Benutzer:Pharaoh han/Gonosomenbaustelle

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Als Gonosom, Geschlechts-Chromosom oder Sexchromosom bezeichnet man Chromosomen, in denen über große Abschnitte hinweg die Rekombination in einem Geschlecht unterdrückt ist und in jenen Abschnitten Gene liegen, die bestimmen, welche Form von Geschlechtszellen von einem Lebewesen ausgebildet wird. Da das Geschlecht chromosomal bestimmt wird, wird es entsprechend der Mendel'schen Regeln vererbt. Nicht alle getrenntgeschlechtlichen Lebewesen haben jedoch Geschlechts-Chromosomen und damit ein genetisches Geschlecht - bei manchen sind vielmehr Umweltbedingungen verantwortlich für die Ausbildung zum Männchen oder Weibchen.

Da sich manche Gonosomen in der Größe voneinander unterscheiden, werden Geschlechts-Chromosomen auch als Heterochromosom, Heterosom oder Allosom bezeichnet, obwohl diese Begriffe sich nur auf das Aussehen beziehen.[1] Andererseits gibt es auch optisch nicht unterscheidbare Chromosomen, die das Geschlecht bestimmen und somit Gonosomen sind. In der Literatur herrscht wenig Klarheit bei den Begriffen und meist werden Heterochromosomen und Gonosomen fälschlicherweise gleichgesetzt.

Drosophila melanogaster hat XY-Geschlechts-Chromosomen

Die bekanntesten und bestuntersuchten Beispiele sind die X- und Y-Chromosom des Menschen und die Gonosomen von Drosophila melanogaster. Gonosomen kommen in vielen Tiergruppen, aber auch bei Pflanzen vor. Prokaryoten besitzen nur ein "Chromosom" und können somit keine Gonosomen haben, bei Pilzen wurden bisher auch noch keine Gonosomen entdeckt.

Die Besonderheit, dass die Geschlechtschromosomen nur einfach - beispielsweise bei Säugetiermännchen als X- und als Y-Chromosom - und nicht als Paar vorkommen, wird als Hemizygotie bezeichnet.

Evolution von Gonosomen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gonosomen haben sich mehrfach unabhängig in der Evolution aus Autosomen entwickelt.[2] Als ursprünglich gelten gemischtgeschlechtliche (hermaphroditische) Lebewesen, in denen beide Geschlechter gleichzeitig oder zeitlich getrennt, aber im gleichen Körper ausgeprägt werden. Entsteht durch Mutation nun ein Allel, das die Ausprägung eines Geschlechts unterdrückt, so kann das vorteilhaft sein. Individuen mit nur einem Geschlecht können sich nicht selbst befruchten und vermeiden somit die Möglichkeit von Inzuchteffekten. Außerdem würde die Energie, die für Produktion von zwei verschiedenen Keimzellen aufgewendet werden kann auf ein Geschlecht konzentiert werden, sodass entweder mehr Eizellen oder mehr Spermien/Pollen entstehen würde. Da Mutationen, die einen Funktionsverlust bedeuten meist rezessiv sind, würde Geschlecht 1 nur bei Homozygotie ausgeprägt werden, Heterozygote würden zweigeschlechtlich bleiben. Entsprechend gäbe es eine positive Selektion zur Ausbreitung des Allels für die Eingeschlechtlichkeit bis zu dem Zeitpunkt, in dem das andere Geschlecht seltener wird und der Selektionsdruck dahingehend wächst, dass auch das andere Geschlecht häufiger wird. Entsprechend würde es in den noch zweigeschlechtlichen Individuen wahrscheinlicher und vorteilhaft werden, dass durch Mutation die Unterdrückung von Geschlecht 1 gekoppelt wird sodass das andere Geschlecht allein ausgeprägt wird und zwei getrennte Geschlechter entstehen. Die Rekombination zwischen den Proto-Gonosomen wäre von Nachteil, da die Individuen kein Geschlecht effizient ausbilden würden, entsprechend würde Selektion gegen Merkmalsaustausche wirken. In diesem Chromosomenabschnitten findet man sehr häufig Inversionen, also Richtungsänderungen von längeren Sequenzen. Die Unterdrückung der Rekombination ist von entscheidendem Einfluss, da negative Mutationen nicht mehr entkoppelt werden können. Folglich kommt es zu einer fortschreitenden Degradierung eines Chromosoms, also einer Ansammlung von Funktionsverlustmutationen (Mullers Ratchet). So sind Y-Chromosomen bei Säugetieren extrem genarm (ca. 40 Gene) im Gegensatz zum X-Chromosom.

