Benutzer:MYR67/Artikelwerkstatt Rudolf Pfleiderer (Jurist)

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Dr. Rudolf Pfleiderer (auch: Rolf Pfleiderer; * 2. Februar 1912 in Wuppertal, + 1997), war im Dritten Reich Staatsanwalt an den deutschen Sondergerichten in Prag und Brünn[1] im damaligen Reichsprotektorat Böhmen und Mähren, in der Bundesrepublik Deutschland Oberstaatsanwalt am Oberlandesgericht Celle.[2] Er war an mindestens sechs Todesurteilen beteiligt.[3]

Lebensweg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bekanntmachung über 21 Todesurteile des Sondergerichts Brünn, vollstreckt am 30. Juni 1943

Am 1. Mai 1933, im Alter von 21 Jahren, trat Pfleiderer der NSDAP und im Oktober 1933 der allgemeinen SS bei. Im Jahr 1939 schloss er sein Studium der Rechtswissenschaften in Berlin mit der Note „Gut“ im zweiten Staatsexamen ab. Anschließend kam er als Assessor an die deutsche Staatsanwaltschaft nach Brünn im damaligen Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. 1941 wurde er Staatsanwalt am Landgericht Brünn. Bis 1942 war er auch beim deutschen Sondergericht Brünn für Kapitalverbrechen und für die Strafverfolgung gegen so genannte Gewohnheitsverbrecher zuständig. Ende 1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und kämpfte als Leutnant und Kompanieführer in Sardinien. Im April 1945 geriet er in Gefangenschaft.[4]

Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft bewarb er sich um eine Einstellung in den niedersächsischen Justizdienst. Sein Entnazifizierungsverfahren endete mit seiner Einstufung in die Kategorie IV („Mitläufer“). Die für Niedersachchsen zuständigen britischen Militärbehörden lehnten 1946 Pfleiderers Wiedereinstellung in den Justizdienst zunächst unter Hinweis auf seine Tätigkeit am Sondergericht Brünn und auf seine früherer NSDAP-Mitgliedschaft ab. Daraufhin arbeitete Pfleiderer vorübergehnd als Hilfsarbeiter und Flurhüter auf einem landwirtschaftlichen Staatsgut in der Nähe von Hannover. Pfleiderer beantragte die Überprüfung seines ersten Entnazifizierungsbescheides und erhielt im August 1948 die Einstufung in die Kategorie V („Entlasteter“). Im März 1949 wurde er Staatsanwalt am Landgericht Verden. 1958 wurde er dann Erster Staatsanwalt beim Oberlandesgericht (OLG) Celle, und 1965 wurde er zum Oberstaatsanwalt befördert.[5]

Der „Verband der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der Tschechoslowakei“ erstattete 1960 beim niedersächsischen Justizministerium Strafanzeige unter anderem auch gegen Pfleiderer, der in der Kriegsverbrecherliste der Tschechoslowakei geführt wurde. Seine Beteiligung an mindestens sechs Todesurteilen konnten ihm nachgewiesen werden. Zwar wurde in Deutschland ein Ermittlungsverfahren gegen Pfleiderer eröffnet, das aber noch im gleichen Jahr wieder eingestellt wurde und keine dienstrechtlichen Konsequenzen hatte.[6]

Nach den Erinnerungen des Richters Ulrich Vultejus, der Pfleiderer aus seiner Zeit beim Landgericht Verden kannte, soll Pfleiderer, der als Staatsanwalt an den Sondergerichten Prag und Brünn an Todesurteilen beteiligt war und während des Zweiten Weltkrieges auch bei Hinrichtungen in Wien zugegen gewesen sein soll, über Kollegen gespottet haben, denen nach der Teilnahme an solchen Exekutionen das Mittagessen nicht mehr geschmeckt habe.[7]

Pfleiderer wurde als Vertreter niedersächsischer Staatsanwälte in den Vorstand des Deutschen Richterbundes gewählt.[8]

Dr. Rolf Pfleiderer verstarb 1997.[9]

