Benutzer:Polentario/Wem gehört die Wikipedia?

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WP Hardware

Wem gehört die Wikipedia? Ihren fleissigsten Nutzern, der Wikimedia Foundation, den Vereinen, der Community als solches?

Rolle der Power User[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jaron Lanier schaut aus wie einer, hat aber überhaupt keine Lust auf WP

Komplizierte, auf einer Webgemeinde basierende Webprojekte - also sowas wie Wikipedia - weisen Power Usern einiges an Privilegien zu. Sie erhalten Respekt und Ehrungen von anderen Nutzern. Ihr Verständnis von Technik und Abläufen trägt ihnen Bewunderung und Dankbarkeit von weniger eingeweihten Nutzern ein. Sie kennen Standards und bürokratische Abläufe und vermeiden damit Konflikte und entscheiden sie oft für sich. Aus der Perspektive der weniger kollegialen Supernutzer stellt sich die Teilnahme in der Kommunity als Folge das persönliche Ego streichelnder und das Selbstwertgefühl erhöhender Interaktionen mit geringwertigen Wesen dar. Gelegentliche Auseinandersetzungen mit anderen Powerusern ermöglicht die Rangordnung klarzuziehen, stellt aber die grundsätzliche Höherstufung gegenüber den einfachen Nutzern nicht weiter in Frage. Letztendlich sind viele Poweruser der Ansicht, so müsse es dann auch sein.

Diese Nutzer erleiden eine narzisstische Kränkung, wenn ihnen klar wird, daß ihr herausragender Platz in der Hackordnung ihnen dennoch nicht die Kontrolle über die zugehörige Webseite und "ihre Artikel" gibt. Dem ist aber so. Wikipedia gehört Dir und gehört auch Euch nicht. Die Wikipedia wird von einer Stiftung, der Wikimedia Foundation zur Verfügung gestellt. Sie gehört nicht der zugehörigen Community. Rechtlich und praktisch gehört die Webseite, die Domain wie auch die zugehörigen Warenzeichen der Wikimedia Foundation. Ihr gehören die zugehörigen Server und die Internetanschlüsse. Die WMF hat die moralischen und rechtliche Berechtigung, die Zugriffsmacht und in einigen Fällen sogar die Pflicht die Server, die Software, die Website und die zugehörigen Warenzeichen öffentlich zur Verfügung zu stellen, zu nutzen und zu schützen.

Die Wikipedia Foundation ist auch kein globales öffentliches Gut, auch wenn die zugehörigen Inhalte ein solchs darstellen. Die Stiftung hat sich selbst verpflichtet, Wikipedia frei zugänglich zu machen. Sie ist dabei nicht vor Staaten gefeit, die mit technischen Mitteln versuchen, dies auf ihrem Territorium zu verhindern oder deren Rechtsprechung sich mit bestimmten WP-Inhalten befasst. Die Stiftung schützt Wikipedia auch vor ihren Begründern, die nicht mehr in der Lage wären, sie sich als Privatgut anzueignen. Deshalb hält die Stiftung z.B. die Namensrechte und deswegen halten die Vereine in den deutschsprachigen Ländern die Domains.

Rolle der Community I[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Community, welche die Anfänge der WP finanzierte, wurde u.a. von Sylvia Saint zu Spenden angeregt (vgl. de:Wikipedia:Enzyklopädie/Bomis)

Formulierungen wie "die Community muss eingreifen, falls die Wikimedia Foundation gegen diese Grundprinzipien verstoßen sollte und die Allgemeinheit muss eingreifen, falls Community und Foundation gegen die Grundprinzipien verstoßen sollten." sind falsch. Die Verpflichtung der Wikipedia Foundation basiert rein auf Stiftungsrecht eines US-Bundesstaats. Die Rechte der Nutzer sind individuell.

Zwar stellt Wikipedia für ihre Leser eine Wissensallmende dar, aber für die Autorengemeinde ist mit ihrer Mitarbeit kein genossenschaftlicher Sitz und Stimme zur Regelfindung in dieser gemeinsam betriebenen Allmende (englisch Commons) verbunden. Jede schweizer Korporationsgemeinde mittelalterlicher Herkunft ist da fortschrittlicher, was die Gemeinschaftsrechte angeht. Was es gibt, sind zugunsten der Stiftung aufgelassene indivduelle Urheberrechte der jeweiligen Nutzer. Die Community von zumeist anonymen und nicht einer Person eindeutig zugeordneten Autoren ist eine Fiktion ohne rechtliche Relevanz. Sie erwirbt als Gesamtheit keinerlei Rechte. Man mag es bedauern, aber es gibt rechtlich und faktisch keine verfasste Autorenschaft und die Versammlung der Autorengemeinschaft hat im Gegensatz zu anderen Communitymodellen nichts zu sagen. Das aktuelle, individualisierende Modell der WP hätte aber nicht zwangsweise so sein müssen.