In welchem Geschlecht ein Gonosom degradiert, ist unterschiedlich. Das degradierende Chromosom kann viel kleiner sein als das Homologon (z.B. bei Säugetieren) oder durch Ansammlung repetitiver Sequenzen (z.B. Transposons]]) größer (z.B. bei einigen Leimkräutern).

Was im Einzelnen die genetische Geschlechtsdifferenzierung bestimmt, kann ebenfalls unterschiedlich sein. So beinhaltet das Y-Chromosom der meisten Säugetiere ein Gen (SRY), das die Entwicklung zum Weibchen unterdrückt und statt dessen die Ausprägung männlicher Merkmale bewirkt. Bei Drosophila melanogaster hingegen ist das Y-Chromosom bei der Geschlechtsfestlegung nicht direkt beteiligt. Dort ist das Geschlecht vom Verhältnis von X-Chromosomen zu Autosomen entscheidend, das Y-Chromosom enthält keine geschlechtsbestimmende Komponente (siehe auch: Drosophila_melanogaster#Festlegung_des_Geschlechts).

Man kann formell drei Formen unterscheiden. Da Geschlechts-Chromosomen aus Autosomen entstanden sind, ist die Geschlechtsbstimmung durch gleichartig aussehende (homomorphe) Geschlechts-Chromosomen auf denen die Gene für die Geschlechtsbestimmung liegen, als ursprünglich anzunehmen. Evolvieren diese Chromosomen dann unterschiedlich, so kann es zu einer Veränderung der Größe der Chromosomen kommen, sodass Heterochromosomen entstehen. Eine dritte Form ist der Wegfall eines Chromosoms im doppelten Chromosomensatz in einem Geschlecht, sodass eine ungerade Chromosomenzahl die Folge ist. Dies bezeichnet man als X0-System, wobei die Null für das fehlende Chromosom steht. Davon abzugrenzen ist jedoch die Haplodiploidie, in dem ein Geschlecht einen einfachen und das andere den doppelten Chromosomensatz trägt (wie bei der Honigbiene). Haplodiploide Organismen haben keine Gonosomen, da die Geschlechtsausprägung nicht den Mendel'schen Regeln folgt, aber sie haben ebenfalls ein genetisches Geschlecht.

Homomorphe Geschlechtschromosomen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei homomorphen Geschlechtschromosomen sind die Gene für die Geschlechter auf je einem der gleichartig aussehenden, paarigen Chromosomen verteilt. Dabei sind aus einem gleichartigen Gen oder Genbereich zwei Allele evolviert, die unterschiedliche Funktionen übernommen haben. Homomorphe Gonosomen erkennt man daran, dass die Geschlechter der Mendel'schen Regeln folgen, also dass etwa zu je 50% Männchen und Weibchen entstehen. Sehr früh entdeckt wurde dies in der Zweihäusigen Zaunrübe, aber man kennt dies auch von der Papaya oder vom Gemeinen Spargel


Heteromorphe Geschlechts-Chromosomen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bezeichnung verschiedenartig gestalteter (heteromorpher) Gonosomen ist abhängig davon, ob das heterogametische Individuum (also das mit unterschiedlichen Gonosomen) Männchen oder Weibchen hervorbringt. Bringt es Männchen hervor, so wird das den Autosomen gleichende Chromosom als X-Chromosom und das optisch Abweichende als Y-Chromosom bezeichnet. Dabei ist unerheblich, ob das Y-Chromosom größer oder kleiner ist als das X-Chromosom. Weibchen haben somit die genetische Konstitution XX, Männchen ein XY, wobei die Anzahlen der einzelnen Gonosomen auch größer sein können. Ist das heterogametische Individuum weiblich, so wird das den Autosomen gleichende Chromosom als Z-Chromosom und das andere als W-Chromosom bezeichnet. Weibchen hätten somit ZW und Männchen ZZ-Chromosomen. In älterer Literatur war diese Konvention noch nicht üblich, sodass auch von XY-Weibchen etc. die Rede war.

