Benutzer:Herr Andrax/Schatz und Woeldike über den deutschen Arbeitsbegriff und Antisemitismus

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Arbeitsseite für die Diskussion hier: [1]

Für die Diskussion um antisemitische Stereotypen bezüglich des deutschen Arbeitsbegriffes, speziell der Denkform vom „schaffenden“ und „raffenden“ Kapital, habe ich versprochen einen Einblick in die Arbeit von Holger Schatz, Andrea Woeldike (S/W) „Freiheit und Wahn deutscher Arbeit.“ (Literatur siehe unten) zu geben. Von Luther bis zur Romantik habe ich hier versucht, passende Zitate für die Diskussion zusammenzustellen. Da es nicht sinnvoll ist, die entsprechende Diskussionsseite mit soviel Text voll zu stellen, habe ich hier eine Arbeitsseite angelegt.


Zivilisationsmythen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das scheint mir etwas weit zurückgreifend für den 'deutschen' Arbeitsbegriff. Außerdem ist mir unklar, auf was hier angespielt wird. Die Interpretation der "Dialektik der Aufklärung" - Odysseus läßt arbeiten (nämlich die Gefährten rudern); dafür wird sein Genuß (Anhörung des Gesangs der Sirenen) vergiftet (er kann ihm nur gefesselt folgen - wie bis heute die Opernbesucher in ihren engen Sitzen) - ist zwar witzig, aber nicht überzeugend. Es gibt a) zwei Arbeitsszenen, wo die herrschende Klasse selbst arbeitet und dadurch nicht zuletzt ihre Identität gewinnt: die gnädige Frau webt unermüdlich, um die Freier hinzuhalten und erkennt b) ihren arg heruntergekommenen Gemahl nur daran, daß er ihr die Geschichte vom selbst gemachten Ehebett erzählen kann. Das kleinbürgerliche Arbeitsethos ist an ganz anderer Stelle beschrieben worden: bei Hesiod, in "Werke und Tage" (davon gibts eine kundige und preiswert edierte und eingeleitete Ausgabe bei Reclam; für alle Freunde deutscher Arbeit eine unbedingte Pflichtlektüre). FrauPhilipp 202.52.41.134 13:56, 2. Feb 2006 (CET)
Denke auch nicht, daß es einen deutschen Arbeitsbegriff gibt, aber sehr wohl eine deutsche Zuspitzung, also eine zum Teil eben krankhafte Verknüpfung von Menschenwürde und Leistung. Finde den Rückgriff auf die Odyssee nicht so abwegig. Bei der Gefahr an den Sirenen und wie sie von der Klugheit (Odysseus-Athene) gemeistert wird geht nun bestimmt um was anderes, aber bei dem Leitmotiv der üblen Schar der Werber, denen ja nicht wirklich die Werbung vorgehalten wird sondern das Verprassen fremden Gutes, da kann man schon Zusammenhänge sehen. Hätten sie von ihrem eigenen Hof aus geworben und ihre eigenen Schweine gefressen, hätte Odysseus weder Recht noch höheren Auftrag gegen ihr Leben gehabt. Kennt man ein wenig die griechische Sage kann man ziemlich leicht in der Gestalt des Bettlers Odysseus die Präsens des höchsten Gottes selber sehen. Zeus war der Hüter des Gastrechts. Er trat gern auch als Fremder (Bedürftiger) an die Schwelle eines Hauses um die Herzen auf ihren Glauben zu prüfen. Der Punkt ist, daß die die hier von anderer Leute Gut zehren - es sei sie schützt Unglück und Alter, wie eben den Bettler - daß die keine Existenzberechtigung mehr haben. Sie werden alle ermordet, keine Gnade, einschließlich der Dinerinnen vom Hof selbst, die sich untreu verhalten haben, ohne daß diese Untreue überhaupt weiter beschrieben werden muß. Wir haben hier also nicht einfach die Schilderung irgendeines Unrechts und irgendeiner Aufhebung des Unrechts vor uns, sondern höchstes kollektives Unrecht und die einzige wahre (göttliche) Antwort, und das ist nicht eben irgendein zufälliges Beispiel, denn Tugend könnte man billig wohl auch anders darstellen. So gesehn ist auch gar kein solcher Unterschied mehr zwischen Homer und Hesiod, was ja sowieso wunderlich wäre, wo man doch die ganze Zeit von einem antiken Kosmos redet.--M.sack 09:56, 26. Nov. 2007 (CET)

Christentum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das “Christentum weitet diese Verständnis von Zivilisation als Überwindung der mythischen Natur mittels, Opfer, Unterwerfung und Selbstentsagung aus. In der Trennung von Geist und Materie kann das Göttliche als das Gute verabsolutiert werden, dem die vollendete Sündhaftigkeit der Welt diametral entgegengestellt wird.“ (S/W) Beispiele: Neues Testament: Vertreibung der Händler aus dem Tempel. / 5. Jahrhundert Papst Leo I. formuliert verbindlich für das Mittelalter, dass „des Geldes Zinsgewinn der Seele Tod sei“. (S/W)
Aber es geht doch um Arbeit und Antisemitismus? Müßte da nicht erst mal das alte Testament (das das Christentum ja schließlich usurpiert hat) angesprochen werden? Und die zwei Arbeitsvorstellungen vor und nach dem Sündenfall? Außerdem richtet sich die Zinskritik der Päpste doch nicht allererst gegen die Juden, sondern es geht angesichts der sich ausbreitenden Ware-Geld-Wirtschaft um eine säkulare Auseinandersetzung mit einer neuen Produktionsweise. Und an der beteiligen sich schließlich christliche Kaufleute mit Erfolg und Gewinn - der Lombardsatz heißt heute noch so, weil seine Erfinder aus Italien kamen (und christliche Kaufleute waren).
Na ja: und Entsagung, Jammertal, Schweiß unseres Angesichtes usw.: alles schön und gut - aber deutsch? FrauPhilipp 202.52.41.134 14:06, 2. Feb 2006 (CET)

