Bernd Grimm

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Bernd Grimm (* 1962 in Ellwangen (Jagst)) ist ein deutscher Diplom-Designer, Architekturmodellbauer und Künstler. Er wurde durch die Erstellung von Architekturmodellen historischer und antiker Gebäude bekannt. Zehn seiner Modelle gehören zu der Sammlung der Architekturikonen des Architekten Oswald Mathias Ungers.

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bernd Grimm studierte von 1983 bis 1989 Industrial Design an der Hochschule für bildende Künste Hamburg bei Lambert Rosenbusch und machte dort seinen Abschluss als Diplom-Designer. Während seines Studiums entwickelte sich sein Interesse für das Fachgebiet der Architekturtheorie. Zusammen mit seinem Studienkollegen Jan Christophe Kraege stellte er wissenschaftliche Untersuchungen zu historischen Gebäuden wie dem Tempel Fonte di Clitunno in der Nähe von Spoleto an (1985) und fertigte ein Modell davon.[1] Auch untersuchte er die Funktionalität des von Balthasar Neumann entwickelten Proportionalzirkels.[2] Noch während seines Studiums beauftragte ihn das Deutsche Archäologische Institut, ein Modell des Mars-Ultor-Tempels auf dem Augustusforum in Rom zu erstellen (1987).[3] Nach seinem Studienabschluss war Grimm von 1990 bis 2007 freier Mitarbeiter im Architekturbüro von Oswald Mathias Ungers, wo er zuständig wurde für die Erstellung von Architekturmodellen historisch bedeutsamer Gebäude. Die Idee war, eine Art „dreidimensionale Sammlung“[4] zu erschaffen. Im Lauf der Jahre entstanden so die zehn Architekturikonen der Sammlung Ungers, die Grimm nach intensiven Recherchen aus Alabastergips fertigte. Das Modell wird so zum hochwertigen Kulturgut.[5]

Von 2007 bis 2020 war Bernd Grimm künstlerischer Leiter von Ungers’ Archiv für Architekturwissenschaft. Von 2012 bis 2014 war er akademischer Mitarbeiter im Atelier Gerhard Richter in Köln. Im Jahr 2015 war er Praxis-Stipendiat der Villa Massimo in Rom.[6]

Architekturmodelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Meine Modelle abstrahieren: sie zeigen keine Bauten, sondern die reine Idee.“

Bernd Grimm: zitiert in Eva Zimmermann: „Grimms Gipsmodelle“[7]

Architekturmodelle können verschiedene Funktionen erfüllen. An einem Entwurfsmodell kann der Architekt seine Vorstellungen auf Realisierbarkeit überprüfen. Präsentationsmodelle können bei Wettbewerben eingereicht werden, umfangreichere Modelle können zeigen, wie sich ein geplantes Bauwerk in das vorhandene Umfeld integriert. Im Bereich der Architekturtheorie finden Modelle aber auch als Lehr- und Lernmodelle Verwendung, um die Ästhetik und Konstruktion historischer Gebäude zu veranschaulichen. Grimms Werke lassen sich vor diesem Hintergrund als Modelle nach gebauten Architekturen oder Erinnerungsmodelle begreifen.[8]

Am Anfang jedes Modellbau–Projektes von Bernd Grimm stehen wissenschaftliche Recherchen; alte Zeichnungen und Bauaufnahmen werden zu Rate gezogen und Literatur zu den jeweiligen Gebäuden wird studiert. Zumeist schließen sich daran Untersuchungen vor Ort an, so hat Grimm z. B. für das Modell des Mars-Ultor-Tempels einige Monate in Rom verbracht und den Tempel fotografiert und vermessen. Erst nach diesen umfangreichen Vorarbeiten kann er Entscheidungen darüber treffen, wie das jeweilige Modell gestaltet werden soll: „Erst einmal entwickle ich ein Denkmodell. Was ist das Grundlegende? Was trifft den Kern und das Wesenhafte eines Bauwerks am besten? Entscheidend sind immer zwei Dinge: Reduktion und Interpretation.“[9]

