Benutzer:Tulove Grede/Pepe, komm nach Deutschland

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Film
Titel Pepe, komm nach Deutschland
Originaltitel Vente a Alemania, Pepe
Produktionsland Spanien
Originalsprache Spanisch
Erscheinungsjahr 1971
Länge 95 Minuten
Stab
Regie Pedro Lazaga
Drehbuch Vicente Coello,
Vicente Escrivá
Musik Antón García Abril
Kamera Raúl Pérez Cubero
Schnitt Alfonso Santacana
Besetzung

sowie

Pepe, komm nach Deutschland (Originaltitel: Vente a Alemania, Pepe) ist eine Komödie des spanischen Regisseurs Pedro Lazaga aus dem Jahr 1971, der von der spanischen Arbeitsmigration nach Deutschland während der Zeit des Franco-Regimes handelt. ¡Vente a Alemania, Pepe! gehört zu den ersten spanischen Filmen, die sich dem eher ernsten Thema der Migration in komischer Weise annähern und dabei Elemente der comedia sexy einbauen.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Film spielt im Spanien der 1960er Jahre. Pepe lebt in einem aragonesischen Dorf namens Peralejos und muss mehreren Arbeiten nachgehen, um seinen Unterhalt zu garantieren und eines Tages seine Freundin Pilar heiraten zu können. Angestachelt von den Wundererzählungen seines Freundes Angelino folgt er ihm nach München, um dort dickes Geld zu verdienen und sich nebenbei mit sexuellen Abenteuern die Hörner abzustoßen. Aber bald steht Pilar vor der Tür und nimmt sich ähnliche Freiheiten heraus, es kommt zum Streit. Pilar kehrt nach Aragón zurück, Pepe bleibt noch ein Weilchen in Deutschland, hält es aber über die Weihnachtstage allein nicht aus und flüchtet zurück nach Spanien, wo er Pilar heiraten und ein Kind mit ihr haben wird.

Der preisgekrönte spanische Schauspieler Alfredo Landa, der im Film die Hauptrolle spielt, ist untrennbar mit den erotischen Komödien der damaligen Zeit verbunden und verlieh dem nach Sexabenteuern lechzenden Durchschnittsspanier der späten Franco-Zeit wie kein anderer ein Gesicht. Landa prägte diese Filme derart, dass man sie zu einer eigenen Gattung kürte und auf den Namen Landismo taufte.[1]

Kontext: Die Arbeitsmigration und das Franco-Regime[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1960er Jahren erlebte Spanien ein kleines Wirtschaftswunder und einen langsamen gesellschaftlichen Wandel, welcher der friedlichen Demokratisierung vorarbeiten sollte. Unausgebildete Arbeitskräfte wanderten massenhaft vorübergehend nach Frankreich, Deutschland und in die Schweiz aus, wodurch der damalige spanische Arbeitsmarkt sich entspannte und zusätzliche Devisen in die Heimat zurückflossen.

Wegen der wirtschaftlichen Vorteile der Arbeitsmigration drängte das Franco-Regime auf ein Abkommen mit Deutschland, das schließlich im März 1960 zustande kam. Anders als der boomende Tourismus bot die Arbeitsmigration allerdings kaum Propagandastoff, weshalb sie beispielsweise auch in der spanischen Wochenschau No-Do selten zur Sprache kam. In den wenigen Berichterstattungen zu diesem Thema wurde alles ausgelassen, was ein schlechtes Licht auf die Diktatur hätte werfen können, z. B. Hintergründe für Emigration oder Diskriminierungen im Ausland.[2]

Die mediale Darstellung der spanischen Arbeitsmigration[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Auswanderung ist zwar allgegenwärtig im Spanien der 1960er Jahre, dennoch handelt es sich dabei um ein sensibles Thema, weil es die nationale Identität betraf und zwangsweise auf eine spanische Rückständigkeit im Kontrast zur Prosperität anderer Länder verwies. Die Hürde der eher strengen Zensur der späten Franco-Zeit macht aus dem Film mehr als eine schematische Realisierung von Genrevorgaben, denn er ist geprägt von einem widersprüchlichen Diskurs, in dem Kritik und Zustimmung ebenso wie Fortschritt und Tradition miteinander verbunden sind. Die Leistung dieser Komödien liegt gerade in der Inszenierung der Spannung zwischen Tradition und Moderne, auch wenn sie stets im konservativen Sinne ausgehen.[3] ¡Vente a Alemania, Pepe! sollte deshalb nicht einfach als gehorsame Abbildung einer national-katholischen Ideologie abgetan werden.[4]

Köder und Kehrseiten des Liberalismus in ¡Vente a Alemania, Pepe![Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Stoff bietet die Migration zahlreiche (melo-)dramatische Elemente und scheint sich für eine Komödie eher schlecht zu eignen.[5] Negative Aspekte der Arbeitsmigration, wie die beschwerliche Reise nach Deutschland mit ihren psychischen Bedrückungen, Ängsten und Hoffnungen werden in ¡Vente a Alemania, Pepe! ausgespart und Themen wie Ausbeutung, Kulturschock, Rassismus oder Delinquenz gar nicht erst angerissen.

