Benutzer Diskussion:Edith Wahr/LAR

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Little Annie's Ramble, deutsch Der Ausflug der kleinen Annie, ist eine 1834 erschienene Erzählung des amerikanischen Schriftstellers Nathaniel Hawthorne (1804–1864). Der namenlose Ich-Erzähler nimmt darin ein kleines Mädchen namens Annie an die Hand und führt es vorbei an Spielzeug- und Süßigkeitenläden zu einer Wandermenagerie mit exotischen Tieren; zum Ende der Erzählung ergreift er jedoch die Flucht, als der Stadtschreier ausruft, dass ein fünfjähriges Mädchen von seiner Mutter vermisst wird. Von zeitgenössischen Kritikern wurde dieses Werk als sentimental-pittoreske „Dorfschilderung“ in der Tradition von Oliver Goldsmith und Washington Irving geschätzt; in jüngerer Zeit konzentrieren sich Interpretationen indes auf die mutmaßliche Pädophilie des Erzählers, die die Geschichte als Vorläufer von Vladimir Nabokovs Lolita (1955) erscheinen lässt.

Werkzusammenhang und Gattungsfrage[Quelltext bearbeiten]

Nathaniel Hawthorne – Gemälde von Charles Osgood, 1840

Little Annie's Ramble erschien erstmals in The Youth's Keepsake für das Jahr 1835, wie alle Werke Hawthornes vor 1837 zunächst anonym. Wie The Token, in den 1830er Jahren der Hauptabnehmer von Hawthornes Kurzgeschichten, war diese Publikation ein jährlich erscheinendes und besonders als Weihnachtsgeschenk beliebtes „Geschenkbuch“ (keepsake), gestaltet nach dem Vorbild der europäischen Musen-Almanache, im Gegensatz zum Token jedoch auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten. In der Literaturwissenschaft wird diese Geschichte so oftmals im Kontext der zeitgenössischen amerikanischen Kinder- und Jugendliteratur gelesen. Als einziger der kanonischen Autoren der amerikanischen Romantik machte sich Hawthorne auch als Kinderbuchautor einen Namen, zu nennen sind insbesondere The Whole History of Grandfather's Chair (1841), A Wonder-Book for Girls and Boys (1852) und die Tanglewood Tales for Boys and Girls (1853). Anders als diese Werke sollte Little Annie's Ramble jedoch auch ein erwachsenes Publikum ansprechen: 1837 nahm er die Erzählung in seinen ersten, nun auch namentlich gezeichneten Kurzgeschichtenband Twice-Told Tales auf.

Als prägend für die Rezeptionsgeschichte der Erzählungen Hawthornes im Allgemeinen wie von Little Annie's Ramble im Besonderen erwies sich Edgar Allan Poes Rezension der Twice-Told Tales[1] anlässlich der Publikation des zweiten Bandes der Sammlung im Jahr 1842. Poe unterteilte die Prosawerke Hawthornes darin in tales, also eigentliche „Erzählungen,“ und essays. Neben Sights from a Steeple, A Rill from the Town Pump, The Toll-Gatherer's Day, The Haunted Mind und einigen weiteren Texten betrachtete er auch Little Annie's Ramble als „reinen Essay“ ohne eigentliche Handlung. Schätzten die zeitgenössischen Lteraturkritiker im 19. Jahrhundert gerade auch Hawthornes „Essays“ - in Anlehnung an Washington Irvings zumindest in Amerika gattungsprägendem Sketch Book auch oft als „Skizzen“ bezeichnet, so gerieten diese im 20. Jahrhundert zu Gunsten der eigentlichen tales oder short stories (Kurzgeschichten) in der Literaturkritik aus der Mode, wurden auch kaum noch anthologisiert und gerieten so allmählich in Vergessenheit.