Für die Darstellung des Tempietto di Bramante war zu berücksichtigen, dass ursprünglich ein kreisrunder, von Säulen umgebener Innenhof geplant war, während der Innenhof heute viereckig und ohne umgebende Säulen ist. Auch führten ursprünglich Stufen zum Tempel, so dass der Betrachter das Gebäude in Untersicht sah.[10] Grimm gestaltete den Sockel historisch korrekt als kreisrunde Fläche und machte ihn so hoch, dass die durch die Stufen des Tempels vermittelte Untersicht auf das Gebäude sichtbar wurde. Beim Nachbau antiker Tempel wie dem Pantheon oder Parthenon waren grundsätzliche Entscheidungen darüber zu treffen, welche Phase des jeweiligen Gebäudes dargestellt werden sollte – der Idealzustand oder ein Abbild dessen, wie die Tempel heutzutage aussehen. Schließlich muss ein Maßstab ausgewählt werden, der die wesentlichen Elemente der Architektur verdeutlicht, ohne sich zu sehr in Details zu verlieren.

Grimm fertigt all seine Architekturmodelle in reinweißem Alabastergips, da dieses Material neutral wirkt und sich aufgrund seiner Eigenschaften für die Darstellung feiner Details gut eignet.[11] Für wiederkehrende Gebäudeteile wie Säulen erstellt er Abgussformen aus Silikon.[7] Auch arbeitet er mit Schablonen und entwickelt eigene Werkzeuge, falls nötig.[9] Da Gips schwer ist, haben die Modelle eine Unterkonstruktion aus Holz.[7] Allein für das Modell des Parthenon benötigte Grimm 200 Kilogramm Gips[12] und über ein Jahr Bauzeit.[13] Während man sich bei dem Wort Modell immer etwas Kleines vorstellt, sind die Werke Grimms durchaus nicht klein: So hat z. B. das Modell des Pantheon die Maße 74 × 170 × 97 cm und auch seine anderen Modellen haben ähnliche Ausmaße. „Nach langer Arbeit entsteht so eine Architektur als Skulptur, die wie antike Figuren einzigartig ist – geradeso wie die Arbeitstechniken mit Gips, die nur wenige beherrschen und viel Erfahrung voraussetzen.“[11] Das Magazin Architectural Digest bezeichnet Grimm dann auch in seinem Themenheft Best of Germany als den „Kölner Modell–Michelangelo“.[4]

Bronzereliefs im öffentlichen Raum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 2011 dokumentiert Bernd Grimm mit einer Serie von sieben Bronzereliefs den Landschafts- und Strukturwandel im Kölner Stadtteil Vogelsang vom ländlichen Gebiet hin zum Gewerbe-Park „Triotop“. Auftraggeber für diese Arbeiten ist der Unternehmer Anton Bausinger (Bauunternehmen Friedrich Wassermann).[14] Die Bronzereliefs sind jeweils 1 × 1 Meter groß und an der Belvederebrücke in Köln aufgestellt. Im Einzelnen werden die räumlichen Situationen aus folgenden Jahren dargestellt: 1893, 1926, 1934, 1975, 2000, 2010 und 2025. Bisher (2019) sind sechs der Bronzeplastiken realisiert und können vor Ort besichtigt werden.[14]

Rekonstruktion „Scala del Bramante“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während seiner Zeit als Praxis-Stipendiat der Villa Massimo in Rom 2015 befasste sich Bernd Grimm mit der Scala del Bramante des Architekten Donato Bramante, die sich im Vatikan befindet. Es handelt sich um eine Wendeltreppe, die 1512 als Verbindung des Papstpalastes mit der Stadt Rom gebaut wurde. Sie wurde als stufenlose Rampe (italienisch Rampa) angelegt, daher nennt Grimm seinen Forschungsbericht Rampa del Bramante.[15]

