Benutzer:Zenon/Exzerpt: Genie Adorno

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Detlev Claussen (2003): Theodor W. Adorno. Ein letztes Genie
ISBN 3-10-010813-2 (S. Fischer)

  1. Statt einer Ouvertüre: Keine Nachkommen (Seite 13)
  2. Schöne Aussicht. Frankfurter Kindheit um 1910 (Seite 27)
  3. Von Teddie Wiesengrund zu Dr. Wiesengrund-Adorno (Seite 87)
  4. Der Nichtidentische (Seite 143)
  5. Übergänge (Seite 177)
    1. Bertolt Brecht: "An die Nachgeborenen" (Seite 177)
    2. Theodor W. Adorno: "Weit vom Schuß" (Seite 180)
    3. Hanns Eisler, der unidentische Bruder (Seite 183)
    4. Fritz Lang, der Freund aus Amerika (Seite 198)
  6. Frankfurt Transfer (Seite 213)
  7. Der Identische (Seite 265)
  8. Palimpsest des Lebens (Seite 313)
  9. Anhang (Seite 403)

  1. Warum sind Biographien populär? (Seite 18f)
    Im Grunde geht es dabei darum, dass der Begriff des Lebens selber als einer aus sich selbst entfaltenden und sinnvollen Einheit gar keine Realität mehr hat, so wenig wie der des Individuums, und dass die ideologische Funktion der Biographien darin besteht, dass an irgendwelchen Modellen den Menschen demonstriert wird, dass es noch so etwas wie ein Leben gebe, mit all den emphatischen Kategorien von Leben, und zwar gerade in empirischen Zusammenhängen, welche die, die kein Leben mehr haben, mühelos für die ihren reklamieren können. Leben selber, in einer sehr abstrakten Gestalt, ist zur Ideologie geworden, und gerade die Abstraktheit, die es von den älteren, gefüllteren Begriffen von Leben unterscheidet, macht es praktikabel (der vitalistische und existenzphilosophische Lebensbegriff sind schon Etappen auf diesem Weg).
    Adorno an Leo Löwenthal, 25.11.1942
  2. Wie lässt sich das 20. Jahrhundert charakterisieren? (Seite 21)
    Der Historiker Eric Hobsbawm hat für diese Epoche die einprägsame Formulierung vom short century gefunden, das dem langen bürgerlichen Zeitalter von 1815 bis 1914 kontrastiert. Adornos Kindheit fällt noch in die bis dahin längste erinnerbare europäische Friedensepoche, aber als sein Jahrhundert muss zweifellos die widerspruchsvolle Epoche bezeichnet werden, für die es schwer ist, einen passenden Begriff zu finden. Hobsbawm spricht vom "Age of Extremes": Extreme stechen ins Auge - eine Epoche des Massenelends und des unvorstellbaren Überflusses, eine Zeit totalitärer Diktaturen und permissiver Gesellschaften, eine Periode furchtbarster Kriege und lang anhaltenden Friedens. Der Abschnitt, in den Adornos Tod fiel, wird von Hobsbawm plastisch als das "Golden Age" des Jahrhunderts charakterisiert, in dem lang anhaltendes ökonomisches Wachstum und weltweite Ausbreitung eines konsumistischen Lebensstils zusammenfallen. Die Kritischen Theoretiker haben versucht, in der Gleichzeitigkeit von lebendiger Erfahrung und gesellschaftlicher Veränderung die Einheit jener Epoche zu erfassen. Dieses Jahrhundert hat nach der Diagnose der Kritischen Theorie irreversibel das Individuum beschädigt.
  3. Ärgerlich finde ich, dass im Anhang zwar jede Menge Endnoten stehen, aber dass auf diese im Text gar nicht verwiesen wird. - Zenon 18:34, 20. Aug 2003 (CEST)
  4. Wie ist das Verbrechen der Nazis an den Juden zu erklären? (Seite 78f)
    Adorno hat sich nach 1938 damit immer wieder beschäftigt, um dann eine kritische Theorie zu entwickeln, die nicht vom Hass, sondern von der Kälte als der anthropologischen Qualität ausgeht, die Auschwitz möglich gemacht hat.
  5. Um Seite 95 herum lässt sich der Autor so ausgiebig über die Weils aus, dass ich denke, ich bin im falschen Buch. - Zenon 18:28, 20. Aug 2003 (CEST)
  6. Wie kam Adorno mit Walter Benjamin in Kontakt? (Seite 123f)
    In einem Seminar von [dem mit Benjamin befreundeten Soziologen] Salomon-Delatour, in dem der Historismus-Band von Ernst Troeltsch diskutiert wurde, hatten sie sich 1923 kennengelernt - oder war es im Café Westend, in dem auch Kracauer gerne tagte? Adorno wusste es 1964 ["Erinnerung"] nicht mehr so genau. Aber exakt reproduzierte Adorno den Eindruck Benjamins auf einen Zwanzigjährigen: Es war, wie wenn durch diese Philosophie mir erst aufgegangen wäre, was Philosophie sein müsste, wenn sie das erfüllen sollte, was sie verspricht, und was sie nicht hält seit der Kantischen Trennung zwischen dem, was innerhalb der Erfahrung verbleibt, und was die Grenzen der Möglichkeit von Erfahrung überschreitet. Doch schon im nächsten Satz beschrieb Adorno das Schillernde Benjamins, das bei normalen Akademikern Abwehr und Ängste hervorrief: Ich habe das einmal so ausgedrückt, dass, was Benjamin sagte, klang, als ob es aus dem Geheimnis käme, aber dass er dabei keineswegs im fatalen Sinn esoterischer Denker war, sondern dass auch Einsichten, die den gewohnten vernünftigen Ansichten ins Gesicht schlugen, eine ganz eingentümliche Evidenz an sich selbst trugen, die sie dem Verdacht des Geheimnisses oder gar des Bluffs völlig entzogen, obwohl Benjamin manche Eigentümlichkeiten des Pokerspielers sicherlich auch in der Art zu reden und zu denken nicht ganz fremd waren.
  7. Bei welcher Gelegenheit geriet Adorno einmal in Zorn? (Seite 209f)
    Als Lang mit Adorno bei einem Besuch im Frankfurter "Institut für Sozialforschung" in einen Streit geriet, ob denn Ingmar Bergmans "Das Schweigen" pornographisch sei oder nicht, holte man die junge Assistentin Adornos [Regina Becker-Schmidt] herbei, die im Streit Adornos Partei ergriff. Auf Langs Bemerkung, das sei kein Wunder, schließlich sei die junge Dame ja Adornos Assistentin, entgegnete Adorno empört: "Da sie meine Schülerin ist, ist sie ein selbständig denkender Mensch, sie folgt ihrem eigenen Kopf ..." Voller Zorn schnappte Adorno sich Hut und Mantel, allerdings die falschen: "Und dann bot sich uns ein überaus komischer Anblick: Adorno hatte sich den Hut und den Mantel von Fritz Lang gegriffen - der Hut war viel zu groß und über die Ohren gerutscht, der Mantel viel zu lang, Adornos Arme und Hände verschwanden in ihm. Verdutzt blickte Adorno an sich herunter, um dann - immer noch voller Zorn - auszurufen 'Und jetzt meinst du wohl, ich sei mit dir identifiziert, nur weil ich deinen Hut auf dem Kopf habe ...' Die ganze Situation löste sich in ein herzliches Gelächter auf ..."