Die Gattungsfrage ist im Falle von Little Annie's Ramble jedoch keineswegs eindeutig, denn ursprünglich war die Erzählung wohl Teil eines größeren Werkes, The Story Teller, das er zwischen 1832 und 1834 schrieb, das Hawthorne zwischen 1832 und 1834 schrieb, das als Ganzes aber nie erschien und nicht erhalten ist. Zwar hatte er für den Story Teller anders als für seine ersten beiden, heute ebenfalls verlorenen Erzählzyklen Seven Tales of My Native Land (um 1826–27) und Provincial Tales (um 1828–1830) einen Verleger gefunden, doch nachdem die ersten Teile im November und Dezember 1834 im New-England Magazine erschienen waren, wechselte die Zeitschrift den Besitzer und setzte die Veröffentlichung aus. Letztlich veröffentlichte Hawthorne nur einige Einzelerzählungen des Story Teller, manche im New-England Magazine, manche in anderen Publikationen wie dem Token. Der Werkzusammenhang ging dabei verloren, konnte aber im 20. Jahrhundert durch die Arbeiten von Seymour L. Gross, Alfred Weber und anderen zumindest in Teilen rekonstruiert werden.[2] Beim Story Teller handelt es sich demnach um eine Reihe von kurzen Geschichten, die in eine übergeordnete Rahmenerzählung eingebettet sind. Ich-Erzähler und zugleich Protagonist der Rahmenhandlung ist ein durch Neuengland wandernder Geschichtenerzähler namens „Oberon“ (benannt nach der Figur in Shakespeares Sommernachtstraum). Es ist nicht ausgeschlossen, dass Little Annie's Ramble eine der Binnenerzählungen des Story Teller war (und somit in Poes Unterscheidung eine tale. Weber hält es aber für wahrscheinlicher, dass der Text einen Teil der ursprünglichen Rahmenerzählung war und der Ich-Erzähler demnach identisch mit Oberon ist, genauer mit „dem älteren, vom Leben enttäuschten Oberon,“ der gegen Ende seines Lebens - und somit gegen Ende des Story Teller - „noch einmal versuchte, den Weg ins normale Leben zu finden und ein glücklicher Mensch zu werden.“[3] Neben Alice Doane’s Appeal, Beneath an Umbrella, The Mermaid und Graves and Goblins sowie The Haunted Mind zählt Little Annie's Ramble nach Weber zu den letzten Erzählungen Oberons, der nach langer Wanderschaft seine letzten, einsamen Jahre in seinem Heimatdorf verbrachte.[4]

Ausgaben[Quelltext bearbeiten]

In der maßgeblichen Werkausgabe, der Centenary Edition of the Works of Nathaniel Hawthorne (Ohio State University Press, Columbus OH 1962ff.), findet sich Little Annie's Ramble im von Fredson Bowers und J. Donald Crowley edierten Band IX (Twice-Told Tales, 1974). Einige Sammelbände der Kurzgeschichten Hawthornes enthalten die Erzählung; eine verbreitete, auf der Centenary Edition aufbauende Leseausgabe ist:

Ein E-Text findet sich auf den Seiten von Wikisource:

Wikisource: Little Annie's Ramble – Quellen und Volltexte (englisch)

Es liegt eine Übersetzung ins Deutsche vor:

  • Der Ausflug der kleinen Annie. Deutsch von Lore Krüger. In: Nathaniel Hawthorne: Mr. Higginbothams Verhängnis. Ausgewählte Erzählungen. Hrsg. von Heinz Förster. Insel, Leipzig 1979, S. 140-149.

Sekundärliteratur[Quelltext bearbeiten]

  • Carol Billman: Nathaniel Hawthorne: 'Revolutionizer' of Children's Literature? In: Studies in American Fiction 10:1, 1982, S. 107-114.
  • Leonardo Buonomo: Strangers at the Door: Reconsidering Multiculturalism through Hawthorne. In: Gigliola Nocera (Hrsg.): America Today: Highways and Labyrinths: Proceedings of the XV. Biennial Conference, Siracusa, November 4-7, 1999. Grafià, Syrakus 2003, S. 399-408.
  • Paul Emmett: Suppressed Pedophilia in Nathaniel Hawthorne's "Little Annie's Ramble". In: Journal of Evolutionary Psychology 27:3/4, 2005, S. 99-107.
  • Elizabeth Freeman: Honeymoon with a Stranger: Pedophiliac Picaresques from Poe to Nabokov. In: American Literature 70:4, 1998, S. 863-897.
  • Ken Parille: Allegories of Childhood Gender: Hawthorne and the Material Boy. In: Nathaniel Hawthorne Review 36:1, 2010, S. 112-126.
  • Karen Sánchez-Eppler: Dependent States: The Child's Part in Nineteenth-Century American Culture. University of Chicago Press, Chicago 2005, ISBN 0226734595.
  • Rasmus R. Simonsen: Preposterous America: The Language of Inversion in Thoreau, Melville, and Hawthorne. Diss., University of Western Ontario 2013.
  • Mary M. Van Tassel: Hawthorne, His Narrator, and His Readers in Little Annie's Ramble. In: ESQ: A Journal of the American Renaissance 33:3, 1987, S. 168-79.
  • Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes. Erich Schmidt Verlag, Berlin 1973. ISBN 3-503-00714-8

Einzelnachweise[Quelltext bearbeiten]

  1. Edgar Allan Poe: Hawthorne's Twice-Told Tales. In: Graham's Magazine, Mai 1842. S. 298-300.
  2. Zu Publikationsgeschichte und Rekonstruktion des Story Teller siehe Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 145 ff.
  3. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 261–262.
  4. Alfred Weber: Die Entwicklung der Rahmenerzählungen Nathaniel Hawthornes, S. 362-364.