Martin Luther / Vorgeschichte Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • “Mit Luther setzte sich dann endgültig ein Arbeitsbegriff durch, der die ‚deutsche ehrliche Arbeit’ dem ‚jüdischen Schmarotzertum und Wucher’ gegenüber stellte. Dabei konnte er durchaus schon auf einzelne ältere Ideen zurückgreifen. So schrieb Heinrich von Heisler in seinem Werk Evangelium Dicodemi, welches er um 1300 vermutlich für den Deutschen Orden verfasste: ‚(...) oder bringt sie (die Juden) in eine Einöde, (...) und lasst sie dort roden und graben und sich dort der Mühsal/Arbeit erdulden, eher tun sie alles, was ihr von ihnen verlangt, damit ihr für sie sorgt. Sonst bleiben sie faul und müßig und können doch des Geldes und des Gutes sicher sein.’ (...) in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, beispielsweise der Text des Theologen Geiler von Kaisersberg, der die Juden nicht mehr nur des Müßiggangs beschuldigt, sondern sie bereits in einen systematischen Zusammenhang mit dem Wucher bringt: ‚Sind also die Juden besser als die Christen, weil sie nicht mit ihren Händen arbeiten wollen? Stehen sie nicht unter den Wort Gottes: ‚’Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen?!’ Im Wucher hingibt, der arbeitet nicht, sondern schindet die Anderen und tritt dabei in seinem Müßiggang noch stolz auf.’“ S/W beschreiben weiter, wie an den Vorstellungen von Arbeit das Bild von Juden im Mittelalter in bildlichen Darstellungen und religiösen Masseninszenierungen popularisiert wird – insb. In den Fastnachtsspielen (z.B. Der Nürnberger Meistersinger Hans Folz).
Das halte ich für eine ziemlich elende Kompilation. 1) Ist der Arbeitsbegriff der Renaissance mächtig komplex und umstritten. Statt Luther könnte man da ja mal Fischart (Das Glückhafte Schiff von Zürich) lesen - oder Alberti (Della Famiglia): da arbeiten die Italiener; und zwar wie verrückt und deutlich vor Luther. 2) Ist Luthers Wucherkritik zunächst keineswegs antisemitisch (so weit ich mich erinnere, kommen die Juden in seinem Sermon über Kaufhandlung und Wucher überhaupt nicht oder jedenfalls nicht an prominenter Stelle vor), sondern richtet sich gegen das, was er als unberechtigten Kaufmannsgewinn begreift. Er hat natürlich noch keine Ahnung vom Wertgesetz und denkt, der entstünde durch unberechtigte Aufschläge auf einen gerechten Preis.
Tatsächlich bedient sich doch der mittelalterliche Antisemitismus anderer Verdächtigungen: Ritualmordlegende, Hostienschändung, Brunnenvergiftung usw. Da läuft offensichtlich analytisch einiges schief. FrauPhilipp202.52.41.134 14:16, 2. Feb 2006 (CET)
Sicher -bedient sich- der Judenhass im Mittelalter der Legendenstrickerei, aber eben um was zu verbergen oder um was eigentlich zu meinen? Der Arbeitsbegriff war nun sicher in höher gebildeten Ständen (also einer kleinen Minderheit) immer komplex, nämlich so wie der Faulheitsbegriff der herrschenden Konvention moralisch eher eindeutig war. Es kommt auch weiter gar nicht drauf an, ob ein Alberti was vor Luther gesagt hat oder Hesiod, sondern daß mit Luther eine nationale Komponete ins Spiel kommt. Das war bestimmt noch nichts Bewußtes und es war sowieso überlagert davon, daß es ja genauso auch gegen den -deutschen Faulpels- ging, es ist aber wohl diese nationale (rassistische) Note, die dann im politisch rechten Spektrum etwas zentrales wird und im NS dann alle Fesseln abstreift.--M.sack 11:40, 26. Nov. 2007 (CET)

Martin Luther über die Juden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • “Denn, wie gehört, Gottes Zorn ist groß und über sie, dass sie durch sanfte Barmherzigkeit nur ärger und ärger, durch Schärfe aber wenig besser werden. Drum immer weg mit ihnen.“ Martin Luther über die Juden, zit. In S/W

„Luther- der sich selbst als deutschen Patrioten bezeichnete- kämpfte gegen die Vorherrschaft des römischen Kaisers, sah die deutschen Ideale vom ‚welschen’ Gedankengut unterdrückt und das ‚deutsche Geld und Gut’ durch de ‚schmarotzenden und wucherischen Juden’ bedroht: „Jawohl, sie halten uns Christen in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen sie dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, sauffen, leben sanft und wohl von unserem erarbeiteten Gut, haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher, spotten dazu und speien uns an, dass wir arbeiten und sie faule Juncker lassen sein (...), sind also unsere Herren, wir ihre Knechte.“

(Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen In: Martin Luther: Ausgewählte Werk. Ergänzungsreihe Bd. 3. In H.H. Borcherdt; Georg Merz (Hg.): Schriften wider Juden und Türken, 2. Auflage, Berlin, München , 1936 – Zitiert nach S/W))

Übersetzung des Wortes Arbeit in der Bibel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weiter S/W: „Dagegen stellt er eine als spezifisch deutsch gedachte Arbeitsauffassung. Er übersetzte als erster die Bibel von der griechischen in die deutsch Sprache, wobei er für ‚Arbeit’ das Wort ‚Beruf’ einführte. Beruf war gleichbedeutend mit göttlichem Willen, Berufung, Schickung und Fügung. Arbeit sollte demnach nicht mehr als Not, Mühsal, Last und Knechtschaft verstanden werden, sondern als eine Aufgabe, die sich durch Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und durch Berufstreue auszeichne. Zentral sei dabei das Leiden im irdischen Jammertal und das Einfügen in die ‚objektive historische Ordnung’. Der deutsche Volkscharakter, der sich besonders durch Traditionsgebundenheit, Sittlichkeit, Gemütlichkeit, Einfalt, Natürlichkeit und durch die Freude an der Arbeit auszeichnen, wurde für ihn zur Vorraussetzung, um diese göttliche Berufung erfüllen zu können.“