Während Filme über Auswanderung häufig mit einer Darstellung der schweren Situation im Herkunftsland beginnen, ist Lazagas Dorf Peralejos zwar einfach, aber lebensfroh. Motor der Handlung ist von vornherein nicht die materielle Not des Dorfes, sondern die Spannung zwischen repressiver Sexualmoral und vermeintlichem europäischen Liberalismus. Deutschland wird dabei zu einem mythisch aufgeladenen Ort, an dem sich diese Spannungen entladen können und die Männer ihre Träume ausleben dürfen.

Der Filmdiskurs wird dann jedoch zeigen, dass es sich dabei um leere Versprechungen handelt, denn die erotische Thematik wird an verschiedenen Episoden durchgespielt, ohne dass Pepe jemals zum Zuge kommen würde. Als er beispielsweise in einer Bar endlich von einer attraktiven Frau angesprochen wird und mit ihr nach Hause darf, leitet diese ihn aufgrund seiner behaarten Brust als männliches Modell für ein Depilationsmittel an den Besitzer eines Kaufhauses weiter. Pepe wird anschließend in Unterhosen auf einer Drehscheibe in einem Schaufenster ausgestellt. Während Nacktheit in seinem Dorf ein unüberwindbares Schamgefühl ausgelöst hätte, ist es ihm hier gleichgültig, zumal er für zwei Stunden hundert Mark kassiert. Pepes Nacktheit ist daher doppeldeutig: Einerseits stellt seine Behaarung eine als ursprünglich konnotierte Männlichkeit dar, andererseits wird eben diese Männlichkeit ironisiert und zum Objekt des Blickes erniedrigt.

Aber die Degradierung des Körpers und der Verlust der Scham sind ein Preis, den Pepe in der anonymen Großstadt unbekümmert zahlt. Am Beispiel seiner Freundin Pilar wird dann jedoch gezeigt, worin das eigentlich Beunruhigende des Liberalismus liegt, nämlich darin, dass auch die spanische Frau Anspruch auf ihn hätte. Denn kaum hat Pilar ihren Pepe halbnackt im Schaufenster und in Begleitung einer anderen Spanierin ertappt, nimmt sie sich dieselben Freiheiten heraus und arbeitet mit Perücke und Dirndl in einem Lokal, wo sie die Männerblicke auf sich zieht.

Das geht Pepe entschieden zu weit, und nach einem vorübergehenden Hin und Her werden beide heiraten und Pilar ein Kind bekommen. Pepes Lust ist somit wieder auf den aus national-katholischer Sicht rechten Weg zurückgeführt worden: Sexualität bleibt an Ehe und Reproduktion gebunden, und alles, was darüber hinausgeht, erweist sich als leere Versprechung im Dienste kommerzieller Interessen.

Aragonesisches Dorf gegen bayerische Landeshauptstadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Film vermeidet es, deutschen Reichtum mit spanischer Armut zu konfrontieren und bemüht sich systematisch um eine Relativierung des höheren Wohlstands in Deutschland. Das Wirtschaftswunder wird vereinfachend damit erklärt, dass die Deutschen sehr viel gearbeitet hätten und nun andere für sich arbeiten lassen könnten. Der Fleiß wird so zum entscheidenden Faktor des Wohlstands stilisiert, was für die spanischen Verhältnisse schlichtweg bedeutet, dass die Spanier wohl zu faul gewesen sein müssen. Die eigene Rückständigkeit wird damit nicht auf die franquistische Wirtschaftspolitik zurückgeführt, sondern einfach den Bürgern angelastet.

Da die Spanier im Ausland separiert bleiben, umgeht der Film eine wirkliche Inszenierung des Kulturkontakts, stattdessen bindet er den Ländervergleich an die Kontrastierung eines aragonesischen Dorfes mit einer deutschen Großstadt und bettet ihn somit in die viel ältere Debatte um die moralische Bewertung von Stadt- und Landleben ein. Es geht daher nicht allein um die Deutschen, sondern ebenso um die tendenziell landesunspezifischen vermeintlichen Pervertierungen des Großstadtlebens.

Don Emilio – der unbelehrbare Republikaner[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zu den Gastarbeitern ländlicher Herkunft stellt der Mediziner Don Emilio (Antonio Ferrandis) einen gebildeten Spanier aus Oviedo dar, der implizit auf die Auswanderung großer Teile der republikanischen Intelligenzija im Zuge des Bürgerkriegs verweist. Überraschend offen lässt Regisseur Lazaga ihn sagen, dass er die Heimat verlassen habe, weil er dort mit nichts „conforme“ [„einverstanden“] gewesen sei. Er meint zwar, man könne in Deutschland viel besser leben als in Spanien, verzehrt sich aber vor Heimweh und hält dies für eine typisch spanische Eigenschaft: „Somos el único pueblo que se muere por allí de morriña, una enfermedad que hemos inventado nosotros.“ (00:59:06) [„Wir sind das einzige Volk, dass in der Ferne vor Heimweh vergeht - eine Krankheit, die wir selbst erfunden haben.“]

Seitdem seine Frau gestorben ist, hat Don Emilio niemanden mehr auf der Welt. Als Pepe ihn fragt, warum er nicht zurückkehre, gibt Emilio zu, dass er gar nicht mehr wüsste wohin, da selbst seine Feinde gestorben seien. Der Republikaner wird damit als rückständiger und unbelehrbarer politischer Starrkopf dargestellt, der nicht begriffen hat, dass sich die Zeiten geändert haben.

