Benutzer:Foowee/ACW

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Das Schreiben A Common Word Between Us And You (deutsche Übersetzung nach Muhammad Michael Hanel „Ein gemeinsames Wort zwischen uns und Euch“, nach ʿAbd al-Ḥafidh Wentzel „Ein Wort das uns und euch gemeinsam ist“) ist ein offener Brief von 138 muslimischen Gelehrten an den damaligen Papst Benedikt XVI., 26 weitere namentlich genannte Persönlichkeiten der christlichen Kirchen aus aller Welt und allgemein „an die Führer christlicher Kirchen überall“ (englisch “Leaders of Christian Churches, everywhere …”). Es wurde am 13. Oktober 2007 (Fest des Fastenbrechens 1428 A.H.) mit Unterstützung des jordanischen Aal al-Bayt-Instituts veröffentlicht und fordert zum interreligiösen Dialog (genauer: zum christlich-islamischen Dialog) auf, indem es Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum hervorhebt.

Das Schreiben ist im deutschen Sprachraum auch unter den Bezeichnungen Brief oder Dokument der 138, im englischen Sprachraum vor allem als A Common Word oder ACW bekannt. Reaktionen von christlicher Seite bewerten die Initiative als ein historisches Ereignis.[1]

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Initiator und maßgeblicher Verfasser des Dokuments der 138 ist nach eigenen Aussagen Prinz Ghazi bin Muhammad bin Talal, Vorsitzender des Aal al-Bayt-Instituts.[2] Als Auslöser nennt er die Regensburger Rede des damaligen Papstes Benedikt XVI. über Glauben und Vernunft vom 12. September 2006. In dieser Rede verwendet der Papst ein Zitat des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos (1350–1425) aus der von Adel Theodor Khoury herausgegebenen Übersetzung Entretiens avec un musulman,[3] von dem sich weite Teile der muslimischen Welt brüskiert fühlten.[4]

In dieser Situation wandte sich das Aal al-Bayt Institute mit einem Offenen Brief islamischer Gelehrter an Papst Benedikt XVI. direkt an das Kirchenoberhaupt, “[to] point out some errors in the way you mentioned Islam as a counterpoint to the proper use of reason, as well as some mistakes in the assertions you put forward in support of your argument” ([5]). Dieser Text, veröffentlicht am 12. Oktober 2006, also ein Jahr vor dem Dokument der 138, enthält bereits wichtige Gedanken und Argumentationen, die ein Jahr später bestimmend sein werden. Der Brief blieb ohne Antwort.

Einem Bericht von Prinz Ghazi zufolge, der schon hier als Protagonist und Initiator autritt, ist es auf eben diese fehlende Resonanz des Vatikans zurückzuführen, dass er eine neue Initiative startete.[6] Diese neue Initiative ist der als Dokument der 138 bekannt gewordene offene Brief A Common Word Between Us and You.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der übergeordnete Gedankengang wird so formuliert:

“Muslims and Christians together make up well over half of the world’s population. Without peace and justice between these two religious communities, there can be no meaningful peace in the world. The future of the world depends on peace between Muslims and Christians.”

„Muslime und Christen zusammen stellen weit über die Hälfte der Weltbevölkerung dar. Ohne Frieden und Gerechtigkeit zwischen diesen beiden Religionsgemeinschaften kann es keinen echten Frieden geben. Die Zukunft der Welt hängt vom Frieden zwischen Muslimen und Christen ab.“

Dokument der 138[7]

Damit ist die pragmatische Funktion des interreligiösen Dialogs und die grundlegende Absicht formuliert, die hinter dem Dokument der 138 steht. Von dieser Idee ausgehend erscheint das Grundthema des Dokuments fast wie eine logische Konsequenz: Es besteht in der Liebe, und zwar sowohl in der Gottesliebe als auch in der Nächstenliebe. Die zentrale These lautet:

“The basis for this peace and understanding […] is part of the very foundational principles of both faiths: love of the One God, and love of the neighbour. These principles are found over and over again in the sacred texts of Islam and Christianity. The Unity of God, the necessity of love for Him, and the necessity of love of the neighbour is thus the common ground between Islam and Christianity.”

