Benutzer:Rainer Zenz/Kunst

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Ausschnitt aus Herders Kalligone

Kunst kommt von Können ist ein Aphorismus, eigentlich ein geflügeltes Wort, das in der Kunstdebatte häufig verwendet wird, oft als konservativ-skeptischer Kommentar gegenüber neueren Kunstrichtungen, Künstlern und Werken. In einer verbreiteten ironischen Erweiterung heißt es Kunst kommt von Können, käme sie von Wollen, hieße sie Wulst [oder Wunst].

Die Herkunft des Worts Kunst von können ist etymologisch korrekt und besteht seit dem 9. Jahrhundert. Ursprünglich etwa „Kunstfertigkeit, Fähigkeit, Geschicklichkeit“ bezeichnend, traten im 18. Jahrhundert die heute verbreiteteren Bedeutungen „künstlerische Tätigkeit“ und Gegensatz zur Natur hinzu.[1]

Zuerst belegt ist die Formulierung „Kunst kommt von Können“ in Herders Kalligone aus dem Jahr 1800. Im ersten Kapitel des zweiten Teils, „Natur und Kunst“ heißt es:

Kunst kommt von Können oder Kennen her (nosse aut posse), vielleicht von beiden, wenigstens muß sie beides in gehörigem Grad verbinden. Wer kennt, ohne zu können, ist ein Theorist, dem man in Sachen des Könnens kaum trauet; wer kann ohne zu kennen, ist ein bloßer Praktiker oder Handwerker; der echte Künstler verbindet beides.

Die ironische Ergänzung geht auf den damals sehr bekannten, heute weitgehend vergessenen Bühnenautor Ludwig Fulda zurück. In Heft 15 des Magazins für Litteratur vom 14. April 1894 schreibt er unter der Überschrift „Sinngedichte“:

Weiß nicht, was echte Künstler sollen
Mit eurem theoretschen Schwulst;
Kunst kommt von Können, nicht von Wollen:
Sonst hieße es „Wulst.“

Das Gedicht wurde danach noch mindestens zweimal veröffentlicht. In: Das Wesen der Kunst. Im Spiegel deutscher Kunstanschauung, Karlsruhe 1901, und in: Theo Schäfer (Hg.): Frankfurter Dichterbuch, Frankfurt am Main 1905.

Im Laufe der Zeit verselbständigte sich die Redensart, die ursprünglichen Autoren und Zusammenhänge wurden vergessen. In der Folge wurde sie zahlreichen sehr unterschiedlichen Personen zugeschrieben, die jedoch als Urheber auszuschließen sind, da sie 1894 zu jung bzw. noch nicht geboren waren oder die Zuschreibung im Nachhinein vom Hörensagen erfolgte. Genannt werde z. B. Hans Thoma, Friedrich Nietzsche, Max Liebermann, Ludwig Thoma, Karl Kraus, Friedrich Gundolf, Siegfried Jacobsohn, Hermann Groeber, Julius Schniewind, Karl Valentin[2] und Joseph Goebbels[3].

Im Nationalsozialismus wurde die Redensart in den Dienst der Vorstellung von entarteter Kunst gestellt. So schrieb die Berliner Morgenpost am 25. Februar 1938 zur Eröffnung der gleichnamigen Ausstellung:

„Kunst kommt von Können; wenn sie von Wollen käme, müsste sie Wunst heißen.“ Wie eine Illustrierung zu diesem Wortwitz wirken die ersten Bilder, mit denen sich jetzt in Berlin die Ausstellung „Entartete Kunst“ am Königsplatz 5 den Besuchern präsentiert. Es ist wirklich Wunst, was sich uns hier entgegenwölbt. Und so sinnlos dieses Wort klingt, genau so sinnlos glotzen uns die Kleckerein an, die mit Malerei nur dem Material nach etwas zu tun haben. Es sind Gebilde aus Leinwand und Farbe, formlos und schreiend; oft ist nur der Rahmen das einzig Gestaltete an ihnen. Voller Beschämung denkt man daran, daß diese Machwerke der Primitivität und des Unverstandes einmal „Zierden“ staatlicher Museen waren. [...] Und noch größer wird die Bestürzung des Besuchers, wenn er entdeckt, dass die Namen dieser Kunststümper noch in seinen Erinnerungen leben. Wie stark müssen sie uns einmal von ihren Anbetern eingehämmert worden sein, wenn wir heute noch wissen, wer Otto Dix und Paul Klee, Kokoschka und Nolde war. [...] Die Formlosigkeit – sie ist das auch politisch angestrebte Chaos, die Sinnlosigkeit der Motive – sie verkörpert die mit künstlerischen Mitteln unterstützte Volksverdummung, die Disharmonie der Farben – was bezweckt die anders, als den angeborenen Schönheitssinn des deutschen Menschen zu ertöten? [4]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache /Kluge. 24. Auflage, De Gruyter, Berlin, New York 2002
  2. Karl-Valentin.de
  3. Rhetorik-Netz.de
  4. Uwe Fleckner: Angriff auf die Avantgarde: Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus, Seite 104. Akademie Verlag, 2007 ISBN 9783050040622
  • Johann Gottfried Herder: Kalligone, Von Kunst und Kunstrichterei. Leipzig 1800
  • Das Magazin für Litteratur. Heft 15, 14. April 1894