Das halte ich, ehrlich gesagt für ziemlichen Quatsch. Zunächst mal gibts im Griechischen überhaupt kein Wort für Arbeit (sondern ein ziemlich komplexes Wortfeld, in dem sich ergon (Werk), ponos (Mühe) und schole (Muße) überschneiden). Weiter führte Luther dafür nicht Beruf ein, sondern seine Lehre vom Beruf geht mit einer geradezu wuchernden (sorry) Verwendung des Arbeitsbegriffs einher. Bei Luther arbeiten wirklich alle (die Kühe geben Milch, die Hühner legen Eier, die Bullen ziehen Pflüge, die Knechte malochen, die Kaufleute zählen ihre Kohle, die Fürsten regieren: jedesmal heißt es: das ist ihre Arbeit. Schließlich kommt der Witz der Lutherschen Arbeitsauffassung hier überhaupt nicht vor: nämlich die Trennung der Arbeit von ihren Resultaten. Du sollst arbeiten, predigt er, aber die Früchte gibt allein Gott. Die Arbeit kann ihren Erfolg nicht erzwingen. Es gibt keine Verbindung zwischen Arbeit und Gewinn. Der Mensch arbeitet. Gott teilt zu. Deswegen kommt es, sagt Luther pfiffig, daß einige viel arbeiten und wenig haben, während andere kaum arbeiten, und der Reichtum ihnen doch zufließt. Damit meint er aber wieder mal nicht die Juden. Sondern er legitimiert die Klassengesellschaft und predigt den Armen, immer fleißig weiter zu arbeiten, auch wenn nichts dabei herausspringt. FrauPhilipp202.52.41.134 14:33, 2. Feb 2006 (CET)

Im Gegensatz zum Calvinismus, Puritanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • „Im Gegensatz zum Calvinismus und dem daraus entwickelnden Puritanismus, welche sich nicht nur die Arbeit, sondern auch das Geld aufwerteten, hielt Luther an dem negativen Bild des Handels fest: Er verteufelte die Juden, di von ihm mit der Tauschabstraktion und dem Zins tragenden Kapital gleichgesetzt wurden. Dabei kommen sich in der lutherischen Vorstellung von Arbeit das Feindbild des ‚Juden’ und das des ‚Zigeuners’ sehr nahe, beide- ‚Juden’ und ‚Zigeuner’ – werden als negative Abspaltung des neune Arbeitsethos, als die ‚Nicht-Arbeitenden’ begriffen. Beide werden in einem engem Zusammenhang mit dem Teufel gesetzt. Anders jedoch als Juden werden so genannte ‚Zigeuner’ nicht systematisch mit dem sich selbst erzeugenden Geld identifiziert.“ (S/W)
Hier wird mächtig viel verkürzt und zusammengeworfen. 1) Calvinismus und Puritanismus gehen in dieser Frage nicht zusammen. Nach der Prädestinationslehre ist über der Menschen Schicksal bereits entschieden, ehe sie zu arbeiten beginnen oder Geld verdienen. Da lohnt es sich doch wirklich, bei Max Weber (Protestantische Ethik) nachzulesen. 2) Werden die Juden nicht mit der Tauschabstraktion und dem zinstragenden Kapital gleichgesetzt. Abgesehen davon, daß Luther keine Ahnung davon hatte, daß Geld die abstrakte Verdinglichung zwischenmenschlicher Beziehungen sein könnte, steht er hier in der Antizinstradition der katholischen Kirche. Und die richtete sich ganz entschieden gegen christliche Kaufleute, italienische Banker, augsburgische Großunternehmer und ähnliche mehr, von denen es im christlichen Abendland nur so wimmelte. Es ist richtig, daß er schließlich die Juden in diesen Sermon einbezogen hat. Es stimmt auch, daß er antisemitische Schmähschriften geschrieben hat. Dann wollen wir doch aber auch genau wissen, warum und worüber. Diese verkürzte Faulheit-Geld-Zins-Kiste bringts jedenfalls nicht. FrauPhilipp202.52.41.134 14:43, 2. Feb 2006 (CET)

Konzept der Zwangsarbeit für Juden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • “Luther entwarf ein Konzept der Zwangsarbeit für Juden, war aber zugleich skeptisch bezüglich des Erfolgs, da er der Meinung war, dass ‚sie keine Arbeit gewohnt sein’. Er plädierte deshalb für die Vertreibung: ‚…daß man ihre Synagoge oder ihre Schule mit Feuer anstecke und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. (…) Zum anderen, daß man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre. Denn sie treiben ebendasselbige drinnen, das sie in ihren Schulen treiben. Dafür mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall tun, wie die Zigeuner. (…) keiner Arbeit gewohnet, so lasst uns mit ihnen rechnen, was sie uns abgewuchert, und darnach gütlich geteilet, sie aber für immer zum Lande ausgetrieben.’ (Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen In: Martin Luther: Ausgewählte Werk. Ergänzungsreihe Bd. 3. In H.H. Borcherdt; Georg Merz (Hg.): Schriften wider Juden und Türken)“ (S/W)

Vorwurf des ‚Zeitdiebstahl’[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • “Dabei richtete sich Luthers Agitation nicht generell gegen die sich immer stärker entwickelnde Zins- und Kreditwirtschaft. Er unterschied zwischen dem deutschen Kreditgeber, der an deutsche Tugenden wie Sparsamkeit und unermüdlichen Fleiß gebunden sei, und dem jüdischen Wucherer: Während der fleißige Deutsche, also auch der Kreditgeber, ‚im Schweiße seines Angesichts’ sein Brot verdiene, instrumentalisiere der Jude die Zeit, indem er müßig dasitze, das Geld für sich arbeiten lasse und so ‚Zeitdiebstahl’ an Gott begehe, der allein über ‚die Zeit’ verfügt.“
Das ist wirklich eindeutig falsch - ich verweise noch einmal auf L.'s Sermon gegen Kaufhandel und Wucher. FrauPhilipp 202.52.41.134 14:49, 2. Feb 2006 (CET)
  • am Ende der im 15. Jahrhunderts begonnen Entwicklung sind die Juden wirtschaftlich und sozial völlig ausgegrenzt.
Auch das ist falsch und kann in jeder Geschichte des Antisemitismus nachgelesen werden. Die christlichen Attacken und Verdächtigungen beginnen viel früher und sie beginnen nicht mit Wuchervorwürfen, sondern mit Blutbeschuldigungen und Vergiftungsbezichtigungen - Frantisek Graus (Pest, Geißler, Judenmorde) hat dazu ein ungemein informatives Buch geschrieben. FrauPhilipp 202.52.41.134 14:49, 2. Feb 2006 (CET)