„Die Grundlage für diesen Frieden existiert bereits. Sie besteht in den grundlegenden Prinzipien beider Religionen selbst: der Liebe zu dem Einen Gott und der Nächstenliebe. Diese Prinzipien finden sich immer wieder in den heiligen Texten des Islam und des Christentums. Die Einheit Gottes, die Notwendigkeit, Ihn zu lieben, und die Notwendigkeit der Nächstenliebe bilden somit die verbindenden Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum.“

Dokument der 138[7]

Der als Doppelgebot der Liebe bekannte Zweisatz gehört für Christen zu den wichtigsten und fundamentalsten Glaubenssätzen überhaupt und geht u. a. auf Mk 12,29 ff. EU zurück. Im Koran ist es allerdings nicht in derselben Schärfe und Prägnanz zu finden wie Neuen Testament. Dass dennoch auch der Islam sowohl Gottes- als auch Nächstenliebe in das Zentrum seines Glaubens stellt, versucht das Dokument der 138 zu belegen. Dabei argumentieren die Verfasser vorrangig mit Zitaten aus den heiligen Schriften der beiden Religionen und deuten die Belegstellen stark normativ. Allein die Tatsache, dass muslimische Geistliche anhand von Bibelversen argumentieren, wird angesichts der Taḥrīf-Lehre als bemerkenswertes Novum betrachtet.[8]

Ausgangspunkt für die Argumentation der Verfasser ist das doppelte islamische Glaubensbekenntnis, die Schahāda („Es gibt keine Gottheit außer Gott und Muḥammad ist Gottes Gesandter“[9]). Von diesem Glaubenssatz her leitet das Dokument, mithilfe koranischer und weiterer kanonischer Texte des Islam, das Doppelgebot der Liebe ab. Es „entfaltet eine Deutung des islamischen Glaubensbekenntnisses, die Gottes- und Nächstenliebe als fundamentale islamische Gebote benennt und in verschiedenen Bibelstellen Alten und Neuen Testaments die volle inhaltliche Übereinstimmung mit den damit in den Blick genommenen (islamischen) Grundsätzen erkennt: Bekenntnis der Ein(s)heit Gottes, Ablehnung jeglichen ‚Teilhabers‘ Gottes, Gehorsam gegenüber Gott und Freigebigkeit (Almosen) gegenüber dem Nächsten.“ ([10])

Ein Blick auf Reaktionen von unterschiedlicher Seite offenbart, dass diese Unifizierung keineswegs widerspruchsfrei aufgenommen und akzeptiert wurde. Der Tübinger Islamwissenschaftler Lutz Richter-Bernburg weist hin auf „die den Brief durchziehende, allzu bequeme Gleichsetzung des Gebotes der Gottesliebe in Deuteronomium 6:5 mit dem koranischen der Gottesfurcht (taqwā)“ ([11]). Auch ein Schreiben der christlichen Hilfsorganisation Barnabas Fund stellt fest: „Der Brief sagt, die beiden Konzepte hätten eine ähnliche Bedeutung, obwohl dies schwerlich aus einer direkten Lektüre der beiden Texte geschlossen werden kann.“ ([12])

Teilweise gestützt werden diese Vorbehalte auch von einer islamischen Perspektive aus. Im Zuge der Vorbereitungen des Dokuments der 138 fand eine Konferenz am Aal al-Bayt Institute in Amman statt, in dessen Verlauf der Jurist Murad Wilfried Hofmann betonte, die beiden Kozepte seien “not […] identical but similar” ([13], deutsch: „nicht identisch, aber ähnlich“).

Weitere Kritikpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Judentum (Kuschel 137f.) und andere Religionen (Richter-Bernburg)
  • Hohe Selektivität bei der Auswahl der Koranstellen (Kuschel 138); angemessene Koranhermeneutik fraglich (Richter-Bernburg)
  • Bekenntnis zur Religionsfreiheit überzeugt nicht (Kuschel 138)
  • Bibelverständnis wird nicht klargestellt; verschiedene Maßstäbe zwischen Koran und Bibel (Troll 405)
  • Akzeptanz des Dokuments in der muslimischen Welt (angedeutet in Troll)