Die Foundation hat sich immerhin verpflichtet, die Ideale und Grundsätze der Wikipedia zu wahren. Sie muss eingreifen, falls einzelne Nutzer gegen diese Grundprinzipien verstoßen sollte. Die einzige mögliche Drohung einer realexistierenden Community wäre eine Fork eines Interwikis oder eines Bereichs der WP und deren Weiterentwicklung. Diese wurde im Falle der Enciclopedia Libre genutzt. Spanischsprachige Wikipediaautoren wandten sich gegen Überlegungen Larry Sangers, WP mit Werbung zu finanzieren. Sie zogen deswegen ihr eigenes Wikiprojekt auf. Der Protest führte dazu, daß die ursprüngliche Wikipedia werbefrei blieb. Die Enciclopedia Libre scheiterte an ihrem eigenen Erfolg, die spanischsprachige Wikipediacommunity erholte sich schnell und überholte die EL in Autorenzahl und Edits.

Wikipedianutzer haben zunächst nach dem amerikanischen Recht ein Copyright an ihren Beiträgen, in Deutschland geht es um ihr Urheberrecht. Nach den wmf:Nutzungsbedingungen sind diese Inhalte der Wikipedia ohne Widerrufsmöglichkeit so lizenziert übergeben, dass jedermann diese kopieren, modifizieren und erneut wiedergeben darf. Damit sind sie nicht mehr im Besitz der jeweiligen Urheber. In der alltäglichen Erfahrung macht sich die Stiftung kaum bemerkbar. Die Nutzer, insbesondere auch die recht aktiven, haben daher zuweilen die irrige Vorstellung, die Wikipedia wäre unter ihrer Kontrolle. Das ist falsch.

Rolle des Wissens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Noch so ein Enzyklopädist am Schimpfen

Der Gründer von Wikipedia, Jimmy Wales, hat Friedrich von Hayeks Essay "The Use of Knowledge in Society", den er als Student zu lesen bekam, mehrmals als zentrale Grundlage seines Vorgehens zitiert. Dazu gehört auch die Entscheidung, Wikipedia neben dem Nupedia-Projekt aufzuziehen und dabei einer Vielzahl von Beiträgen anonymer und nicht unbedingt wissenschaftlich arrivierter Autoren den Vorrang vor Expertentum einiger weniger zu geben.

Hayek hatte in dem Essay argumentiert, dass Wissen grundsätzlich fragmentiert sei und wirtschaftliche Entscheidungen deshalb nicht von einem zentralen Entscheidungsgremium gefällt werden sollten. Er trug damit auch zur Kontroverse um die Wirtschaftsrechnung im Sozialismus bei.

Hayek zitierte zudem Alfred North Whitehead, wonach es völlig falsch sei, über sein Tun zunehmend nachzudenken. Zivilisationen gewönnen, indem sie mehr wichtige Handlungen ermöglichten, über die man nicht nachdenken müsse.

Das Preissystem gehörte zu den Mechanismen, die erlaubten, die Verfügbarkeit etwa eines Rohstoffes schlicht über das Ansteigen oder Sinken dessen Preises zu erfassen. Das genüge, einen effizienterem Umgang mit dem Rohstoff anzuregen. Die wenigen Experten, die wüssten, worauf die Preisänderungen zurückgingen, müssten dafür nicht herangezogen werden. Es sei aber von zentraler Bedeutung für die Lösung wirtschaftlicher Probleme, Wissen breiter und leichter verfügbarer zu machen. Genau dies hat die Wikipedia als Ziel. Hayek war darüber hinaus der Ansicht, wissenschaftliche Erkenntnis sei für wirtschaftliche Akteure nur begrenzt relevant, wichtiger für eine wirtschaftliche Existenz seien gelegentliche Wissensvorsprünge, praktische Erfahrung und persönliche Netzwerke.

In dem Sinne einer Schock-Strategie kann Wikipedia wie die Opensource-Bewegung zusammenfassend als ganz fürchterbares Produkt der Österreichischen Schule und des Neoliberalismus apostrophiert werden. Philip Mirowski behauptet dies uneingeschränkt.[1] Auch wenn Wikipedia etlichen Rage Against the Machine Linken chaotisch genug erscheine und bekanntlich keine Werbung enthalte, sei die Bereitstellung von Gratiswissen durch unbezahlte Freiwillige Ausdruck des neoliberalen Zeitgeistes und ergänze sich ausgezeichnet mit dem Internetflaggschiffunternehmen Google. Mirowski kritisiert weniger die ehrenamtliche Arbeit von Wikipediafreiwilligen sondern sieht das Geschäftsmodell derjenigen in Gefahr, die die Quellen von Wikipedia erstellen. Buchautoren, Journalisten und nicht zuletzt Wissenschaftler.