Literatur und Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Joachim Woock, NS-Juristen nach 1945 in Verden (Teil 3): Oberstaatsanwalt Dr. Rolf Pfleiderer, in: Landkreis Verden (Hg.): Heimatkalender für den Landkreis Verden 1999, Verden, 1998, S. 292-312.
  • Nationalrat der Nationalen Front des Demokratischen Deutschland, Dokumentationszentrum der staatlichen Archiverwaltung der DDR (Hrsg.), Braunbuch Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Westberlin, Staat, Wirtschaft, Verwaltung, Armee, Justiz, Wissenschaft, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1968, S. 173

Rohstoffe und Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pfleiderer, Rudolf, Dr., geb. 02.02.1912

Pfleiderer, geb. 2.2.1912 früher: Staatsanwalt beim 'Sondergericht Prag und Brünn (Brno) heute: Oberstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Celle Nationalrat der Nationalen Front des Demokratischen Deutschland, Dokumentationszentrum der staatlichen Archiverwaltung der DDR (Hrsg.), Braunbuch Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Westberlin, Staat, Wirtschaft, Verwaltung, Armee, Justiz, Wissenschaft, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1968, S. 173

Quelle: Braunbuch, S. 226, https://sites.google.com/site/justizrlp/nazis/nazi-juristen-221-240

»Dr. Rolf Pfleiderer Er wurde 1912 in Wuppertal geboren und schloss 1939 seine 2. Staatsprüfung in Berlin mit „gut“ ab. Noch in seiner Studentenzeit trat er als „Maikäfer“ am 1. Mai 1933 der NSDAP und im Oktober der „Allgemeinen SS“ bei. Anschließend kam er als Assessor an die Staatsanwaltschaft nach Brünn, der damals zweitgrößten Stadt der ehemaligen Tschechoslowakei.30 1941 wurde er Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht Brünn. Bis 1942 war er auch beim Sondergericht Brünn für Kapitalverbrechen und zur Bekämpfung von Gewohnheitsverbrechern zuständig. Ende 1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und kämpfte als Leutnant und Kompanieführer in Sardinien. Im April 1945 geriet er in Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung bewarb er sich um eine Einstellung in den niedersächsischen Justizdienst und leitete sein Entnazifizierungsverfahren ein, das mit seiner Einstufung in die Kategorie IV („Mitläufer“) endete. 1946 lehnten aber die britischen Militärbehörden eine Wiedereinstellung ab mit den Hinweis auf seine Tätigkeit am Sondergericht und seiner damaligen Parteimitgliedschaft.31 So musste er sich zunächst nach einer anderen Tätigkeit umsehen und er erhielt auf einer Domäne in der Nähe von Hannover eine Arbeit als Hilfsarbeiter und Flurhüter. Im Laufe der Zeit wurde aber die Entnazifizierungspraxis der Alliierten immer liberaler, da die Personaldecke in der Justiz sehr knapp war. In der britischen Zone kam es zum so genannten „Huckepack-Verfahren“: Mit einem unbelasteten durfte zugleich ein formell belasteter Jurist eingestellt werden. Aber auch diese Regelung erwies sich als zu eng. Ab Juli 1936 [1946] konnten alle in den Justizdienst zurückkehren, die in ihrem Entnazifizierungsverfahren als „Entlastet“ eingestuft worden waren. Ein weiterer alliierter Liberalisierungsschub kam 1947/48. Wie Harzmann und Rogalla konnte jetzt Pfleiderer eine Überprüfung seines ersten Entnazifizierungsbescheides beantragen. Im August 1948 erhält er endlich das ersehnte Dokument für den Aufbau seiner Karriere: „Es wird festgestellt, daß der Betroffene den Nationalsozialismus nicht unterstützt hat. Er gilt als entlastet (Kategorie V). Kosten 20,-- DM.“ Interessant ist, dass die Tätigkeit Pfleiderers am Sondergericht Brünn bei diesem Verfahren nicht einmal zur Kenntnis genommen wurde. Im März 1949 erhielt er dann die Stelle eines Staatsanwaltes bei der Staatsanwaltschaft des Landgerichts Verden. 1958 wurde er dann Erster Staatsanwalt beim OLG Celle und 1965 kam dann die Beförderung zum Oberstaatsanwalt. Aber auch Pfleiderer wurde „geoutet“. Der „Verband der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der Tsche21 choslowakei“ erstattete 1960 beim Justizminister des Landes Niedersachsen Strafanzeige, u. a. auch gegen Pfleiderer, der in der Kriegsverbrecherliste der CSR aufgeführt wurde. Seine Beteiligung an mind. sechs Todesurteilen konnten ihm nachgewiesen werden (Verurteilungen aufgrund des § 4 der „Volksschädlingsverordnung“). Es wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Pfleiderer eingesetzt, das aber noch im gleichen Jahr eingestellt wurde. Wie bei Harzmann und Rogalla hatten die Ermittlungen keine dienstrechtlichen Konsequenzen. Dr. Rolf Pfleiderer verstarb 1997.«

