Benutzer:Heidelbaer/AltonaerBekenntnis

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Das Altonaer Bekenntnis, wörtlich Wort und Bekenntnis Altonaer Pastoren in der Not und Verwirrung des öffentlichen Lebens ist eine Bekenntnisschrift, die von 21 Altonaer Pastoren am 11. Januar 1933 in den Kirchen St. Trinitatis und St. Petri zu Altona verlesen wurde. Sie stellt eine Reaktion der Geistlichen auf den Altonaer Blutsonntag dar, an dem Kommunisten und Nationalsozialisten sich eine blutige Straßenschlacht mit bis zu 18 Toten geliefert hatten. Die Bekenntnisschrift, die maßgeblich von Hans Asmussen verfasst wurde, richtete sich gegen politischen Extremismus jeder Art, und gilt als erstes wichtiges Dokument kirchlichen Widerstandes gegen die NS-Diktatur, der sich in der bekennenden Kirche organisierte. Die totale politische Neutralität der Kirche wird darin aufgegeben, und stattdessen politische Erlösungslehren scharf angegriffen. Viele der beteiligten Pastoren waren nach der Machtergreifung Repressalien ausgesetzt, so wurde Hans Asmussen suspendiert und dann zwangspensioniert. Er wirkte aber an der Barmer Theologischen Erklärung mit, die bis heute in vielen evangelischen Landeskirchen Geltung hat.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 17. Juli 1932, dem „Altonaer Blutsonntag“,tobte in den Straßen der Stadt eine blutige Straßenschlacht zwischen SA-Verbänden aus Schleswig Holstein, Hamburg und Niedersachsen und Mitgliedern der Altonaer „Antifaschistischen Aktion“. Im Ergebnis waren 18 Tote und viele Verletzte zu beklagen. Da der Kampf an einem Sonntag stattfand, war die Kirche direkt betroffen, es wird berichtet, dass die Gewehrkugeln an die Mauer der St. Trinitatis-Kirche prallten, während Hans Asmussen in seinem Nachmittagsgottesdienst über das Gebot „Du sollst nicht töten“ predigte.

Schon am 18 Juli beschlossen die Altonaer Pastoren gemeinsam mit ihrem Propsten Georg Heinrich Sieveking, dass die Kirche zu diesen Ereignissen nicht schweigen dürfe. Am 21.7. fand daher ein erster „Notgottesdienst“ in allen Altonaer Kirchen statt, in dem noch keine Predigt gehalten wurde, aber eine Botschaft verlesen wurde, die dazu aufrief „in allen sittlichen, wirtschaftlichen und politischen Nöten“ die Hilfe allein in Jesus Christus zu sehen.

Doch wuchs in den folgenden Pastorenkonventen und Propsteikonferenzen die Einsicht, dass es mehr als nur dieses Aufrufes bedürfe, und so entstand der Wille zu einer Klarstellung der kirchlichen Position in den politischen Kämpfen. Darüber hinaus waren die Geistlichen in der Pflicht, die Opfer dieser Kämpfe zu beerdigen, und mussten damit rechnen, dass die Trauerfeiern zu politischen Kundgebungen missbraucht werden.

Speziell Hans Asmussen hatte in dieser Hinsicht schon 1929 Erfahrungen sammeln können. Er wurde in Albersdorf Zeuge, wie die Beerdigung des SA-Mannes Otto Streibel, der bei der „Blutnacht von Wöhrden“ ums Leben gekommen ist, von Adolf Hitler zu einer Rede am offenen Grab genutzt wurde. Darin widersprach er direkt Asmussens Kollegen Reinhold Schmidt, der in seiner Predigt zu Verzicht auf Rache und Gewalt aufgerufen hatte.

Eine Kommission aus den Pastoren Asmussen, Hasselmann, Knuth, Thomsen und Tonnesen übernahm die Arbeit, aus einem Papier mit 65 Thesen wurde am 27. August 1932 ein Bekenntnis mit fünf Hauptteilen: 1. Die Kirche (Thomsen), 2. Die Grenzen des politischen Handelns (Hasselmann), 3. Der Staat (Knuth), 4. Die Aufgaben des Staates und der Parteien Tonnesen, 5. Die Forderungen der Gebote als politische Forderungen (Asmussen).