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Veröffentlichung des Dokuments wird als historisches Ereignis gewertet.[1] Friedmann Eißler sieht in ihm einen „einzigartigen Anstoß […], neu über das Verhältnis von Bibel und Koran und von Christen und Muslimen nachzudenken, um durch einen langfristigen, offenen Gesprächsprozess eine neue Qualität im Dialog zu erreichen.“ ([14])

Das Dokument rief ein weltweites Echo hervor. Abgesehen von der medialen Berichterstattung verfassten schon innerhalb der ersten Tage etliche Organisationen und Personen Antworten auf den Dialogaufruf, und theologische Analysen erschienen in den Fachzeitschriften. In der Folge wurden mehrere Konferenzen zum christlich-islamischen Dialog in direkter Resonanz auf das Dokument abgehalten (zum Beispiel das Christlich-Muslimische Forum auf Initiative Papst Benedikts XVI.), und Sammelbände wurden publiziert. Das Dokument wurde zum Thema wissenschaftlicher Examensarbeiten und Dissertationen sowie von Seminaren und Kursen an den Universitäten weltweit.[15]

Die Reaktionen auf das Schreiben waren überwiegend positiver Natur und begrüßten die Initiative zum christlich-islamischen Dialog.[14] Ein Beispiel ist die Antwort einer Gruppe von Professoren aus Yale, die unter dem Titel Yale Response oder Yale Statement bekannt geworden und aus deren Rezeption des Dokuments eine Konferenz im Juli 2008 hervorgegangen ist.

Mehrere christlich-theologische und islamwissenschaftliche Analysen wertschätzen und würdigen den Aufruf zum Dialog, stellen aber kritische Rückfragen. Beispiele sind die Analysen von Christian Troll[16] und Lutz Richter-Bernburg[17].

Es existieren auch Reaktionen, die das Schreiben als Angriff des Islam auf das Christentum werten. Nach Auffassung der Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften müsse das Dokument „als ein kluges Daʿwa Traktat verstanden werden, das in Anwendung der in der islamischen Glaubensverbreitung (Daʿwa) erlaubten, ja empfohlenen ‚Takya‘ = Täuschung darauf abzielt, Christen über die tiefen Gegensätze im muslimischen und christlichen Verständnis biblischer Begriffe zu täuschen.“ ([18])

Adressaten des Briefes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Englischer Originaltext: Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought (Hrsg.): A Common Word Between Us and You. 5-Year Anniversary Edition. Amman 2012, S. 51–79 (PDF-Dokument [abgerufen am 15. Februar 2013]).
  • Deutsche Übersetzung von Muhammad Michael Hanel: Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought (Hrsg.): Ein gemeinsames Wort zwischen uns und Euch. Übersetzt von Muhammad Michael Hanel. Amman 2007 (PDF-Dokument [abgerufen am 18. Januar 2013]).
  • Deutsche Übersetzung von ʿAbd al-Ḥafidh Wentzel: Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought: Ein Wort das uns und euch gemeinsam Ist. Ein Offener Brief und Aufruf von Religiösen Führern der Muslime an die Religiösen Führer des Christentums. Ins Deutsche übersetzt von ʿAbd al-Ḥafidh Wentzel. In: Friedmann Eißler (Hrsg.): Muslimische Einladung zum Dialog. Dokumentation zum Brief der 138 Gelehrten („A common word“). Berlin 2009, S. 16–43.