Heterogonosomen bei Tieren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heteromorphe Gonosomen sind bei Tieren zwar weit verbreitet, aber nicht zwingend in den jeweiligen Tiergruppen häufig.

Am besten bekannt ist das XY-System der Säugetiere. Das Y-Chromosom ist viel kleiner als das X-Chromosom und enthält nur wenige Gene. Es besteht aus zwei kurzen pseudoautosomalen Regionen an den Enden, die mit dem X-Chromosom rekombinieren können, überwiegend ist es aber isoliert. näheres siehe in: Y-Chromosom#Evolution bei den Säugetieren

Bei einigen Nagetieren ist dieses System der Säuger verändert, etwa bei einigen Stachelratten[3] und beim Transkaukasischen Mull-Lemming (Ellobius lutescens).[4] Die Kloakentiere, ursprüngliche Säugetiere, wie das Schnabeltier besitzen ebenfalls ein XY-System, jedoch ist die Anzahl der Gonosomen ungewöhnlich hoch.[5][6] Die Geschlechtschromosomen der Kloakentiere zigen größere Ähnlichkeiten zu denen von Reptilien als zu den höheren Säugern, sodass diese ein eigenes Sstem entwickelt haben.

Bei Vögeln[7] und einigen Reptilien (manche Echsen[8] und Schlangen[9]) wird das Geschlecht durch ein WZ-System festgelegt. Manche Echsen haben jedoch auch ein XY-System, ebenso wie einige Schildkröten. Überwiegend ist bei Reptilien die Geschlechtsbestimmung jedoch durch die Temperatur gesteuert. Vögel haben


Schmetterlinge und Köcherfliegen haben ein WZ-System.[10]

Heterogonosomen bei Pflanzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heteromorphe Geschlechts-Chromosomen sind bei Pflanzen äußerst selten. Sie sind in vier Familien nachgewiesen worden: Hanfgewächse, Knöterichgewächse, Kürbisgewächse und Nelkengewächse.

Bei den Knöterichgewächsen sind sie in Teilen der Gattung Ampfer (Rumex) nachgewiesen worden. Dabei haben sich zwei Systeme entwickelt. Das Vorkommen von Heterogonosomen ist auf die Untergattungen Acetosella und Acetosa beschränkt und bei letzter nur in den Sektionen Acetosa und Americanae wobei Rumex suffruticosus (Sekt. Scutati) nach Navajas-Pérez und Kollegen[11] dazuzustellen wäre. Bei der Sektion Acetosa, z. B. beim Wiesen-Sauerampfer (Rumex acetosa) und beim Schnee-Sauerampfer (Rumex nivalis)[12] gibt es 2n = 12 Chromosomen mit XX bei weiblichen Individuen und XY1Y2 bei Männlichen. Ähnlich wie bei Drosophila melanogaster bestimmt das zahlenmäßige Verhältnis von X-Chromosomen zu Autosomen das Geschlecht, die Y-Chromosomen haben darauf keinen Einfluss[13] Bei triploiden Individuen mit 3x = 18 + XXY1Y2 wird das Geschlecht in jeder einzelnen Blüte selbst festgelegt.[14] Bei Rumex hastalatus (Untergattung Acetosa, Sektion Americanae) gibt es (nur in einer nördlich verbreiteten Rasse) ebenfalls zwei Y-Chromosomen, die sich jedoch unabhängig entwickelt haben und auch hier ist das Verhältnis von X-Chromosomen zu Autosomen entscheidend. Die anderen Ampfer mit Heterogonosomen haben haben ein XY-System und ein für die Geschlechtsbestimmung aktives Y-Chromosom.