Betteln/Arbeiten - Beispiel Kurfürst von Brandenburg (15. Jrh.)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Betteln/Arbeiten - Beispiel Kurfürst von Brandenburg (15. Jrh.) „Durch die zunehmende Marktvergesellschaftung wurde diese nun als immer bedrohlicher empfunden und durch Verordnungen zu ‚regelmäßigen Tätigkeiten’ eingeklagt. So schaffte der Kurfürst von Brandenburg zwar Arbeitsmöglichkeiten, indem er einen Kanal bauen ließ, die Arbeiter verließen aber die Baustellen „wegen Beschwerlichkeit derselben und gingen nach Hause“. (….) Die Bereitschaft, sich einem ständigen Arbeitszwang zu unterwerfen, musste nicht nur durchgesetzt, sondern anerzogen werden. Dies galt allerdings nicht für alle, da ‚Bettel-Juden’ und ‚Zigeuner’ in den meisten deutschen Territorien von vornherein als ‚unerziehbar’ galten.“

Erziehung zur Arbeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • “Die Reformation ächtete endgültig alles, was ihr als ‚Nicht-Arbeit’ erschien. Durch eine Erziehung zur Arbeit sollte ‚die Verfleißigung der Bevölkerung’ stattfinden. Wenngleich auch zuerst Zwang nötig wäre, sollte letztendlich duch eine ‚dauernde Betätigung’ Arbeit zur Gewohnheit werden, bis sie derart selbstverständlich sei, dass sie als das einzig Richtige und Sinnvolle erscheine. In logischer Konsequenz entstanden Arbeits- und Zuchthäuser zu erst in reformierten Städten wie Amsterdam, Hamburg und Lübeck.“

“Rationale Berufsarbeit und Arbeitsamkeit“ und Pietismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„…ein Staat, welcher Art er auch sei, kann nämlich nicht bestehen, wenn nicht alle Bürger einmütig an der Erhaltung ihres gemeinsamen Valterlands arbeiten.“ der Pietist Friedrich II.

„Mein Beruf verlangt Arbeit und Thätigkeit, mein Körper und Geist müssen sich ihrer Pflichten fügen. Es ist nicht nötig, daß ich lebe, wohl aber , dass ich handle.“ Friedrich II.

„Sowohl dem Luthertum und dem sich daraus entwickelnden deutschen Pietismus wie auch dem Calvinismus und dessen Weiterentwicklung, dem Puritanismus, liegt als zentrales Moment ein Arbeitsethos zugrunde. Dieser Ethos wird jedoch völlig unterschiedlich interpretiert. Luther forderte, sich in Demut und Einfalt zu übern, in einem traditionalistischen Sinne die Welt zu nehmen wie sie sei, und deshalb Beruf als Fürsorge der göttlichen Ordnung zu verstehen und unter der Prämisse ständig tätig zu sein. In der Fortführung dieser Vorstellung begriff der deutsche Pietismus den Beruf als Gottesdienst, durch welchen die egoistischen Interessen des Einzelnen erolgreich unterdrückt würden. Wenn dies gelänge, könne Arbeit auch niemals widerwillig oder gar mit Verdruss getan werden. Von zentraler Bedeutung ist hier die Berufstreue, deren Idealbild in einem patriachalen Arbeitgeber, zufriedenen Angestellten und Arbeitern besteht, die keinesfalls nach individuellem Erwerb trachten, sondern sich von ihrer ‚Gemütlichkeit und Natürlichkeit’ leiten lassen. Vom Pietismus wird dem der asketische ‚alles durchdringende’ Arbeitsethos der Engländer gegenüber gestellt. Religion geht hier in dieser Vorstellung eine unmittelbare Verbbindung mit Erziehung ein. Die Basis der Gesellschaft beruht dabei auf einer allgemeinen Erziehung zur Arbeit, da stetige Arbeit die wichtigste Tugend sei. So schlug 1692 der pietistische Reformer Francke vor, Vaganten und Bettlern keine Almosen mehr zu geben. Stattdessen sollten sie in einer Manufaktur arbeiten lernen. …“ s/w

„Die Arbeit als das organisch Echte in der Romantik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Der Kreis werktätiger Pflicht ist weit ausreichend für unsere Kräfte, si adelt jeden, der ihr tru dient. In dem sauren Schweiß der Arbeitt liegt ein Antrieb, der dem Leben Schwung gibt…“ Goethe

„Die Romantik wandte sich gegen die zunehmende Kapitalisierung der Gesellschaft, Allerdings richtete sich ihre Kritik nicht gegen das ihr zugrunde liegende Prinzip der ‚gesellschaftlichen Arbeit’, sondern gegen deren Erscheinungsebene. So verstand sie sich als Gegenbewegung zur Aufklärung, der sie Vorwarf, sie bediene sich ausschließlich analytischer Methoden, die alles nur auseinander nähme und auf ‚Einzelteile’ reduziere. Durch ständige Reflexion rationalisiere die Aufklärung, anstatt die Emotionen sprechen zu lassen. Denn die ‚Gefühle’ stellten ‚das wahre Innere’ und das ‚organische Echte’ dar. Die Welt wurde als ein großer Sinnzusammenhang beschrieben, dessen Äußeres das Sinnbild des Inneren sei. Das innere, die Seele, der Geist seien jedoch das wahrhafte Bestimmende, dort vor allem, aber auch in der Natur, würde sich der göttliche Geist widerspiegeln. (…)

In Verbindung des ‚organisch Echten’ tauchte immer öfters das Ideal der gemeinsam Schaffenden auf, auch di Abgrenzung zur französischen Revolution, wie zum Beispiel bei Schillers [Lied von der Glocke] von 1800. …“