Dies Bekenntnis wurde heftig diskutiert, Propst Sieveking stellte Asmussen vorübergehend von den pfarramtlichen Pflichten frei, um die Skeptiker zu überzeugen, und das Bekenntnis bald in eine konsensfähige Form zu bringen. Schon am 18. November zog ein Vorentwurf Kreise vom Landeskirchenamt in Kiel bis nach Bethel, doch in Altona war noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Erst am 15. Dezember lagen die einundzwanzig Unterschriften der Altonaer Pastoren vor.

Das Bekenntnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bekenntnis wurde im Rahmen eines Gottesdienstes am 11. Januar 1933 verlesen, da die Hauptkirche St. Trinitatis dem gewaltigen Interesse nicht Raum geben konnte (auch der Oberbürgermeister Max Brauer war anwesend), fand eine Parallelveranstaltung in der Petrikirche statt.

Es wurde auch in 230.000 Exemplaren gedruckt und gelangte so in viele Hände auch außerhalb Altonas und Norddeutschlands. Es wurde von vielen kirchlichen Zeitungen im Wortlaut gedruckt, die übrige Presse brachte Auszüge oder Zusammenfassungen.

Der Charakter eines kirchlichen Bekenntnisses wird dabei nicht immer gewahrt, ein Defizit an Theologie und Dogmatik ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass sich hier ja nicht eine Bekenntnisgemeinschaft zu Wort meldet, sondern – so verstehen sich die Pastoren – eine Notgemeinschaft die durch Raum und Zeit zusammengeschweißt wurden. Nicht durch eine einheitliche Theologie.

So war es auch Asmussens „erster praktischer Entwurf“, der konsensfähig wurde, und durchweg neben dem Bekenntnischarakter auch die praktische Wegweisung in der aktuellen Situation erkennen lässt.

Die Artikel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Artikel 1 „Von der Kirche“ wird also weder das Wesen der Kirche, noch ihre Grundlagen in Wort und Sakrament verhandelt, sondern vor allem ihre Rolle in der wahrgenommenen Umbruchzeit. Die Formulierung, in der Kirche eine „aufgerufene Schar“ zu sehen, erkennt man deutlich die Aufbruchstimmung der Zeit.

Vor allem wehrt man sich gegen alle Versuche, die Kirche zu vereinnahmen, weder von einzelnen Schichten der Gesellschaft, noch von Parteien oder Ideologien. „Wer die Kirche in ihrer Verkündigung einer politischen Macht unterstellen will, macht damit die politische Macht zu einer dem Christentum feindlichen Religion“

In Artikel 2 „Von den Grenzen des Menschen“ wird festgehalten, dass es im Menschlichen Streben umd Fortschritt und Gerechtigkeit immer nur relative Erfolge geben kann, aber „daß um unserer Sünde willen nie ein Zustand erreicht werden kann, in welchem Leistung und Lohn sich wirklich entsprechen“. Daher wird jede nationalsozialistische und marxistische Erlösungslehre verworfen: „Wir verwerfen darum entschieden den Traum von dem kommenden irdischen Weltreiche der Gerechtigkeit“

In Artikel 3 „Vom Staate“ wird zunächst die Notwendigkeit eines starken Staates betont, der die sündigen Menschen eint und ihnen Lebensraum schafft, „ohne dass einer in seinem Lebensdrang das Leben des anderen vernichtet“. Dabei gilt grundsätzlich jeder Staat als Ausdruck göttlichen Ordnungswillens: „Es gibt keine Staatsform, welche man die einzig richtige nennen kann“.

Aber ein schwacher Staat, der nicht mehr in der Lage ist Ordnung zu schaffen (so hat man wohl die Weimarer Republik wahrgenommen) noch ein vergöttlichter Staat, der „antichristlich“ genannt wird, sind Gegenstand der Kritik. Denn es gilt „wenn aber der Fall eintritt, dass die Obrigkeit wider „der Stadt Bestes“ handelt, dann muss jeder entscheiden, wann der Augenblick gekommen ist, wo man Gott mehr ghorchen muß als den Menschen“.