Bei den Hanfgewächsen gibt es Heterogonosomen beim Echten Hopfen, beim Japanischen Hopfen und beim Hanf. Dort existiert ein XY-System, beim Japanischen Hopfen gar mit 2 Y-Chromosomen (Y1Y2). Während beim Hanf das Y-Chromosom größer ist als das X-Chromosom, ist das bzw. die Y-Chromosom(en) des Hopfens interssanterweise kleiner als das X.

Das bestuntersuchte pflanzliche Beispiel für Geschlechts-Chromosomen bei Pflanzen ist die Weiße Lichtnelke. Wie die anderen Mitgliedern der Sektion Elisanthe (Rote Lichtnelke, Silene diclinis, S. heuffelii und S. marizii) hat die Weiße Lichtnelke ein XY-System. Das Y-Cromosom ist etwas größer als das X-Chromosom und bestimmt die Bildung männlicher Blüten. Das Y-Chromosom trägt nicht nur Gene für die Ausbildung von Staubblättern, sondern auch Gene zur Unterdrückung der Ausbildung von Fruchtblättern.[15]

Ähnlich wie bei der Lichtnelke verhält es sich bei dem Kürbisgewächs Coccinia grandis. Auch dort existiert ein XY-System mit einem sex-determinierenden, großen Y-Chromosom.

X0-Systeme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim X0-System hat ein Geschlecht ein Geschlechts-Chromosom mehr. Pyrrhocoris apterus (Heteroptera) --> 2n=22+X0 oder +XX

Die Unterart des Kleinen Mungos Herpestes javanicus ssp. auropunctatus hat ein Pseduo-X0-System. Die Y-chromosomalen Bereiche sind jedoch durch Translokation an ein Autosom gebunden, sodass die Vererbung im Großen und Ganzen dem XY-System gleicht.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Grant, S., A. Houben, B. Vyskot, J. Siroky, W.-H. Pan, J. Macas & H. Saedler: Genetics of Sex Determination in Flowering Plants In: Developmental genetics. 15, 1994, S. 214-230
  • Ohno, S.: Sex chromosomes and sex-linked genes In: Monographs on Endocrinology. 1, 1967, Springer-Verlag
  • Westergaard, M.: The mechanism of sex determination in dioecious flowering plants In: Advances in Genetics. 9, 1958, S. 217-281

Dosiskompensierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eines der größten Probleme, wenn ein Geschlecht zwei verschiedene Geschlechtschromosomen hat, das andere jedoch zwei Gleiche, ist, dass auch die Menge der Gene und somit der Genprodukte halbiert bzw. verdoppelte ist. in verschiedenen Lebewesen ist dieses Problem sehr unterschiedlich gelöst. Bei Säugetieren wird bei Weibchen (XX) ein zufällig gewähltes X-Chromosom inaktiviert. Es ist sehr viel dichter gepackt als das andere und es entstehen (fast) keine Genprodukte mehr. Weibchen verfügen also nur noch über ein aktives X-Chromosom. Bei Drosophila hingegen wird das eine X-Chromosom bei Männchen doppelt so stark transkribiert wie ein vergleichbares X-Chromosom beim Weibchen, sodass die Genmenge dem weiblichen Status angepasst wird. Beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans werden beim Weibchen beide X-Chromosomen nur halb so stark transkribiert. Vögel hingegen zeigen keinerlei Hinweise, dass es überhaupt eine Dosiskompensierung gibt.

Theorie der Entstehung des Y-Chromosoms[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die heute gängigste Theorie[16] zur Entstehung des Y-Chromosoms besagt, dass die beiden Gonosomen X und Y das Ergebnis von Mutationen in einem gemeinsamen Vorläuferchromosom (das jeweils analog den Autosomen diploid vorlag) sind. Dieses enthielt die Gene, die zur Ausbildung beider Geschlechter notwendig sind; für die Differenzierung zum männlichen bzw. weiblichen Geschlecht waren exogene Einflüsse wie die Temperatur verantwortlich. Der entscheidende Schritt seien Mutationen gewesen, die einem dieser Chromosomen Gene einbrachten, die eindeutig für die Entwicklung hin zum männlichen Geschlecht verantwortlich gemacht werden können. Gleichzeitig müssen diese Mutationen dazu geführt haben, dass sich die beiden "Geschlechtschromosomen" in ihrer Sequenz so stark unterschieden, dass eine Rekombination zwischen ihnen ausgeschlossen wurde, so dass das neue Männlichkeitsgen nicht auf das unmutierte Geschlechtschromosom verschoben werden konnte. Diese "große" Mutation soll eine Inversion auf dem langen Arm des heutigen Y-Chromosoms gewesen sein. Es entstand das SRY-Gen (sex determinating region on Y chromosome), das für den testis determinating factor (TDF) codiert; durch die Inversion wurde die Paarung mit dem vormals homologen Bereich auf dem nicht-mutierten Chromosom verhindert.

