischen: Die Debatte um eine „digitale Bildungsrevolution“[17] sollte nicht nur von einem Aktionismus getrieben werden, der eine zügige technische Ausstattung der Schulen und Universitäten fordert, sondern es sollte Zeit genommen werden, um vernünftige pädagogische Konzepte zu entwickeln.[18][19][20]
  • Personalisierung: Die durch Digitalisierung ermöglichte Personalisierung sollte nicht die Aufgabe personaliseren, sondern die Erklärung.[21]
  • Gerechtigkeit: Digitale Kompetenzen bzw. digital literacy sollte nicht nur auf Bedienkompetenz, effizientes Lernen oder die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit eines Landes zielen, sondern sollte der jungen Generation ermöglichen, die „digitalen Werkzeugen zu entwickeln, die die Menschheit am meisten braucht: Werkzeuge, um eine bessere Welt zu gestalten, eine Welt die fairer, überzeugender, gerechter, und – mangels eines besseren Wortes – menschlicher ist“.[22]


Herausforderungen für die Educational Governance[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Umsetzung der „digitalen Bildung“ wird nicht nur durch viele aktuelle Probleme, sondern auch durch viele Altlasten erschwert, die sich bereits seit längerer Zeit aufstauen. Die Hauptlast dieser Altlasten tragen die Lehrer. Diese müssen deshalb zunächst entlastet werden, bevor sie mit neuen, zusätzlichen Aufgaben betraut werden. Denn die meisten Lehrer arbeiten im Jahresdurchschnitt mehr als sie müssen und sollen.[23][24]

Die Ziele sind hoch gesteckt: Deutsche Lehrerinnen und Lehrer sollen laut der KMK-Strategie „Medienexperten“[25] werden und im internationalen Vergleich bis 2025 im Bereich der digitalen Bildung zur Spitzengruppe der Länder aufschließen und dort Maßstäbe setzen.[26] Der Aktionsrat Bildung prognostiziert dem deutschen Bildungssystem epochale Veränderungen. [27]

Deshalb muss die Educational Governance den Lehrern die Möglichkeit bieten, sich auf die digitale Bildung vorzubereiten.[28] Dafür braucht es zum einen Fortbildungsmöglichkeiten, die den hoch gesteckten Zielen entsprechen.

Zum anderen muss die Educational Governance den Lehrern die nötige Zeit zur Verfügung stellen, damit sie sich zu „Medienexperten“ fortbilden können. Zusätzlich benötigen die Lehrer auch Zeit dafür, ihre Unterrichtsmaterialien entsprechend der KMK-Strategie zu überarbeiten. Diese Materialien sollen in Zukunft fächerübergreifend sein und systematisch in digitale Lernumgebungen eingebettet werden.

Es fällt den Ländern jedoch schwer ihre Lehrer zu entlasten und ihnen die benötigte Zeit zur Verfügung zu stellen. Wegen des Lehrermangels scheidet die Entlastung durch Neueinstellungen aus.[29]

