Benutzer:HReuter/Celler Brauttausch

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Als Celler Brauttausch wird der Heiratsverzicht von Herzog Georg Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg und die Überlassung seiner Verlobten Sophie von der Pfalz an seinen jüngsten Bruder Ernst August bezeichnet, 1658 in Hannover in eigenhändigem Schreiben an letzteren erklärt.

Später sollte dieser Schritt weitreichende dynastische Folgen erlangen, da das englische Parlament 1701 im Act of Settlement das Recht der Thronfolge in England an Sophie und ihre (protestantischen) Nachkommen übertrug und Sophie dadurch zur Stammmutter des britischen Königshauses von 1714 bis zum heutigen Tag wurde.

Beteiligte und Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg

Georg Wilhelm, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Georg Wilhelm war mit 24 Jahren im Fürstentum Calenberg seinem zwei Jahre älteren Bruder Christian Ludwig als Herrscher nachgefolgt, als dieser 1648 in Celle die Herrschaft über das vakant gewordene Fürstentum Lüneburg angetreten hatte. Der Regierungstätigkeit in Hannover zog er jedoch schon bald ausgedehnte Reisen nach Italien vor.[1] In Sorge um den Fortbestand des welfischen Herrscherhauses, zumal da die 1652 geschlossene Ehe Christian Ludwigs kinderlos blieb und die jüngeren fürstlichen Brüder Johann Friedrich und Ernst August unverheiratet waren, drangen die hannoverschen Landstände zunehmend auf eine Vermählung Georg Wilhelms.

Hierzu zeigte er sich nur bereit, falls seine Wahl auf die junge Prinzessin Sophie von der Pfalz fallen könne.[2] Nach diplomatischer Vorklärung machte Georg Wilhelm 1656 auf dem Weg zu einer weiteren Italien-Reise zusammen mit Ernst August in Heidelberg Station, wo Sophie am Hofe ihres Bruders, des pfälzischen Kurfürsten Karl Ludwig lebte. Georg Wilhelm wurde aufs freundlichste aufgenommen, konnte alsbald einen Heiratsvertrag schließen und setzte sodann mit seinem Bruder die Reise nach Venedig fort. Dort jedoch, ungeachtet seiner Verlobung, „stürzte sich Georg Wilhelm mit dem Uebermuth der Jugend in einen Strudel von Lustbarkeiten und Genüssen“[3] und „vergnügte sich mit der erstbesten Kurtisane … Sie versetzte ihn … augenblicklich in einen für eine Heirat sehr unvorteilhaften Zustand“,[4] so dass er alsbald auf eine Lösung aus der eingegangenen Verpflichtung sann.

Diese bestand schließlich darin, „seinem Bruder Ernst August die Heirath mit der Pfalzgräfin vorzuschlagen“ und selbst auf jede Eheschließung und damit auf eigene legitime Nachkommen zu verzichten, so dass das Fürstentum Calenberg (und womöglich auch Lüneburg) schließlich an jenen oder seine männlichen Erben fallen würde. Hinzu kommen sollte eine Erhöhung der Apanage Ernst Augusts, um ihm eine eigene Hofhaltung zu ermöglichen. Mit der Zustimmung der Landstände und Georg Wilhelms eigenhändiger Verzichterklärung, datiert vom 11. Apriljul. / 21. April 1658greg., war der Weg frei.[3]

Ernst August von Braunschweig-Lüneburg

Ernst August, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ernst August, beim Tod seines Vaters Herzog Georg erst 11jährig, war zeitlebens seinem sechs Jahre älteren Bruder Georg Wilhelm eng verbunden; so begleitete er ihn in jungen Jahren auch auf zahlreichen Reisen. Als jüngster von vier Brüdern lebte er mit am Hannoverschen Hof, zunächst ohne Aussicht auf eigene Ländereien, bis er im Westfälischen Friedensvertrag von 1648 zum Bischof des Hochstifts Osnabrück nominiert wurde; dieses Amt konnte er jedoch erst 1662 nach dem Tod des bisherigen Fürstbischofs antreten.

Sophie von der Pfalz

Sophie, Prinzessin von der Pfalz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verzichtserklärung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem der von 1648 bis 1665 in Hannover regierende Herzog Georg Wilhelm zwei Jahre mit Sophie verlobt gewesen war,[5] [6] ...