Das Geschlecht eines Individuums auf diese Weise zufällig zu bestimmen, hat den Vorteil der relativen Ausgeglichenheit der Geschlechterverteilung, während zuvor Populationen mit einem stark verschobenen Geschlechterverhältnis möglich waren.

Im weiteren Verlauf habe das Y-Chromosom immer wieder Gene verloren, die nicht mit der Entwicklung des männlichen Geschlechts assoziiert waren, während sich andererseits Gene, die z.B. Bedeutung für die Fruchtbarkeit der Männchen hatten, mehr und mehr auf dem Y-Chromosom versammelten. Allerdings existieren nach wie vor auf X und Y homologe Gene, welche letztlich auch die Basis der gesamten Theorie des gemeinsamen Vorläuferchromosoms sind.

Mit dem Verlust autosomaler Gene allein auf dem Y-Chromosom ging allerdings einher, dass zwischen männlichen und weiblichen Mitgliedern einer Spezies beträchtliche Unterschiede in der Aktivität jener Gene entstanden, die nun nur noch auf dem X-Chromosom vorlagen (Frauen haben die doppelte Gen-Dosis und somit theoretisch die doppelte Genaktivität). Da aber jede Frau eines dieser X-Chromosomen auch wieder an einen Sohn weitergeben können muss, musste eine Lösung des Dosisproblems gefunden werden, die für beide Geschlechter gleichermaßen funktioniert:

Zum einen finden sich in den heutigen Säugetieren viele Gene des ehemaligen gemeinsamen Vorläuferchromosoms auf Autosomen - so besitzen männliche und weibliche Individuen jeweils die gleiche (diploide) Gendosis. Zum anderen wird in jeder weiblichen Zelle eins der beiden X-Chromosomen inaktiviert (siehe Barr-Körperchen). Allerdings betrifft diese Deaktivierung offenbar nicht alle Gene auf dem betreffenden X-Chromosom, so dass Frauen z.T. doch eine höhere Genaktivität aufweisen, was gern auch populärwissenschaftlich zur Erklärung einiger geschlechtsspezifischer Unterschiede (wie der höheren Sprachbegabung und dem ausgeprägteren Sozialverhalten von Frauen im Vergleich zu Männern) herangezogen wird.

Schließlich hat die Evolution vom gemeinsamen Vorläuferchromosom hin zum X-Y-System nicht nur Vorteile für die männlichen Individuen einer Spezies. Denn X-chromosomal-rezessive Gendefekte, die bei Frauen meist durch die zufällige Inaktivierung eines X-Chromosoms wenig ins Gewicht fallen, können beim männlichen Genotyp nicht kompensiert werden. Ein Beispiel: Eine Mutation auf dem X-Chromosom führt zur Rot-Grün-Blindheit. Frauen besitzen durch die zufällige Inaktivierung eines X-Chromosoms also rot-grün-empfindliche und -unempfliche Rezeptorzellen in der Netzhaut. Söhne dieser Frauen (Konduktorinnen) haben eine 50%ige Chance, das defekte X-Chromosom der Mutter zu erben und können diesen Defekt dann auch nicht kompensieren. So treten heterozygote Mütter bei X-chromosomal rezessiv vererbten Erkrankungen immer als klinisch nicht oder nur milde betroffene Überträger auf.

