Benutzer:Jotivio/Sophiensaele-Ausbau

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Einfahrtsportal zu den Sophiensaelen

Die Sophiensæle sind eine Produktions- und Spielstätte für freies Theater in Berlin. Sie haben ihren Sitz im früheren Handwerkervereinshaus auf dem Hof der Sophienstraße 18 in Berlin-Mitte. Die Produktionsstätte wurde 1996 von Sasha Waltz, Jochen Sandig, Jo Fabian und Dirk Cieslak gegründet. Mit dem Erfolg von Sasha Waltz' Eröffnungsstück Allee der Kosmonauten (Theatertreffen 1997) wurden die Sophiensæle bekannt und zählen heute europaweit zu den bedeutenden Produktionshäusern der freien Theater- und Tanzszene.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Geschichte des Gebäudes siehe Artikel Handwerkervereinshaus

Die Anfänge: 1996 bis 1999[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem die "Gorki-Werkstätten" aus dem Gebäudekomplex in der Sophienstraße 18 ausziehen mussten, eröffnete sich für Sasha Waltz und Jochen Sandig die Möglichkeit, hier einen Proben- und Aufführungsort für ihre Arbeit zu schaffen. Gemeinsam mit den Künstlern Jo Fabian und Dirk Cieslak (Lubricat) gründeten sie 1996 die Sophiensæle, zuerst als GbR, später dauerhaft zur Sophiensæle GmbH umgewandelt. Die neu eingeführte Schreibweise mit "æ" war bewusst programmatisch gewählt als ein Wortspiel zwischen Saele und Seele.

Die ersten Aufführungen fanden im Sommer 1996 mit dem Stück Durchgehend geöffnet von Dirk Cieslak und Armin Dallapiccola im "Ballettsaal 314" statt. Die offizielle Eröffnung der Sophiensæle folgte am 26. September 1996 mit der Uraufführung von Sasha Waltz & Guests' Allee der Kosmonauten, das im Jahr darauf zum Theatertreffen eingeladen wurde, und damals einen wesentlichen Beitrag zur Popularität der Sophiensæle leistete.

Bis zum Jahr 1999 führten Sasha Waltz & Guests alle produzierten Stücke in den Sophiensælen auf. Mit Beginn der Spielzeit 1999/2000 übernahmen Sasha Waltz und Jochen Sandig, gemeinsam mit Thomas Ostermeier und Jens Hillje, die künstlerische Leitung der Berliner Schaubühne. Damit traten sie vom operativen Geschäft in den Sophiensaelen zurück, verantworteten deren Betrieb aber weiterhin als Gesellschafter.

Bemerkenswerte Künstler/-gruppen und Produktionen aus den Jahren 1996-1999 (Auswahl)

siehe auch die vollständige Aufzählung der Künstler

Die Jahre 2000 bis 2006[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die neue Geschäftsführung und künstlerische Leitung der Sophiensæle ab der Saison 1999/2000 wurde der gebürtigen Stuttgarterin Amelie Deuflhard übertragen, die zuvor für Produktionsleitung und Öffentlichkeitsarbeit der Sophiensæle verantwortlich war.

Zum 10jährigen Jubiläum im Jahr 1996 erschien ein Band beim Verlag Theater der Zeit, herausgegeben von Amelie Deuflhard. Die Veröffentlichung trägt Texte verschiedener Autoren zusammen, die auf die Entwicklung der Sophiensæle in den ersten 10 Jahren zurückblicken. Dabei wird deutlich, dass sich in den Sophiensælen als Theater in freier Trägerschaft, das öffentliche Förderung erhält, ein besonderes Modell mit charakteristischen Strukturen und Arbeitsweisen herausgebildet hat, das sich sowohl von Stadt- und Staatstheatern als auch von der (nicht staatlich subventionierten) Off-Szene in wesentlichen Punkten unterscheidet:

