Benutzer:Rarus/Serapionsbrüder

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Links[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Serapionsbrüder

E.T.A. Hoffmann

Crespel: Palais Thurn und Taxis

Serapionsbrüder (Berlin)

Serapionsbrüder Begriffsklärung

Serapion (Mönch) siehe SERAPION der Mercedarier (Serapio Scotus, Serapion Scott), Ritter, Mönch, Märtyrer, Fest: 14.11., * 1175/1179, London, † 14.11. (?) 1240, Algier. im Biographisch-Bibl. Kirchenlex?

Serapion Begriffsklärung

Serapion von Antiochia

Serapion von Thmuis

Hitzig: [1] bei google-books [2] Nachlaß 1 [3] 2: [4] weitere Links zu goggle u.a. bei wikisource [5]

Elemente[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jeder der acht Abschnitte stellt einen Abend dar.

Vorbild war der Phantasus von Ludwig Tieck.

Zitate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

24S. Serapion (12. Sept. al. 14. Nov.), ein Martyrer zu Alexandria. S. S. Cronides2 (Heronides2). (I V. 13.)
[…]
26S. Serapion (14. Nov.), ein Martyrer, welcher um d. J. 249 unter Decius gelitten hat, ist vielleicht derselbe wie S. Serapion24. Er wurde zuerst schrecklich gefoltert und dann von seinem Hausdache herabgestürzt. Bildnisse zeigen seinen Martertod.[1]


Oder Cyprian müßte vielleicht irgendein phantastisches Gedicht oder wohl gar eine ganze überschwengliche Oper mitgebracht haben und ich sie zur Stelle komponieren und auf demselben lendenlahmen Pianoforte wie vor zwölf Jahren losdonnern, daß alles an dem armen lebenssatten Instrumente knackt und ächzt. w 10

Irr' ich nicht, so dichtetest du damals ein seltsames Buch, das, auf den tiefsten katholischen Mystizismus basiert, so viel Wahnsinniges und Teuflisches enthielt, daß es dich hätte bei sanften hochgescheiten Personen um allen Kredit bringen können. Gewiß spukte damals der höchste Serapionismus in dir.« »So ist es,« erwiderte Cyprian, »und ich möchte beinahe wünschen, jenes phantastische Buch, das indessen doch als Warnungszeichen den Teufel an der Stirn trägt, vor dem sich ein jeder hüten kann, nicht in die Welt geschickt zu haben. w 28 anm


– Aber schaue her, o mein Cyprianus, schaue nochmals in dies herrliche Werk voll unumstößlicher Wahrheit, in diesen sehr stattlichen Hauskalender. Bei dem vierzehnten November findest du zwar den schnöden Namen Levin verzeichnet, aber werfe deinen Blick in diese katholische Kolonne! – Da steht mit roten Buchstaben: Serapion, Märtyrer! – Also an dem Tage des Heiligen, für den er sich selbst hielt, starb dein Serapion! Heute ist Se rapionstag! – Auf! – ich leere dieses Glas zum Gedächtnis des Einsiedlers Serapion: tut, meine Freunde, desgleichen!«

»Aus ganzer Seele,« rief Cyprian, und die Gläser erklangen.