In Artikel 4 „von den Aufgaben des Staates“ wird den nationalen Stimmen im Pastorenkreis erheblich Raum gegeben. Von der Legitimität des Verteidigungskrieges ist die Rede, und davon, dass „Verträge, die den Bestand des Staates gefährden, bekämpft und beseitigt werden“ müssen. Sogar die staatliche „Aufgabe von Gott, Volk und Staat in ihrer Deutschheit zu bewahren“ wird formuliert. Deutsche Werte wie „Sparsamkeit, Sauberkeit, Ordnung und Treue“ werden ausdrücklich gelobt.

Dennoch kritisiert der Artikel den Versuch von Parteien, den Staat als ganzes umstürzen zu wollen, mit „Schlagwortpropaganda“ den Himmel auf Erden zu versprechen, und und so eine „dauernde Bereitschaft zu Bürgerkrieg und Straßenkampf“ zu schüren.

In Artikel 5 „Von den Geboten Gottes“ wird in Anlehnung an die Zehn Gebote der rechte Glaube und das rechte Handeln eingeschärft. Der natürliche Glaube Deutschlands sei christlich, und keine „Religion der Gottlosigkeit oder des Leninkultes“. Vom Schöpferglauben leitet sich auch der Schutz des Lebens ab, und Verachtung des Lebens, wird als Sünde zurückgewiesen, eine solche Verachtung liege vor, „wenn das Verbrechen gegen das Leben nicht mehr hart geahndet wird“ oder „wenn Volksglieder als untermenschlich gesehen werden“, allerdings wird auch fehlender „Respekt vor der deutschen Nation“ in die gleiche Reihe gestellt.

Die Ordnung der Ehe wird ebenso betont, wie der Schutz der Feiertage, der Schutz und die Würde der Stände verböten jeden Versuch der Ausbeutung, „darum verwerfen wir es, wenn Arbeit zur Ware wird, die man kaufen und verkaufen kann“. Neben Kritik an Beleidigung als Mittel politischer Auseinandersetzung und die Hoffnung auf Rechtsstaatlichkeit kommt zum Schluss noch ein Hinweis darauf, „daß alles, was hier ausgesprochen ist, auf das Wort vom Kreuz abzielt, und von ihm her gestaltet ist“

Unterzeichner[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sieveking, Schröder, Hoffmann, A. Reuter, Roos, R. Reuter, Thun, Ketels, Siegmann, Stalmann, W.Petersen, Tonnesen, Abraham, Christiansen, Andersen, Hildebrand, Hasselmann, Asmussen, Thomsen, Thedens und Knuth.

Wirkung und Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bekenntnis wurde zunächst von einer breiten kirchlichen Öffentlichkeit unterstützt, in der Evangelischen Kirche Mecklenburgs wurde dem Bekenntnis sogar von Bischof, Kirchenrat und 213 Pastoren die Zustimmung erteilt – und damit faktisch Teil der Bekenntnisschriften der Kirche. Manche dachten, hier hätte man die Vorlage für eine Bekenntnisgrundlage einer lutherischen Kirche Deutschlands.

Scharfe Kritik gab es von seiten der KPD und der NSDAP, die sich beide zu recht von den kritischen Tönen des Bekenntnisses angesprochen fühlten. Während die KPD die Ablehnung politischer Heilslehren als billige Jenseitsvertröstung geißelte, steigerte sich die NS-Kritik, für die Gauleiter Lohse verantwortlich zeichnete, bis hin zum Vorwurf des Hochverrats.

Doch auch innerkrichlich wurde das Bekenntnis durch die sog. Machtergreifung Hitlers in den nationalistischen Sog gezogen, und so geriet es bald in Vergessenheit, es wirkte wie ein Relikt aus alter, notvoller Zeit. So schien sich zu bewahrheiten, was der Nichtunterzeichner Dührkop in das Verhandlungsbuch des Pastorenkoventes schrieb, das über die Diskussionen und Posistionen bis zum Altonaer Bekenntnis Auskunft gibt: „Dieses Verhandlungsbuch ist hiermit geschlossen. Eine neue Zeit beginnt, Dührkop, stellv. Propst, Altona, d. 4. Nov. 1933. Heil Hitler!“.