Molekulare Mechanismen der Geschlechtsbestimmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geschlechtsbestimmungsmechanismen bei Wirbellosen Tieren (Invertebrata)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Drosophila melanogaster
P. barbatus
Honigbiene (Apis mellifera)

Die Mechanismen der Geschlechtsbestimmung sind außerordentlich verschieden. Bei den Hautflüglern (Hymenoptera) geschieht die Geschlechtsbestimmung auf der Grundlage von haploiden (männlich) oder diploiden (weiblich) Chromosomensätzen. Bei bestimmten Ameisenarten (Pogonomyrmex barbatus und P. rugosus) wird vermutet, dass sie drei Geschlechter hat.[17][18] Bei Drosophila bestimmt das Verhältnis von X-Chromosomen und Autosomen sowie der Einfluss des Sxl-Gens das Geschlecht.[19] Manche Tiere ändern im Laufe ihres Lebens ihr Geschlecht: bei manchen Würmern (Anneliden) sind junge Tiere männlich und erwachsene Tiere weiblich. Hier ist das Geschlecht von der Größe des Individuums abhängig.[20][21]

Geschlechtsbestimmungsmechanismen bei Wirbeltieren (Vertebrata)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Wirbeltieren wurden zwei unterschiedliche Geschlechtsbestimmungsmechanismen realisiert. Bei vielen Reptilien, z.B. den Krokodilen, wird das Geschlecht durch die Umgebungstemperatur und unter dem Einfluss von Hormonen während der thermosensitiven Entwicklungsphase bestimmt.[22] Bei Fischen und Amphibien fehlen Geschlechtschromosomen meist.[23][24][25] Bei Vögeln gibt es Geschlechtschromosomen, allerdings sind bei ihnen die heterogametischen Tiere weiblich und die homogametischen männlich.[26][27] Bei allen Säugetieren finden sich bei den weiblichen Individuen identische (XX) und bei den männlichen Individuen verschiedene (XY) Geschlechtschromosomen. Aufgrund der Unterschiede und Ähnlichkeiten der Y-Chromosomen bei Säugetieren vermutet man, dass das Y-Chromosom in einem kontinuierlichen Prozess aus dem SRY-Gen heraus entstanden ist.[28]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Montgomery Jr., T. H.: The terminology of abberant chromosomes and their behavior in certain Hemiptera In: Science. 23(575), 5. Januar 1906, S. 35-38
  2. Muller, H. J.: 1918. Genetic variability, twin hybrids and constant hybrids, in a case of balanced lethal factors In: Genetics. 3, 1918, S. 422-499
  3. Arakawa Y, Nishida-Umehara C., Y. Matsuda, S. Sutou, H. Suzuki: X-chromosomal localization of mammalian Y-linked genes in two XO species of the Ryukyu spiny rat. In: Cytogenet Genome Res. 99(1-4), 2002, S. 303-309
  4. Just W., W. Rau1, W. Vogel, M. Akhverdian, K. Fredga, J. A. Marshall Graves & E. Lyapunova: Absence of Sry in species of the vole Ellobius In: Nature Genetics. 11, 1995, S. 117-118
  5. C. E. Murtagh: A unique cytogenetic system in monotremes In: Chromosoma. 65(1), März 1977, S. 37-57
  6. Grützner F., W. Rens, E. Tsend-Ayush, N. El-Mogharbel, P. C. M. O'Brien, R. C. Jones, M. A. Ferguson-Smith & J. A. Marshall Grave: In the platypus a meiotic chain of ten sex chromosomes shares genes with the bird Z and mammal X chromosomes In: Nature. 432, 16. Dezember 2004, S. 913-917
  7. Clinton M. & L. C. Haines: An overview of factors influencing sex determination and gonadal development in birds In: Genes and Mechanisms in Vertebrate Sex Determination 2001, Birkäuser, Basel, S. 97–115
  8. King, M.: The evolution of sex chromosomes in lizards In: Calaby J. & H. Tyndale-Biscoe (eds.): Evolution and Reproduction 1977, Australian Academy of Science, Canberra, S. 55–60