“Deutsche Freiheitsideen des Vormärz gegen Wucher und Handel“ / Philosophie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Eine Nation von Kaufleuten … (die ) keine bürgerliche Ehre sucht, sondern diesen ihren Verlust durch die Vorteile der Überlistung des Volkes unter dem sie Schutz suchen und finden … ersetzen wollen. Nun kann dieses bei einer ganzen Nation von Kaufleuten, als nichtproduzierenden Gliedern der Gesellschaft … auch nicht anders sein…“ Immanuel Kant

„Wurde in der Theologie das Judentum als von Gott verworfen erklärt, wird es nun in der Philosophie als ‚ein unnatürliches, unmenschliches, versteinertes gesellschaftliches System“ beschrieben, welches allein „von Eigennutz und materialistischen politischen Zielen“ durchdrungen sei (Vgl. Hegel). Elemente der theologischen Einwände wurde den beibehalten und in den Kontext einer im Wesentlichen säkularen Kritik am Judentum aufgenommen. In der Art der Kritik glich die Romantik der christlichen Verteufelung des Judentums, wobei das Christentum in ihre in neuer Weise erinnerlicht wurde. Nicht mehr Gott, sondern die Menschen die sich als Volk untereinander lieben, schließen die Juden aus der romantischen Erlösungsgemeinschaft aus. Diese Gemeinschaft wurde eindeutiger als je zuvor definiert: die des Volkes, der Nation und der Rasse.“

„Auf der Suche nach nationaler Identität reichte die tautologische Formel Fichtes, dass „Charakter“ zu „haben, und deutsch (zu) sein ohne Zweifel gleichbedeutend“ sei, weil die Sache „ohne unser Wissen und Besinnung aus unserm Sein unmittelbar hervorgehe“, nicht lange aus, weshalb Fichte als Wegbereiter des modernen revolutionären deutschen Nationalismus diesen untrennbar mit dem ‚revolutionären deutschen Antisemitismus’ verband.“

„Der Heidelberger Philosoph Jakob Friedrich Fries legte seiner Definition der Juden nicht mehr die Religionszugehhörigkeit zugrunde, sondern knüpfte an die Vorstellung von ‚den Juden als Staat im Staat’ an und entwickelte es weiter. Dabei konnte er auf bereits vorhandene Projektionen zurückgreifen: Die Juden hätten „keinen Anteil an harten Berufen wie Bauer oder Handwerker“, denn „der Jude ist zu faul und zu schwach, um einen von diesen schweren und ausdauernde Kräfte erfordernden Nährungswegen zu wählen.“ …“

„Anschaulich wurde in Märchen und Romanen des 19. Jahrhunderts die Konstruktion der Juden als Figur ‚des Betrügers’, des Bösen’ oder des Teufels’, der dem deutschen Arbeitsethos entgegenwirke. Als Beispiel mögen die Teufelspaktgeschichten der Gebrüder Grimm oder die Märchen von Hauff dienen, …“

“Nützliches Schaffen versus Mamonismus“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Es ist freilich nicht bloß die Arbeit schlechthin, sonder auch ein scharfer Unterschied in der Idee der Arbeitsehre und Arbeitssittlichkeit, der den Semiten vom Arier trennt ... Selbst in unseren Tagen galt der gwaltthätige Judenhaß revolutionärer Bauern nicht dem Judenglauben und der Judensitte, sondern der Judenarbeit, dem Schacher, der schon so manchen Kleinbauern aus dem Lande herausgearbeitet hat. Aehnlich fürchtet der Gebildete das nationale Gepräge der jüdischen Geistesarbeit als ein dem deutschen Volkscharakter widerstrebendes…“ Wilhelm Heinrich Riehl

„Spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Arbeit zur staatsbürgerlichen Pflicht erklärt. Deutsche Arbeit wurde nun als ‚nützliches Schaffen’ zum Wohle des Volkes definiert. Die gesellschaftliche Integration sollte über die gemeinsame Arbeit stattfinden. Dabei setze sich in den verschiedenen deutschen Staaten schnell die Überzeugung durch, das Schicksal eines Volkes entscheide sich in und durch die Arbeit. …“ (S/W)

Gründerzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Das Bild des Wucherers wird ab der Gründerzeit vom „bösen jüdischen Finanzkapital“ abgelöst, das scheinbar einer Erlösung des produktiven „Volkes“ (Arbeiter und Industriekapital) entgegenstehe.“ Fittkau in einer Rezenion zu s/w

Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Die Spitze des ideologischen Aussatzes erreichen die Nationalsozialisten mit ihrer „Versöhnung“ des produktiven „Volkes“ in einer korporativen Volksgemeinschaft mit gleichzeitigem Vernichtungswahn gegen die vorgeblichen „Schmarotzer“.

„Rheinische Kapitalismus|rheinische Kapitalismus“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der „rheinische Kapitalismus“ zeichnet sich bis heute durch Sozialpartnerschaft und Bündnis für Arbeit aus. Ein Muster, dass sich schnell mit Ressentiments aufladen lässt, wie die letzten 10 Jahre im besonderen zeigen.“ Fittkau in einer Rezenion zu s/w

Vorwort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorwort

Vox populi: Eine Gruppe radelnder Jungen, vierzehn bis fünfzehn Jahre, um zehn abends in der Wormser Straße. Sie überholen mich, rufen zurück, warten, lassen mich passieren. "Der kriegt einen Genickschuß … ich drück’ ab … Er wird an den Galgen gehängt – Börsen-schieber … " und irgendwelches Gemauschel. Es hat mich tiefer und nachhaltiger verbittert und schwankend gemacht, als mich den Abend vorher die Worte des alten Arbeiters erfreuten.