"Der Beginn der Sophiensæle ist auch das Ende der Off-Kultur, nicht nur in Berlin. Wo früher das Freie Theater von seiner Frontstellung gegen das Stadttheater lebte, von einer Anti-Haltung aus dem Nischenhaften und Trotzig-Untergründigen heraus, brauchte es hier keine Schimären mehr zu bekämpfen; es konnte an der selbstbewussten Entwicklung eigener Ästhetiken arbeiten. Vieles, was die Sophiensæle als Spiel- und Produktionsort ausmacht [...] wäre im engen Rahmen einer Off-Ecke kaum denkbar gewesen. [...] Sie entlassen einstweilen Künstler ans Stadttheater, Großmimen kommen von dort auf die Bühnen des Fest- und Hochzeitssaales, und nicht wenige Häuser kopieren inzwischen das Modell Sophiensæle."[1]

Adrienne Goehler, ehemalige Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Berlin, beschreibt die Sophiensaele in derselben Veröffentlichung wie folgt:

"Weithin wahrgenommen, bestechen die Sophiensaele durch Experimenierfreude mit neuen Formaten, durch schnelle, interventionistische künstlerische Zugriffe auf Themensetzungen, die später nicht selten zu Arbeitsfeldern von Stiftungen werden: Arbeit an Räumen, Zwischennutzungen, mit Laien, im Dokumentartheater, Arbeit mit Älteren und Alten und damit Aufbrechen des Jugendwahns, dem das freie Theater oft erliegt. [...] Dieses Haus verhält sich einfach nicht zu den sonst üblichen oft eitlen, oder politikbestimmten Abgrenzungen (neudeutsch: Profilbildung)."[2]

Bemerkenswerte Künstler/-gruppen und Produktionen aus den Jahren 2000-2006 (Auswahl)

siehe auch die vollständige Aufzählung der Künstler

Wiederkehrend: Nico and the Navigators, Lubricat/Dirk Cieslak, Thorsten Lensing, Theater Thikwa, Berliner Festspiele, Christoph Winkler, Luc Dunberry u.a.

Die Jahre 2007 bis 2010[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heike Albrecht, Performerin, Körpertherapeutin und Festivalkuratorin (westend Leipzig), war zwischen 2007 und 2010 künstlerische Leiterin der Sophiensaele. Die Geschäftsführung übernahm Kerstin Müller.

2011 bis heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang 2011 übernahm ein dreiköpfiges Leitungsteam: Franziska Werner, Ilka Seifert und Dr. Bettina Sluzalek, die das Programm für das Jahr 2011 gestalten. Im November 2011 wurde bekannt, dass Franziska Werner zukünftig als alleinige künsterlische Leiterin tätig wird[3].

Waltz, Sandig und Deuflhard sind bis heute Gesellschafter der Sophiensæle GmbH. Im Sommer 2010 handelten sie einen neuen Mietvertrag mit dem Eigentümer aus, der auf 15 Jahre festgelegt ist. Desweiteren konnte eine so genannte Konzeptionsförderung für den Zeitraum von 2011 bis 2014 in Höhe von 75.000€ pro Jahr und die Sanierung des Gebäudes aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie beschlossen werden. Diese wurde Mitte 2011 begonnen und mit der Wiedereröffnung am 2. Dezember 2011 feierlich beendet.

Für die Zukunft streben die Sophiensæle an, über einen "überlebensnotwendigen" Produktionsetat verfügen zu können, so dass das Haus Eigenanteile bei der Beantragung öffentlicher Gelder bereitstellen und längerfristig planen kann. Bis dato sind es im Regelfall die präsentierenden Künstler und Festivals, welche die Produktionsgelder einbringen, zumeist auf Grundlage öffentlicher Förderung, die zuvor eigens beantragt wird. Eine Finanzierung ist damit von den meist kurzfristigen Förderentscheidungen abhängig, und wird bei positivem Votum auch nur von Projekt zu Projekt gewährleistet.[4]

