Benutzer:Ulamm/Auszug

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Tuffstein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Romanische Tuffsteinkirche in Arle (Anfang 13. Jh., Sockelbereich später erneuert)

Beginnend in der Mitte des 12. Jahrhunderts wurden die Holzkirchen durch Steinkirchen ersetzt. Während im östlichen Ostfriesland, das zur Diözese Bremen gehörte, in romanischer Zeit Granitquaderkirchen vorherrschend waren, baute man im Westen, das Teil des Bistums Münster war, die ersten Steinkirchen aus Tuffstein. Das dafür verwendete Tuffgestein, Laacher-See-Pyroklastika der Nette-Trass-Schichten,[1] wurde bereits am Abbauort in der Eifel zugeschnitten und anschließend auf Lastkähnen rheinabwärts und entlang der niederländischen Küste nach Ostfriesland und teilweise bis nach Dänemark verschifft.[2] Küstennah gelegene Gebiete wie die Krummhörn eigneten sich besonders zum Import des mittelrheinischen Tuffs, da weitere Überlandtransporte entfielen. Auch die im 12. Jahrhundert leichte Zugänglichkeit für Transportkähne in der damals noch offenen Harlebucht erklärt die Häufung von Tuffsteinkirchen.[1]

Der leichten Bearbeitbarkeit des porösen Tuffgesteins stand seine im rauen Nordseeklima nur schlechte Haltbarkeit gegenüber. Infolgedessen wurden Tuffsteinkirchen, wie die vormalige Larrelter, die Groothuser und die Rysumer Kirche, später eingreifend umgebaut oder durch Backsteinbauten ersetzt. Weitere Kirchen mit Tuffstein befinden sich in Arle, Nesse und Stedesdorf sowie östlich des Jadebusens in Butjadingen (Langwarden und Blexen) und in Wremen im Land Wursten.[3]

Granit und Feldstein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Romanische Granitquaderkirche mit Apsis in Marx (Ende 12. Jh.)

Im äußersten Osten Ostfrieslands und vor allem im benachbarten Jeverland griffen die Baumeister ab dem 12. und 13. Jahrhundert auf vor Ort befindliche bunte granitene Feldsteine und Findlinge als Baumaterial zurück.[1] Diese waren im Zuge der Eiszeit als Leitgeschiebe aus Skandinavien mitgeführt worden und standen vereinzelt in der Geest zur Verfügung.[4] Die Steine wurden zunächst mit schweren Werkzeugen gespalten und anschließend mit der nach außen weisenden, flachen Spaltfläche verbaut. Nur die Schauseite wies eine rechteckige Form auf, während die weitgehend unbearbeitete runde Seite zwischen Außen- und Innenmauer in einer Gussmasse aus Muschelkalkmörtel verblieb. Dieser Mörtel bestand größtenteils aus zuvor gelöschtem Kalk, gebranntem Muschelschill, der zusätzlich mit Abschlägen aus der Granitbearbeitung und Feldsteinen versehen wurde.[1] Durch die schlechte Haftung des Mörtels auf dem glatten Granit der runden Hälfte der Spaltsteine drängten diese im Laufe der Zeit aus der Mauer, sodass man sie später mit eisernen Ankern fixieren musste.[5]

Die Ende des 12. Jahrhunderts als einschiffiger Apsissaal in Marx aus unterschiedlich großen bunten Graniten errichtete St.-Marcus-Kirche ist eine der ältesten und am besten erhaltenen Granitquaderkirchen Ostfrieslands. Weitere Kirchen dieser Bauart befinden sich in Asel, Marx, Middels und Buttforde (mit Gewölbe). Feldsteinkirchen wurden im Landkreis Ammerland in Rastede, Westerstede, Wiefelstede und Bad Zwischenahn errichtet. Außerhalb Ostfrieslands finden sich gut erhaltene Feldsteinkirchen in Midlum und Dorum.[6]

Neben den Mörtelproblemen erwies sich die Bearbeitung von Granit aufgrund der extremen Härte mit den damaligen Werkzeugen als sehr schwierig, sodass in vielen Fällen lediglich der Unterbau oder Sockel der Kirche aus diesem Material erstellt wurde. Zur Errichtung statisch weniger anspruchsvoller Gebäudeteile griff man dann auf den Import von anderen, meist günstigeren Baumaterialien wie beispielsweise Tuff oder Backsteinen zurück. Zu den Vertretern dieser Mischbauweise zählen die Kirchen in Remels (Granit, Tuffstein), Ardorf und Etzel (Granit, Backstein), Arle, Resterhafe, Westerholt (Fundament aus Granitquadern), Blersum, Horsten und Leerhafe (Fundament und Sockel aus Granitquadern).[3]

Sandstein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Chor von St. Hippolyt (Blexen), eine Komposition aus Sandstein, Tuff und rotem Back­stein (grauer Back­stein um die Fenster und über dem Bogen­fries ist eine Reparatur von 1880)

Im Bereich der unteren Weser begegnen ab dem 12. und 13. Jahrhundert Kirchengebäude aus Wesersandstein bis ans westliche Jadeufer.[7] Der Sandstein war leicht zu verarbeiten und war bei Granitquaderkirchen für die Fensterstürze ein beliebter Baustoff. Das wohl älteste friesische Kirchengebäude aus Sandstein, aber auch Tuffstein (s. o.) und Backstein ist der Chor von St. Hippolyt in Blexen. Weitere erhaltene Wesersandsteinkirchen stehen im Stadland: Esenshamm, Abbehausen und Rodenkirchen. In Ostfriesland war die Burhafer Kirche ursprünglich ein Sandsteinbau.

Backstein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Backstein ermöglichte eine aufwändigere Innenarchitektur wie den Laufgang der zweischaligen Südmauer in Engerhafe (1270, spätromanisch).

Der Backstein setzte sich als neues Baumaterial erst ab dem 13. Jahrhundert durch,[8] als man von Mönchsorden die Kunst erlernte, aus Lehm wetterbeständige Ziegel zu brennen. Mithilfe wandernder Ziegelmeister konnten auf diese Weise vor Ort die in Holzformen geschlagenen Rohlinge in großen Meilern zu roten Ziegeln gebrannt werden.[9] Der überwiegende Teil der historischen Kirchen Ostfrieslands sind Backsteinkirchen, die im 13. Jahrhundert in das fruchtbare Marschland vordrangen, wo das lehmhaltige Baumaterial reichlich zur Verfügung stand und wo man seit dem Deichbau vor Überflutungen geschützt war. In Küstennähe trat zu Ackerbau und Viehzucht noch der Seehandel hinzu, sodass hier die Kirchen besonders repräsentativ und aufwändig gestaltet waren.[10]

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurden die frühesten Backsteinkirchen mit östlicher Prägung in Hage und Victorbur gebaut. Im Bereich der Ems finden sich die ersten romanischen Kirchen aus Backstein in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Bunde (Langhaus), Bingum, Ditzum, Emden (Große Kirche), Leer (St.-Liudger), Midlum und Weener (später mehrere Erweiterungsumbauten), weitere Backsteinbauten aus diesem Zeitraum in Aurich-Oldendorf, Bagband, Canum, Dunum, Freepsum, Holtrop, Horsten, Strackholt, Suurhusen, Tergast, Uttum, Westerholt und Wiegboldsbur. Erste Kennzeichen der Frühgotik lassen sich bei den Kirchen in Eilsum, Marienhafe, Pilsum ausmachen. Romano-gotische Backsteinkirchen aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und dem beginnenden 14. Jahrhundert stehen in Bangstede, Bunde (Querschiff und Chor der Kreuzkirche), Campen, Engerhafe, Grimersum, Hatzum, Ochtelbur, Osteel, Roggenstede, Stapelmoor und Westeraccum.[3]

Von den verhältnismäßig wenigen spätgotischen Kirchen Ostfrieslands aus dem 15. Jahrhundert sind die in Hinte, Rysum, Weener (Chor) und die Norder Ludgerikirche (Hochchor) die bedeutendsten. Bis in die Gegenwart ist der Backstein das charakteristische Baumaterial ostfriesischer Kirchen geblieben.

Bauepochen und Bauformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Romanik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das mit unterlegtem Ziermaßwerk bemalte Gewölbe der Kirche in Campen (Ende 13. Jh.) gehört zu den wenigen erhaltenen Gewölben in Ostfriesland

Die ersten Holzkirchen, die ab dem 10. Jahrhundert entstanden, waren schlichte Saalkirchen, geostet, mit einem rechteckigen Grundriss und einem geraden, manchmal eingezogenen Chorabschluss. Die romanischen Nachfolgebauten aus Stein wurden auf denselben Grundrissen errichtet, in der Regel aber erweitert und mit einer halbrunden Apsis abgeschlossen. Während die harten Granitwände keine Schmuckelemente zuließen,[11] wurde mit den Tuffsteinen aus der Eifel gleichfalls der mittelrheinische Baustil importiert. Möglicherweise begleiteten mittelrheinische Steinmetze auch den Transport und bewerkstelligten den Kirchenbau vor Ort. Dadurch wiesen die ersten Steinkirchen mit ihren recht unterschiedlichen Grundrissen, in der Regel aber mit Turm, Eingangsportalen und je drei kleinen Rundbogenfenstern an den Langseiten sowie östlicher, halbrunder Apsis, bereits eine hohe Qualität auf. Die Fenster zeichneten sich durch trichterförmige Laibungen aus. Die charakteristischen kleinen hochsitzenden Fenster an den Langseiten wurden vielfach in der Gotik zu größeren spitzbogigen oder im Barock zu großen Rundbogenfenstern erweitert. Am ehesten noch blieben die romanischen Fenster an der Nordseite erhalten.

Die ersten Backsteinkirchen um 1200 waren meist als schlichte, flachgedeckte Einraumkirchen oder auch als Apsissäle gestaltet (Beispiele sind die Rheiderländer Kirchen in Bingum, Ditzum und Midlum). Anfangs war der neue Baustoff ein billiger Ersatz für die importierten Natursteine Granit und Tuff.[12] Bereits wenige Jahrzehnte später zeichnet sich die Baukunst in der Wandgliederung durch reiche Schmuckelemente wie Lisenen oder Pilaster, Sockel, Traufgesimse und Rundbogenfriese aus, so beim Langhaus in Bunde und besonders reichhaltig in Victorbur und Hage. Häufig wurden die Apsiden während der Zeit der Gotik durch einen polygonalen Chorabschluss ersetzt oder wegen Baufälligkeit abgerissen.[13]

Am Langhaus der Ansgarikirche in Hage, das um 1180 bis 1190 errichtet wurde, kamen diese neuen Gestaltungselemente zum Einsatz, die im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts auch bei anderen romanischen Kirchen Eingang fanden. Etwas oberhalb der halben Mauerhöhe setzen Pilaster ein, die die Wand in fünf Felder mit je einem kleinen rundbogigen Fenster, das von einem schmalen Rundstab umschlossen wird, gliedern. Unvermittelt gehen die Pilaster in einen Kreuzbogenfries über, über dem ein dreifaches Deutsches Band den Mauerabschluss bildet. Der Anbau des mächtigen Westturms erfolgte 50 Jahre später. Die romanischen Formen treten in den Lisenen, den Bogenfriesen und den rundbogigen Öffnungen zutage.[14]

In einer zweiten Phase entstanden ab der Mitte des 13. Jahrhunderts Saalkirchen mit Gewölben, unter dem Einfluss Westfalens meist dreijochige Domikalgewölbe, insbesondere in den romano-gotischen Kirchen. Nur wenige dieser Gewölbe haben sich erhalten, wie beispielsweise in Eilsum, Campen (reich verziert), Canum, Pilsum, Stapelmoor und Westeraccum (Kreuzrippengewölbe). In Visquard und Engerhafe sind nur die Chorgewölbe erhalten. Das älteste Gewölbe weist die Krypta der ansonsten abgetragenen Liudgerikirche in Leer auf. Bei vielen anderen Kirchen stürzten die Gewölbe im Laufe der Jahrhunderte ein oder wurden abgerissen und durch Holztonnengewölbe (Bunde, Dornum) oder hölzerne Flachdecken (Roggenstede, Westochtersum) ersetzt. Die Schildbögen zeugen noch von der ursprünglichen Konstruktion.

Romano-Gotik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reich gestaltete Ostseite der Grimersumer Kirche (2. Hälfte 13. Jh.)

Der Begriff Romano-Gotik wurde vor allem für zahlreiche Kirchen aus dem 13. und 14. Jahrhundert in der Provinz Groningen und im westlichen Ostfriesland geprägt.[15] Gelegentlich wird er auch als „Frühgotik“ bezeichnet.[16] Dieser Baustil weist bedeutende Neuerungen gegenüber der Romanik auf, unterscheidet sich aber von fortgeschrittneren Formen der Gotik durch das weitgehende Fehlen von Strebepfeilern. Abgesehen von den besonders für die Provinz Groningen typischen ausgiebigen Nischengliederungen können als Vorbild zwei im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts gestaltete Chorgiebel in Bremen angesehen werden, der des ab 1224 frühgotisch umgebauten Bremer Doms (Chor zunächst noch ohne Strebebögen) und der von St. Stephani. In der östlichen Peripherie des Erzbistums Bremen, im Bistum Schwerin, wurden 1251 (Dachstuhl 1243 (d)) Chor und Querhaus des Klosters Sonnenkamp in Neukloster fertiggestellt, nur wenig stärker vertikal betont als die friesische Romano-Gotik und mit dem auch in Friesland beliebten Fischgrätenverbaud – an allen Giebeldreiecken. Die Gestaltung, Fenster oder Gruppen von Fenstern mit gleich hohen Blenden zu flankieren, mag den Obergaden des ab 1225 in spätromanischem Stil errichteten Doms des für Friesland von der Lauwers bis zum Nordertief zuständigen Bistums Münster abgeschaut sein.

Spätromanische Obergaden des Paulsdoms in Münster

Die romano-gotischen Kirchengebäude in Ostfriesland sind ausnahmslos aus Backstein errichtet und weisen eine Mauergliederung mit horizontal voneinander abgesetzten Ebenen auf, denen Blendnischen als Verzierung dienen. Auch die Giebeldreiecke des Transepts sind mit Nischen ausgestattet. Die anfänglich kleinen Bögen liegen vertieft in der Mauer und weisen runde Profile auf. Teilweise werden Wandverstärkungen und Strebepfeiler eingesetzt, die auf die Gotik vorausweisen. Insbesondere die Ostseite kann mit Blendfeldern, Rautenmustern in den Giebeln, Okuli, Dreifenstergruppen, Konsolen und Bögen dekorativ gestaltet sein. Aus der Gotik sind viele Gestaltungsmittel übernommen, aber nicht das äußere Strebwerk. Im Inneren werden stark gebuste Kreuzrippengewölbe eingesetzt, nach westfälischen Vorbildern, insbesondere des in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts errichteten Klosters Marienfeld, die ihrerseits auf die spezielle Gotik des Angevinischen Reichs zurück gehen, insbesondere die Kathedralen von Angers und von Le Mans. In Bremen haben das Südschiff dees Doms und die vor 1250 gotisch umgebaute Liebfrauenkirche derartige Gewölbe. Im Dteail unterscheiden sich stärker kuppelförmige mit acht Rippen von stärker kreuzförmigen mit vier Rippen. Im Verlauf der Romano-Gotik hat sich eine Entwicklung vollzogen, indem die ältesten Bauten einen reicheren Einsatz von Nischen und Giebeldekoration aufweisen als die jüngeren. Bei manchen Bauten lässt sich die Stilentwicklung aus eindeutig aufeinander folgenden Bauphasen nachvollziehen. Bei vielen, wenn nicht den meisten dieser Kirchen ist allerdings die Datierung sehr vage, wurde das Alter aus einer angenommenen Formentwicklung geschlossen, wo nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Vorbilder Gestaltungen gleichzeitig oder in umgekehrter Reihenfolge entstanden sein konnten. Sieben einschiffige Gotteshäuser erhielten durch ein Querschiff die Gestalt einer Kreuzkirche. Die Kreuzkirche in Marienhafe war ehemals dreischiffig und zwei weitere Kreuzkirchen sind abgetragen: die Andreaskirche in Norden und die alte Magnuskirche in Esens.[17]

Ein frühes Beispiel einer romano-gotischen Saalkirche ist die Dreifaltigkeitskirche in Collinghorst (um 1250). Der Ostgiebel der Grimersumer Kirche wird durch gestaffelte Blenden gegliedert, die darunter liegende Dreifenstergruppe wird von zwei Blendnischen flankiert. Die bis zum Boden laufenden Lisenen werden an den Jochgrenzen und den Ecken von neuzeitlichen Strebepfeilern fast völlig verdeckt. Die Vellager Kirche, eine Saalkirche aus dem 13. Jahrhundert, wird von kleinen rundbogigen Fenstern und einem Zahnschnittfries geprägt. Die Groß Midlumer Kirche (um 1270 bis 1280) ist eine rechteckige Saalkirche mit halbrunder Ostapsis, die an der Nordseite noch über die originalen hochsitzenden kleinen Rundbogenfenster verfügt.

St. Mauritius in Reepsholt bekam ihre endgültige Form durch mehrere Erweiterungen einer romanischen Granitquaderkirche im 13. Jahrhundert. Noch vor Mitte des Jahrhunderst wurde der Westgiebel abgebrochen und ihm ein romanischer Backsteinturm vorgestellt, mit einem Granitsockel aus Material der alten Westwand. Dann wurden die Mauern des Schiffs bis auf etwa 4 m Höhe abgetragen und darüber neue Backsteinmauern errichtet, deren sämtliche Fenster gotische Spitzbögen haben, im Gegensatz zu den romanischen Rundbögen der Portale im Granitsockel. Durch ein schmales Querschiff erhielt die Saalkirche eine kreuzförmige Gestalt. Die Fenster der Querhaus­giebel und dann die des Chorpolygons aus dem jüngsten Bauabschnitt sind breiter als die übrigen und durch Y-Maßwerk gegliedert. Die Querhausgiebel werden durch Rundblenden mit Fischgrätenverband und einem Dreipassfries verziert, die ansonsten kaum[18] in Ostfriesland, wohl aber im niederländischen Friesland begegnen.[19] Der 7/10 polygonale Chorgrundriss geht auf westfälische Einflüsse zurück.[20]

Eilsumer Kirche mit Chorturm (um 1250)

Die einzige Chorturmkirche Nordwestdeutschlands ist die Eilsumer Kirche. In einer ersten Bauphase wurde um 1240 der Turm über dem quadratischen Chor mit spätromanischen halbrunden Blendbögen und Bogenfriesen fertiggestellt. Ähnlich wie in Pilsum werden die Langseiten des um 1240 bis 1260 errichteten Schiffes durch ein Sims in Höhe der (ursprünglichen) Sohlbänke der Fenster in zwei Etagen gegeliedert. Die untere, mit jweils zwei rundbogigen Stufenportalen, ist mit teils rund- teils spitzbogigen flachen Blenden verziert, die eine Art von Arkade darstellen. Die obere Etage weist wenige (auf der Südseite später nach unten verlängerte) Fenster und zahlreiche Blenden mit tiefen Laibungen, deren Höhe in kleinen Schritten von beiden Wandenden her zur Mitte hin zunimmt. Im Inneren weisen die Domikalgewölbe mit ihren spitzbogigen Gurt- und Schildbögen und schmalen Kreuzrippen bereits gotische Kennzeichen auf.[21] Im Mauerwerk finden sich vereinzelt Sandsteinquader. Neben Gotischem Verband findet sich auch Märkischer Verband.[22]

Der Ostteil der Reformierten Kirche in Bunde mit seiner gegenüber dem Langschiff (um 1200) aufwändigeren Gestaltung ist deutlich romano-gotisch geprägt und datiert aus der Zeit um 1270 bis 1280.[23] Die Wände des Chors sind außen in zwei Ebenen gegliedert: Der untere Bereich weist durchlaufende Rundbogen-Arkaden auf. Sie sind als Blendbögen mit Kapitellen auf Rundstäben gebaut, die in der Mitte mit Okuli versehen sind. Im oberen Teil der Ostwand ist ein Drillings-Spitzbogenfenster angebracht, das von zwei Blendfenstern mit Kleeblattbogen mit Schachbrett- und Fischgrätmuster flankiert wird. In den Seitenmauern sind Blendfenster mit Rundbögen eingearbeitet. Beim nördlichen Giebel ist noch das originale Rautenmuster erhalten.

Die Stapelmoorer Kirche in der Form eines griechischen Kreuzes ohne rechte Winkel datiert um 1300 und gilt als einer der bedeutendsten Sakralbauten Ostfrieslands. Gegenüber der architektonisch ähnlichen Kreuzkirche in Bunde blieb die Kirche in Stapelmoor von eingreifenden Umbauten verschont. Die äußere Anlage weist spitzbogige Fenster und Portale, Konsolfriese unter dem Dachgesims, Treppenfriese auf den Quergiebeln und das übliche Drillingsfenster an der Ostseite auf. Im Inneren werden das Ost- und Westjoch mit einem achtrippigen Domikalgewölbe und die drei Querschiffjoche mit rippenlosen Kuppelgewölben abgeschlossen.[24]

Die Hatzumer St.-Sebastians-Kirche (Ende 13. Jahrhundert) mit zwei Blendfenstern an der Südwand war ursprünglich eine Kreuzkirche. Auf das ursprüngliche achtrippige Gewölbe weisen noch Vierungspfeiler, Schildbögen und Mauerverstärkungen hin.[25] Unten an den Chorwänden sind noch Reste der Rundbogen-Arkatur sichtbar.

Für Ostfriesland einzigartig ist der Vierungsturm der Pilsumer Kreuzkirche aus der Übergangszeit, der um 1300 im Rahmen einer dritten Bauphase aufgeführt wurde und mit seiner Blendengliederung bereits auf die aufkommende Gotik hinweist. Ältester Baukörper aus der Zeit um 1240 ist das Langhaus, das durch eine zweigeschossige Blendengliederung geprägt wird, bei der die oberen, kleineren Bögen zur Mitte hin leicht ansteigen, jedoch viel geringer als in Eilsum. Im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts erfolgte der Anbau von Querschiff und Chor. Das Querschiff ist in drei nahezu quadratische Joche gegliedert und trägt an den Giebeln ein Rautenmuster aus Backsteinstäben zur Verzierung, an der Ostseite einen Rundbogenfries zwischen Ecklisenen.[26] Der Chor besteht aus einem quadratischen Joch und einer halbrunden Apsis, deren Wand durch drei Fenster und innen und außen mit Rundbogenblenden gegliedert wird. Bauleute aus Kloster Marienfeld haben die Gewölbe über Vierung, Chor und Querschiff gestaltet.[27]

St.-Marien-Kirche in Marienhafe (1270) nach dem Teilabriss im Jahr 1829

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ganz eigener Art stellt die Marien-Kirche in Marienhafe dar. Unter Rückgriff auf die Bauformen des Osnabrücker Doms und französische Vorbilder wurde sie 1250 bis 1270 als monumentale dreischiffige Basilika errichtet. Von der ehemaligen Anlage mit Querschiff und sechsgeschossigem Turm blieben als Torso das verkürzte und erniedrigte Hauptschiff und der Turm mit vier Geschossen erhalten. Einst schmückten eine reiche bildhauerische Bauplastik mit Fabelwesen und Ungeheuern in 48 Nischen Chor und Querschiff und 200 Sandsteinreliefs die Traufe rund um die Kirche, deren Überreste im Turmmuseum aufbewahrt werden. Die Langseiten werden durch Lisenen und Blendbögen in drei Felder gegliedert, in die je zwei spitzbogige Fenster eingearbeitet sind, während die Ostmauer durch Blendfenster verziert wird. Das Innere wird durch stark profilierte Wandpfeiler und einen zweischaligen Obergaden mit Laufgang geprägt. Die ehemalige Sendkirche war bis zum Teilabbruch im Jahr 1829 der größte und bedeutendste Sakralbau Ostfrieslands und weit darüber hinaus im gesamten Küstengebiet der Nordsee.[28]

Die Warnfried-Kirche in Osteel stammt ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert, orientierte sich architektonisch an der Marienhafer Kirche und teilte auch deren Schicksal: Von der ursprünglichen Kreuzkirche mit Querschiff und Chor blieb nach einem Teilabbruch im Jahr 1830 nur das verkürzte Langschiff; der sechsgeschossige Turm wurde auf die Hälfte abgetragen. Wie auch in Marienhafe befand sich in den zweischaligen Mauern ursprünglich ein Laufgang, während außen in 47 Nischen Statuen angebracht waren.[29]

Zu den abschließenden Beispielen dieser Bauperiode zählt die Werdumer St.-Nicolai-Kirche mit ihren Ecklisenen und dem reich verzierten Gesims aus dem Jahr 1327. Auch der schwer datierbare Chor der Rhauder Kirche weist mit seinen rundbogigen Fenstern, dem polygonalen Grundriss und den Strebepfeilern auf den Übergangsstil.[30]

Gotik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dreischiffige Ludgeri-Kirche in Norden mit Hochchor (Mitte 15. Jh.)
Grundriss der Norder Ludgerikirche

Gegenüber der Romanik mit den kleinen Rundbogenfenstern und der einheitlichen Mauergliederung sind für die Gotik die größeren Spitzbogenfenster und die neuartige plastische Gestaltung der Wände charakteristisch. Durch eine neue Gewölbekonstruktion mit steileren Rippengewölben und mithilfe von Stützpfeilern an den Jochbögen wurde ein geringerer Einsatz von Steinmaterial ermöglicht.[31] Nach der Gotik wurden bis ins späte 19. Jahrhundert hinein keine Steingewölbe mehr in Ostfriesland gebaut. Kennzeichnend für die gotische Bauepoche sind die polygonalen Chöre, die vielfach an die Stelle der halbrunden romanischen Apsiden traten. Nur in Hage und Holtgaste finden sich spätgotische Choranbauten mit rechteckigem Grundriss.[32]

Gegenüber dem aufwändigen romano-gotischen Baustil war im ländlichen Gebiet ein schlichterer Bautyp in der frühen Gotik weit verbreitet, wie beispielsweise in Campen, Freepsum, Loquard, Uphusen, Upleward und Visquard. Die Grundrisse wurden wieder einfacher gestaltet und verzichteten auf eine Apsis.[33] Im westlichen Ostfriesland wurden im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts neun romanische Dorfkirchen durch gotische Nachfolgebauten ersetzt; andere erhielten lediglich einen gotischen Chor.[34]

Bei der Greetsieler und Manslagter Kirche (beide um 1400) ist ein Niedergang der bisherigen hohen Baukunst an der geringen Gebäudehöhe, der minderen Mauerqualität und den spärlichen Zierelementen abzulesen,[35] die recht willkürlich über die schlichten Fassaden verteilt sind. Bei beiden Kirchen wurde auf Strebepfeiler und Gewölbe verzichtet. Die Blenden sind durch schlichte Rücksprünge abgesetzt, während die Spitzbogenfenster lediglich schräge Laibungen ohne Profile aufweisen.[36]

Weithin sichtbar prägt der Hochchor der Norder Ludgeri-Kirche den größten Sakralbau in Ostfriesland, der als dreischiffiger Kathedralbau ausgeführt ist. Nach Einsturz des romanischen Querhauses um 1445 wurde ein neues im gotischen Stil aufgeführt. Zeitgleich entstand der Chor, der mit 21 Metern Scheitelhöhe den übrigen Baukörper überragt. Ein gewölbter Chorumgang umgibt das aufstrebende Mittelschiff, das in drei Zonen mit profilierten Spitzbögen gegliedert ist: unten Bögen zwischen Hochchor und Umgang, in der Mitte Blendnischen und als Abschluss die Obergadenfenster mit schrägen Laibungen. Das Rippengewölbe ruht auf 13 Rundpfeilern, über deren Kapitellen die birnstabförmigen Gewölberippen ansetzen, die schließlich in Schlusssteine ausmünden.[37]

Der spätgotische polygonale Choranbau der Georgskirche in Weener ersetzt seit 1462 die ursprüngliche Apsis. Durch drei große spitzbogige Fenster fällt Licht in den Raum. Die Konsolen im Chor zeugen noch vom ursprünglich vorhandenen Gewölbe. Vom Chorraum aus ist noch der große Triumphbogen zu sehen, der spitzbogig aufgeführt ist.[38] Vorbild für viele Kirchen dieser Gegend war die Groninger Martinikerk, wo in den Jahren 1445 bis 1481 ein monumentaler Hochchor entstand.[39]

Spätgotische Hinter Kirche mit Gurtbögen, Netzgewölben und polygonalem Chor

Die Hinter Kirche aus der Zeit um 1500 gilt neben der Norder Ludgeri-Kirche als bedeutendstes Kirchenbauwerk der Spätgotik in Ostfriesland.[40] Stilistische Übereinstimmungen bestehen mit dem nordniederländischen Kloster von Ter Apel und der ostfriesischen Baugruppe der Larrelter, Petkumer und Twixlumer Kirche. Möglicherweise wurde die Hinter Kirche nach dem Vorbild der Benediktiner-Klosterkirche von Sielmönken errichtet, die im Jahr 1505 geweiht wurde.[41] Die hervorragend erhaltene Backsteinkirche mit polygonalem Chor zeichnet sich außen durch starke Stützpfeiler, Fenster mit Sandsteinmaßwerk aus Fischblasen und Spitzbögen sowie ein umlaufendes Kaffgesims aus. Die Fenster der Nordwand sind teils zugemauert, teils ursprünglich als Blenden konzipiert. Der schlicht gestaltete Innenraum wird durch vier Joche mit Gurtbögen gegliedert. Im Chor findet sich ein dreistrahliges Sterngewölbe, dessen Schild- und Gurtbögen bis zum Boden reichen, während im Langhaus die Netzgewölbe mit Zwischenrippen auf Kelchkonsolen ruhen.[42]

Die Einführung der Reformation in Ostfriesland beendete die gotische Bauphase.

  1. a b c d Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Reineck148.
  2. Noah: Gottes Häuser in Ostfriesland. 1989, S. 46f.
  3. a b c Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen. 1986, Karte im Anhang „Verbreitung der Bau- und Materialtypen im 12. und 13. Jahrhundert auf der ostfriesischen Halbinsel“.
  4. Friederike Bungenstock, Klaus-Dieter Meyer: Findlingsquader-Kirchen der Ostfriesisch-Oldenburgischen Geest und die Eiszeit-Theorien, abgerufen am 26. März 2018.
  5. Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. 2010, S. 22.
  6. Kroesen, Steensma: Kirchen in Ostfriesland und ihre mittelalterliche Ausstattung. 2011, S. 10–12.
  7. Hans-Erich Reineck: Landschaftsgeschichte und Geologie Ostfrieslands. 1994, S. 150.
  8. Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen. 1986, S. 13.
  9. Noah: Gottes Häuser in Ostfriesland. 1989, S. 48.
  10. Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. 2010, S. 23.
  11. Kroesen, Steensma: Kirchen in Ostfriesland und ihre mittelalterliche Ausstattung. 2011, S. 11.
  12. Helmut Mudder: Der schiefste Kirchturm der Welt – Alte Kirche zu Suurhusen, Suurhusen 2008.
  13. Kroesen, Steensma: Kirchen in Ostfriesland und ihre mittelalterliche Ausstattung. 2011, S. 13–15.
  14. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. 2010, S. 284f.
  15. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Kroesen17f.
  16. Noah: Gottes Häuser in Ostfriesland. 1989, S. 50.
  17. Kroesen, Steensma: Kirchen in Ostfriesland und ihre mittelalterliche Ausstattung. 2011, S. 18–21.
  18. siehe die verputzten kleinen Rundblenden im Chorgiebel von Grimersum
  19. Hermann Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen. 1986, S. 105f.
  20. Hermann Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen. 1986, S. 107f.
  21. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. 2010, S. 97.
  22. Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft: Eilsum (PDF; 46 kB), gesehen 8. Juni 2012.
  23. ostfriesland.de: Sehenswürdigkeiten in Bunde, gesehen 8. Juni 2012.
  24. Hermann Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen. 1986, S. 104.
  25. Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. 2010, S. 150f.
  26. Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft: Pilsum, Gemeinde Krummhörn, Landkreis Aurich (PDF; 51 kB), gesehen 8. Juni 2012.
  27. Reformiert.de: Ev.-ref. Gemeinde Pilsum, gesehen 8. Juni 2012.
  28. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. 2010, S. 223f.
  29. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. 2010, S. 230.
  30. Michael Heinze (Rhaude.de): Die Rhauder Kirche, gesehen 8. Juni 2012. Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. 2010, S. 182, datiert den Choranbau hingegen ins 15. Jahrhundert.
  31. Bauverein Neue Kirche Emden e.V.: Bau-Brief. Heft 2, 2006, S. 7f.
  32. Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen. 1986, S. 157.
  33. Noah: Gottes Häuser in Ostfriesland. 1989, S. 54.
  34. Kroesen, Steensma: Kirchen in Ostfriesland und ihre mittelalterliche Ausstattung. 2011, S. 22.
  35. Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen. 1986, S. 151–153.
  36. Noah: Gottes Häuser in Ostfriesland. 1989, S. 61.
  37. Noah: Gottes Häuser in Ostfriesland. 1989, S. 86.
  38. Homepage der Kirchengemeinde Weener: Geschichte unserer Kirche, gesehen 8. Juni 2012.
  39. Walter Hilbrands: Zur Geschichte der reformierten Kirche in Weener. In: Kirchenrat der evangelisch-reformierten Gemeinde Weener (Hrsg.): Festschrift 300 Jahre Arp-Schnitger-Orgel. H. Risius, Weener 2010, S. 66.
  40. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. 2010, S. 109f.
  41. Hermann Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen. 1986, S. 167.
  42. Hermann Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen. 1986, S. 169.