Victor Klemperer


Wohl kaum eine andere Frage ist in Deutschland derart verdrängt worden, wie die nach dem Ausmaß der Verantwortung eines Groß-teils der deutschen Bevölkerung für den Antisemitismus vor und während des Nationalsozialismus. Antworten, welche die biografi-schen Zeugnisse der Überlebenden und die darin zum Ausdruck kommende Erfahrung von der antisemitischen Totalität bestätigen, sto-ßen nach wie vor auf Unwillen und Verschlossenheit. Neben der gewohnten Befangenheit und dem Widerwillen der Politik liegt dies aber auch an den erkenntnistheoretischen Beschränkungen der empirischen Geschichtswissenschaft, wonach sprichwörtlich nur dort Antisemitismus drinsteckt, wo auch Antisemitismus draufsteht. Ein Beispiel aus der neueren Literatur mag als Beleg genügen: »Deutlich wird vielmehr, daß sich selbst bei jenen, die vor 1933 die Nationalsozialisten abgelehnt hatten, Elemente der Ablehnung neben solche der Zustimmung zu schieben begannen; nicht zuletzt beeindruckt durch die vermeintlich so außerordentlich erfolgreiche Wirtschafts-, Außen- und Kriegspolitik des Regimes.

Dies scheint sich, den verfügbaren Quellen zufolge, aber nur in geringerem Umfang auch auf die nationalsozialistische Judenpolitik ausgedehnt zu haben.«1

Die Zustimmung zum Regime erfolgte demnach nicht aufgrund des Antisemitismus, sondern ihm zum Trotz – so könnte die Quintessenz einer polemisch zugespitzten Interpretation solcher Formulierungen lauten. Hitler wurde zwar bejubelt, jedoch nur wegen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und einer erfolgreichen Balsamierung der gekränkten nationalen Ehre. Außer Acht bleibt dabei, das die Zustimmung zum nationalsozialistischen Wirtschaftskonzept eine Zustimmung zu einem ganz bestimmten Konzept von ›Arbeit‹ und ›Volk‹ beinhaltete, das längst vor dem ›Dritten Reich‹ immanent antisemitisch gewesen ist. Wer sich zur ›nationalen, deutschen Arbeit‹ bekannte, willigte auch in den Antisemitismus ein – so lautet die pla-kative Ausgangsthese unseres Buches.

Eines der vielleicht folgenreichsten Elemente des Antisemitismus ist die Vorstellung, Juden seien arbeitsscheu und lebten von der Arbeit anderer – eine Vorstellung, die sich auf die lange Tradition des antijudaistischen Bildes vom angeblich parasitären, wuchernden Juden stützt. Diese Vorstellung muss auch aufgrund ihrer Anschlussfähigkeit an das Alltagsbewusstsein vieler Deutscher unter den Bedingungen der warenproduzierenden Moderne als wirkungsmächtiges Medium des Antisemitismus betrachtet werden und ist für uns ein zentraler Schlüssel, um den nicht zuletzt von Daniel Jonah Goldhagen 2 beschriebenen klassenübergreifenden Antisemitismus genauer zu erfassen. Goldhagen beschreibt in drei umfangreichen Fallstudien das freiwillige Bedürfnis vieler Deutscher, Juden zu quälen und schließlich zu ermorden. Goldagen zufolge waren Tausende von Deutschen – direkt oder indirekt – aus freien Stücken am Holocaust beteiligt, und »auch Millionen ande-rer Deutscher [hätten] nicht anders gehandelt, wären sie in die entspre-chenden Positionen gelangt«3 . Dabei streift Goldhagen auch die Denktradition des Konstrukts ›jüdischer Nicht-Arbeit‹4 , konfrontiert sie jedoch nicht mit den sozioökonomischen Veränderungen und Bedingungen von ›Arbeit‹. Es wurde bereits von anderer Seite angemerkt, dass somit jedoch die Dynamik dieser Vorstellung verschwimmt.5 Dieses Buch richtet deshalb den Fokus auf die Synthese der spezifischen Vorstellun-gen von Arbeit und Freiheit zu jenem deutschen Wahn, den wir mit den Worten ›Arbeit macht frei‹6 assoziieren müssen.

Ausgehend von den Erkenntnissen der Antisemitismusforschung schreibt Goldhagen im Rahmen seiner methodischen und analyti-schen Überlegungen: »Antisemitismus verrät uns nichts über die Juden, aber eine Menge über Antisemiten und ihre Kultur, die sie hervorbringt.« 7 Bezogen auf die Vorstellung der ›parasitären, jüdischen Nicht-Arbeit‹ muss also die Frage nach dem Selbstverständnis der Deutschen zu ›ihrer‹ Arbeit, die Frage nach der ›deutschen Arbeit‹ gestellt werden, einem Begriff, der sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts im öffentlichen Diskurs der Deutschen etablierte.8

In unserer Darstellung werden deshalb zunächst die Ursprünge des Zusammenhangs von ›deutscher Arbeit‹ und Antisemitismus von der deutschen Romantik über die Reformation bis ins Mittelalter zurückverfolgt, um dann jenen im Deutschland des 19. und des frü-hen 20. Jahrhunderts stattfindenden Prozess skizzieren zu können, den man mit ›Nationalisierung der Arbeit‹ umschreiben kann. Obgleich sich ähnliche Prozesse in der Entwicklung Frankreichs oder auch Englands beobachten lassen, kommt der Ideologisierung der Arbeit als ›deutscher‹ beziehungsweise ›nationaler Arbeit‹ bezüglich der Ausbildung einer deutschen nationalen Identität besondere Bedeutung zu.9

