Benutzer Diskussion:Herr Andrax/Notizen

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Grenzen der Linguistik und Sprachwissenschaft bei der Analyse Politischer Kommunikation[Quelltext bearbeiten]

Auszug aus: IV/1. Geschichten und Tropen: Clemens Knobloch: Moralisierung und Sachzwang. Politische Kommunikation in der Massendemokratie, DISS, Duisburg 1998

„Die traditionellen Methoden der Sprachwissenschaft sind insgesamt wenig geeignet für die Analyse und Beschreibung politischer Kommunikation. …

Daß man sich mit der Analyse politischer Sprache in der Linguistik einen Namenmachen kann, ist ja kein sicheres Zeichen für wichtige oder auch nur relevante Einsichten. Die zahlreichen kasuistischen Analysen etwa über die Sprache des Rassismus, den Golkrieg, den Diskurs der Neuen Rechten sind sicher nützlich als Arsenale in der praktischen Auseinandersetzung mit diesen Dingen. Aber sie sind theoretisch unbefriedigend, gut gemeint und distanzlos. Das methodische und begriffliche Repertoire der Lexikographie (Wortbedeutung) erreicht die (immer „tropische“, …) politische Bedeutung eines Ausdrucks so wenig wie die pragmatischen Verfahren der Sprechakttheorie dazu taugen, eine politische Rede oder einen Leitartikel als politische Kommunikation zu analysieren (…). Es liegt zwar nahe, beider linguistischen Pragmatik um Hilfe einzukommen, wenn es um politische Kommunikation geht, aber das Weltbild der Sprechakttheorie ist einesteils logisch, anderenteils magisch, und diese beiden Bestandteile kommen im politischen Verkehr so nicht vor. Was eine sprachliche Äußerung kommandiert, das hängt nicht von der Sprache ab, sondern vom Verhältnis des gesamten Kommunikationszusammenhangs zu einer Ordnung der Gesellschaft, die zwar u.a. sprachlich betätigt und sprachlich bestätigt, symbolisch anerkannt wird, die aber jedenfalls nichtsprachlich ist. Alle professionellen Einstellungen der Linguistik sind aber (naturgemäß) auf das gerichtet, was Sprache „an sich“ sind. Zuerst gekappt werden die Fäden, welche das Sprechen als symbolische Praxis mit der lokalen Produktion und Reproduktion sozialer Ordnung verbindet. Was man sehen muß in der Analyse politischer Kommunikation, ist just das, wovon die Linguisten abzusehen gelernt haben.

Die Wahrheit eines Ausdrucks scheint uns eine Eigenschaft der von ihm bezeichneten „Sache“ zu sein. Angewandt auf die Schlüsseltropen der politischen Kommunikation erzeugt diese Haltung das von Linguisten und Laien gleichermaßen gern gespielte Spiel „Was die Ausdrücke wirklich bedeuten“. Dieses Spiel ist aber nur ersichtlich ‚Teil’ der politischen Kommunikation, sofern diese als „Streit um Worte“ (Lübbe 1982) erscheint, und damit keineswegs geeignet, deren ‚Analyse’ anzuleiten oder gar zu substituieren. Was „Demokratie“ oder „Sozialismus“ wirklich bedeuten, gehört in den Kontext des Streites um Definitionsmacht oder, wie es volkstümlicher oft heißt: zum „Besetzen von Begriffen“. Wer behauptet, es zu wissen, der munitioniert den Streit, er analysiert ihn aber nicht.

