Benutzer:Toblu/Examenswissen/Rechtsscheinshaftung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein Rechtsschein wird gesetzt, wenn jemand einen objektiv vertrauensbegründenden Sachverhalt zurechenbar veranlasst. Wer gutgläubig im Vertrauen auf diesen Schein kausale Dispositionen trifft, kann verlangen, so behandelt zu werden, als sei der Schein wahr.

Die Anforderungen an den Rechtsschein ergeben sich für manche Fallgestaltungen aus dem Gesetz.

Beispiel 1: B schließt im Namen des A einen Vertrag mit C. Er legt dabei eine Vollmachtsurkunde von A vor. Ohne die Urkunde zurückzufordern, hatte A die Vollmacht zuvor widerrufen. Gemäß § 172 II kann C A trotzdem in Anspruch nehmen.

Wenn keine Regelung für den Rechtsschein existiert, finden die oben genannten Grundsätze direkte Anwendung.

Beispiel 2: Nichtkaufmann A gibt sich als Kaufmann aus. Er ist nicht im Handelsregister eingetragen. Normalerweise sind die handelsrechtlichen Vorschriften nicht anwendbar. Trotzdem muss sich A wegen Rechtsscheins so behandeln lassen, als sei er Kaufmann.

Beispiel 3: B schließt dreimal hintereinander Verträge im Namen des A mit C ab. B hat zwar keine Vertretungsmacht, A genehmigt ihm die Vertragsschlüsse aber nachträglich. Dann schließt B einen weiteren Vertrag mit C, mit dem A nicht einverstanden ist. A ist mangels Vertretungsmacht des B nicht wirksam vertreten. Nach Rechtsscheingrundsätzen muss A den Vertrag gegen sich gelten lassen.

Beispiel 4: A weiß nicht, dass B als Vertreter für ihn auftritt. Er bezahlt aber zehn mal Rechnungen für die Verbindlichkeiten, die von B bei C begründet wurden. Bei ordnungsgemäßer Sorgfalt hätte A erkennen müssen, dass B für ihn handelt. Also muss er auch beim elften Mal Cs Rechnung bezahlen.

Begründet wird dies damit, dass die Schutzwürdigkeit des Vertrauenden im Rechtsverkehr überwiegt, wenn oben genannte Voraussetzungen vorliegen. Bei anderen Rechtsgrundsätzen kann eine modifizierte Anwendung oder ein Ausschluss der Haftung notwendig sein.

Herausgearbeitet und systematisiert wurde die Rechtsscheinhaftung im Wesentlichen von Claus-Wilhelm Canaris in seiner Habilitationsschrift „Die Rechtsscheinhaftung im deutschen Privatrecht“.

Als Scheintatbestände diskutiert die Rechtslehre vor allem Duldungs- und Anscheinsvollmacht[1], Scheinkaufmann, Scheingesellschaft und sowie handelsrechtliche Problematiken zu § 15 HGB. Besonders umstritten sind das Zurechnungserfordernis sowie das Bestehen und die Folgen eines Wahlrechtes.

Mit zunehmender Häufigkeit hat sich die Rechtspraxis mit den Anforderungen für Rechtsscheinhaftung im Internet zu befassen.[2]

Die einzelnen Voraussetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rechtsscheintatbestand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Rechtsscheintatbestand liegt vor[3], wenn ein Sachverhalt ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage hervorruft, die nicht gegeben ist.

Der Schein muss sich auf eine Rechts-, nicht auf eine Tatsachenlage beziehen. Außerdem muss er auf ein nach außen getretenes Verhalten desjenigen zurückgehen, der den Schein gesetzt haben soll. Das gilt unabhängig von der Zurechnung, die gegeben sein kann ohne nach außen in Erscheinung getreten zu sein.
Canaris schlägt eine differenzierte Behandlung zwischen „künstlichen“, dass heißt vom Gesetz geschaffen und geregelten, und anderen, „natürlichen äußeren Tatbeständen“ vor. Die Auslegung erfolgt für letztere nach dem für Willenserklärungen entwickelten Modell des objektiven Empfängerhorizontes. Schlüssiges Verhalten und Schweigen sind ausreichende Mittel, um einen Rechtsschein zu begründen.

Vor allem bei der Duldungsvollmacht ist umstritten, ob sie einen Rechtsscheintatbestand oder immer eine Vollmachterteilung durch schlüssiges Verhalten darstellt.[4]

Streitig ist auch, ob rechtlich unmögliche Tatsachen einen tauglichen Schein darstellen können.[5] In Betracht kommen hier vor allem Freiberufler, die keine Kaufleute sein können, aber als solche auftreten.