Bei Havemann[7] noch ungenau zitiert, ist das Schreiben heute beim Niedersächsischen Landesarchiv (Standort Hannover) online abrufbar;[8] hier die Transkription:

„Nachdem ich eine hohe notwendigkeit zu sein ermessen, wann zu forderst dahin gedacht werde wie Unser Haus in dieser Linie mit erben versehen und auf die nachkommen propagiret werden möge. So habe demnach ich mich vor meiner person zu keiner heirat niemals auch bis Dato nicht verstehen können noch wollen, sondern vielmehr meinen bruder Ernst Augustus dahin vermocht, daß er sich entlich erklärt, Dafern ich in favor seiner und seiner männlichen Leibes erben einen schriftlichen schein mich nimmer zu verheiraten unter meiner eignen Hand und sigel herausstellen würde, er sich als dan resolviren wolte fürderlichst und ungesaümt zu der heiligen ehe zu schreiten und also verhoffentlich land und leute hirmeyst mit erben zu erfreuen. Wie dan zwischen ihm und mir solches mit mehrern verabredet worden. Weil dann nunmehr mein Bruder Ernest Augustus sich aus oben angeregeten Ursachen mit der Princessin Sophien in ein ehe gelöbnis eingelassen, solches auch durch die Copulation in kürtzen zu vollziehen entschlossen ist.

So habe ich meiner gegebenen parole zufolge wie woll aus eigener bewegnis und ganz freyem willen, vorerwehneten meinem Bruder dieses nochmahls festiglich zu sagen und versprechen wollen, verspreche auch bey meinen ehren und wahren worten das so lange gedachte Princessin und mein bruder im leben und ehestandt begriffen sein werden oder auch nach ihrem absterben mänliche erben hinter sich verlassen würden, ich mich keinesweges in einiger heirat mit iemand einlassen viel weniger dergleichen vollenziehen will, noch soll, begehre auch nicht anderst als die noch übrige zeit meines lebens in Coelibatu gentzlich hinzubringen, damit also mehr vorerwähnter [?] princessin und meines brudern mänliche erben als in deren favor diese meine renuntiation eigentlich geschieht, zu einer oder beider dieser fürstenthümer zur regierung gelangen und kommen mögen. Dessen allen zu wahrer und mehrer Versicherung habe ich diese renuntiation mit eigener handt selbst schreiben und unter schreiben wollen auch mit meinem pitschaft untersigelt und nachmahlen wolbedächtlich meinem bruder zu eignen handen und seiner verwahrung heraus gestellet. So geschehen Hanovern den 11/21. April Ano 1658

(Siegel) Georg Wilhelm Herzog
zu Braunschweig und
Lüneburg“

Georg

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

u65jip,up

Trivia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bezeichnung als „Brauttausch“ ist inhaltlich nicht korrekt, hat sich aber so eingebürgert.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wilhelm Havemann: Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg. Band 3. Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1857, S. 209–213 (Volltext in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. Januar 2016]).
  2. Wilhelm Havemann: ibid. S. 239–240.
  3. a b Wilhelm Havemann: ibid. S. 243–245.
  4. Martina Trauschke (Hrsg.): Memoiren der Kurfürstin Sophie von Hannover. Ein höfisches Lebensbild aus dem 17. Jahrhundert. 4. Auflage. Wallstein Verlag, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1514-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. Januar 2016]).
  5. Alheidis von Rohr: Herzöge, Kurfürsten, Könige. Die Geschichte Hannovers im Überblick. In: Marieanne von König (Hrsg.): Herrenhausen: Die Königlichen Gärten in Hannover, S. 10. Wallstein Verlag, Göttingen 2006, ISBN 978-3-8353-0053-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 24. August 2015]).
  6. Karin Feuerstein-Praßer: Sophie von Hannover (1630-1714). „Wenn es die Frau Kurfürstin nicht gäbe …“ Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2007, ISBN 978-3-7917-1867-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. Januar 2016]).
  7. Wilhelm Havemann: ibid. S. 245–246.
  8. Heiratsverzicht des Herzogs Georg Wilhelm. Hannover 1658 (eigenhändiges Manuskript [abgerufen am 20. Januar 2016]).