Benutzer:JK24147/Wilfried Röhrich

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Prof. Dr. Wilfried Röhrich (* 24. Dezember 1936 in Darmstadt) ist ein deutscher Politikwissenschaftler.


Kurzbiographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie in Berlin und Frankfurt a.M. sowie einem Forschungsaufenthalt in den USA im Auftrag des Frankfurter Instituts für Sozialforschung erfolgte 1964 die Promotion zum Dr. phil. und (dank eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft) 1970 die Habilitation in Politikwissenschaft. Röhrich wurde 1973 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Kiel und 1979 Direktor des dortigen Instituts für Politische Wissenschaft (bis zu seiner Entpflichtung 2001). Von 1981 bis 1991 war er Vizepräsident der Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft, deren Schriftenreihe „Beiträge zur Sozialforschung“ er herausgibt. Von 1980 bis 1982 war Röhrich Mitglied des „Ständigen Ausschusses für Lehre und Studium beim Vorstand der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft“. Zwölf Vertreter der Bundesländer erarbeiteten damals die Fachinhalte der noch neuen Disziplin „Politikwissenschaft“ mit Blick auf den politikwissenschaftlichen Diplom- und Magisterstudiengang.

An der Universität Kiel hat Wilfried Röhrich zahlreiche Ringvorlesungen und Kongresse initiiert, von denen zwei genannt seien: Er war Mitveranstalter des Kongresses „Ethik und Politik heute“ (Februar 1990) mit den Diskutanten Karl-Otto Apel, Wolfgang Huber, Hans Jonas, Hans Küng und Reinhard Löw. Und gemeinsam mit Dieter S. Lutz leitete er im SS 1999 die viel beachtete Ringvorlesung „Weltpolitik und Nationalstaatlichkeit“ u. a. mit den Rednern Egon Bahr, Wilfried von Bredow, Hans-Peter Dürr, Knut Ipsen, Hans Koschnick und Udo E. Simonis.

Wilfried Röhrich hat mehrere Forschungs- und Lehraufenthalte an ausländischen Universitäten verbracht und zahlreiche Forschungsreisen in lateinamerikanischen und asiatischen Ländern und vor allem in Ländern der islamischen Welt unternommen, über die er mehrere Kommentare in der überregionalen Presse verfasste (so in der Süddeutschen Zeitung unter Außenansichten: „Die Macht des Islam einschränken“ und „Iran und die Gefahr der Atombombe“, so in der Frankfurter Rundschau unter Dokumentation: „Die islamistische Herausforderung“ und so in der Financial Times Deutschland „Unheilvolle Bombenpläne“ und „Welche Zukunft hat der Iran?“).

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Vorwort „Wilfried Röhrich: Wissenschaftler und Lehrer einer realen Humanität“ der Festschrift „Globalisierung und nationale Souveränität“ (2000) hat Dieter S. Lutz eine Einführung in charakteristische Lebenssituationen und daraus entstandene Schriften Röhrichs gegeben, aus der nachfolgend einige Passagen herausgegriffen werden:

Wilfried Röhrich hat die Endphase des Nationalsozialismus noch insoweit miterlebt, dass er sich immer wieder in seinen Lehrveranstaltungen und Publikationen mit der entgrenzten Machtanwendung eines Staatsapparates befasste, in dessen Namen es erlaubt schien, zu morden, zu vernichten, auszurotten. Schon in seiner Habilitationsschrift über Robert Michels, hat Röhrich dessen Weg zum Faschismus Mussolinis und damit die italienische Variante eines epochalen Phänomens erforscht. In ähnlicher Weise vollzog sich die Rückbesinnung auf die unmittelbare Nachkriegszeit, die so genannte „Stunde Null“, die Röhrich mit den psychoanalytischen Kategorien der Mitscherlichs analysierte. Damit beginnt sein Buch über die „Demokratie der Westdeutschen“ – eine Darstellung, in der er die Veränderungen im Psycho- und Soziogramm der Bundesbürger und den innenpolitischen „Klimawandel“ anhand von zeitgenössischen Zeugnissen interpretiert.