»Überhaupt,« fuhr nun Lothar fort, »bin ich jetzt, nachdem ich mich recht besonnen, oder vielmehr, nachdem mich Theodor mit dem häßlichen, widrigen Krespel recht in Harnisch gebracht hat, mit Cyprians Serapion ganz ausgesöhnt. Noch mehr als das: ich verehre Serapions Wahnsinn deshalb, weil nur der Geist des vortrefflichsten oder vielmehr des wahren Dichters von ihm ergriffen werden kann. Ich will mich nicht darauf als auf etwas Altes, zum Überdruß Wiederholtes beziehen, daß sonst den Dichter und den Seher dasselbe Wort bezeichnete, aber gewiß ist es, daß man oft an der wirklichen Existenz der Dichter ebensosehr zweifeln möchte als an der Existenz verzückter Seher, welche die Wunder eines höheren Reichs verkünden! – Woher kommt es denn, daß so manches Dichterwerk, das keinesweges schlecht zu nennen, wenn von Form und Ausarbeitung die Rede, doch so ganz wirkungslos bleibt wie ein verbleichtes Bild, daß wir nicht davon [69] hingerissen werden, daß die Pracht der Worte nur dazu dient, den inneren Frost, der uns durchgleitet, zu vermehren. Woher kommt es anders, als daß der Dichter nicht das wirklich schaute, wovon er spricht, daß die Tat, die Begebenheit, vor seinen geistigen Augen sich darstellend mit aller Lust, mit allem Entsetzen, mit allem Jubel, mit allen Schauern, ihn nicht begeisterte, entzündete, so daß nur die inneren Flammen ausströmen durften in feurigen Worten: Vergebens ist das Mühen des Dichters, uns dahin zu bringen, daß wir daran glauben sollen, woran er selbst nicht glaubt, nicht glauben kann, weil er es nicht erschaute. Was können die Gestalten eines solchen Dichters, der jenem alten Wort zufolge nicht auch wahrhafter Seher ist, anderes sein als trügerische Puppen, mühsam zusammengeleimt aus fremdartigen Stoffen! –

Dein Einsiedler, mein Cyprianus, war ein wahrhafter Dichter, er hatte das wirklich geschaut, was er verkündete, und deshalb ergriff seine Rede Herz und Gemüt. – Armer Serapion, worin bestand dein Wahnsinn anders, als daß irgendein feindlicher Stern dir die Erkenntnis der Duplizität geraubt hatte, von der eigentlich allein unser irdisches Sein bedingt ist. Es gibt eine innere Welt und die geistige Kraft, sie in voller Klarheit, in dem vollendetsten Glanze des regesten Lebens zu schauen, aber es ist unser irdisches Erbteil, daß eben die Außenwelt, in der wir eingeschachtet, als der Hebel wirkt, der jene Kraft in Bewegung setzt. Die innern Erscheinungen gehen auf in dem Kreise, den die äußeren um uns bilden, und den der Geist nur zu überfliegen vermag in dunklen geheimnisvollen Ahnungen, die sich nie zum deutlichen Bilde gestalten. Aber du, o mein Einsiedler, statuiertest keine Außenwelt, du sahst den versteckten Hebel nicht, die auf dein Inneres einwirkende Kraft; und wenn du mit grauenhaftem Scharfsinn behauptetest, daß es nur der Geist sei, der sehe, höre, fühle, der Tat und Begebenheit fasse, und daß also auch sich wirklich das begeben, was er dafür anerkenne, [70] so vergaßest du, daß die Außenwelt den in den Körper gebannten Geist zu jenen Funktionen der Wahrnehmung zwingt nach Willkür. Dein Leben, lieber Anachoret, war ein steter Traum, aus dem du in dem Jenseits gewiß nicht schmerzlich erwachtest. – Auch dieses Glas sei noch deinem Gedächtnis dargebracht.«

»Findet ihr nicht,« sprach nun Ottmar, »daß Lothar seine Miene ganz verändert hat? Dank sei es deinem wohlbereiteten Getränk, Theodor, das alles sauertöpfische Wesen gänzlich niedergekämpft hat.«

