Benutzerin:Motmel/Streit um musikalische Autorschaft

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Zur Zeit gibt es Krieg.

Was ist Krieg? Was Streit?

Der am 24. Februar 2022 von Putin begonnene Krieg gegen die Ukraine kann nicht nur „Streit“ genannt werden, denn es geht um Leben, Sterben und Macht. Beim Streiten dagegen gehört Vertragen dazu. Auch erbittertes Streiten hat Vertragen als Ziel. Eigentlich. Oder? Krieg aber hört erst auf, wenn einer ihn gewinnt. Sagt Putin, koste es, was es wolle.

Im Streit um das Cembalokonzert in g-Moll geht es um eine Autorschaft, weil die bisherige be-stritten wird. Mit anderem Wort: sie ist strittig. Zu mindestens für die Partei A. Warum? Weil eine erst 1997 gefundene weitere Handschrift desselben Stücks Wilhelmines Namen nicht trägt. D. h., diese Handschrift hat drei verschiedene unbekannte Schreiber und blieb zunächst anonym. Irgendwann später wurden zwei verschiedene Komponistennamen darauf notiert: Erst "Foerster", dieser wurde durchgestrichen und später ein anderer mit anderer Schrift notiert: "Jaenichen", dem von Partei A die neue Autorschaft zuerkannt wird. Die Umstände der Quellenüberlieferung, die sich dabei ergeben, wurden nicht wahrgenommen.

Bevor diese beschrieben sein soll, muss auf den besonderen Wert des Fundes hingewiesen werden: Es handelt sich um die vollständige Komposition, deren Solostimme seit vielen Jahrzehnten hier erstmals zu Tage tritt.

Auf dieser erst 1997 gefundenen vollständigen Handschrift stand zunächst nur eine Nummer: 7. g [G?] am rechten oberen Rand des Umschlags.[1] Offensichtlich später kam ein Titelschild darauf.[2] Das Titelschild lautet No.1 [!]/ CONCERTO / à / Cembalo Concertato / 2 Violini / Viola et / Basso / del Sig. Foerster. Dieser Musikername, der im Umkreis der Weimarer fürstlichen Familie bekannt war, wurde durchgestrichen, dafür mit wieder anderer Schrift Jaenichen gesetzt. Das Stimmen-Manuskript stammt aus der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek Weimar. Offensichtlich aber nicht aus dem Besitz der Herzogin, sondern von einer Sammlung aus SAltenburg/Thüringen, wie heute vermerkt ist. In Weimar verbrannte es 2004, vier Jahre nach seiner Veröffentlichung, die unter Wilhelmines Namen geschah, dem Namen von der bis dahin bekannten Handschrift in Wolfenbüttel.[3] Es existiert eine Fotokopie von vor dem Brand.

Man spielte das Konzert seit zig Jahren nach der Wolfenbütteler Quelle,[4] indem man die fehlende Solostimme dazu erfand. Niemand stellte Wilhelmines Autorschaft in Frage. Erst, als die vollständige Fassung auftauchte...

Keine Grenzverletzung, was aber führte zum Streit? Die Freude, dass das Konzert wieder vollständig war?

Kann Wissenschaft streiten? Beim Recherchieren fand ich: „Ein Argument wird untergraben, indem Wahrheit an sich in Frage gestellt wird“. „Wahrheit an sich“ ist besser als „Wahrheit“? Zumindest ein bewusster Ausdruck. Ich übertrag ihn mal auf Wilhelmines Autorschaft am Cembalokonzert. Die war seit 1890 aktenkundig und unangefochten, denn sie war nicht nur zugeschrieben, sondern gehörte zur Abschrift des Copisten; dass deren Solostimme fehlt, ist nichts Ungewöhnliches. Wilhelmines Autorschaft leuchtet ein, weil vom Bayreuther Hofkopisten „Bayreuth copist 34“ (RISM) als „di Wilhelmine“ autorisiert und aufbewahrt in der HAB Wolfenbüttel, einer familiären Bibliothek, denn die Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel, deren Noten dort verwahrt sind, war Wilhelmines Schwester.