Damals, in der Trümmerzeit und den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik, wurde Wilfried Röhrichs spätere Hinwendung zur Friedensforschung, aber auch zur Internationalen Politik angeregt, war doch die Formel vom „totalen Krieg“ bei Kriegsende makabre Wirklichkeit geworden. Man spürt noch die Ergriffenheit in der von Röhrich mitgestalteten Publikation zum „Überleben durch Partnerschaft“, zu den Gedanken über eine friedliche Welt. Und was die internationale Politik anbelangt, so sei stellvertretend das Studienbuch zur „Politik und Ökonomie der Weltgesellschaft“ genannt, an dessen zweiter Auflage Karl Georg Zinn mitwirkte. Die Verfasser zeigen in exemplarischer Weise die übergreifenden Dimensionen internationaler Verflechtung auf und stellen hierbei die ökonomischen Faktoren der Politik und die politischen Hintergründe ökonomischer Prozesse heraus.

Befragt, wann und wie er zu der von ihm vertretenen emanzipatorischen Politikwissenschaft gelangt sei, verweist Wilfried Röhrich auf die nachhaltigen Impulse seiner akademischen Lehrer Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Carlo Schmid. Röhrich hat aus der kritischen Theorie der Frankfurter Schule sein Erkenntnisinteresse gewonnen, das ihn zukünftig leiten sollte: so beispielsweise in seinem Werk über die „Denker der Politik“, das der Idee realer Humanität verpflichtet ist, und so in seinem Studienbuch über die „Gesellschaftssysteme der Gegenwart“ – jenen politikökonomischen Systemanalysen im internationalen Kontext mit den Unterpunkten Produktionssphäre, Distributionssphäre und Sicherungssphäre.

Unter dem Einfluss von Carlo Schmid, der ihn zum Promovieren anhielt und so seine Karriere vorbestimmte, hat sich Wilfried Röhrich auch der politischen Praxis zugewandt und damit das starre Schema der Unterscheidung von Theorie und Praxis überwunden. Das Terrain der Macht, auf dem sich die politische Gestaltung vollzieht, müsse man, so Röhrich, selbst betreten haben. Wer nie in Politik involviert gewesen sei, werde diese kaum verstehen. Nicht von ungefähr hat Röhrich später mit bedeutenden Politikern wie Egon Bahr, Klaus von Dohnanyi, Björn Engholm Burkhard Hirsch und Oskar Lafontaine gemeinsam publiziert und – wo immer möglich – Politiker in seine Lehrveranstaltungen einbezogen und für Vorträge an der Kieler Universität gewonnen.

In diesem Rahmen hat sich Wilfried Röhrich auch der wissenschaftlichen Politikberatung gewidmet: immer bereit, sich in den Prozess der Informationsbeschaffung, der Analyse der Probleme und der Vorbereitung von Entscheidungen einbeziehen zu lassen. Hinzu kommt, dass er nicht nur mit seinen zahlreichen wissenschaftlichen Schriften auf die Praxis einwirkte. Er hat sich auch explizit in vielen populären Arbeiten an eine breite Öffentlichkeit gewandt.

In den letzten Jahren hat sich Wilfried Röhrich – vor allem in seinem Buch „Die Macht der Religionen. Im Spannungsfeld der Weltpolitik“ (München, 2.Aufl. 2006) – mit den Weltreligionen und deren Politisierung befasst. Diesen Prozess der Religionisierung der Politik hat er an fünf Religionen (Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus) untersucht. Und hierbei zeigt Röhrich, dass zahlreiche weltpolitische Konflikte einen starken religiösen Bezug aufweisen – ob es sich um den amerikanischen Kreuzzug gegen den islamistischen Terrorismus oder um den Irak-Krieg und den heutigen Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Suniten handelt, um die weltweiten Al-Qaida-Anschläge oder um das iranische Atomprojekt, ob es um den arabisch-israelischen Nahost-Konflikt geht, um den Islamismus und den Hindu-Fundamentalismus in Kaschmir oder um die Tamilen im buddhistischen Sri Lanka. Verbunden hiermit ist Wilfried Röhrichs Forderung nach einem interreligiösen Dialog als möglicher Friedenspolitik für das 21. Jahrhundert, für die er Prämissen und Perspektiven aufzeigt.