Spanien wird als ein Land hingestellt, in dem der Bürgerkrieg längst vergessen und überwunden ist, so dass Exilspanier als anachronistische Gruppierung erscheinen, die keinen Grund mehr hat, Groll zu hegen. Der Versuch Lazagas, den Bürgerkrieg zu historisieren und damit ins Vergessen zu verdrängen, nimmt jene Haltung vorweg, die in der Transición zum so genannten „pacto del olvido“ geführt hat, in dem sich die opponierenden Parteien einig waren, die Vergangenheit ruhen zu lassen, um die demokratische Gegenwart gestalten zu können.

Über aller politischen Zwietracht steht hier eine mythische Verbundenheit der Spanier mit ihrer Heimaterde („tierra“) und ihre daraus resultierende Unfähigkeit, sich bei Menschen anderer Nationen wohlzufühlen – ein Ideologem, das über die ganze Diktatur hinweg immer wieder bemüht wurde.

Fazit: Arbeitsmigration als (scheiternde) Kavalierstour des kleinen Mannes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem der Arbeitsaufenthalt Pepes in Deutschland vorübergehend die alte Ordnung infrage gestellt hat, kann sie nun wiederhergestellt werden. Finanziell – so suggeriert der Film an mehreren Stellen – ist nicht viel dabei herumgekommen, da die Lebenshaltungskosten in Deutschland viel höher seien und die Gastarbeiter auf ihren Heimatbesuchen alles Geld wieder verprassen. Auch die Arbeitssituation selbst hat wenig Verbesserung gebracht: Genauso wie im Dorf musste Pepe in München drei Tätigkeiten nachgehen, um etwas sparen zu können.

Die Arbeitsmigration wird insgesamt als (scheiternde) Kavalierstour des armen Dörflers hingestellt, der mit seiner Rückkehr die traditionelle Ordnung nachhaltig bestätigt, gerade weil er die Welt draußen gesehen hat.

Das Potenzial der Migrationsthematik, transkulturelle Perspektiven zu eröffnen und neue Formen hybrider Identitäten zu inszenieren, wird erwartungsgemäß nicht genutzt. Konstruiert wird hingegen eine stabile spanische Identität, die sich lediglich in regionale Subvarianten untergliedert (hier Aragón). Obwohl diese Zeiten lange vorbei sind, hat ¡Vente a Alemania, Pepe! bei Teilen des spanischen Publikums bis heute einen Kultstatus. Als 2011 mehrfach berichtet wurde, Deutschland brauche erneut spanische Arbeitskräfte, gewann der Film plötzlich wieder an Aktualität und wurde in zahlreichen Feuilletons erwähnt. Allerdings waren die „Pepes“ der 2010er-Jahre gut ausgebildete Fachkräfte, deren Auswanderung im Unterschied zu den Hilfsarbeitern der Franco-Zeit einen brain drain darstellte.[6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ralf Junkerjürgen: „Pedro Lazaga: ¡Vente a Alemania, Pepe! (1971)“, in: ders. (Hrsg.): Spanische Filme des 20. Jahrhunderts in Einzeldarstellungen, Berlin: Erich Schmidt, 2012, S. 165–179. ISBN 978-3-503-12201-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Marcos Ordóñez: Alfredo el grande. Vida de un cómico. Aguilar, Madrid 2008, S. 183 f.
  2. Rafael Rodríguez Tranche; Vicente Sánchez-Biosca: „Imaginarios de la emigración española en los años sesenta: NO-DO, presencias y ausencias“, in: Julio Hernández Borge; Domingo L. González Lopo (Hrsg.): La emigración en el cine: diversos enfoques, Santiago de Compostela: Universidade de Santiago de Compostela, 2009, S. 61−73, hier 64 u. 68.
  3. Vgl. dazu Núria Triana-Toribio: Spanish National Cinema, London: Routledge, 2003, S. 100−107.
  4. Chema Castiello: Chema Castiello: Con maletas de cartón. La emigración española en el cine, Donostia/ San Sebastián: Tercera Prensa, 2010, S. 136.
  5. José Enrique Monterde: El sueño de Europa. Cine y migraciones desde el Sur, Filmoteca de Andalucía, 2008, S. 14; 29 ff.
  6. Vgl. dazu die ARD-Reportage „Spanien: Jobsucher im Deutschlandfieber“ (http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=7103018 vom 8.5.2011 sowie zahlreiche spanische Artikel, darunter L. Lucchini; C. Pérez-Lanzac: „Vente a Alemania, ingeniero Pepe“, in: El País, 30.01.2011 (http://www.elpais.com/articulo/sociedad/Vente/Alemania/ingeniero/Pepe/elpepisoc/20110130elpepisoc_1/Tes)</nowiki>