Suchmaschinen wie eben Google und Gratiscontentbereitsteller wie Flickr, Youtube und nicht zuletzt Facebook sind schlicht in der Welt. Man kommt nicht mehr hinter sie zurück. Mit nicht freigegebenen Content richtig Geld verdienen Verlage wie Beuth und Information Handling Services. Da gehts um Normen und Standards, Wirtschaftsinformationsdienste und Produktdaten für das Enterprise Resource Planning. Die Frage ist, ob die Contentbereitstellung wieder zu dem traditionellen Modell zurückkehrt oder sich künftig das Konzept des freien Wissens auch auf solche Bereiche ausdehnt. Eine möglich Synthese wäre ein (sicher nicht triviales) Bezahlmodell für die Bereitstellung validen Contents bei der WP und, womöglich wichtiger, ein Bezahlmodell für diejenigen, welche die Quellen erstellt hatten.

Rolle der Community II[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haberfeldtreiben, Originalzeichnung von Oskar Gräf, 1895
Landsgemeinde in Appenzell

Elinor Ostrom zufolge gehören zur erfolgreichen Verwaltung einer Ressource unter anderem die Herausbildung von Verwaltungsregeln allgemein wie im speziellen die Anerkennung der Mitgliedschaft der Community und der Möglichkeit diese gegebenenfalls auch zu entziehen. Essentiell sind ebenso die Ernennung von Administratoren, die der Gemeinschaft verantwortlich sind und die Herausbildung eines abgestuften Sanktionskatalogs zum Umgang mit Fehlverhalten, ebenso wichtig ist es, Plattformen zu schaffen, auf denen ebensolches Fehlverhalten schnell und transparent abgehandelt werden kann.[2] Ein ganz wesentlicher Vorteil der von Wikipedia zur Verfügung gestellten Ressource Wissen ist - sie geht nicht aus. Sie bleibt verfügbar, weitgehend unabhängig davon wieviel oder wie oft sie genutzt wird.

Die passsende oder zu geringe Anzahl von aktiven Mitarbeitern macht bei Wikipediaschwesterprojekten und bei kleinen Interwiki-Sprachvarianten den wesentlichen Unterschied zwischen Weiterführen, Einfrieren oder Löschen nach der Policy zur Projektbeendung aus. Bei den sogenannten Honigtöpfen treffen sich "alte Bekannte" zu immer wieder neuen Anlässen bei einzelnen Artikeln oder Themenbereichen. Bekannt und in der Presse abgebildet wurde in dem Zusammenhang der immerwährende Konflikt um den Artikel Neoliberalismus, der auch Gegenstand eines Schiedsverfahren war war. Demnach liegt die prinzipielle Ursache für den Dauerkonflikt dort in der zu geringen Anzahl der immergleichen Autoren, die die betreffenden Artikel seit Jahren bearbeiten. Kompomisslose Edits werden dann häufig von den anderen Accounts als enzyklopädisch irrelevant, POV, TF, Belegfälschung, etc. zurückgewiesen. Eine gewisse Rolle spielt dabei die 50/50-Chance auf eine längere Vollsperre in der „richtigen“ Version (vgl. Wikipedia:Die falsche Version).

Die Wikipediagemeinschaft ist ein mehr oder minder chaotischer Haufen, in denen sich mancher mehr, manche weniger erlauben kann. Das ist typisch Allmende, Dorfmoral halt. Gelegentliches Scherbengericht und Haberfeldtreiben, Aussingen und angepisst werden, wenn man seine Diskussionsbeiträge nicht richtig einrückt & signiert. So funktioniert Allmende, einschließlich deren Schattenseiten. Wer zur Community nicht dazugehört, wird revertiert und trollweise vergrämt, bis er oder sie die Lust verliert. Der hartnäckige Rest, der bleibt, meint ihm gehört die Wikipedia.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. The road from Mont Pèlerin: the making of the neoliberal thought collective, Harvard University Press, 2009
  2. Information management and market engineering ; 2, Band 2 Band 11 von Studies on eOrganisation and Market Engineering, Thomas Dreier, KIT Scientific Publishing, 2010, ISBN 386644589X, Elinor Ostrom and the case of Wikipedia