Benutzer:GerhardSchuhmacher/Scriptorium

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Verfall der Schriftkenntnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Seit dem 6. Jahrhundert vernachlässigten die Gelehrten Europas das Griechische vollständig. Ausnahmen gab es nur in einigen bevorzugten Bildungsstätten Süditaliens und in Rom. Trotzdem ist festzustellen, daß während der Regierung Pippins [des Jüngeren (751–768)] griechische Handschriften nach Gallien gebracht und dort übersetzt wurden; man weiß auch, daß Papst Paul I. Grammatikbücher und die Werke des Dionysios Areopagites, in griechischer Sprache geschrieben, König Pippin zum Geschenk machte.“ (106).

Pippin führte auch eine neue Münzordnung ein. Auch der Aufbau der Kanzlei für die Ausfertigung der königlichen Urkunden wurde verändert. […] Der Wechsel des Personals brachte Fortschritte bei der Abfassung der Urkunden mit sich. Zunächst wurde die äußere Form verbessert. Es genügt ein Vergleich zwischen der letzten merowingischen Königsurkunde und den ersten Urkunden des Hausmeiers, um festzustellen, wie sorgfältig man um Aufmachung und einheitlicheres Schriftbild bemüht war. Noch wichtiger war der sprachliche Fortschritt. Während des 7. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des (8. Jahrhunderts beobachtet man eine ständige Verschlechterung der Orthographie und der Grammatik. Aber von der Mitte des Jahrhunderts an beginnt das sprachliche Niveau wieder zu steigen, eine Entwicklung, die bis zum Ende des Jahrhunderts anhält. Doch ist zu bemerken, daß die Verbesserung des Lateins überwiegend auf die Königsdiplome beschränkt bleibt, denn in Privaturkunden läßt die sprachliche Korrektheit weiter sehr zu wünschen übrig. Mit gutem Grund vermutet man, daß die zunehmenden Lateinkenntnisse auf Geistliche der Kanzlei zurückzuführen sind, denen Grammatikbücher und orthographische Abhandlungen zur Verfügung standen. […] Pippin hat das Gesetz neu belebt, der Schriftlichkeit wieder Bedeutung verschafft und damit das Werk Karls des Großen vorbereitet. (108)

„Karl vervielfachte die Zahl der ausgehenden Briefe, verlangte schriftliche Berichte und ließ Memoranden für Amtsinhaber erstellen. [(159)]. Karl der Große ließ von allen Völkern unter seiner Herrschaft das noch nicht aufgeschriebene Recht zusammenstellen und schriftlich niederlegen. […] Karl ließ die Lex Salica, Lex Alamannorum, Lex Baiuvariorum überarbeiten, die Lex Saxonum und Lex Frisionum ließ er kodifizieren. Seit 802 ließ er Beauftragte an der Ergänzung der geltenden Rechte arbeiten. Der König ermahnte die Richter, in jedem Prozeß nach dem jeweils anzuwendenden Volksrecht zu entscheiden. Das setzte voraus, daß sie die verschiedenen Rechte kannten und im Wortlaut besaßen. “ (166).

Neue Schreibweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Karl der Große wußte, dass man in den scriptoria der großen Klöster zur Anwendung einer eine neuen Schrift überging, die um 780 vielleicht in Corbie entwickelt worden war. In der Folgezeit wurde sie zur Ehre des Herrschers als Karolingische Minuskel bezeichnet. Diese Schrift in regelmäßigen Kleinbuchstaben und mit Wortzwischenräumen wurde schrittweise übernommen, setzte sich dann im ganzen Abendland durch und konnte sich bis zur Gegenwart halten. Bei den ersten Buchdruckern der Renaissance war die Minuskel so beliebt, daß sie für den Satz übernommen wurde. Auf ihr beruhen auch die Kleinbuchstaben der modernen Typographie (Antiqua).“

Die systematische Arbeit in den scriptoria begann unter Karl dem Großen, sie wurde ohne Unterbrechung durch das ganze 9. Jahrhundert fortgeführt. Man zählt ungefähr achttausend erhaltene Handschriften, aber dies ist nur ein Bruchteil dessen, was damals in den Schreibstuben angefertigt wurde. Daß die Werke der Kirchenväter, die lateinischen Arbeiten von Grammatikern, Rhetorikern, Dichtern und Prosaschriftstellern in den Bibliotheken erhalten blieben, ist allein die verdienstvolle Leistung der Abschreiber. Die europäische Literatur verdankt den karolingischen Kopisten sehr viel, ohne sie gäbe es keine Kenntnis der lateinischen Literatur der Antike.[1]

  1. Pierre Riché: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1987. Zitiert nach Ausgabe dtv, München 1992, S. 390. Original: Les Carolingiens. Une famille qui fit l'Europe. Hachette, Paris 1983.