Sekundärliteratur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Lutz Richter-Bernburg: Ein Wort des Ausgleichs für die monotheistischen Religionen? 138 muslimische Religionsgelehrte an die christlichen Kirchen. In: Rüdiger Lohlker (Hrsg.): Hadithstudien – Die Überlieferungen des Propheten im Gespräch. Festschrift für Prof. Dr. Tilman Nagel. Hamburg 2009, S. 163–182 (Englische Fassung [PDF; abgerufen am 18. Januar 2013]).
  • Friedmann Eißler: Muslimische Einladung zum Dialog. Dokumentation zum Brief der 138 Gelehrten („A common word“). Berlin 2009.
  • Christian W. Troll: Irenische Interpretationen? Eine Analyse des „Briefs der 138 Muslime“. In: Herder Korrespondenz. 2008, S. 403–408.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b So zum Beispiel Christian W. Troll: Unsere Seelen sind in Gefahr. In: DIE ZEIT. 18. April 2007, S. 14 (Online [abgerufen am 15. Februar 2013]).
  2. Ghazi bin Muhammad bin Talal: The Genesis of „A Common Word“. In: Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought (Hrsg.): A Common Word Between Us and You. 5-Year Anniversary Edition (= English Monograph Series 20). Amman 2012, S. 131–134 (PDF-Dokument [abgerufen am 15. Februar 2013]).
  3. Das Zitat lautet „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“ (Benedikt XVI.: Glaube und Vernunft. Die Regensburger Vorlesung. Kommentiert von Adel Theodor Khoury, Gesine Schwan, Karl Lehmann. Freiburg 2006.)
  4. Vgl. Mīrzā Masrūr Aḥmad: Antwort auf die Kritik am Islam in der Papstvorlesung. In: Haider Ali Zafar (Hrsg.): Glaube und Vernunft aus islamischer Perspektive. Antwort auf die Regensburger Vorlesung vom Papst Benedikt XVI. Frankfurt am Main 2007, S. 18–44.
  5. Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought (Hrsg.): Open Letter To His Holiness Pope Benedict XVI. 2006 (PDF-Dokument [abgerufen am 19. Januar 2013]).
  6. Ghazi bin Muhammad bin Talal: The Genesis of „A Common Word“. S. 131.
  7. a b Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought (Hrsg.): A Common Word Between Us and You. 5-Year Anniversary Edition. S. 53.; Übersetzung aus Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought: Ein Wort das uns und euch gemeinsam Ist. Ein Offener Brief und Aufruf von Religiösen Führern der Muslime an die Religiösen Führer des Christentums. Ins Deutsche übersetzt von ʿAbd al-Ḥafidh Wentzel. In: Friedmann Eißler (Hrsg.): Muslimische Einladung zum Dialog. Dokumentation zum Brief der 138 Gelehrten („A common word“). Berlin 2009, S. 16–43.
  8. Christian W. Troll: Irenische Interpretationen? Eine Analyse des „Briefs der 138 Muslime“. In: Herder Korrespondenz. 2008, S. 403–408, hier S. 405.
  9. Zitiert nach Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought: Ein Wort das uns und euch gemeinsam Ist. Ins Deutsche übersetzt von ʿAbd al-Ḥafidh Wentzel.
  10. Friedmann Eißler: Muslimische Einladung zum Dialog. S. 9.
  11. Lutz Richter-Bernburg: Ein Wort des Ausgleichs für die monotheistischen Religionen? 138 muslimische Religionsgelehrte an die christlichen Kirchen. In: Rüdiger Lohlker (Hrsg.): Hadithstudien – Die Überlieferungen des Propheten im Gespräch. Festschrift für Prof. Dr. Tilman Nagel. Hamburg 2009, S. 163–182, hier S. 175 (Englische Fassung online verfügbar [PDF; abgerufen am 18. Januar 2013]).
  12. Barnabas Fund: Antwort auf den offenen Brief und Aufruf von religiösen Führern der Muslime an die religiösen Führer der Christen vom 13. Oktober 2007. In: Friedmann Eißler (Hrsg.): Muslimische Einladung zum Dialog. S. 51–60, hier S. 58.
  13. Murad Wilfried Hofmann: Differences between the Muslim and the Christian Concept of Divine Love. Vortrag bei der „14th General Conference“, 4.–7. September 2007, Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought. Amman 2007, S. 10 (PDF-Dokument [abgerufen am 18. Januar 2013]).
  14. a b Friemann Eißler: Muslimische Einladung zum Dialog. S. 11.
  15. A Common Word Between Us And You. Abgerufen am 15. Februar 2013 (englisch).
  16. Christian W. Troll: Irenische Interpretationen?
  17. Lutz Richter-Bernburg: Ein Wort des Ausgleichs für die monotheistischen Religionen?
  18. Peter P. J. Beyerhaus, Horst W. Beck: Zum Brief von 138 muslimischen Gelehrten an die Christenheit. Erläuterung und Hintergrundinformation für christliche Leser. In: Friedmann Eißler (Hrsg.): Muslimische Einladung zum Dialog. S. 80–87, hier S. 86 (PDF-Dokument [abgerufen am 18. Januar 2013]).