Quelle: NS-Justiz und NS-Juristenkarrieren nach 1945 im Landgerichtsbezirk Verden, Vortrag von Joachim Woock, http://www.lower-saxony.de/download/7518&sa=U&ved=2ahUKEwiypPyg7ZXqAhVB2KQKHWJpDK0QFjAJegQIBhAB&usg=AOvVaw3u2kh562QZEwTgRGNnWLLi

Joachim Woock, NS-Justiz und NS-Juristenkarrieren nach 1945 im Landgerichtsbezirk Verden, Vortrag am 19. März 2002 im Landgericht Verden, anlässlich der Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus – Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ im Landgericht Verden, Förderverein Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933 – 1945 e.V., S. 20/ 21, http://www.lower-saxony.de/download/7518&sa=U&ved=2ahUKEwiypPyg7ZXqAhVB2KQKHWJpDK0QFjAJegQIBhAB&usg=AOvVaw3u2kh562QZEwTgRGNnWLLi


»1952 höhnte der Staatsanwalt Pfleiderer, der als Staatsanwalt an den Sondergerichten in Prag und Brünn an Todesurteilen beteiligt war, von seiner Anwesenheit bei Hinrichtungen während des Krieges in Wien über die Kollegen, denen anschließend das Mittagessen nicht geschmeckt habe. Ich sehe ihn noch heute auf dem ausgelaugten Dielenfußboden des Flurs der Staatsanwaltschaft in Verden stehen. Ich habe oft über diese Szene nachgedacht. Kann es sein, daß er vor sich selbst beweisen wollte, er habe die Zeiten seelisch heil überstanden? Pfleiderer ist später zum Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft am Oberlandesgericht Celle befördert worden und hat dort mit Disziplinarverfahren für die Reinhaltung des Juristenstandes, auch der Rechtsanwälte, gesorgt. Nicht nur die Dienstvorgesetzten, sondern auch die Kollegen hatten uneingeschränktes Vertrauen zu Pfleiderer. Sie wählten ihn als Vertreter der niedersächsischen Staatsanwälte in den Vorstand des das Feld beherrschenden Richterbundes.« Vultejus, Ulrich, Goldene Jugendzeit, Celle im Nationalsozialismus, https://www.celle-im-nationalsozialismus.de/hintergrund/texte/goldene-jugendzeit

Ulrich Vultejus, Goldene Jugendzeit, Celle im Nationalsozialismus, 1982, https://www.celle-im-nationalsozialismus.de/hintergrund/texte/goldene-jugendzeit


Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Joachim Woock, NS-Justiz und NS-Juristenkarrieren nach 1945 im Landgerichtsbezirk Verden, Vortrag am 19. März 2002 im Landgericht Verden, anlässlich der Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus – Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ im Landgericht Verden, Förderverein Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933 – 1945 e.V., S. 20/ 21, http://www.lower-saxony.de/download/7518&sa=U&ved=2ahUKEwiypPyg7ZXqAhVB2KQKHWJpDK0QFjAJegQIBhAB&usg=AOvVaw3u2kh562QZEwTgRGNnWLLi
  2. Nationalrat der Nationalen Front des Demokratischen Deutschland, Dokumentationszentrum der staatlichen Archiverwaltung der DDR (Hrsg.), Braunbuch Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Westberlin, Staat, Wirtschaft, Verwaltung, Armee, Justiz, Wissenschaft, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1968, S. 173
  3. Joachim Woock, NS-Justiz und NS-Juristenkarrieren nach 1945 im Landgerichtsbezirk Verden, Vortrag am 19. März 2002 im Landgericht Verden, anlässlich der Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus – Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ im Landgericht Verden, Förderverein Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933 – 1945 e.V., S. 20/ 21, http://www.lower-saxony.de/download/7518&sa=U&ved=2ahUKEwiypPyg7ZXqAhVB2KQKHWJpDK0QFjAJegQIBhAB&usg=AOvVaw3u2kh562QZEwTgRGNnWLLi
  4. Joachim Woock, NS-Justiz und NS-Juristenkarrieren nach 1945 im Landgerichtsbezirk Verden, Vortrag am 19. März 2002 im Landgericht Verden, anlässlich der Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus – Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ im Landgericht Verden, Förderverein Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933 – 1945 e.V., S. 20/ 21, http://www.lower-saxony.de/download/7518&sa=U&ved=2ahUKEwiypPyg7ZXqAhVB2KQKHWJpDK0QFjAJegQIBhAB&usg=AOvVaw3u2kh562QZEwTgRGNnWLLi
  5. Joachim Woock, NS-Justiz und NS-Juristenkarrieren nach 1945 im Landgerichtsbezirk Verden, Vortrag am 19. März 2002 im Landgericht Verden, anlässlich der Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus – Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ im Landgericht Verden, Förderverein Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933 – 1945 e.V., S. 20/ 21, http://www.lower-saxony.de/download/7518&sa=U&ved=2ahUKEwiypPyg7ZXqAhVB2KQKHWJpDK0QFjAJegQIBhAB&usg=AOvVaw3u2kh562QZEwTgRGNnWLLi
  6. Joachim Woock, NS-Justiz und NS-Juristenkarrieren nach 1945 im Landgerichtsbezirk Verden, Vortrag am 19. März 2002 im Landgericht Verden, anlässlich der Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus – Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ im Landgericht Verden, Förderverein Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933 – 1945 e.V., S. 20/ 21, http://www.lower-saxony.de/download/7518&sa=U&ved=2ahUKEwiypPyg7ZXqAhVB2KQKHWJpDK0QFjAJegQIBhAB&usg=AOvVaw3u2kh562QZEwTgRGNnWLLi
  7. Ulrich Vultejus, Goldene Jugendzeit, Celle im Nationalsozialismus, 1982, https://www.celle-im-nationalsozialismus.de/hintergrund/texte/goldene-jugendzeit ; s.a. Joachim Woock, NS-Justiz und NS-Juristenkarrieren nach 1945 im Landgerichtsbezirk Verden, Vortrag am 19. März 2002 im Landgericht Verden, anlässlich der Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus – Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ im Landgericht Verden, Förderverein Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933 – 1945 e.V., S. 21, http://www.lower-saxony.de/download/7518&sa=U&ved=2ahUKEwiypPyg7ZXqAhVB2KQKHWJpDK0QFjAJegQIBhAB&usg=AOvVaw3u2kh562QZEwTgRGNnWLLi
  8. Ulrich Vultejus, Goldene Jugendzeit, Celle im Nationalsozialismus, 1982, https://www.celle-im-nationalsozialismus.de/hintergrund/texte/goldene-jugendzeit
  9. Joachim Woock, NS-Justiz und NS-Juristenkarrieren nach 1945 im Landgerichtsbezirk Verden, Vortrag am 19. März 2002 im Landgericht Verden, anlässlich der Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus – Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes“ im Landgericht Verden, Förderverein Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933 – 1945 e.V., S. 20/ 21, http://www.lower-saxony.de/download/7518&sa=U&ved=2ahUKEwiypPyg7ZXqAhVB2KQKHWJpDK0QFjAJegQIBhAB&usg=AOvVaw3u2kh562QZEwTgRGNnWLLi