Daraus folgt, dass „Begriffe besetzen“ eine hinkende Metapher ist, es geht nämlich nicht um Begriffe allein, sondern um die Muster der Evaluation bestehender Verhältnisse und Entwicklungen. An den sprachlichen Ausdrücken haften einigermaßen konventionelle Wertungen, die sie durch den Realkontakt der Sprechtätigkeit mit sozialen Praxen und Ereignissen gewissermaßen aufsammelt oder akkumuliert haben. Die realen Tendenzen, Ereignisse, Entwicklungen müssen mit unseren Wertungsbereitschaften erst noch verbunden werden. Das ist für eine Theorie und eine Vor-Urteil, die beide an kontextfreien Bedeutungen und fallweisen Bezeichnungen aufgehängt sind, nicht ohne weiteres durchschaubar. Die Ausdrücke mit denen wir politisch über etwas sprechen, bezeichnen es nicht nur, sie ordnen es einer Evaluationsklasse zu, etablieren die Perspektive, aus der es betrachtet werden sollt, legen Bewertungs- und Vergleichsmaßstäbe fest (vgl. Edelmann 1976 …). Auf einem „besetzten Begriff“ kann man dagegen leicht sitzen bleiben.“

Literaturtipp @GS: Ariane Manske (2002): „Political Correctness“ und Normalität[Quelltext bearbeiten]

Zitate aus Ariane Manske (2002, Literatur s.u.):

  • Bedeutung des Begriffes in den gesellschaftskritischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts

„So unterschiedlich die Gruppen waren, die im Verlaufe des 20. Jahrhunderts den Begriff „politically correct“ verwandten und so unterschiedlich auch die Auslegungen des Begriffes waren, so hatten sie doch eines gemeinsam. „Politically correct“ bezeichnete in den verschiedensten Erscheinungen, ob nun ironisch, satirisch oder ernst gemeint, eine nahezu programmatische Definition dessen, wofür eine gesellschaftliche Bewegung stand oder nicht stand. Vor allem in der „Black Power Movement“ und der Frauenbewegukng ging es um die Suche nah einer eigenen Identität und um den Versuch einer Selbstbestimmung. Natürlich waren die präskriptiven Definitionen von korrektem oder inkorrektem Verhalten nicht frei von Rigidität und Dogmatismus. Allerdings bezogen sich diese Formender Regelmentierung nur auf die Gruppierungen selbst, das heißt, der Begriff, ob nun ironisch oder ernsthaft, wurde ausschließlich innerhalb der Bewegungen benutzt. Das ist einer der wesentlichen Punkte, in demsich die frühere Verwendung von „politically correct“ von der Verwendung von „Political Correctness“ in den 90er Jahren unterscheidet.“ „Konservative Studierende, Akademiker und Journalisten übernahmen in den 80er Jahren nicht nur den Begriff, der bis dahin ironisch von Linken und Liberals und ernsthaft innerhalb verschiedener social movements benutzt worden war, sondern veränderten auch die Konnotation des begriffs. In erster Linie wurde dem Begriff von right-wing ideologues, wie Brent Staples sie nannte, seine ironischeVerwendung genommen: „Right-Wing ideologues stripped the term of irony and began using „Political Correctness“ to describe what theysaw as aSystematic effort by lieralstocrush free and open discourse. But this wasan imagined tyranny, dreamed upjust as right-wing politics reached its apex on campus and the White House.” (Time 20) … Wilson merkte weiterhin an, daß sich der Begriff in seiner neuen Verwendung in den 80er Jahren verändert hatte oder besser gesagt, daß er verändert wurde. „…the conservatives not only appropriated „politiclly correcht for their own attacks on theradical Left, they also transformed it intoa new phrse – “political correctness”” (…) Diese Substantivierung vermittelte den Eindruck, dass es sich bei „Political Correctness“ um ein von linken und Liberals ausgefeiltes Konzept von Reformvorhaben handelte, anstatt lediglich eine ironisch oder auch ernsthaft gemeinte Bezeichnung bestimmter Handlungsweisen. (Unter „Political Correctness“ wurde auch die amerikanische Linke gefasst, die „politicaly correct, im Gegensatz zu den verschiedenen social movements, nie ernsthaft verwendet hatte. D’Souza hatte zwar die Ursprünge von „Political Correctness“ auf die Marxisten in den 20er Jahren zurückgeführt, die als „revolutionäre Ideologen“ Konformität an marxistische Interpretationen der Gesellschaft erzwingen wollten, aber sie benutzten politically correct eigentlich, um sich von diesem Dogmatismus und der Rigidität zu distanzieren. In diesem Sinne empfand Maurice Issermann die Anwendung von „Political Correctness“ auf die Linke als eine Ironie: „The irony is that the Left’s own in-joke has been appropriated by the Righttobludgeon the Left for, among other things, ists supposed humorlessness.“) …