  9. Bickham, J.W.: Patterns and modes of chromosomal evolution in reptiles In: Sharma A.K. & A. Sharma (eds.): Chromosomes in Evolution of Eukaryotic Groups. 2, 1982 CRC Press, Boca Raton, Florida
  10. Traut, W., K. Sahara, F. Marec: Sex Chromosomes and Sex Determination in Lepidoptera In: Sexual Development. 1, 2008, S. 332–346
  11. Navajas-Pérez et al.: The evolution of reproductive systems and sex-determining mechanisms within Rumex (Polygonaceae) inferred from nuclear and chloroplastidial sequence data In: Molecular Biology and Evolution 22(9), 2005, S. 1929–1939
  12. Stehlik, I. & F. R. Blattner: Sex-specific SCAR markers in the dioecious plant Rumex nivalis (Polygonaceae) and implications for the evolution of sex chromosomes In: Theoretical and Applied Genetics 108, 2004, S. 238–242
  13. Wilby A. S., J. S. Parker: Recurrent patterns of chromosome variation in a species group In: Heredity. 61, 1988, S. 55–62
  14. Ainsworth, C., A. Rahman, J. Parker & G. Edwards: Intersex inflorescences of Rumex acetosa demonstrate that sex determination is unique to each flower In: New Phytologist. 165, 2005, S. 711-720
  15. Monéger, F., N. Barbacar & I. Negrutiu: Dioecious Silene at the X-road: the reasons Y In: Sex Plant Reprod. 12, 2000, S. 245–249
  16. B. Charlesworth: Model for evolution of Y chromosomes and dosage compensation in: Proc. Nat. Acad. Sci. USA 75 (November 1978), S. 5618-5622. online bei PNAS
  17. Helms Cahan S. and Keller L.: Complex hybrid origin of genetic caste determination in harvester ants. Nature. 2003 Jul 17;424(6946):306–9. PMID 12867980
  18. Whitfield J.: Everything you always wanted to know about sexes. PLoS Biol. 2004 Jun;2(6):e183. Epub 2004 Jun 15. PMID 15208728
  19. Penalva LO, and Sanchez L.: RNA binding protein sex-lethal (Sxl) and control of Drosophila sex determination and dosage compensation. Microbiol Mol Biol Rev. 2003 Sep;67(3):343-59, table of contents. PMID 12966139
  20. Collin R.: Sex ratio, life-history invariants, and patterns of sex change in a family of protandrous gastropods. Evolution Int J Org Evolution. 2006 Apr;60(4):735–45. PMID 16739455
  21. Allsop DJ, and West SA.: Sex-ratio evolution in sex changing animals. Evolution Int J Org Evolution. 2004 May;58(5):1019–27. PMID 15212382
  22. Pieau C. and Dorizzi M.: Oestrogens and temperature-dependent sex determination in reptiles: all is in the gonads. J Endocrinol. 2004 Jun;181(3):367–77. PMID 15171684
  23. von Hofsten J. and Olsson PE.: Zebrafish sex determination and differentiation: involvement of FTZ-F1 genes. Reprod Biol Endocrinol. 2005 Nov 10;3:63. PMID 16281973
  24. Green, D. M.: „Heteromorphic sex chromosomes in the rare and primitive frog Leiopelma hamiltoni from New Zealand“ In: J. Hered. 1988; 79: 165–169
  25. Reed, K. M. and R. B. Phillips: Polymorphism of the nucleolus organizer region (NOR) on the putative sex chromosomes of Arctic char (Salvelinus alpinus) is not sex related Chromosome Research 1997; 5:221–227.
  26. Gilgenkrantz S.: Bird sex determination Med Sci (Paris). 2004 Nov;20(11):1004–8. PMID 15525496
  27. Ellegren H.: Hens, cocks and avian sex determination. A quest for genes on Z or W? EMBO Rep. 2001 Mar;2(3):192–6. PMID 11266359
  28. Manolakou P, Lavranos G. and Angelopoulou R.: Molecular patterns of sex determination in the animal kingdom: a comparative study of the biology of reproduction. Reprod Biol Endocrinol. 2006 Nov 13;4:59. PMID 17101057

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Publikation DNA-Sequenz des menschlichen X-Chromosoms

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