Die Frage nach der Schlüssigkeit eines bestehenden Rechtsscheines ist aber gleichbedeutend mit derjenigen, ob einfach fahrlässig vertraut wurde. Für die Existenz eines Rechtsscheines darf es nicht darauf ankommen, ob der Vertrauende rechtskundig ist. Überzeugender ist es daher, die Schlüssigkeit auf der Ebene der Zurechnung als einfach fahrlässiges Vertrauen zu problematisieren.
Umstritten ist auch, wie ein Rechtsscheintatbestand beseitigt werden kann.[6] Bei natürlichen Rechtsscheinträgern könnte man von einer Widerruflichkeit ausgehen. Wenn eine gesetzliche Regelung fehlt, kann zumindest das gesetzte Vertrauen beseitigt werden. Beruht der Schein auf einer Registereintragung, ist er durch Änderung des Registers aufzuheben.

Anforderungen an denjenigen, der sich auf den Rechtsschein beruft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gutgläubigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Rechtsschein kommt nur dem zu Gute, der vertraut hat. Das setzt bei juristischer Herangehensweise zunächst seine Gutgläubigkeit[7] voraus. Sie wird bei natürlichen Rechtsscheinträgern analog zu anderen Gutsglaubensvorschriften vermutet. Unzweifelhaft fehlt der gute Glaube aber bei Kenntnis der wahren Rechtslage. Man kann formulieren, dass das Missachten einer „evidenten Rechtslage“ zur Bösgläubigkeit führe. Wer grob fahrlässig vertraut, hat sich die Risikoverwirklichung selbst zuzuschreiben und ist ebenso wenig schutzwürdig. Probleme ergeben sich allerdings im Bezug auf einfach fahrlässiges Vertrauen. Gegen die Anwendung der Rechtsscheinhaftung spricht, dass der Gutglaubensschutz sonst leicht überspannt wird. Sinn und Zweck ist der Verkehrsschutz.[8] Es stellt sich schon im Tatbestand die Frage, ob Rechtsschein schlüssig sein muss. Genauso gut kann man an dieser Stelle prüfen, ob einfache Fahrlässigkeit vorliegt (siehe bei I.).

Bei „künstlichen äußeren Tatbeständen“ können andere Maßstäbe gelten:

Beispiel 5: Bei Vertrauen auf ein Register gemäß §§ 68 S. 1 BGB, 1412 I HS 1 BGB, 15 I HGB nur positive Kenntnis, es kommt nicht darauf an, dass Einblick in das Register genommen wurde.

Die Gutgläubigkeit kann ohne jeglichen Bezug zum gesetzten Rechtsschein stehen.

Kenntnis des Scheintatbestandes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für Vertrauen auf den Rechtsschein ist weiterhin die grundlegende Kenntnis[9] der ihn begründenden Tatsachen erforderlich. Angesichts der offensichtlichen Nachweisschwierigkeiten wird die Beweislast umgekehrt.

Beispiel 6: Wenn C nicht wusste, dass A sich anderen gegenüber als Kaufmann ausgibt, kann kein diesbezüglicher Rechtsschein vorliegen.

Disposition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Vertrauende muss grundsätzlich auch Dispositionen getroffen haben.[10] Er muss in sein Vertrauen investiert haben. Seine innere Einstellung muss durch irgendein Handeln oder Unterlassen im Rechtsverkehr „in die Tat umgesetzt“ sein. Es genügt dafür der Abschluss des Rechtsgeschäftes, auf das die Prinzipien der Rechtsscheinhaftung erst angewandt werden.

Beispiel 7: A tritt C gegenüber als Scheinkaufmann auf. C schließt daraufhin mit A einen Vertrag. Dieser stellt eine Vertrauensdisposition dar.

Gegenbeispiel: C und A schließen ein Vertrag. Danach behauptet A fälschlicherweise, Kaufmann zu sein.

Fraglich ist, ob die Disposition entbehrlich sein kann.

Beispiel 8: B handelt ohne Vertretungsmacht mit einer gewissen Regelmäßigkeit für A. A weiß das, aber unternimmt nichts dagegen. Dann schließt der gutgläubige C mit B für A einen Mietvertrag über dessen Villa. Einzugszeitpunkt soll der 1.1.2020 sein. C tut erst einmal nichts. Es erscheint unbillig, C den Rückgriff auf die Duldungsvollmacht zu verwehren, weil ein Tätigwerden auch (noch) nicht erwartet werden kann.