“Wie aus dem Prozeß der Vereinnahmung des Begriffs durch die Konservativen hervorgeht, handelte es sich bei „Political Correctness“ nicht um eine organisierte Bewegung, sondern um einen weiten von den Konservativen benutzen, unter dem verschiedene liberale Gruppierungen mit ähnlichen Zielen und Konzepten, aber oft disparaten Kontexten und geschichtlichen Erfahrungen zusammengefasst wurden. Da die Reformbewegungen an den Universitäten schon entscheidende Veränderungen erreicht hatten und weitere anvisierten, die die traditionellen Maßstäbe akademischer Werte und Objektivität in Frage stellten und reformieren wollten, empfanden die Konservativen alle Reformbewegungen trotz ihrer vielfältigen Kontexte und Anliegen vor allem als eine Gefahr. „Political Correctness“ wurde als eine organisierte Bewegung hingestellt und als Oberbegriff von den Gegnern der Reformvorhaben benutzt, um Reformen durch die pejorative Konnotation der Medienkampagne zu diskreditieren und wenn möglich zu verhindern und somit den status quo der amerikanischen Gesellschaft mit seinen Normalitätsvorstellungen zu bewahren. Das heißt, konservative Akademiker, Kulturkritiker und Journalisten haben den Begriff der „Political Correctness“ daher … vor allem als ein Instrument gegen alle möglichen liberalen Reformvorhaben benutzt, eine Strategie, die ich hier als conservative backlash bezeichnen möchte.“

„Das heißt, es ging in der „PC“-Debatte vor allem um die Auseinandersetzung um ein neues Verständnis gesellschaftlicher und kultureller Traditionen und der damit verbundenen Normalitätsvorstellungen (…). Was somit negativ als „Political Correctness“ abgetan wurde, bedeutete für die als politisch korrekt Bezeichneten eine Weiterführung vorrausgegangener nationaler Bemühungen und gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen.“


  • Was war mit dem Begriff „Political Correctness“ seitens der "PC"-Kritiker gemeint?

Die Furcht vor einer Unterhöhlung und letztlich Auflösung der gemeinsamen amerikanischen Kultur als Folge der Forderung nach einer größeren kulturellen Vielfalt in allen gesellschaftlichen Bereichen drückte sich auch in Peter Durignans und L-H. Ganns (Hoover Institution on War, Revolution and Peace, Stanford Universitiy – Anm. a.) Analyse der „Political Correctness“ ” aus: “Stressing diversity, group rights, and differences will result in Balkanization („Der Begriff Balkanisierung wird häufig in der Beschreibung der Konsequenzen von „Political Correctness“ ” angeführt und verweist auf die Gefahren einer gesellschaftlichen und kulturellen Fragmentarisierung oder gar Auflösung“ – Fußnote a.m.), and hostility and intolerance will triumph over ‚peaceful and productiv cooperation’.“ Angelehnt an öffentliche geschürte Ängste vor Bedrohung, Fragmentarisierung und daraus resultierendem Zerfall, fanden sich in den Bewertungen von „Political Correctness“ dann auch Verweise auf das Krankhafte dieses Phänomens, hier vor allem der Bergleich von „Political Correctness“ mit einem Virus: „The specter of „Political Correctness“ , disguised as multiculturalism, is threatening America (…) the PC/MC virus is on ist way to devouring American higher education“ (Reevers 69). „Political Correctness“ wurde als Schreckgespenst präsentiert,welches das amerikanische Bildungssystem und die Gesellschaft durchsetzen und letztendlich zerstören könnte.