Die Nachwirkungen des Altonaer Bekenntnisses können aber bis in die Barmer Theologische Erklärung hinein verfolgt werden (an der Hans Asmussen selbst mitwirkte), die sich 1934 auf einer breiteren kirchlichen Basis stellte, als der Pastorenkonvent Altonas es sein konnte, und im sich realisierenden NS-Unrechtsstaat deutlich klarer Position bezog. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt auch klar, dass es kein einheitliches Bekenntnis der ganzen Kirche mehr geben könnte, sondern die Spaltung in „Deutsche Christen“ und „Bekennende Kirche“ unausweichlich war.

In der Folge der Machtergreifung wurde aus der scharfen Kritik der Nationalsozialisten am Bekenntnis massiver Druck. Schon im Mai 1933 veröffentlichten die 21 Pastoren eine Klarstellung, in der die mutige Formulierung des Bekenntnisses, dass der Heldentod als solches nicht zu Seligkeit der Seele führe, erheblich relativiert wird. Viele begrüßten die „Neue Zeit“ und hofften auch auf eine erneuerte Kirche.

Doch was kam, war eine neue ns-dominierte Synode, und Suspendierungen gegen Asmussen, Sieveking, Thomsen und Knuth. Asmussens Suspendierung wurde zwar nach dem Protest von 240 Kirchenmitgliedern aufgehoben, doch später wurde er zwangspensioniert. Sieveking starb noch suspendiert, Thomsen Suspendierung wurde auch aufgehoben, Knuth in die Nähe von Geesthacht zwangsversetzt.

Andere Unterzeichner distanzierten sich zum Teil öffentlich vom Bekenntnis und wurden sämtlich befördert, Abraham, Hasselmann und der Nichtunterzeichner Dührkop wurden Pröpste in Rendsburg, Wandsbek und Flensburg. Hasselmann nahm jedoch später wieder Kontakt zu der bekennenden Kirche auf.

Würdigung und Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu würdigen ist in jedem Fall der mutige Versuch, sich als Kirche nicht politisch vereinnahmen zu lassen, und als religiöse Bemäntelung einer politischen Partei oder Ideologie missbraucht zu werden. Und gleichzeitig der Versuch, dabei nicht neutrale Zurückhaltung zu praktizieren, sondern direkt in die Auseinandersetzung hinein ein kirchliches Bekenntnis zu sprechen.

Die an der Gleichschaltung allen öffentlichen Lebens interessierten Nationalsozialisten haben dies möglicherweise viel eher als fundamentale Kritik an ihren Bestrebungen aufgefasst, als die Pastoren selber, die sich in der Mehrzahl gar nicht als „Oppositionelle“ verstanden hätten.

Und doch haben sie den Christen damals einen Maßstab an die Hand gelegt, in dem Schutz des Lebens (gleich welcher Rasse) und Rechtsstaatlichkeit, freie offene Rede und menschliche Würde auch des politischen Gegners die Grenzen christlichen politischen Denkens und Handelns darstellten, und entschiedene Skepsis gegen Totalitarismus und politische Heilslehren gepredigt wurde.

Kritisch anzumerken ist im Rückblick freilich vieles. Zu sehr scheinen die Pastoren vom deutschnationalen Geist infiziert, wenig halten sie von den Parteien, sie wünschen einen starken Staat, und loben das Deutschtum und die deutschen Tugenden. Theologisch ist vieles unscharf geblieben. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass an dem Bekenntnis nur Pastoren, nicht aber die Gemeinden beteiligt waren, dies ist vom evangelischen Kirchenverständnis her nicht unproblematisch.

Literatur und Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[*]Das Altonaer Bekenntnis, Text und Theologie, Zeitgeschichte und Zeugen, Nordelbischer Konvent 21, Ev. Presseverband Nord e.V, Kiel 1983 [*]Kirche und Nationalsozialismus, Beiträge zur Geschichte des Kirchenkampfes in Schleswig-Holstein, hg. v. Klauspeter Reumann, Karl Wacholz Verlag, Neumünster 1988