Wenn eine Disposition nicht zu erwarten ist, kann die Disposition in solchen Einzelfällen entbehrlich sein.

Kausalität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wer auch seine Disposition auch getroffen hätte, ohne zu vertrauen, benötigt den Schutz der Rechtsscheinhaftung nicht. Deswegen ist ein Kausalitätserfordernis[11] notwendig. Nach der conditio–sine–qua–non–Formel darf es nicht möglich sein, das Vertrauen hinwegzudenken, ohne dass die Disposition entfällt. Zwischen Rechtsscheintatbestand und Vertrauen ist ebenfalls eine Kausalbeziehung erforderlich.[12]

Schutzwürdigkeit des Erwerbsvorgangs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weiterhin muss der Rechtserwerb mit den Zweck der Rechtsscheinhaftung im Einklang stehen.[13]

Zweifelhaft ist das beispielsweise im „Unrechtsverkehr“, wenn gar keine Rechtsbeziehung besteht oder beim unentgeltlichen Rechtserwerb.

Zurechenbarkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Haftung setzt voraus, dass der Rechtsscheintatbestand auch zurechenbar ist. An dieser Stelle gewinnt die Unterscheidung zwischen „natürlichen“ und „künstlichen“ äußeren Tatbeständen an Bedeutung.
Bei den Rechtsscheintatbeständen, die im Gesetz eine Regelung finden, beinhaltet diese für gewöhnlich auch die Zurechnung. In Ausnahmefällen ist keine Zurechnung erforderlich, z. B. bei § 935 Abs. 3 BGB. Nach Wortlaut und Gesetzesbegründung von § 15 Abs. 3 HGB besteht keine Notwendigkeit für ein Zurechnungskriterium, aus systematischen Gründen wird es jedoch teilweise verlangt.[14]
Einigkeit besteht darüber, dass generell ein Zurechnungserfordernis notwendig ist. Um es genauer bestimmen, werden Verschuldens-, Veranlasser- und Risikoprinzip vorgeschlagen.

Verschulden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Verschulden ist zunächst unsicher, ob nur schuldhaftes, grob-[15] oder sogar einfach fahrlässiges Verhalten eine Rechtsscheinhaftung auslösen kann. Dass jemand für einen wissentlich gesetzten Rechtsschein haften soll, ist kaum zu bestreiten. Wer sich nicht darüber bewusst ist, dass er eine Vertrauensgrundlage schafft, muss sich den Rechtsschein zurechnen lassen, wenn seine Unkenntnis darauf beruht, dass er die verkehrsmäßig typisierte Bedeutung seines Verhaltens verkennt.

Beispiel 9: A gibt sich als Kaufmann aus, obwohl sein Kleingewerbe nicht im Handelsregister eingetragen ist. Er erteilt gegenüber dem gutgläubigen B mündlich eine Bürgschaft. A denkt, dass diese nicht wirksam ist. Hier hat A die spezifischen Risiken des Handelsverkehrs unterschätzt. Die Zurechenbarkeit besteht (nach dem Verschuldens-Kriterium).

Bei diesem Kriterium erscheint zweifelhaft, dass es bei keiner gesetzlich geregelten Form des Rechtsscheins eine Rolle spielt. Es sind ohne weiteres Fälle denkbar, in denen ein Rechtsschein schon nach dem Gesetz angenommen werden muss, ein Verschulden aber fehlt. Das zeigt folgendes Beispiel[16]:

Beispiel 10: A gibt B vor einer Weltreise eine Vollmachtsurkunde. Sie vereinbaren, dass nur nach weiterer Absprache Gebrauch davon gemacht werden darf. A hat einen vernünftigen Grund. Wenn die Vollmacht absprachewidrig verwendet wird, ist ihm weder Fahrlässigkeit noch Vorsatz zur Last zu legen. Ein Verschulden scheidet aus. Trotzdem ist es einleuchtend, dass kraft Rechtsscheinhaftung für den Missbrauch gegenüber Dritten einzustehen hat.

Das Verschulden ist daher als alleiniger Anknüpfungspunkt für den Rechtsschein unzureichend.