In der neuen Quelle Weimar zeigt sich ein auffälliger schriftlicher Zusatz Ende des ersten Satzes: „Si sona capriccio“ (hier spiele man ein Capriccio). Capricci waren damals kühne Einzelstücke. Hier an der Stelle ist jedoch eine improvisierte Verlängerung des Satzes gemeint, die ihm kurz vor Schluss eine besondere Wirkung verleihen soll. Der Begriff „Capriccio“ erinnert an ein musikalisches Konzert im Jahr 1728 in Berlin, als Wilhelmine Gelegenheit hatte, zwei berühmte Geiger, Pietro Locatelli und Johann Gottlieb Graun bei einem Hofkonzert am Cembalo zu begleiten. Dabei dürfte sie die Locatellischen Capricci (Konzertkadenzen) kennengelernt haben, die er damals auf seiner Reise nach Amsterdam, in Veröffentlichungsabsicht zu Papier gebracht, mit sich führte. Nirgends sonst ist dieser frühe Terminus für eine „cadenza“ bei einem Tastenkonzert zu lesen als im angeführten Cembalokonzert in g-Moll.[5] Und noch was: Quelle Weimar wurde im Laufe der Zeit innerhalb verschiedener Sammlungen registriert (s. o.): Bayreuth, Eisenach,[6] zum Schluss Weimar. Und die Kadenz im zweiten Satz könnte von der Hand Philipp Emanuel Bachs stammen. Könnte. Ein Auflösungszeihen, das nicht zu P. E. Bachs Handschrift passt, müsste jemand anderes gesetzt haben, nämlich der Schreiber der übrigen Cembalonoten, zu dem es passt. Es handelt sich um eine Variante: statt Ton „es“ alternativ ein „e“ – beides passt. Klingt doch passend?

Noch weitere Wahrscheinlichkeiten: Quelle Wolfenbüttel aus Besitz Philippine Charlottes (die zuerst bekannte) ist wahrscheinlich zusammen mit Wilhelmines Oper L'Huomo (Bayreuther Papier im Vorsatz) bei der zweiten Hochzeit des Markgrafen Friedrich in Wolfenbüttel 1759 an seinen jetzigen Ort gekommen. Das Material dürfte vom Bayreuther Kopisten als gekürzte Fassung des Konzerts für ein Liebhaberensemble geschrieben sein. So eins, wie Tischbein beim herzoglichen Familienbild in Wolfenbüttel 1762 gemalt hat (1759 war 7-jähriger Krieg). All das sagt hier die Partei B.

Was ist Wahrheit an sich? Wird sie unwahrer, wenn sie strittig ist? mal abgesehen von den Argumenten der Parteien A und B: warum überhaupt streiten? Wo kein Autograph ist, kann man alles in Frage stellen, strittig machen, wenn man will. Will. Wenn die Fakten der Gegenseite nicht genügen, dann könnte ja der Streit behoben sein, indem alles beim Alten bleibt. Oder: Da die Argumente der Partei A, die aufgrund von Ignoranz der Fakten der Partei B ungenügend sind, könnte der Streit auch wegen Sinnlosigkeit eingestellt werden. Wird er vermutlich aber nicht, das wäre Gesichtsverlust.

Man kanns nicht mehr hören (lesen)! Immer und ewig über Wilhelmines Cembalokonzert. Ja das ist Gesichtsverlust (für wen?). Aber nur bei einem Streit. Lächerlich, niemand stirbt.

Oder doch? Wilhelmines Kreativität. Die stirbt in diesem Streit. Typisch Frau, denn „man kann Wilhelmine nicht Komponistin“ nennen.[7]

Fakten der Partei B:[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Umschlag aus bunt marmoriertem, so genannten Vorsatzpapier, das am Bayreuther Hof verwendet wurde, darin Cembalostimme und eingelegt die Streicherstimmen.
  2. Die Ordnungsnummer „7“ der „Randbemerkung“ war aber vorher da, sonst wäre sie auf das Titelschild geschrieben worden.
  3. Furore-Verlag 2000.
  4. Stimmen-Manuskript in der HAB „di Wilhelmine“ eines Bayreuther Hofkopisten.
  5. Als Phil. Em. Bach seines Vaters d-moll Konzert BWV 1052 1734 als Tastenkonzert bearbeitete, schrieb er im dritten Satz unter der Fermate (Anweisung für die improvisierte Solokadenz) Cadenza al'arbitrio (nach Belieben, dieser Ausdruck ist zwar auch ungewohnt, aber auch in Einzelfällen bei anderen Komponisten nachweisbar. (War es eine Violinfassung des Konzerts? Für Franz Benda? Wurde die Klavier-Fassung woanders aus des Vaters Noten gespielt?) In der Quellenbeschreibung dieses Konzertes steht ja, das dessen Klavierstimme wesentlich später geschrieben wurde. Was war überhaupt die Motivation, 1734 ein so tolles Konzert des Vaters, das sehr wahrscheinlich im ersten Durchgang für Violine gesetzt war, zum ersten Mal für Solocembalo zu bearbeiten??
  6. Beim Herzog Ernst August von Weimar, der 1734 die Bayreuther Prinzessin heiratete und der 1741 die Herrschaft über Eisenach erhielt
  7. Interview Partei A