Diese der Gesellschaft der USA durch „Political Correctness“ drohenden Gefahren wurden durch sogenannte „PC-anecdotes“ veranschaulicht und untermauert. Es handelte sich dabei um eine Reihe von jeweils einen Vorfall beschreibenden Geschichten, die groteske Ausmaß und die fatalen Konsequenzen von „Political Correctness“ illustrieren sollten. Die Bezeichnung „Anekdote“ erhielten die Geschichte vor allem, da sie sowohl in der Presse als auch im Rundfunk und Fernsehen gebetsmühlenartig wiederholt wurden und damit fast den Charakter eines „folktale“ annahmen. Diese Geschichten sollten jedoch keine witzigen oder amüsanten Beiträge zum Thema sein, sondern eher den beängstigenden Zustand veranschaulichen, den „Political Correctness“ angeblich schon hervorgerufen hatte.

Wer waren nun diese sogenannten politisch Korrekten? Das „1992 Book of the Year“ der „Encyclopedia Britannica“ bezeichnetet “Political Correchtness und ihre Vertreter als “a pejorative term to describe a loose collection of feminists, Marxists, multiculturalists, and deconstructionists together with their assorted leftwing positions on race, seyual orientation, gender, class, the environment and related issues”. … Mark Silk, Kolumnit der Atlantic Constitution, schließlich faßt dieapokalyptischen Ängse und politisch motivierten Meinungen der Konservativen über die sogenannten politisch Korrekten wie folgt zusammen: „American higher educatin has been takenover by a professoriate that came to political consciusness in the 1960s and never got over it – pointy-headed leftistis have been hard at work undermining Western civilization in the name of multiculturalism - they are corrupting the American youth by preaching a radical eglitarianism of race, ethnicity, national identity, gender, seual preference, and physical/mental ability.” (PC Provides Fair Picture of the America of Today, 9 May 1991)”

Auffällig und aufschlußreich ist, daß es anfangs nur sehr wenige Gegendarstellungen bzw. Verteidigungsversuche der Repräsentanten der „Political Correctness“ gab. Da sich die als Vertreter der „Political Correctness“ bezeichneten Gruppen weder selbst politisch korrekt nannten, noch sich als Repräsentanten dieser neuen Bewegung verstanden (…), gab es verständlicherweise in den Medien auch keine Einführung oder Vorstellung des Konzepts der „Political Correctness“ von seiten ihrer sogenannten Verfechter. Dieser Umstand erklärt die anfänglich spärlichen gegnerischen Darstellungen zu der in den Medien verbreiteten Kampagne gegen „PC“. Die Gegendarstellungen konzentrierten sich darauf, die Unterstellungen der Konservativen noch einmal zu wiederholen und zu widerlegen bzw. zu erklären.


  • Zitate aus der Einleitung:

Ariane Manske beschreibt das „Konzept“ der „Political Correctness“ als eine der „Strategien“ konservativen Verteidigung traditioneller Werte im „culture wars“. „Political Correctness“ äußert sich hierbei als „vehement betriebene Diffamierungskampagne gegen die Liberals.“ Sie „setzten damit eine Strategie der politischen Diffamierung aus den 80er Jahren direkt fort. An die Stelle des L-words (ein in der Wahlkampfkampagne 1988 von Konservativen geprägter negativ konnotierter Begriff für den Liberalismus) trat nun „Political Correctness“ , um gegen den liberalen ‚Feind’ ins Feld zu ziehen.“

„Die Debatte um „Political Correctness“ lieferte Stichworte für einen nationalen Diskurs, in dem es um die öffentliche Akzeptanz und kulturelle Repräsentation von gesellschaftlich marginalisierten Bevölkerungsgruppen nicht nur im nationalen Bewusstsein, sondern insbesondere auch beider Definition des amerikanischen Selbstverständnisses ging. Die gesellschaftliche Stellung von ethnischen Minderheiten oder von Frauen stand ebenso im Zentrum der Debatten wie veränderte Lehrinhalte und –methoden an den Universitäten. Diesen gesellschaftlich marginalisierten Gruppen sollten umfassende Mitspracherechte eingeräumt werden, und ihre Kulturen und Traditionen sollten gleichberechtigt in den common culture und den mainstrem der Vereinigten Staaten integriert werden. Die PC-Diskussion war daher untrennbar mit der sei Beginn der 80er Jahre in den Vereinigten Staaten vehement und kontrovers geführten Debatte um den Multikulturalismus verbunden und war gleichzeitig eine Auseinandersetzung um die Geschichte des Landes.“