Die kurze Einführung in charakteristische Lebenssituationen und daraus entstandene Schriften Wilfried Röhrichs bliebe unvollständig, erwähnte man nicht seine umfangreichen Weltreisen und seinen engen Bezug zur Kunst im weitesten Sinne. Ob offiziell von zahlreichen Universitäten zu Gastvorlesungen eingeladen oder als einfacher Tourist, der sich in den Entwicklungsgesellschaften am liebsten unters Volk mischt – möglichst auch in Slums und Favelas: Röhrich, für den es nur noch wenige weiße Flecken auf den Kontinenten des Südens gibt, lässt sich von der Einsicht leiten, dass allein vor Ort Erkenntnisse über den Abbau struktureller Abhängigkeiten zu gewinnen sind und dass sich nur aus der Begegnung mit den jeweiligen Kulturkreisen die Entwicklungsgesellschaften begreifen lassen.

Was Röhrichs Bezug zur Kunst anbelangt, so mag bekannt sein, dass in der Literatur seine Vorliebe der Gattung der Novelle gilt. Unbekannt dagegen dürfte sein, dass Wilfried Röhrich sich über zwanzig Jahre lang der Musik verschrieb und nicht nur als erster Geiger im Schulorchester, sondern als Solist öffentlich auftrat – bis ihm die Habilitation keine Zeit mehr für das tägliche Üben ließ. Gern erzählt er, dass er durch sein Musizieren eine spontane Beziehung zum Sinn des musikalischen Idioms gewann, wie es von Monteverdi bis Schönberg dem Verständnis von Musik zugrunde liege. Ursprünglich der Barockmusik verpflichtet, wandte er sich Ende der 1950er Jahre Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton Webern zu. Und hierbei entdeckte er zwei Stücke für Streichquartett – geschrieben von Theodor W. Adorno, den Röhrich erst seit wenigen Monaten zu seinen akademischen Lehrern zählte.


Forschungsschwerpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es ist nicht problemlos, Forschungsschwerpunkte bei einem Wissenschaftler wie Wilfried Röhrich herauszustellen, der eine fachliche Spezialisierung zu vermeiden verstand, indem er sich immer wieder neuen Problemfeldern der Politikwissenschaft zuwandte. Gleichwohl lassen sich stichwortartig zwei Arbeitsfelder benennen, denen vorrangig sein derzeitiges Interesse gilt:

Internationale Politik

Insbesondere Probleme der multidimensionalen Globalisierung und der Entgrenzung politischer Räume, Probleme der regionalen Vormächte und der Proliferation, Fragen einer Weltinnenpolitik und eines erweiterten Völkerrechts, Probleme der kulturellen und religiösen Segmentierung der internationalen Gesellschaft, vor allem in Bezug auf die Weltreligionen und deren Politisierung (namentlich: Islam und Islamismus), Fragen des internationalen Terrorismus sowie Fragen der Sicherheit und des Friedens.


Vergleichende Politikforschung

Insbesondere komparative Demokratie-, Eliten-, Transformations- und Entwicklungsländer-Forschung, Fragen der Regimetypen im weltweiten Kontext und Probleme der Akzeptanz des westlichen Demokratiemodells bzw. seiner essentiellen Elemente in nicht-westlichen Kulturbereichen.


Buchpublikationen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gesamten umfangreichen Buchpublikationen finden sich in der Homepage von Wilfried Röhrich: http://www.wilfried-roehrich.de