Nutzung und Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach rund 15 Jahren haben sich die Sophiensæle als wichtiger Produktionsort für freies Theater in der BRD etabliert. Künstler aus der Berliner und deutschsprachigen sowie zunehmend aus der internationalen Szene werden aufgrund ihrer künstlerischen Konzepte, Fragestellungen und Arbeitsansätze eingeladen, ihre Werke hier zu präsentieren. Die Sophiensaele bilden dabei nicht nur die Spielstätte, die Mitarbeiter kümmern sich auch um Finanzierung, Koproduktionspartner, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie das Produktionsmanagement. Die Sophiensæle sind Teil eines informellen Netzes institutionalisierter und international orientierter freier Theaterhäuser, zu dem auch Kampnagel in Hamburg, Mousonturm in Frankfurt/Main, Forum Freies Theater in Düsseldorf, Theaterhaus Gessnerallee in Zürich und Gasthuis Amsterdam zählen.

Pro Jahr sind in den Sophiensælen über 60 Produktionen und mehrere Festivals zu sehen. Das Programm reicht von zeitgenössischem Sprechtheater über Tanz und Tanztheater zu Performance-Kunst. Bewusst wird die spartenübergreifende Arbeit auch zur Musik und Bildenden Kunst gesucht.

Neben vielen jungen Künstlern, die nach neuen Theatersprachen und Ausdrucksformen suchen, arbeiten an den Sophiensælen eine Reihe von Künstlern und Companies in langjährigen Partnerschaften, darunter Nico and the Navigators, Lubricat, Constanza Macras/Dorky Park, Two Fish, Novoflot. Außerdem haben die Sophiensaele eigene Projekte und Projektreihen etabliert: etwa das Förderprogramm Junge Dramatik[5], die internationale Produktionsplattform Telling Time, die Gesprächsreihe Spielstand oder die Sophiensæle Jugendbewegung.

Die Sophiensæle sind darüber hinaus Spielstätte für andere Berliner Festivals wie Tanztage Berlin, Ultraschall – Das Festival für Neue Musik, Maerzmusik, Theatertreffen Berlin und Tanz im August.

Festival 100°[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sophiensæle sind zusammen mit Hebbel am Ufer und dem Theaterdiscounter Austragungsstätte des jährlich stattfindenden Festivals 100° Berlin - Das lange Wochenende des Freien Theaters, einem Forum der Berliner Performance-Szene.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Heike Albrecht, Matthias Dell (Hrsg.): Formen künstlerischer Zusammenarbeit - Sophiensæle 2007-2010, Verlag Theater der Zeit, 2010. ISBN 978-3-942449-12-0
  • Amelie Deuflhard (Hrsg.): Spielräume produzieren - Sophiensæle 1996-2006, Verlag Theater der Zeit, 2006. ISBN 978-3-934344-78-5

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dirk Pilz: "Widerspruchsvervielfältigung". In: Amelie Deuflhard (Hrsg.): Spielräume produzieren - Sophiensæle 1996-2006, Verlag Theater der Zeit, 2006, S. 51. ISBN 978-3-934344-78-5
  2. Adrienne Goehler: "Goldgräberstück". In: Amelie Deuflhard (Hrsg.): Spielräume produzieren - Sophiensæle 1996-2006, Verlag Theater der Zeit, 2006, S. 101. ISBN 978-3-934344-78-5
  3. "Franziska Werner leitet die Sophiensäle jetzt allein", nachtkritik.de am 16. November 2011, online abgerufen am 7. Dezember 2011.
  4. "Überlebensnotwendige neue Maßnahmen", nachtkritik.de am 1.9.2010, online abgerufen am 7. Dezember 2011
  5. Freischwimmer – Plattform für junges Theater

Koordinaten: 52° 31′ 32″ N, 13° 24′ 4″ O