"Die Diskussion um „Political Correctness“ war einweiterer Streitpunkt im Kulturkampf (culture war), der seit den 80er Jahren … Obwohl die Geschichte der Vereinigten Staaten insgesamt von zahlreichen kulturellen Konflikten bzw. Kulturkämpfen geprägt war, verlief der Kulturkampf im ausgehenden 20. Jahrhundert entlang neuer Gefechtslinien und betraf neue Inhalte. Drehten sich kulturelle Konflikte bisher um religiöse Praktiken, Organisationen und Doktrinen, so ergaben sich die Konflikte im ausgehenden 20. Jahrhundert, laut James Davison Hunter, aus unterschiedlichen Weltsichten (differing world views) und der Auseinandersetzung zwischen traditionellen und progressiven Ansichten.“

„Die kontroverse Diskussion um den literarischen Kanon schlug sich in der Auseinandersetzung um die geisteswissenschaftlichen Lehrinhalte nieder. Erbitterte Debatten entbrannten vor allem um die tradierten Inhalte der Lehrveranstaltung zur Western Civiliziation, die am europäischen Geistes- und Kulturgut orientiert waren. Sie wurden durch die Forderungen ... nach einer multikulturellen amerikanischen Ausrichtung in ihrer inhaltlichen tradierte und eurozentristischen inhaltlichen Struktur in Frage gestellt. Die demokratisierenden Bestrebungen konzentrierten sich auf die american studies, diein ihrer Vermittlung der amerikanischen Kultur und Literatur bisher weite Teile der literarischen Produktion in den Vereinigten Staaten ausgespart hatten. Die Grenzen des curricularen Normalfeldes wurden neu abgesteckt und amerikaspezifische nationale sowie ethnische, soziale und geschlechtsspezifische Komponenten in die Lehre einbezogen.

Die in der PC-Debatte um den Kanon und das curriculum erscheinenden Normalisierungsstrategien reflektierten die unterschiedlichen Modelle amerikanischer Identität und gesellschaftlicher und kultureller Integration. Die akademischen Kontroversen wirkten ihrerseits zurück in die Gesellschaft und beförderten neue Einsichten, in die in der amerikanischen Gesellschaft vor sich gehenden sozialen und kulturellen Veränderungen. … (Diskussion um Integrationskonzepte: Anglo-conformity und melting pot, cultural pluralism und salad bowl) … … das in den 20er Jahren entwickelte Konzept des cultural pluralism als Emanzipation vom eurozentristischen anglokonformen Konzept der Assimilation in den gesellschaftlichen Normalbereich (melting pot) …. Die seit den Bürgerrechtsbewegungen der 60er Jahre ausgebrochenen Konflikte um eine zu verwirklichende Gleichberechtigung mündeten in das seit den 80er Jahren beschriebene Gesellschaftskonzept der multikulturellen amrikanischen Gesellschaft (salad bowl). Dies wird als Demokratisierung des bereits amerikaspezifischen, auf Pluralität und Heterogenität ausgerichteten Konzepts der cultural pluralism interpretiert. Mit diesem multikulturellen Modell konnten die bis in die 60 Jahre als ‚nicht verschmelzbar’ angesehenen Mindeerheiten (Africn Americans, Asian Americans und Native Americans) als gleichberechtigt du damit ‚normal’ in den mainstream der amerikanischen Gesellschaft aufgenommen werden. Die gesellschaftlichen Minderheiten wandten sich damit generell gegen die Homogenisierung von kulturellen Unterschieden duch Assimilation und forderten eine Flexibilisierung und Öffnung des gesellschaftlichen Normalbereichs, die die nationale Identität in ihrer Vielfalt präsentierte. Die in der PC-Diskussion verfolgten Strategien gegen den Multikulturalismus und gegen die als politisch korrekt verzeichneten Reformvorhaben sollten diese Flexibilisierung des gesellschaftlichen Normalbereiches verhindern.