  • Robert Michels Vom sozialistisch-syndikalistischen zum faschistischen Credo, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1972.
  • „Demokratische“ Elitenherrschaft Traditionsbestände eines sozialwissenschaftlichen Problems (Hrsg.), Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1975.
  • Gesellschaftssysteme und internationale Politik Sozialökonomische Grundrisse (mit Koautoren), Verlag Kohlhammer, Stuttgart 1976.
  • Politische Soziologie Verlag Kohlhammer (Urban-Taschenbuch), Stuttgart 1977, Italienische Ausgabe: Sociologia politica, Società editrice il Mulino (La nuova scienza), Edizione italiana a cura di Franco Cazzola, Bologna 1980.
  • Die repräsentative Demokratie Ideen und Interessen, Westdeutscher Verlag, Opladen 1981.
  • Politik und Ökonomie der Weltgesellschaft Das internationale System,
    2., völlig neu bearbeitete Auflage unter Mitwirkung von Karl Georg Zinn, Westdeutscher Verlag, Opladen 1983.
  • Gesellschaftssysteme der Gegenwart Politikökonomische Systemanalysen im internationalen Kontext (Hrsg.), Westdeutscher Verlag, Opladen 1986.
  • Politik als Wissenschaft Ein Überblick, 2. völlig neu bearbeitete Auflage unter Mitwirkung von Wolf-Dieter Narr, Westdeutscher Verlag, Opladen 1986. Serbokroatische Ausgabe: Politika kao znanost, Jedan pregled, Biblioteka Politika Misao, Informator Verlag (Uvodna studija Jovan Miric), Zagreb 1989.
  • Die Demokratie der Westdeutschen Geschichte und politisches Klima einer Republik, Verlag C.H. Beck (BsR-Taschenbuch), München 1988.
  • Denker der Politik Zur Ideengeschichte der bürgerlichen Gesellschaft, Westdeutscher Verlag, Opladen 1989.
  • Überleben durch Partnerschaft Gedanken über eine friedliche Welt (gemeinsam mit Johan Galtung und Dieter S. Lutz), Verlag Leske+Budrich, Opladen 1990.
  • Ethik und Politik heute Verantwortliches Handeln in der technisch-industriellen Welt (Hrsg. gemeinsam mit Björn Engholm), Verlag Leske+Budrich, Opladen 1990.
  • Eliten und das Ethos der Demokratie Verlag C.H. Beck (BsR-Taschenbuch), München 1991.
  • Die politischen Systeme der Welt Verlag C.H. Beck (BsR-Wissen), München 1999; 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage, München 2006.
  • Herrschaft und Emanzipation Prolegomena einer kritischen Politikwissenschaft, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2001.
  • Die Macht der Religionen Glaubenskonflikte in der Weltpolitik, Verlag C.H. Beck (BsR-Taschenbuch), München 2004; 2., völlig neu bearbeitete Auflage unter dem Titel: Die Macht der Religionen. Im Spannungsfeld der Weltpolitik, München 2006. Koreanische Ausgabe im Verlag ByBooks, Seoul 2007.

Festschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Demokratie überdenken, hrsg. von Carsten Schlüter-Knauer, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1997.

Autoren: Hans Herbert von Arnim, Ulrich Beck, Klaus von Beyme, Lars Clausen, Hartmut Elsenhans, Björn Engholm, Walter Euchner, Valentin M. Falin, Iring Fetscher, Johan Galtung, Michael Th. Greven, Everhard Holtmann, Egbert Jahn, Wolfgang Kersting, Kurt Lenk, Dieter S. Lutz, Otwin Massing, Wolf-Dieter Narr, Franz Neumann, Dieter Nohlen, Peter von Oertzen, Karl Theodor Schuon, Rainer Tetzlaff, Fritz Vilmar, Karl Georg Zinn.

  • Globalisierung und nationale Souveränität, hrsg. von Dieter S. Lutz, Nomos Verlag, Baden-Baden 2000.

Autoren: Egon Bahr, Wilfried von Bredow, Lothar Brock, Klaus Dicke, Hans-Peter Dürr, Hartmut Elsenhans, Iring Fetscher, Horst Fischer, Johan Galtung, Hans-Joachim Gießmann, Knut Ipsen, Egbert Jahn, Wolfgang Kersting, Beate Kohler-Koch, Hans Koschnick, Theodor Leuenberger, Wolfgang Merkel, Wolf-Dieter Narr, Franz Nuscheler, Peter Robejsek, Udo E. Simonis, Udo Steinbach, Rainer Tetzlaff, Bassam Tibi, Kurt P. Tudyka, Gerd Walter, Norbert Walter, Michael Wolffsohn, Wichard Woyke, Karl Georg Zinn.

  • Politik als Wissenschaft, hrsg.von Michael Take, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2006.

Autoren: Hans Herbert von Arnim, Egon Bahr, Klaus von Beyme, Winfried Böttcher, Wilfried von Bredow, Karl-Heinz Breier, Hartmut Elsenhans, Björn Engholm, Klaus Faupel, Johan Galtung, Knut Ipsen, Dirk Kaesler, Wolfgang Kersting, Martin Kriele, Ernst Kuper, Claus Leggewie, Theodor Leuenberger, Otwin Massing, Wolf-Dieter Narr, Sven Papcke, Anton Pelinka, Walter Reese-Schäfer, Richard Saage, Carsten Schlüter-Knauer, Dieter Senghaas, Udo E. Simonis, Michael Take, Rainer Tetzlaff, Bassam Tibi, Fritz Vilmar, Werner Weidenfeld, Gerhard Wittkämper, Michael Wolffsohn, Wichard Woyke, Karl Georg Zinn.


Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]