Die Zentralität der Arbeit im deutschen Diskurs fußte jedoch nicht nur auf den Erfordernissen nationaler Sinnstiftung, sondern entsprach ihrer sozioökonomischen Evidenz. Im Zuge des beschleunigten und eruptiven Prozesses von Kapitalisierung und Industrialisierung stellten sich der ›Arbeit‹ fundamentale Fragen der Entfremdung, deren Beantwortung zur möglicherweise dringlichsten nationalen Aufgabe wurde. Vor diesem Hintergrund begann sich die Idee eines ›deutschen Sozialismus‹ und eines ›deutschen Antikapitalismus‹ in all seiner Widersprüchlichkeit zu konturieren. Im Folgenden wird beschrieben, wie der Nationalsozialismus versuchte, diese ›Idee‹ zu absorbieren und mit Alltagswahrnehmungen der Bevölkerung dis-kursiv kompatibel zu gestalten. Der ideologiekritische Blick auf den nationalsozialistischen Arbeitsbegriff wird zeigen, was im Begriff der ›deutschen Arbeit‹ bereits angelegt ist: Die historischen Formveränderungen der Arbeit infolge der Universalisierung der Warenproduktion und der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse treten hinter einen überzeitlichen, naturalisierten Begriff von Arbeit zurück. Diese Verdinglichung, die Zurückweisung von Begriffen wie ›Lohnarbeit‹ oder ›abstrakte Arbeit‹10 – Begriffen, die der Gesellschaftlichkeit jener Formveränderungen der Arbeit Rechnung tragen - korrespondierte paradoxerweise mit einer vermeintlich radikalen Kritik an den Widersprüchen kapitalistischer Vergesellschaftung. Der Arbeitsdiskurs der Nationalsozialisten wird deshalb auch als Versuch beschrie-ben, einerseits den Schritt vom Klassen- zum Volksstaat zu vollziehen, andererseits die Versöhnung von Arbeit und Kapital sowie die Aufhebung der Entfremdung der ›abstrakten Arbeit‹ in Aussicht zu stellen.

Ausgehend von materialistischen Theorien zum modernen Antisemitismus konfrontieren wir die strukturellen Dispositionen der kapitalistisch vergesellschafteten Individuen mit den konkreten sozioökonomischen Voraussetzungen Deutschlands. Der Blick auf die ›deutsche Arbeit‹ liefert so nicht nur eine Analyse der volksgemeinschaftlichen Binnenstrukturierung und ihrer Ausschlussmechanismen, sondern reflektiert die gesellschaftlichen Abgründe der patho-logischen Projektion einer ›raffenden jüdischen Nicht-Arbeit‹. Die historisch-soziologische Darstellung wird deshalb durch entsprechen-de theoretische Exkurse begleitet werden. Insofern hier Antisemitismus verstanden wird als strukturelle Möglichkeit des individuellen und kollektiven Bewußtseins, das unbegriffene ›Leiden‹ an der modernen Vergellschaftung zu verarbeiten, muss diese Darstellung mit Anmerkungen zur Kontinuität und zum Wandel ›deutscher Arbeit‹ nach 1945 enden.

Die besondere kulturelle Bedeutung der Arbeit in Deutschland wurzelt bereits in vor- und frühkapitalistischen Verhältnissen. (...)

alle Zitate aus:[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Holger Schatz, Andrea Woeldike: Freiheit und Wahn deutscher Arbeit. Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion. Münster 2000

Rezensionen:[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[2],

"Wie Hannah Arendt bei ihrem Besuch in der gerade gegründeten Bundesrepublik 1950 feststellte, ist die ständige Geschäftigkeit des Deutschen, dessen trainierte Form der Verdrängung der Wirklichkeit. Den Nationalsozialisten gelang es,die entfremdete Arbeit zu erotisieren, die „Arbeit an sich“. Der nationale Gründungsmythos „deutsche Arbeit“ galt als Ort der „Unschuld“. Mit Luther und Hitler: Nicht was, sondern wie einer arbeitet, zählt.

Die Autoren versuchen in der Entstehungsphase der „deutschen Nation“ die Geburt einer „nationalen bzw. deutschen Arbeit“ als historische Partikularität zu belegen. Die deutsche Reformation brachte die protestantische Arbeitsethik, das nur der sich nähren dürfe, der im Schweiße seines Angesichts dem lieben Herrgott arbeitend dient im Unterschied zum Calvinismus und Puritanismus. Nachdrücklich wird daran erinnert, warum Schüler in diesem Lande fast zwei Jahrhunderte die „Glocke“ auswendig lernen mussten. Der Mythos der „deutschen Arbeit“ mit den Wunschmerkmalen Fleiß, Disziplin und Pünktlichkeit bekam in der deutschen Romantik eine Erlösungs- und Befreiungsmetaphorik.

Schatz/Woeldike zeichnen nach, dass dieses Bild des tüchtigen Michel immer begleitet wurde von Ausgrenzungsprozessen und Hasstiraden gegen die „Nicht-Arbeiter“. Luther polemisierte gegen die Juden als vermeintliche Wucherer, der „Romantiker“ Fichte wurde bemerkenswert ausfallend und von Wagner und Nietzsche ist es bekannt. Das Bild des Wucherers wird ab der Gründerzeit vom „bösen jüdischen Finanzkapital“ abgelöst, das scheinbar einer Erlösung des produktiven „Volkes“ (Arbeiter und Industriekapital) entgegenstehe. Die Spitze des ideologischen Aussatzes erreichen die Nationalsozialisten mit ihrer „Versöhnung“ des produktiven „Volkes“ in einer korporativen Volksgemeinschaft mit gleichzeitigem Vernichtungswahn gegen die vorgeblichen „Schmarotzer“. Der „rheinische Kapitalismus“ zeichnet sich bis heute durch Sozialpartnerschaft und Bündnis für Arbeit aus. Ein Muster, dass sich schnell mit Ressentiments aufladen lässt, wie die letzten 10 Jahre im besonderen zeigen.

Ein Werk in der Tradition der Kritischen Theorie, stark in der Recherche und marxistischen Analyse. Leider wird eine stärkere sozialpsychologische Grundierung des Wahns vernachlässigt. Kurz werden Ernst Jüngers „Arbeiter-Soldaten“ skizziert und das Gegensatzpaar „Gesund-Krank“ gänzlich gemieden, dass im NS-Staat ein besonderes Wahnbild eines „gesunden, produktiven Volkskörpers“ annahm. "