… Zur Strategie: „Anliegen dieser Strategien war es, die Vorhaben der amerikanischen Linken und Liberals als unamerikanisch und undemokratisch hinzustellen und zu verteufeln. Eine der effektivsten konservativen Strategen der diffamierenden Verwendung des Konzepts/Begriffs der „Political Correctness“ , mit dem die Konservativen ihre Gegner belegten, und gegen den sich die Linken und Liberals nur schwer verteidigen konnten. Selbst wo dies in Ansätzen erfolgreich schien, blieb doch die Tatsache, dass sich die Linken und Liberals in der rhetorischen Defensive befanden; schon allein das war ein Triumph der Konservativen. Eine weitere Strategie war die Übernahme linker Rhetorik durch die Konservativen: Mit der Verwendung linker Sprache und Begrifflichkeiten und solcher Konzepte, wie das der gesellschaftlichen Unterdrückung und Marginalisierung, entzogen sie den Linken und Liberals nicht nur deren Argumentationsgrundlage, sondern präsentierten sie als macht- und herrschsüchtig, dominant und repressiv. Das von konservativer Seite benutzte Konzept der „Political Correctness“ wird daher als conservative backlash gegen soziokulturelle Veränderungen gewertet: Es war, wie John Wilson treffend feststellte, ein Conservative Correctness, eine militante Reaktion auf die Herausforderung tradierter kultureller Autorität, in der der mainstream nicht mehr die Macht über die Definition des Normalbereichs hatte. Der gesellschaftliche und kulturelle Konsens war endgültig aufgebrochen. Die Argumente der conservative correctnees erhellten ein im Endeffekt vergebliches Bemühen, diese gesellschaftlichen Umbrüche zu kanalisieren und in ihrer Wirkung einzugrenzen.“

  • Frage der nationalen Identität: Hintergründe für die PC-Kampagne


Im Mittelpunkt der PC-Kontroverse standen grundsätzliche Auseinandersetzungen um die amerikanische common culture und die Definition des nationalen Selbstverständnis. Die von Hector St. John de Crévecoeur im 18. Jahrhundert aufgeworfene Frage nach der Identität des Amerikaners war auch Ende des 20. Jahrhundert noch relevant und blieb für weite Teile der amerikanischen Bevölkerung nach wie vor unbeantwortet. Die an einer diffusen American experience festgemachten Identitätsmodelle fanden ihren Ausdruck in kulturellen Mythen wie dem des American Adam oder des American Dream bzw. in kulturellen Narrativen wie der des self-made-man. Das Amerikanertum war zwar essentiell mit der Idee der Gleichheit und der amerikanischen Demokratie verbunden; dies ließ jedoch die ‚amerikanische Erfahrung’ ethnischer und anderer gesellschaftlicher Minderheiten sowie der Frauen außer acht.

Was die Amerikaner verbinden sollt, war das Ideal des American Dream und das bereits in der Unabhängigkeitserklärung gegebene Versprechen von Gleichheit, Freiheit und Streben nach Glück und Erfolg. Dieser Traum sollte den Immigranten als „Applikationsvorlage“ (Link) dienen und im Sinne eines gemeinsamen kollektiven Ziels die Heterogenität der amerikanischen Einwanderergesellschaft in einer charakteristisch amerikanischen Identität verschmelzen. Dieses identitätsstiftende Modell, das auf der Grundlage einer Vision zu künftigen Erfolgs, geformt wurde, erschwerte jedoch die Definition einer amerikanischen Identität. Todd Gitlin verwies auf die problematichen Implikationen eines im Zuknftigen angelegten Identitätskonzepts und betonte gleichzeitig die produktiven, dynamischen aspekte einer so gefassten Identität, die Raum für unterschiedliche Interpretationen und für Erwartungen bot …

