Benutzer:Mucar42/Lyrik des Expressionismus

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Übersicht und Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Epoche des Expressionismus wird von dem lateinischen Wort „expressio“ hergeleitet, das Ausdruck bedeutet. Diese Übersetzung aus dem Lateinischen, gibt der Epoche des Expressionismus ihren Namen. In der Epoche ging es um Themen wie Krieg, Großstadt, Zerfall und die Angst vor dem Ich-Verlust. Aber auch emotionale Themen, wie Wahnsinn und Liebe, waren Leitmotive.

Die Epoche ist geprägt vom antibürgerlichen und antinationalistischen Denken, da viele Autoren der Epoche im Krieg ums Leben kamen. Viele Intellektueller in der wilhelminischen Zeit und wendet sich stark subjektiven, existentiellen und gesellschaftsrelevanten Themen zu. Beispiele dafür sind politische Repressionen, die Großstadtproblematik während der sich noch entwickelnden Industrialisierung[1] und gesellschaftliche Machtmechanismen (familiäres und gesellschaftliches Patriarchat, sexuelle Besessenheit).

Stilistisch sind expressionistische Schriften vielfältig, deshalb ist der Expressionismus als Epochenbegriff umstritten. Teilweise werden einige Werke von Heinrich Mann, Franz Kafka oder Arnolt Bronnen dem Expressionismus zugerechnet. Es bleibt aber als verbindendes Element ein ausgesprochenes „Wir-Gefühl“ in einem meist sozialkritischen Kontext. In der Epoche waren stilistische Mittel, wie Metaphern, Vergleiche und Neologismen (Wortschöpfungen) vertreten. Im Expressionismus sind Ähnlichkeiten zu der Epoche Sturm und Drang erkennbar. Die Autoren verabscheuen das alltägliche Leben.

Wichtige Autoren und Werke des Expressionismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gottfried Benn (1886–1956):

»Morgue«

»Gehirne«

  • Alfred Döblin (1878–1957):

»Die Ermordung einer Butterblume«

  • Carl Einstein (1885–1945):

»Bebuquin«

  • Georg Heym (1887–1912):

»Der Krieg«

»Die Stadt«

  • Jakob von Hoddis (1878–1942):

»Weltende«

  • Franz Kafka (1883–1924):

»Das Urteil«

»Die Verwandlung«

»Der Prozess«

  • Georg Trakl (1887–1914):

»Das Morgenlied«

»Grodek«

  • Georg Kaiser (1878–1945):

»Von morgens bis mitternachts«

  • Heinrich Mann (1871–1950):

»Der Untertan«

  • Ernst Toller (1893–1939):

»Die Wandlung«

  • Frank Wedekind (1864–1918):

»Frühlings Erwachen«

»Erdgeist«

»Lulu«

  • Else Lasker-Schüler (1869–1945):

»Der siebente Tag«

»Hebräische Balladen«


Weltende - Jakob van Hoddis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedicht: Weltende (1911)

Jakob van Hoddis

Autor: Jakob van Hoddis

Epoche: Expressionismus

Strophen: 2,

Verse: 8

Verse pro Strophe: 1-4, 2-4


Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,

In allen Lüften hallt es wie Geschrei.

Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei

Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.


Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen The

An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.

Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.

Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.


Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jakob van Hoddis’ Gedicht „Weltende“ entstand um 1911, also in der Zeit des Frühexpressionismus. Das Gedicht ist typisch für die Zeit des Expressionismus, da es ein negatives Thema, den Weltuntergang, eine apokalyptische Vision des Dichters, anspricht, sowie das Prinzip der simultanen Wahrnehmung aufweist, da es viele verschiedene Bilder, die nicht einmal näher miteinander zusammenhängen, auf einmal aneinander reiht und dem Leser kaum die Zeit lässt, sich eines genauer vorzustellen – dieses Reihungsprinzip könnte ebenfalls zum Dadaismus zählen, wäre das Gedicht nach 1916 entstanden. Ferner nimmt der Mensch eine passive, sogar macht- und hilflose Rolle ein, ist also nicht mehr Herr der Lage, sondern nur Zuschauer. „Weltende“ beschreibt, wie der Titel schon sagt, den Weltuntergang, wobei einerseits auf biblische Elemente zurückgegriffen wird, denn „In den Lüften hallt es wie Geschrei“ (Z. 2), was eine Anspielung auf die Offenbarung des Johannes sein könnte, andererseits fließen auch sehr alltägliche Elemente mit in das Gesamtbild ein, so haben die meisten Menschen „einen Schnupfen“ (Z. 7). Das Gedicht ist in zwei Strophen unterteilt, deren Länge jeweils vier Verse beträgt, wobei die Reimschemata in der ersten ein umarmender Reim, in der letzten Strophe ein Kreuzreim sind. Diese beinahe parodierende Formstrenge ist ein typisches Merkmal der Strömung.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht wie eine ungeordnete, zusammenhanglose Aneinanderreihung von grotesken Bildern, bei der van Hoddis sich nichts weiter gedacht hat, sondern einfach seinen Gedankengang niederschreibt. Auf den zweiten Blick lässt sich erkennen, dass manche Vorstellungen biblischer Herkunft sind, wie etwa die oben genannte Offenbarung des Johannes, andere jedoch im Falle des Weltuntergangs wissenschaftlich vertretbar, zum Beispiel der „Sturm“ oder die „wilden Meere“ (Z. 5). Obwohl der banale Ton, von dem man sich leicht irritieren lässt, bis hin zum Ende erhalten bleibt, so werden doch die Bilder im Laufe des Gedichts immer horrender. Zunächst fliegt dem Bürger lediglich „vom spitzen Kopf der Hut“ (Z. 1), was eine implizite Anspielung auf das der Situation hilflos ausgelieferte Spießbürgertum sein könnte, doch das Groteske, Unnatürliche überwiegt bereits ab dem dritten Vers, in dem die Dachdecker depersonifiziert vom Dach fallen und entzweigehen, was van Hoddis in Form einer einfachen, euphemistischen Feststellung anmerkt. Durch die Parenthese „liest man“ im vierten Vers verdeutlicht der Sprecher noch emphatischer, dass er sich vom Weltuntergang nicht sonderlich betroffen fühlt. Dass die meisten Menschen einen Schnupfen haben (Z. 7), nimmt er ebenfalls nur knapp zur Kenntnis und verharmlost mit der Bezeichnung „Schnupfen“ vermutlich etwas so Ernstes wie eine epidemische oder pandemische Grippewelle. Die von den Brücken fallenden Eisenbahnen (Z. 8) waren für die Menschen der damaligen Zeit insofern grotesk, da ihnen Eisenbahnen und all die in der Zeit der Industrialisierung entstandenen neuartigen Wunder der Technik befremdlich und nicht geheuer waren – sie stellen gemeinsam mit dem Schnupfen einen hässlichen Aspekt des Lebens in einer Großstadt dar. Alles in allem zeigt sich eine Gleichgültigkeit, die von den stilistischen Mitteln, also der Formstrenge, die trotz der apokalyptischen Thematik eisern beibehalten wird und den vielen Euphemismen noch zusätzlich unterstrichen wird. Alles in allem lässt das Gedicht darauf schließen, dass van Hoddis die Weltuntergangsstimmung seiner Mitmenschen angesichts des Halleyschen Kometen verspottet und zum Ausdruck bringen will, dass man dagegen sowieso machtlos ist, sich also gar nicht erst aufregen braucht. Ein lyrisches Ich ist in diesem Gedicht nicht vorhanden, sondern höchstens ein Sprecher, der die Rolle des unbeeindruckten Erzählers einnimmt. Er klagt nichts und niemanden an, sondern berichtet einfach nur kommentarlos von dem, was passiert. Was die Sprache anbelangt, so spiegelt sich die Thematik des Gedichts auch in ihr wider. Wie oben bereits angesprochen, sind Depersonifizierungen, Verharmlosungen und Euphemismen häufig gebrauchte Stilmittel. Dadurch entsteht ein Gesamtbild, das das Weltende in all seiner grotesken Hässlichkeit aufzeigt sowie die Tatsache unterstreicht, dass es dem banal berichtenden Sprecher egal ist, was um ihn herum passiert, und er sich mit der Rolle des passiven Zuschauers abgefunden hat.

Schlussfolgernd kann man sagen, dass das Gedicht die Epoche des Expressionismus in einigen Punkten gelungen darstellt und widerspiegelt, da zum Beispiel Verharmlosungen im Gedicht verwendet wurden. Ebenfalls wurde die Gesellschaft auch verabscheut.

Kategorie:Expressionismus (Literatur)