Veranlassung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen das Veranlasserprinzip[17] wird eingewandt, dass es in Wahrheit nur Kausalität fordert. Das sei ungerecht. Außerdem versage das Prinzip der Veranlassung in Fällen des Unterlassens. Wurde der Rechtsschein durch Unterlassen gesetzt, wird von den Befürwortern danach gefragt, ob den Unterlassenden ein Verschulden trifft.

Risikosphäre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zum Verschulden übernimmt das Risiko[18] bereits derjenige, der zwar sorgfältig handelt, aber hinter einer idealen Maßstabsperson zurückbleibt. Entscheidend ist, in wessen Sphäre der Rechtsschein eher einzuordnen ist. Ein anderes Ergebnis als beim Verschulden ergibt sich nur selten.

Beispiel 11: Bei der Vollmachtserteilung im Falle der Reise ist aber eindeutig, dass das Risiko in die Sphäre des Vollmachtgebers und nicht des vertrauenden Dritten fällt.

Ergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entscheidend ist, dass Rechtsscheintatbestand und Zurechnung in einem Abhängigkeitsverhältnis gesehen werden müssen. Der Zusammenhang zwischen beiden Merkmalen soll die Gefahr eines Rechtsscheins und Sorgfaltspflichten angemessen verteilen. Ist der Schein stark, kann das Zurechnungserfordernis schwach sein und umgekehrt.Je nach Art des natürlichen Rechtsscheintatbestandes muss mit naheliegenden künstlichen Tatbeständen das Verschuldenserfordernis differenziert verglichen werden. Am besten dazu geeignet ist also das Risikoprinzip. Das Verhalten Dritter kann nach den Regeln über die Stellvertretung zugerechnet werden. Manche präzisieren die Erfordernisse dahingehend, dass wenigstens willentliches Handeln und Geschäftsfähigkeit erforderlich sei.[19]

Rechtsfolge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundsatz: Gleichstellung mit der Wirklichkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wer einen Rechtsschein gesetzt hat, muss sich grundsätzlich so behandeln lassen, als läge die scheinbare Rechtslage wirklich vor.[20] Anders ausgedrückt wird die Rechtswirklichkeit des Rechtsscheines fingiert. So kann es dazu kommen, dass jemand Pflichten aus einem Vertrag auferlegt bekommt, der eigentlich nur scheinbar geschlossen wurde.
Daran wird kritisiert, das sei zu weitgehend und systemwidrig: Selbst schuldhaftes Handeln führe allenfalls zu Schadensersatzansprüchen.[21] Außerdem würden die Grundsätze der culpa in contrahendo durchbrochen.
Auf der anderen Seite lässt sich anführen, dass ansonsten im System des BGB eine Schutzlücke bestünde. Wertungswidersprüche lassen sich vermeiden, indem man die Haftung für Rechtsschein als aliud zur Rechtsgeschäftslehre einordnet. Die Notwendigkeit der Rechtsscheinhaftung ist trotz aller Kritik heute im allgemeinen anerkannt. Eine Ausnahme gilt lediglich in Fällen, in denen der Rechtsschein zu Lasten Dritter wirkt.

Wahlrecht des Vertrauenden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Möglicherweise kann der Vertrauende auf seinen Schutz, beispielsweise weil er ein besonders gutes Geschäft geschlossen hat, verzichten.[22]
Für ein solches „Wahlrecht“[23] spricht, dass die Prozessrisiken (ob ein Rechtsschein gegeben ist, ist oftmals streitig) ansonsten allein vom Vertrauenden getragen werden müssten. Außerdem gilt die Lehre vom Rechtsschein zum Schutz des Vertrauenden. Gegen ein „Wahlrecht“[24] lässt sich anführen, dass es in der Praxis im Prozess nicht um die „Auswahl des Sachverhaltes“, sondern um das Geltendmachen einer Rechtsfolge geht. Die Konstruktion eines Wahlrechtes sei damit „ein Produkt der akademischen Diskussion“.
Jedenfalls steht im Ergebnis dem Vertrauenden die Möglichkeit zu, auf den Schutz der Rechtsscheinhaftung zu verzichten.

Besserstellung im Vergleich zum Schein?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Sinn und Zweck der Rechtsscheinlehre gilt sie im Normalfall nur zu Gunsten des Vertrauenden. Schwierigkeiten kommen auf, wenn durch den Rechtsschein sowohl positive als auch negative Folgen für den Vertrauenden entstehen.

Beispiel 12[25]: Im Handelsregister sind A und B als gesamtvertretungsberechtigte Gesellschafter einer KG eingetragen. A schließt für die KG mit C einen Vertrag, nachdem B ausgeschieden ist. Kann C Zahlung von B verlangen? Dazu müsste er sich auf § 15 I, 126 II, 125 HGB darauf berufen, dass B Gesellschafter ist und daher haftet. Gleichzeitig müsste er behaupten, dass B nicht mehr Gesellschafter ist, sodass A die KG alleine verpflichten konnte.

Man könnte ihm dann entweder die Möglichkeit geben, sich zu seinen Gunsten einmal auf den Rechtsschein und einmal auf die wahre Lage zu berufen[26] („Rosinentheorie“, auch: Theorie der Meistbegünstigung[27])oder ihn vor die Wahl stellen. Aus der Zweckrichtung ergibt sich, dass es abgesehen von der rein faktischen Schuldnerverdoppelung durch die Anwendung der Rechtsscheingrundsätze nicht zu einer Besserstellung im Vergleich zur scheinbaren Lage kommen darf.[28] So kann im Einzelfall zwar auch derjenige profitieren, der den Rechtsschein gesetzt hat. Wer sich aber nur insoweit auf den Rechtsschein beruft, wie dieser günstig ist, verstößt gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (§ 242). Deswegen muss der Vertrauende sich entscheiden.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Canaris, Claus-Wilhelm; Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, München 1971, insbesondere S. 471-520.
  • ders., Handelsrecht, 6. Aufl., München 2006, S. 91-94.
  • Florian, Ulrich in: Zivilrechtliche Entdecker, hrsgg. von Hoeren, Thomas, München 2001, S. 377-408.
  • Bork, Reinhard; Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 3. Aufl., Tübingen 2011, S. 598-603.
  • Kneisel, Katharina; Mehr Schein als Sein? In: Juristische Schulung 2010, S. 337-342.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. BGHZ 45, 193-196.
  2. BGH NJW 2011, 2421; Georg Borges, Rechtsscheinhaftung im Internet, in: NJW 2011, 2400-2404.
  3. Ausführlich zum Vertrauenstatbestand: Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 492-503, s. auch ders., Handelsrecht § 6 Rn. 68.
  4. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Teilband. II, 836; Medicus Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Rn. 971.
  5. Steinbeck, Handelsrecht, 2. Auflage, München 2012, § 7 Rn. 37 zur Lehre vom Scheinkaufmann.
  6. Dazu ausführlich Kindl, Rechtsscheintatbestände und ihre rückwirkende Beseitigung, Berlin, Heidelberg 1999; Canaris, Die Vertrauenshaftung im Deutschen Privatrecht, München 1971, Nachdruck München 1981, 498-500.
  7. Canaris, Vertrauenshaftung, 498-507; ders., Handelsrecht, § 6 Rn. 71.
  8. Canaris, Vertrauenshaftung, 505.
  9. Canaris, Handelsrecht § 6 Rn. 75f.
  10. Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 3. Auflage, Tübingen 2011, Rn. 1545.
  11. Bork, BGB AT, Rn. 1545.
  12. Bork, BGB AT, Rn. 1544.
  13. Canaris, Handelsrecht, § 6 Rn. 74.
  14. Zum Streitstand s. K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, Köln 1999, S. 408 ff.; Steinbeck, Handelsrecht § 9 Rn. 34.
  15. Für die Anscheinsvollmacht Medicus BGB AT Rn. 971.
  16. Nach Seeler , Vollmacht und Scheinvollmacht, in: Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 28, S. 2; s. zur Zurechnung Canaris, Vertrauenshaftung, 478.
  17. Zur Kritik s. Canaris, Vertrauenshaftung, 474 f.
  18. Canaris, Vertrauenshaftung, 478.
  19. Bork BGB AT Rn. 1541 f., zur Duldungsvollmacht § 1554–1556; zur Anscheinsvollmacht Rn. 1564.
  20. Bork BGB AT Rn. 1546 f.
  21. Flume, BGB AT, Tb. II, 836.
  22. Ausführlich dazu Altmeppen, Disponibilität des Rechtsscheins, 1994, Köln und K. Schmidt, Handelsrecht, 397 - 403.
  23. Canaris, Handelsrecht, § 6 Rn. 81.
  24. K. Schmidt, Handelsrecht, 399.
  25. Kneisel, Juristische Ausbildung 2010, 340.
  26. BGHZ 65, 309.
  27. K. Schmidt, Handelsrecht, 400.
  28. Canaris, Vertrauenshaftung, 520.