Trotz ihrer ursprünglichen Funktion der kulturellen ‚Homogenisierung’ entzog sich diese entscheidende Bestimmung amerikanischer Identität daher nicht nur einer eindeutigen Definition, sondern öffnete sie für di Möglichkeit radikaler Revision und vielschichtiger Interpretation im Sinne der Akzeptanz von Diversität als identitätsstiftendes Merkmal. Der Wunsch nach kultureller Einheit wurde durch dieses vielschichtige Konzept bereits im Ansatz relativiert und unterminiert. Im Streben nach Erfüllung des American Dream stellten die ethnischen und anderen gesellschaftlichen Minderheiten sowie die Frauen dieses und andere identitätsstiftende Konzepte in Frage. In der PC-Diskussion betonten sie, dass die Vereinigten Staaten zwar seit Beginn ihres Bestehens eine im Wesen multinationale bzw. multikulturelle Gesellschaft waren, in der gesellschaftlichen Praxis aber weite Bereiche dieser kulturellen Vielfalt entweder aus dem Normalbereich des mainstream ausgeschlossen oder unter homogenisierende Mythen und Narrative subsumiert wurden.

Viele Immigranten wurden zwar erfolgreich in den mainstream assimiliert, aber für bestimmte Bevölkerungsgruppen war diese Assimilation nicht möglich und führt auch nicht zum Recht auf Staatsbürgerschaft. …

(die Reformer) … forderten die Akzeptanz und die gleichberechtigte Einbeziehung der gesellschaftlich marginalisierten Gruppierungen in den amerikanischen mainstrem: ein mainstream jedoch, der dynamisch und offen ist und kulturelle Vielfalt nicht den tradierten Vorstellungen der kulturellen Einheit unterwirft. Für sie bedeutete die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Konflikten keine Bedrohung der common culture; sie demonstrierte ganz im Gegenteil die Vitalität der amerikanischen Gesellschaft und Kultur (vgl. Newfield und Strickland).

Der Gegner … sahen in dieser Reform des mainstrem eine Bedrohung der amerikanischen common culture und stigmatisierten das hartnäckige Beharren auf kultureller Vielfalt und difference in allen Lebensbereichen als Gefahr für die gesellschaftliche kulturelle Ordnung. Sie empfanden die politisch korrekten Bestrebungen als Aufkündigung des gesellschaftlichen und kulturellen Konsenses, da die Reformer besonders in der Auseinandersetzung um den literarischen Kanon und das universitäre curriculum die inhaltlichen Determinanten des amerikanischen kulturellen Erbes kritisierten und ur Disposition stellten.

Die Reformer strebten eine umfassende Vergangenheitsbewältigung in der amerikanischen Gesellschaft und Kultur an: Als deren Ergebnis sollte die in der common culture vernachlässigten Bevölkerungsgruppen mit ihrer Kultur und literarischen Produktion als gleichberechtigt und ‚normal’ in die gemeinsame Kultur integriert werden.

Die Angriffe der PC-Gegner auf die ’Multikulturalisierung’ des literarischen Kanons bzw. des curriculum durch die ethic studies programs und die feministische Literaturkritik reflektierten deren generelle Frucht vor Veränderungen in der amerikanischen Kultur und Tradition. …

Die Vehemenz der konservativen Angriffe und Verurteilungen der Reformvorhaben deutet darauf hin, wie schwerwiegend für die Konservativen der Verlust ihrer kulturellen Autorität in der Definition der amerikanischen Kulturtradition und der Bestimmung der Lehrinhalte war. Deren offensiv eingesetzten protonormalistischen Strategien zielten auf eine Eindämmung von Flexibilisierungsbestrebungen durch Diskreditierung und Stigmatisierung linksliberaler Reformen und reflektierten ihre Bemühungen, den Status quo der amerikanischen Gesellschaft aufrechtzuerhalten.



Ariane Manske (2002): „Political Correctness“ und Normalität. Die amerikanische PC-Kontroverse im kulturgeschichtlichen Kontext. Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2002. ISBN 3935025335

  • Rezension von Rolf Löchel [1]