Zudem ist fraglich, mit welchen Geräten die Schüler digital lernen werden. Solange die Educational Governance den Schülern keine entsprechenden Geräte zur Verfügung stellt, muss sie die rechtlichen Rahmenbedingungen für BYOD schaffen.[30] Doch bislang ist es den Ländern nicht gelungen die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine verbindliche Einführung von BYOD zu schaffen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Niederastroth, Markus: Strategie der Kultusministerkonferenz "Bildung in der digitalen Welt". Herausforderung für Educational Governance, Schulentwicklung und schulisches Qualitätsmanagement. Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8288-4120-8.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Netzwerk Digitale Bildung (Hrsg.): Zwischen analog und digital. Lernen und Lehren an Schulen und Hochschulen. 2016.
  2. Gesellschaft für Informatik e.V. (GI): Dagstuhl-Erklärung: Bildung in der digitalen vernetzten Welt - GI - Gesellschaft für Informatik e.V. Abgerufen am 13. Juli 2017.
  3. z.B. EU https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/digital-agenda-europe-key-publications; Schweden http://www.government.se/contentassets/8512aaa8012941deaee5cf9594e50ef4/ict-for-everyone---a-digital-agenda-for-sweden; Rumanien http://gov.ro/en/government/cabinet-meeting/national-strategy-on-the-digital-agenda-for-romania-2020; Großbritannien https://www.gov.uk/government/publications/uk-digital-strategy/uk-digital-strategy
  4. Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“. KMK - Kultusministerkonferenz, abgerufen am 7. Juli 2017.
  5. Strategie der Kultusministerkonferenz: „Bildung in der digitalen Welt“. KMK - Kultusministerkonferenz, abgerufen am 7. Juli 2017.
  6. Wikimedia Deutschland: Deutsch: Stellungnahme WMDE Bildung in der Digitalen Welt 15.07.2016. 15. Juli 2016, abgerufen am 7. Juli 2017.
  7. Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft 'Medienkultur und Bildung ' der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) zum Entwurf der Strategie der Kultusministerkonferenz "Bildung in der digitalen Welt" (Version 1.0 vom 27.04.2016 ). Abgerufen am 7. Juli 2017.
  8. Larry Cuban: Teachers and Machines: The Classroom Use of Technology Since 1920. Teachers College Press, New York 1986.
  9. PROMT : Ressourcen : Bibliothek : Positionspapiere : Datafizierung des Lebens – ein medienpädagogisches Positionspapier der GMK und KboM! (24. 11. 2016). Abgerufen am 13. Juli 2017.
  10. Markus Niederastroth: Der Wert digitaler Bildung. 2018, abgerufen am 9. Januar 2018.
  11. Manfred Spitzer: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. Droemer Knaur, München 2012.
  12. Gerald Lembke, Ingo Leipner: Die Lüge der digitalen Bildung: Warum unsere Kinder das Lernen verlernen. Redline, München 2016.
  13. Stephen J. Ball, Deborah Youdell: Hidden Privatisation in Education. Education International, Brussels 2009 (ei-ie.org [PDF]).
  14. Gesellschaft für Informatik e.V. (GI): Dagstuhl-Erklärung: Bildung in der digitalen vernetzten Welt - GI - Gesellschaft für Informatik e.V. Abgerufen am 13. Juli 2017.
  15. Critical Digital Pedagogy: a Definition - Hybrid Pedagogy. In: Hybrid Pedagogy. 18. November 2014 (digitalpedagogylab.com [abgerufen am 13. Juli 2017]).
  16. Niall Sclater, Paul Bailey: Code of practice for learning analytics. 2015, abgerufen am 13. Juli 2017.
  17. Jörg Dräger, Ralph Müller-Eiselt: Die digitale Bildungsrevolution. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2015.
  18. Humboldt überwinden! Warum “digitale Bildung” nicht aus der Vergangenheit gedacht werden kann. In: Hochschulforum Digitalisierung. 1. Juni 2017 (hochschulforumdigitalisierung.de [abgerufen am 13. Juli 2017]).
  19. Technikausstattung alleine reicht nicht Keine Bildung ohne Medien! Abgerufen am 13. Juli 2017 (deutsch).
  20. Markus Niederastroth: Der digitale Erziehungs- und Fürsorgeauftrag. 2018, abgerufen am 22. Januar 2018.
  21. We Have Personalization Backwards. In: e-Literate. 12. Mai 2016 (mfeldstein.com [abgerufen am 13. Juli 2017]).
  22. Why We Need Digital Literacies. Abgerufen am 13. Juli 2017 (amerikanisches Englisch).
  23. Zeiterfassungsstudien zur Arbeitszeit von Lehrkräften in Deutschland. Konzepte, Methoden und Ergebnisse von Studien zu Arbeitszeiten und Arbeitsverteilung im historischen Vergleich. Abgerufen am 27. Januar 2018.
  24. 48 Stunden und 18 Minuten - so viel arbeiten Lehrer im Schnitt. Abgerufen am 29. Januar 2018.
  25. Kultusministerkonferenz: Bildung in der digitalen Welt, S. 24. 2018, abgerufen am 22. März 2018.
  26. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Digitale Strategie 2025, S. 51. 2018, abgerufen am 22. März 2018.
  27. Aktionsrat Bildung: Bildung 2030, S. 11. 2018, abgerufen am 25. März 2018.
  28. Markus Niederastroth: Strategie der Kulturministerkonferenz "Bildung in der digitalen Welt": von Null auf Hundert. 2018, abgerufen am 1. Februar 2018.
  29. Markus Niederastroth: Strategie der Kultusministerkonferenz "Bildung in der digitalen Welt". Herausforderung für Educational Governance, Schulentwicklung und schulisches Qualitätsmanagement. Tectum Verlag, Baden-Baden 2018.
  30. Markus Niederastroth: Mobile Endgeräte im Unterricht: "Bring Your Own Device". 2018, abgerufen am 18. Januar 2018.