»Schreibt nur nicht,« nahm Lothar wieder das Wort, »mein erheitertes Wesen lediglich dem begeisternden Inhalt jener Vase zu, ihr wißt ja, daß die bessere Stimmung mir kommen muß, ehe ich ein Glas anrühre. Aber in der Tat, erst jetzt fühle ich mich wieder wohl und heimisch unter euch. Die seltsame Spannung, in der ich mich, zugestanden sei es, erst befand, ist vorüber, und da ich unserm Cyprian den wahnsinnigen Serapion verziehen nicht allein, sondern diesen auch in der Tat liebgewonnen habe, so mag auch dem Freunde Theodor sein fataler Krespel hingehen. Aber nun habe ich noch mancherlei zu reden mit euch! – Mich bedünkt, es sei nun ausgemacht, daß, wie schon vorhin Theodor erwähnte, wir alle voneinander glauben, es sei etwas an uns daran, und jeder es wert hält, mit dem andern die alte Verbindung zu erneuern. Aber das Gewühl der großen Stadt, die Entfernung unserer Wohnungen, unser verschiedenartiges Geschäft wird uns auseinandertreiben. Bestimmen wir daher heute Tag, Stunde und Ort, wo wir uns wöchentlich zusammenfinden wollen. Noch mehr! – Es kann nicht fehlen, daß wir, einer dem andern, nach alter Weise manches poetische Produktlein, das wir unter dem Herzen getragen, mitteilen werden. Laßt uns nun dabei des Einsiedlers Serapion eingedenk sein! – Jeder prüfe wohl, ob er auch wirklich das geschaut, was er zu verkünden unternommen, ehe er es wagt, laut damit zu werden. Wenigstens [71] strebe jeder recht ernstlich darnach, das Bild, das ihm im Innern aufgegangen, recht zu erfassen mit allen seinen Gestalten, Farben, Lichtern und Schatten und dann, wenn er sich recht entzündet davon fühlt, die Darstellung ins äußere Leben zu tragen. So muß unser Verein, auf tüchtige Grundpfeiler gestützt, dauern und für jeden von uns allen sich gar erquicklich gestalten. Der Einsiedler Serapion sei unser Schutzpatron, er lasse seine Sehergabe über uns walten, seiner Regel wollen wir folgen als getreue Serapionsbrüder!« –

»Ist denn,« sprach Cyprian, »ist denn unser Lothar nicht der verwunderlichste von allen verwunderlichen Menschen? – Erst ist er es allein, der gegen Ottmars ganz vernünftigen Vorschlag, uns wöchentlich an einem bestimmten Tage zusammenzufinden, wütet und tobt, der ohne Ursache in das Kapitel von Klubs und Ressourcen gerät, sich über Gebühr ereifernd, und nun ist er es wieder, der die verworfenen Zusammenkünfte nicht allein nötig und ersprießlich findet, sondern auch schon an die Tendenz unsers Vereins denkt und an seine Regel!«

»Mag es sein,« erwiderte Lothar, »daß ich mich erst gegen alles Förmliche oder nur Bestimmte unserer Zusammenkünfte auflehnte, es geschah in mißmütiger Stimmung, die vorübergegangen. – Sollte denn bei uns poetischen Gemütern und gemütlichen Poeten jemals eine Art Philistrismus einbrechen können? – Einen gewissen Hang dazu tragen wir wohl in uns, streben wir nur wenigstens nach der sublimsten Sorte; ein kleiner Beigeschmack davon ist zuweilen nicht ganz übel! – Schweigen wir aber über alles Verfängliche unseres Vereins, das der Teufel schon von selbst hineintragen wird bei guter Gelegenheit, und sprechen wir von dem Serapiontischen Prinzip! Was haltet ihr davon?« –

Theodor, Ottmar und Cyprian waren darin einig, daß ohne alle weitere Abrede sich die literarische Tendenz von selbst bei ihren Zusammenkünften eingefunden haben [72] würde, und gaben sich das Wort, der Regel des Einsiedlers Serapion, wie sie Lothar sehr richtig angegeben, nachzuleben, wie es nur in ihren Kräften stehe, welches dann, wie Theodor sehr richtig bemerkte, eben nichts weiter heißen wollte, als daß sie übereingekommen, sich durchaus niemals mit schlechtem Machwerk zu quälen. w 53 ff


  1. Heiligenlexikon 1859