Benutzer Diskussion:Crazy-Chemist/Curriculum Vitae

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Vorwort zu "Chemische Experimente, die gelingen" (1939)[Quelltext bearbeiten]

Das deutsche Volk erlebt gegenwärtig eine „Technisierung“ und „Chemisierung“ von größtem Ausmaß. Der Vierjahresplan, die Erringung der Nahrungsfreiheit, der Kampf dem Verderb, die Rohstoffversorgung unserer Industrie, die Kriegswirtschaft, der Luftschutz und ähnliche lebenswichtige Aktionen sind zu einem großen Teil angewandte Chemie. Diese ist längst nicht mehr Privatangelegenheit von einigen tausend Spezialisten; sie wendet sich vielmehr von Jahr zu Jahr an immer zahlreichere Berufe und immer breitere Volksschichten. Techniker, Offiziere, Ärzte, Architekten, Kaufleute, Industrielle, Arbeiter, Handwerker und Landwirte sehen sich fast stündlich vor chemische Fragen gestellt und es ist nicht zu bezweifeln, daß der moderne Mensch im allgemeinen um so praktischer, zweckmäßiger und vernünftiger lebt, je mehr er von Chemie versteht.

Fast alle Sachverständigen sind sich darin einig, daß man Chemie in erster Linie durch e i g e n e s E x p e r i m e n t i e r e n lernt, daß man sich selber handgreiflich mit der Welt der Stoffe auseinandersetzen muß, um ihre Eigenart zu erfassen. Das vorliegende Buch möchte dem experimentierenden Anfänger und Fortgeschrittenen ein Wegweiser sein. Ich habe mir deshalb die Aufgabe gestellt, aus dem Riesenbereich der Chemie eine Anzahl von wichtigeren Einzelgebieten auszuwählen, auf welchen mit bescheidenen Mitteln sicher funktionierende, gefahrlose und interessante Versuche angestellt werden können. Dabei sind vielfach neue Wege beschritten und alte, ausgetretene Geleise verlasen worden. Manche allgemein bekannte Versuche wird der Leser vermissen, dafür sind viele neuartige Gegenstände in ungewohnter Ausführlichkeit behandelt.

Bei dem stetig wachsenden Umfang des allgemeinen Wissensguts müssen wir bestrebt sein, die nötigen Folgerungen aus der Erfindung der Buchdruckerkunst zu ziehen, unsere begrenzten Gedächtniskräfte zu rationalisieren und den „Hirnraum“ nur mit möglichst praktischen und vielseitig auswertbaren Erkenntnissen zu füllen. Was man in Lehrbüchern, Handbüchern und Tabellenwerken nachschlagen kann, braucht man nicht im Kopf zu haben. Es ist vom Standpunkt geistiger Kräfteökonomie aus wichtiger, die häufigsten chemischen Arbeitsverfahren (z.B. Auflösen, Erhitzen. Filtrieren, Destillieren usw.) zu beherrschen, als eine große Zahl von statistischen oder technologischen Einzelheiten auswendig zu lernen. Es ist besser, wenn man z.B. Spuren von Eisen selbst nachweisen und messen kann, als wenn man etwa weiß, wie viel Milligramm Eisen in 100 Gramm Salat u. dgl. enthalten sind. Wer selber auch nur die einfachste Elektrolyse ausführt, hat für seine chemische Bildung mehr getan als ein anderer, der die Produktionsziffern vom Magnesium auswendig lernt.

Im Sinne dieser Auffassung möchte das vorliegende Buch vor allem in die wichtigeren chemischen Arbeitsverfahren und in die chemische Denkweise einführen; es will zeigen, wie man im Experiment planmäßige , sinnvolle Fragen an die Natur stellt, wie man zum richtigen Zweck die passenden Mittel findet, wie man durch Abänderung der Bedingungen die wirkenden Ursachen ermittelt, wie man Gefahren vermeidet, Vorteile ausnutzt, Energien spart usw. Alle Versuche dieses Buches sind mehrfach erprobt und so beschrieben, dass bei genauer Einhaltung der Vorschriften weder Gefahren noch Fehlschläge zu befürchten sind. Die in den Hauptversuchen erlernte Arbeitstaktik kann man nachher in zahlreichen „Querschnitten“ auf andere Stoffgebiete anwenden; dadurch lassen sich mit verhältnismäßig wenig Chemikalien viele Versuche ausführen, die nicht selten sogar chemisches „Neuland“ berühren. Experimente mit sehr gefährlichen Stoffen wie Kalium, Natrium, Phosphor, Arsen, Quecksilberverbindungen usw. sind weggelassen worden.

Für den Benutzer dieses Buches noch einige praktische Winke! Die einzelnen Abschnitte sind vielfach in sich abgeschlossen, so dass der Fortgeschrittene beliebige, ihn gerade interessierende Versuche herausgreifen kann. In jedem Fall ist zu empfehlen, zuerst den g a n z e n Abschnitt gründlich durchzulesen und das Wichtigste über die einschlägigen Chemikalien und Arbeitsverfahren im ersten, allgemeinen Teil nachzuschlagen. Zuerst führe man den Hauptversuch richtig durch, hernach kann man zur experimentellen Behandlung der anschließenden Fragen und Aufgaben übergehen.

Damit übergebe ich den verbesserten Neudruck dieses Buches der Öffentlichkeit mit dem Wunsch, dass es unserer so schönen und interessanten Chemie viele neue Freunde erwerben möge.

Dr. Hermann Römpp