Gerd Fittkau, konkret

Religiöse, völkische und nationale Verbrämung von Arbeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der kulthafte Charakter eines Arbeitsbegriffs zeigt sich in vielfältigen Erzählungen über den Zusammenhang von Arbeit und Religion, Arbeit und Volk und Arbeit und Nation. Die Beschwörung der Bedeutung der Arbeit für das nationale oder religiöse Kollektiv oder für die nationale Volkswirtschaft, dient dabei vielfach der Formulierung kollektiver Normen und Werte. Die "Lebenskraft" des Kollektivs wird mit der "Arbeitskraft" gleichgesetzt und Arbeit mit einem "sittlichen Gehalt" angefüllt. [1] Zu dieser Funktion gehört auch die Einebnung sozialer Widersprüche und die Integration bzw. den Ausschluss derjenigen, die nicht zur Gemeinschaft gezählt werden. In der Neue Rechte und im Extremismus der Mitte gehört die Verknüpfung von Arbeit und Nation zum rhetorischen Standard. Martin Hohmann formulierte in seiner umstrittenen Rede:

"Wie viele Menschen in Deutschland klopfen ihre Pläne und Taten auch darauf ab, ob sie nicht nur eigennützig, sondern auch gemeinschaftsnützig sind [, ob] sie der Gemeinschaft nützen, ob sie unser Land voranbringen?" [2]

In extremer Formen finden sich Verkettungen solche Verbrämungen in den völkischen Wurzeln des Nationalsozialismus und in der nationalsozialistischen Propaganda. Zur antisemitischen Rhetorik Adolf Hitlers gehörten religiöse Element zur Beschwörung der Volksgemeinschaft und Vernichtung der Juden.

Arbeitsehre, Verehrung von Arbeit, Verachtung von "Nicht-Arbeit"[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Zeichen von Arbeitskult stellt die Vorstellung dar, über das "nackte Lohnverdienen" hinaus eine Arbeitsehre zu entwickeln und zu pflegen. Der Anspruch der Verehrung geht besonders im Völkischen mit einer Verbindung zu ethischen Werten, mit einer Aufladung durch metaphysischen Sinn und mit der Idealisierung von Arbeit und eines Arbeitsethos einher. In diesem Idealbild findet sich im Völkischen als Gegenbild der "Materialismus" der "nachten Lohnarbeit" sowie das antisemitische Bild der "jüdischen Nicht-Arbeit". Robert Ley (1890-1945), Organisator der Reichsparteitage, formuierte das 1935 für die deutsche Volksgemeinschaft wie folgt:

"Wir werden es nicht zulassen, dass wie früher nur gewisse kleine Kreise den Profit der Arbeit anderer haben. Wir wollen, dass die Arbeit einen neuen Sinn erhält, einen neuen ethischen und seelischen Wert, dass aus dem nackten Lohnverdienen wieder ein Ideal der Arbeit wir, dass ein gemeinsamer Begriff Ehre der Arbeit alle durchglüht, und dass eine gemeinsame Auffassung von Volk und Nation alle erfüllt." [3]

Fetischisierung moderner Produktivität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blut und Maschine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Besonders in der völkischen Romantik zeigten sich Widersprüche zwischen der antimodernistischen Schollenromantik und der extremen Fetischisierung der modernen Produktion.

"Spätestens der Ersten Weltkrieg entfaltete in diesem Zusammenhang katalysierende Wirkung. Er förderte nicht nur insgesamt das Nationalgefühl, sondern auch die Nationalisierung der Arbeit, denn in der Extremsituation von Not und Überlebenskampf konnte die nationale Bestimmung der eigenen Tätigkeit real nachvollzogen und gleichzeitig die Technik als treue verbündete in einem nationalen Kontext wahrgenommen werden." [4]

Ängste vor der Technik wurden im völkischen Technikbegriff einerseits offen angesprochen gleichzeitig durch die Propaganda des Technikmissbrauchs durch die "materialistische", "liberalistische" und somit "jüdische" Anwendung abgespalten. Technik wurde zu einer Kategorie der Natur, Katastrophen der technischen Produktion wurden zu Naturkatastrophen. Der Mensch ordnete sich wie in den Arbeiterliedern von Heinrich Lersche aus der Weimarer Republik in die Technik ein, wie in der Natur. Seine Lieder wie das "Wollt ihr, werkende Maschinen / Neuen Volkes Helfer sein? ... " wurden im Nationalsozialismus rezipiert. [5] In dem nationalsozialistischen Sammelband "Ruf der Arbeit" beschreibt der Herausgeber Heinz Kindermann 1942 das Prinzip des "Maschinewerdens" in der völkischen Arbeiterliteratur:

"Dort hatte man versucht, den neuen, bedrohlichen Maschinengeist dadurch zu bändigen, dass man ihn gleichsam überschrie und übertrumpfte, in dem man selbst Maschine wurde. (...) Diesen materialistischen Auffassungen nun setzten schon Lersch und Bröger ein Eigenart der persönlichen Leistung ja der Bereitschaft, nach Neigung und Begabung dieses Besondere zu wählen (...) entgegen. (...) Nicht Masse, sondern Gemeinschaft hieß die Lösung, weil einzig in diesem Zusammenklang des großen Arbeitsakkordes der Nation jede einzelne Stimme ihr Bestes und Eigenstes zu geben vermag. [6]

Schönheit der Arbeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Nationalsozialismus wurde die Technikbegeisterung "mit einer gewaltigen, ästhetischen Inszenierung, ... im Gigantismus eines Albert Speers, Chef des DAF-Amtes "Schönheit der Arbeit"", vorangetrieben. [7]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. Schatz/Woeldike s. Literatur
  2. Alfred Schobert: Eliten-Antisemitismus in Nazi-Kontinuität In: graswurzel.net [1], eingesehen am 20. März 2007
  3. Robert Ley, 1935, zitiert nach Holger Schatz, Andrea Woeldike: Freiheit und Wahn deutscher Arbeit. Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion.
  4. Holger Schatz, Andrea Woeldike: Freiheit und Wahn deutscher Arbeit. Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion.
  5. Vgl. Holger Schatz, Andrea Woeldike: Freiheit und Wahn deutscher Arbeit. Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion.
  6. Heinz Kindermann: "Ruf der Arbeit", Berlin 1942, zitiert nach Holger Schatz, Andrea Woeldike: Freiheit und Wahn deutscher Arbeit. Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion.
  7. Vgl. Holger Schatz, Andrea Woeldike: Freiheit und Wahn deutscher Arbeit. Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion