Benutzer:W.S.Herrmann/Spielwiese/Schlaraffias Humor im Kontext der Jahrhunderte

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Humor ist, wenn die Seele lacht.

Einleitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

da Vincis Skizze der Hirnventrikel, Codex Windsor, 1489

Der § 1 des Schlaraffenspiegels definiert Schlaraffia als Männerbund zur Pflege der Freundschaft, der Kunst und des Humors. Schon seit den ersten Entwürfen sind diese 4 Konzepte als Grundsatz der schlaraffischen Bewegung genannt worden. Allem Anschein nach war es den Urschlaraffen und den frühen Begründern des Verbandes klar, dass Männerfreundschaft und künstlerischer Humor eine essentielle Einheit bilden. Freundschaft ist die lächelnde Zuwendung unter Menschen, die im „Reich des schönen Scheins“ (Schiller) gelernt haben zu scherzen, ohne weh zu tun, und die Paradoxien des Lebens zu ertragen.

Das wiss. Schrifttum über Schlaraffia, das erst in den letzten Jahren durch die Arbeiten von Rt. Anacreon, Rt. Dal’berg, Rt, Abraxas und durch den Diplomanden Maas begründet wurde (vgl. meinen Artikel über den Schlaraffenspiegel unter dem folgenden Link:

http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:W.S.Herrmann/Spielwiese/Schlaraffen-Spiegel )

hat die Spuren der schlaraffischen Humor-Theorie in der Geschichte der Menschheit bisher nur ansatzweise erfasst. Darum sollen einige Erläuterungen der Vorstellungen von Plato bis zur experimentellen Gelotologie (Wissenschaft des Lachens) dem Leser zur schärferen Unterscheidung von Humor und Albernheit verhelfen.

Antike[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zunächst sind es die Götter des klassischen Griechentums, die das Lachen beherrschen. Den Anfang der Odyssee bildet die Versammlung der Götter in der beschlossen wird, Odysseus auf Antrag Athenes endlich heimkehren zu lassen. Herausragendes Kriterium der Götter-Kommunikation ist das „homerische“ Lachen.

Sowohl die Geschichte des Männerbundes als auch die Theorie des Humors fußen – trotz verschiedener Vorläufer – auf den Schriften Platos. Er vertrat die Ansicht, dass eine Frau, wenn sie tapfer und redlich gewesen sei, im nächsten Leben als Mann inkarniert würde. Denn nur Männer seien zu wahrer Liebe fähig – frei von Eifersucht und Sexualität – ganz der Wahrheit und Schönheit verpflichtet („Timaios“ 360 v.Chr.). Humor sei ein Verhalten der Seele, bei dem Lust und Leid eine Mischung eingingen. Die Seele erfahre das Mitleid mit den tragischen Erfahrungen der Lebenden und erinnere sich zugleich an die höhere Perspektive des Jenseits: ohne Furcht und ohne Eifersucht – lächelnd und voller Liebe. Die Seele lacht aus einem Gefühl der Überlegenheit, weil sie im Grunde weiß, dass alles Leid einen tieferen Sinn hat („Philebos“ 360–347).

In den Schriften Platons ist der Humor nur schwach ausgeprägt. Erst der spätantike Platon-Schüler Plotin hat die entscheidende Wende in die Platonische Humor-Theorie gebracht. Für Plotin sind es nicht nur die Philosophen, die im sog. Höhlengleichnis die Ideen sehen können, sondern auch die Künstler. Die Seele wird des Schönen angesichtig und erreicht den Zustand der lächelnden Verklärung.

Titelblatt der „Enneaden“
Titelblatt der Erstausgabe der Enneaden, Basel 1580

Die Poetik des Aristoteles ist fragmentarisch überliefert, so dass wir nur die Psychologie der Tragödie aus der Feder des Aristoteles kennen: bei der ästhetischen Erfahrung des Tragischen komme es zu einer Katharsis (Reinigung); und weil die Poetik ausgerechnet an der Stelle der Ausführungen über Katharsis abbricht, wissen wir nicht, wie Aristoteles die Katharsis der Komödie gedacht hat. Aber die Vorstellung einer Befreiung und Reinigung im Rahmen ästhetischer Erfahrung ist aus den Schriften des Aristoteles immer wieder hergeleitet worden („Nikomachische Ethik“ vor 322 v. Chr.).

In seinem Dialog über den Redner („De oratore“ 91 v. Chr.) empfiehlt Cicero, das Mittel humorvollen Redens sei geeignet, den Rezipienten für die vorgetragene Wahrheit zu gewinnen. Jedoch mahnt Cicero auch zur Zurückhaltung. Zu viel des Witzes wirke manipulativ und sei der „wahren“ Rhetorik hinderlich.

Fazit:

Die Geschichte der Humortheorien ist nahezu uferlos. Doch schon die 3 größten Positionen des Altertums umreißen den schlaraffischen Grundtenor mit Klarheit und Schärfe. Unter Männern ist das wahrhaft Große und Lebenswerte nur zu erreichen,

  • Wenn das Leid aus höherer Perspektive erlebt wird;
  • Wenn man durch Mitleid und Lachen zur Katharsis gelangt;
  • Und wenn man in Maßen ein partnertaktisches Programm im Dienste von Wahrheit und Gerechtigkeit verwirklicht.

Mittelalter und Neuzeit haben viele weitere Aspekte hinzugefügt. Jedoch ist die essentielle Einheit von Freundschaft unter Männern mit Pflege von Kunst und Humor bereits in groben Zügen umrissen. – Wehe dem Schlaraffen, der gegen die Einsichten Platos, Aristoteles' und Ciceros verstößt! Albernheit, Gegröle und Jenseits-Vergessenheit wären die Folge. Klischee und erotische Possenreißerei sind schon 2000 Jahre vor der Gründung Schlaraffias dem Grundsatz von Freundschaft, Kunst und Humor entgegengesetzt worden.

Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Infolge christlicher Lehren war das frühe Mittelalter an Humor wenig interessiert. Gar zu sehr war die Vorstellung vom lachenden Teufel (Psalm 53) dominant. Der Narr ist teuflisch, denn er sagt, dass kein Gott sei. Entsprechend verbot Karl der Große 789 dem Klerus, sich Spielmänner und Spaßmacher zu halten. Die Gebote der Mönche untersagten das Lachen (5. Jahrhundert: die Regeln des Hl. Benedict). Sprache sei – laut Augustinus – dem Menschen gegeben, um zu Gott zurückzufinden. Darum sei es nötig, zu loben und zu preisen (Eulogie). Lachen hingegen führe den Menschen emotional in eine stärkere Verbindung mit seinem Körper und damit zum Erlebnis des Teuflischen (Regula Magistri: 6. Jahrhundert).

Erst im hohen Mittelalter setzte sich eine Unterscheidung von zweierlei Lachen durch: Katagelan (böses Lachen) und Eutrapelia (Lächeln: Thomas von Aquin). Schon in Aristoteles’ „Nikomachische Ethik“ galt Eutrapelia als die gesellschaftlich akzeptable Art, sich über andere lustig zu machen. Thomas von Aquin kannte die Schriften des Aristoteles (im Gegensatz zu den Mönchen des frühen Mittelalters) und hat darum Eutrapelie als Lustigkeit aufgefasst, die mit dem Gebot der Nächstenliebe vereinbar sei. Franz von Assisi fordert sogar, man solle in der Stunde der Bedrängnis (Folterung) „hilari vultu“ (lächelnden Gesichts) bleiben.

Beginnende Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Honoré Daumier: Don Quijote auf seinem Pferd Rosinante (um 1868)


König Ludwig IX von Frankreich (1214–70), der 1297 heilig gesprochen wurde, fordert den lachenden Monarchen. Spaßmacher können bei Hofe eine große Karriere machen, indem sie dem Regenten lachend einen Spiegel vorhalten. Besonders Kunz von der Rosen ist als Hofnarr des Kaisers Maximilian (1449–1519) im Schlaraffischen Bewußtsein.

Selbst die Aventiure der hochmittelalterlichen Epik findet ihre humorvolle Wende in Cervantes’ „Don Quichote“ (1605/15). Im Verlachen des ritterlichen Strebens wird die Wahrheit der hohen Lebensaufgabe bis hin zur Verklärung im Tode deutlich.

Fazit:

Die Humortheorie des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit unterscheidet böses Lachen (Ironie) vom humorvollen Lachen. Sie hält dem lachenden König den Spiegel vor und zeigt die Erfüllung des Lebens im Lächeln des Königs und des greisen Ritters.

Renaissance[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Sebastian Brants Verserzählung vom „Narrenschiff“ (1494) erwacht die Spigeltheorie des Humors zu einer ersten vollen Entfaltung. Als Nummer 106 schildert der Straßburger Dichter die Situtation des Schlaraffenschiffes:

„Glaub' nicht, wir seien Narrn allein:

Wir haben Brüder groß und klein;

In allen Landen allzumal

Ist endlos unsre Narrenzahl;

Wir fahren um durch jedes Land

Von Narrbon ins Schlaraffenland;“

Ein Narr zu sein, ist nicht gelegentliche Entgleisung eines oder mehrerer Menschen. Sondern Menschsein bedeutet Narr sein. Es gehört zum Wesen des Menschen, ein Narr zu sein. Etwa gleichzeitig mit der Erkenntnis der Reformation, wir seien Sünder „allzumal“ (Luther) wird auch das essentielle Narrentum dargelegt. Das künstlerische Mittel dieser Darlegung essentiellen Narrentums ist die Allegorie des Schiffes. Das Bild des Schiffes wird in eindeutig pädagogischer Absicht dem Leser wie ein Spiegel vorgehalten; und es besteht die Hoffnung, dass er beim Lesen dieser Zeilen über sein Spiegelbild lacht.

Schon aus dem wiederentdeckten (Renaissance) Altertum war die Figur des Narziß bekannt (Ovids Metamorphosen, 3. Buch). Der Jüngling entdeckt sich selbst im spiegelnden Gewässer und verliebt sich in seine eigene Gestalt. Jetzt wird der Spiegel mit dem Narrentum verbunden: Entdecke deine Narrheit, und distanziere dich durch Lachen. Humor ist Lachen über sich selbst.

Abbildung in der ersten erhaltenen Ausgabe des Eulenspiegel (1515)

Das Straßburger Narrenschiff findet seine kongeniale Fortsetzung im Braunschweiger Eulenspiegel (1515). Niederdeutsch „aulen“ bedeutet ‚reinigen ; und „Speegel“ nennt der Jäger das Hinterteil des Wildes. Aulenspeegel, Ulenspegel oder Eulenspiegel ist also einer, der reinigt durch Zeigen des Hinterns. Zu den Insignien dieses Narren, der reinigt durch Hinternzeigen, gehört der Spiegel des Narziß. Erkenne dich selbst in dem Jungen, der auf dem Seil tanzt und den Zuschauern die Schuhe abverlangt. Erkenne dich selbst im Wächter, der die falsche Melodie vom Turme bläst, und erkenne dich im Schneidermeister, der den Schneidern rät, einen Knoten in den Faden zu schlagen. Erkenne deine Narrheit, und das Lachen wird dich distanzieren!

Barock[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der dritte große Narrenspiegel wird schon in das Zeitalter des Barock datiert. Im sog. Lalebuch (1597) des Friedrich von Schönberg werden Narreteien erzählt, die dem Leser nicht unterlaufen würden: man stellt Säcke vor die Tür, um am Abend den Sonnenschein in diesen Säcken ins Haus tragen zu können; und man reitet dem kaiserlichen Hoftross auf Steckenpferden entgegen. Es handelt sich also um einen Narrenspiegel, in dem man erkennt, wie man nicht ist: eine verwandte Spielart des Humors, die besagt, dass man über ein Spiegelbild lache, das eindeutig nicht mich abbildet (Zerrspiegel).

Shakespeare

Die Komödien des William Shakespeare sind für alle Zeiten zum Inbegriff des freundlichen Lachens über die scheinbaren Leiden der niederen Stände geworden. Sie betonen gegenüber den Tragödien mehr die situativen Bedingungen, unter denen ein dramatischer Konflikt sich entwickelt. Meist kämpfen junge Liebende gegen Widerstand älterer Menschen. Oft geht es um Trennung und schließliche Wiedervereinigung. Man täuscht sich über den Charakter eines Helden - oft in der Weise, dass sich am Ende ein besonders edler Charakter entpuppt. Die glückliche Wende wird oft durch einen cleveren Bediensteten herbeigeführt. Es wird gescherzt, Theater auf dem Theater gespielt, gesungen und am Ende versöhnlich geheiratet. Humor auf dem Theater ist ein geselliger Zauber der Märchenspiele, Verwechslungen und Entwirrungen.

Commedia dell’arte

Karel Dujardin: Quacksalberbühne mit italienischen Komödianten, auch bekannt als Eine Partei von Quacksalbern in einer italienischen Landschaft, 1657 (Louvre)

Einen für Jahrhunderte bestimmenden Beitrag zu Theorie und Praxis des Humors hat die improvisierende Schauspieltruppe gebracht. Ausgehend von den Hofzeremoniellen der Italienischen Aristokratie, hat die Comedia dell Arte ganz Europa erobert. Torquato Tassos Drama „Aminta“ (1574) gibt noch heute einen Eindruck von der hohen Kunst des improvisierten Lustspiels.

Das Grundgerüst bildete ein Plot um die folgenden Figuren:

Die Gruppe der Zanni symbolisiert das einfache Volk, z.B. Diener, Mägde, Köchinnen etc. Angesichts solcher Figuren erscheint die soziale Position des Zuschauers erhöht, so dass man aus einer höheren Perspektive lachen kann. Zu den Zanni gehören:

Brigella ist hinterhältig und skrupellos. Immer auf eigenen Vorteil bedacht, lässt er gern andere für sich arbeiten. Seine Maske ist meist von schwarzer Farbe und zeigt listige Wesenszüge.

Arlecchino ist die Figur, die sich auf der Bühne alles herausnehmen darf. Sie ist im späteren Puppentheater vor allem zum Kasperle weiterentwickelt worden. Er ist meist fröhlich und verfressen, trägt einen bunten Mantel und eine lustige Maske. Oftmals dient er zwei Herren gleichzeitig, um mehr zu essen zu bekommen. Dadurch ergeben sich lustige Verstrickungen, die Arlecchino auf lustige Weise zu Gunsten der Sympathieträger löst.

Pagliaccio ist ein tollpatschiger Knecht. Er erweist sich meist als kühner Redner, der in Wahrheit ein Feigling ist. Für seine Fehler wird er oft mit Prügel bestraft. Er trägt oft ein zu großes Gewandt und eine gelbe Gesichtsmaske. Colombina ist ebenfalls eine Person der unteren Sozialschicht. Als Magd oder Köchin ist sie eine selbstsichere und lebenslustige Figur, der jedes gekünstelte Verhalten fremd ist. Sie trägt keine Maske und meist schlichte Kleider. Die Gruppe der Vecchi repräsentiert die reiche Oberschicht. Sie versuchen, sich vom einfachen Volk abzuheben, indem sie sich gebildet ausdrücken und Kultur und Wissen zu schätzen vorgeben. Durch ihr gekünsteltes Verhalten wirken sie eher unsympathisch und in der Weise lächerlich, dass der Zuschauer sich moralisch überlegen dünkt. Zu ihnen gehören:

Pantalone ist oft ein wohlhabender und geiziger Kaufmann. Er ist alt und kränklich und mischt sich gern in Dinge ein, die ihn nichts angehen. Häufig unterhält er Verhältnisse zu jüngeren Frauen. Ehefrau und Tochter werden mit Geiz und Strenge behandelt. Seine Maske ist braun mit Ziegenbart und gebuckelter Nase. Er trägt einen schwarzen Umhang und eng anliegende Hosen. Dottore verkörpert meistens den Gelehrten. Typisch sind häufige Denkerposen, in denen er über Wissen verfügt, das meist nicht recht zur jeweiligen Situation passt. Seine Maske ist meist schwarz mit einer Knollnase und roten Wangen. Er trägt eine weiße Halskrause, schwarze Jacke, Hose und Schuhe. Oft erweist er sich als Gegenspieler des Pantalone.

Die Commedia dell’Arte hat über Jahrhunderte die humorvolle Kunst beeinflusst (z.B. Goldoni, Molière). Die Theorie des Lachens ist der Narrenspiegelei verwandt: durch ästhetische Darstellung der Narrheit wird dem Publikum ein Spiegel vorgehalten, der sozusagen überzeichnend zum gutmütigen Lachen reizt.

Fastnacht

Die Nächte des mystischen Spaßens sind in den deutschsprachigen Ländern über das ganze Jahr verteilt und zumeist durch Traditionen aus dem (späten) Mittelalter begründet. Sylvester, Fastnacht, Walpurgisnacht, Martinslaternen – selbst die Weihnacht gehört in deisen Zyklus. Die Semiotik des religiösen Menschen ist immer wieder ähnlich: es werden bedrohlich empfundene Jenseits-Phänomene durch Verkleidung, Feuerzauber und Gesang sublimiert, d.h. aus dem Bereich des Unerträglichen transformiert, so dass sie „auf die leichte Schulter“ genommen werden können.

Besonders die „tollen Nächte“ vor Beginn der Fastenzeit (lat. „carnis“ = ‚Fleisch‘ und „levare“ = ‚wegnehmen‘) sind seit dem Mittelalter (z. B. Bayern und Österreich um 1300 belegt. Man treibt Possen, verkleidet sich und spielt den Narren, um sich des mystischen Bewusstseins von Tod, Jenseits und Geisterwelt zu entledigen.

Im Mittelalter bezog man sich vor allem auf die Zwei-Staaten-Theorie des Augustinus: Gottesstaat vs. Teufelsstaat. Im Narrentreiben spielte man mit den Gewalten des Teufelsstaates, um schließlich mit dem Fasten den Sieg Gottes zu dokumentieren. Die hochmittelalterliche Theorie der Fastnacht ist in den Städtekulturen des späteren Mittelalters durch den Konflikt zwischen Patriziern und einfachem Volk verdrängt worden. Die Volkskultur des Lachens ist im latenten Protest gegen Regierung und Herrschaft begründet. Humor ist bis heute das Laachen des Volkes über die Thorheit des Herrschenden. Maskerade, Witz und Akrobatik sind Zeichen des unpolitischen Protestes.

Fazit:Renaissance und Barock zeigen vor allem Narrheit als besonderen Anlass zum Lachen. Humor ist kunstvolle Pose und macht gerade als solche auf gekünsteltes Fehlverhalten aufmerksam: Man lacht, weil man sich im Zerrspiegel erkennt. Besonders in der Zeit der Fastnacht gilt Humor als das Spiel mit den bösen Mächten.

Klassizismus und Aufklärung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Molière

Die Komödien Molières bilden für die Entwicklung des Humors in Europa einen noch heute gültigen (und viel beachteten) Höhepunkt. Es werden Typen vorgestellt wie der Eingebildete Kranke, der Betrüger, der Geizige, der Menschenfeind etc. Lachen resultiert aus der Erfahrung des Rezipienten, dass der Typus eine menschliche Eigenschaft repräsentiert, die jeder mehr oder weniger in sich trägt. Man lacht nicht mehr über das essentielle Narrentum, sondern über den Typ Mensch, der man selbst in gewisser Weise ist. Eine Spiegeltheorie des Lachens, die dem Dichter höchste Anerkennung am Hofe Ludwig XIV, aber schließlich auch tiefe Erniedrigung eingetragen hat.

Tragikomödie

Im Mittelpunkt der Humortheorie des französischen Klassizismus und der Aufklärung steht die gegenüber „klassischer“ Gattungslehre als neu empfundene Tragikomödie. Besonders Lessings „Minna von Barnhelm“ steht für den versöhnlichen Ausgang eines tragischen Konfliktes im Bürgerlichen Schauspiel, wie es in dieser Zeit im Gegensatz zur scharfen Trennung adeliger Tragödien und bürgerlicher Komödien üblich wurde.

Romantik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die romantische Komödie ist zunächst vor allem im Sinne Kleists das Spiel der unbeirrbaren Seele (z. B. Alkmene im dramatischen Spiel um die Erzeugung des Herkules: „Amphitryon“).

Auch bei Büchner und Grillparzer sind im Märchenspiel die Seelen der Helden unbeirrbar. Hinzu kommt in der Zeit der Entdeckung der Volkspoesie die Mundart-Komödie (vgl. Niebergall).

Späteres 19. Jahrundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jacques Offenbach, Fotografie von Félix Nadar

Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich die Ästhetik des Humors besonders dadurch weiter, dass man Operetten komponierte. Herausragendes Beispiel ist Offenbachs Orpheus-Operette, in der eine Persiflage der Pariser Gesellschaft anstelle des klassischen Orpheus-Konfliktes gesetzt wird.

Wilhelm Buschs Humor zeichnet sich durch überraschende Reime, ironische Verdrehungen, Verspottungen romantischer Stilelemente, Überspitzungen und Doppeldeutigkeiten aus. Er gilt als Vorbild für eine Reihe großer Humoristen des 20. Jahrhunderts: Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern. Der scheinbare Gegensatz von lächerlicher Zeichnung und dem Begleittext, der den Anschein erweckt, ernsthaft zu sein, ist für Buschs Bildergeschichten typisch. Scheinbar elegisch, aber in Wahrheit humorvoll lächelnd: das ist die Schule des Humors, die – durch Wilhelm Busch begründet – weit ins 20. Jahrhundert hinein wirksam geblieben ist:

„Ach, was muss man oft von bösen Buben hören oder lesen!“ (Busch 2007: „Max und Moritz“ Vers 1f)

20. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine im 20. Jahrhundert besonders erfolgreiche Form des Humors ist in Deutschland bereits um die Jahrhundertwende etabliert worden: das Kabarett. Jedoch haben Zensur des Preußischen Kaisertums und NSDAP diese in Frankreich bereits sehr geschätzte Form des Humors stark behindert. Erst in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg sind die deutschen Kabaretts in den Großstädten hervorgetreten.

Dieter Hildebrandt, ein Altmeister des deutschen Kabaretts (2007)


Ebenfalls um die Jahrhundertwende wird die Humortheorie durch das psychoanalytische Denken erweitert. Im Lachen befreit sich das Unbewusste von unerträglichen Konflikten.

Konsequenter Weise wird der Sieg des Kindes über die verdorbene Moral der Erwachsenen gefeiert (Kästner). Gleichzeitig wird die kommunistische Version des Lachens über tragische Konflikte entwickelt, indem sich herausstellt, dass nicht unüberwindbar Tragisches die Menschen in das Elend treibt, sondern missliche politische Umstände, die es abzuändern gilt (Brecht).

Lachen als angeborener Reflex wird Gegenstand phylogenetischer Forschung in der Nachfolge der Prägungsforschung des (Konrad Lorenz (vgl. Tinbergens Kindchenschema). Eine neue Wissenschaft vom Lachen (Gelotologie) kündigt sich an.

Hermann Hesse findet die esoterische Auffassung des Humors: Humor ist die höchste Form des menschlichen Geistes - das Glasperlenspiel.

In Dürrenmatts Komödien finden sich vor allem psychoanalytische Anwendungen des Humors (z. B. im „Besuch der alten Dame“ oder in der Komödie „Romulus der Große“.

Curt Goetz lässt seinen Helden, Dr. Hiob Pretorius sogar herausfinden: „Wer mit Humor zu sterben verstünde, der hätte die höchste Stufe des Menschseins erreicht.“

Fazit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die zweieinhalb Jahrtausende währende Geschichte des Humors zeigt, dass die Menschheit eine beachtliche Zahl verschiedener Humor-Begriffe und entsprechender Kunstwerke hervorgebracht hat. Jeder für sich ist der Schlaraffischen Pflege wert und ermöglicht es der Seele eines älteren Herrn, im Angesicht des fortgeschrittenen Lebens zu lachen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Busch, Wilhelm: Bildergeschichten. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Band I–III, hrsg. von Herwig Guratzsch und Hans-Joachim Neyer, 2., überarbeitete Ausgabe, Hannover 2007