Die Treppe ist in einem quadratischen Turm untergebracht und umfasst 36 Säulen verschiedenen Bautyps. Grimm bekam die Erlaubnis des Vatikans, die Treppe ausführlich zu vermessen und zu fotografieren. Im Anschluss daran erstellte er seinen Bericht. Einen Teil der Untersuchung bildete die „Entschlüsselung der mathematischen und geometrischen Grundstruktur“ der Rampe. Zudem untersuchte Grimm den strukturellen Aufbau der Säulen.[16]

In der Antike und seit der Renaissance bildeten so genannte Säulenordnungen ein wichtiges architektonisches System mit einer Hierarchie der verschiedenen Säulenarten. Grimm fand heraus, dass sich Bramante bei der Konstruktion seiner Treppe nicht strikt an dieses System gehalten hat. Dank eines Stipendiums der Rolf-Linnenkamp-Stiftung[17][18] konnte er ein dreidimensionales Modell der Treppe in Edelstahl und Birkenmultiplex im Maßstab 1:20 anfertigen.

Hier wurden der Aufbau und die Struktur der Treppe dadurch verdeutlicht, dass die Säulen nur als Umrisse in Edelstahl nachgebildet wurden. Zur Vergegenwärtigung der Dimensionen des Gebäudes hat Bernd Grimm die Maße sowohl in Zentimetern als auch in piedi und digiti (alten römischen Maßeinheiten, die auch noch in der Renaissance Verwendung fanden) angegeben und kommt zu dem Resultat: „Die Rampa (Scala) del Bramante ist von einem einzigen Punkt aus konzipiert und verwirklicht. Auf der Grundlage einer einfachen geometrischen Struktur, die immer einen Bezug zum Zentrum ermöglicht, ist eine hohe Präzision in der Positionierung der Bauelemente erreicht. […] Die außergewöhnliche Qualität der Wendelrampe liegt in ihrem starken entwurflichen Kerngedanken, nämlich einfache und ideale geometrische Formen mit den Säulenordnungen, als wichtiges Element baukünstlerischer Gestaltung, zu verbinden.“[17]

Weitere Bauaufnahmen und Rekonstruktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Architekturikonen der Sammlung Oswald Mathias Ungers[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lehrtätigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausstellungsbeteiligungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1999: O. M. Ungers: Zeiträume – Architektur – Kontext,[27] Kunsthalle Köln
  • 1999: Bauaufnahme Ursulinenkirche Köln, Hochschule für bildende Künste Hamburg
  • 2000: Von der Renaissance zur Gegenwart,[28] Hochschule für bildende Künste Hamburg
  • 2003: ZwischenRaumZeit,[29] Galerie suitcasearchitecture, Berlin
  • 2003: Via Culturalis,[30] Römisch-Germanisches Museum, Köln
  • 2004: ArchiSkulptur,[31] Fondation Beyeler, Basel, Schweiz
  • 2006: O. M. Ungers: Kosmos der Architektur,[32] Neue Nationalgalerie, Berlin
  • 2012: Das Architekturmodell – Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie,[33] Deutsches Architekturmuseum (DAM), Frankfurt am Main
  • 2015: Abschlusspräsentation der Stipendiaten, Deutsche Akademie Villa Massimo, Rom, Italien
  • 2016: Das Architekturmodell – ein Medium in Theorie und Praxis, ETH Zürich, Department Architektur, Zürich, Schweiz
  • 2016: 10 Jahre Villa Massimo, Vorstellung des Forschungsberichts Scala del Bramante,[34] Martin-Gropius-Bau, Berlin, Deutschland
  • 2017: Globes. Architecture & Sciences explorent le monde,[35] Cité de l’architecture et du patrimoine, Paris, Frankreich

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Bernd Grimm – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bernd Grimm; Jan Christophe Kraege: Spoleto, Tempio Fonti di Clitunno. In: Lambert Rosenbusch (Hrsg.): Industrial Design 10: Architektur. Thomas Helms, Schwerin 2000, ISBN 978-3-931185-78-7, S. 11.
  2. Bernd Grimm: Der Proportionalzirkel von Balthasar Neumann. In: Lambert Rosenbusch (Hrsg.): Industrial Design 02. Thomas Helms, Schwerin 1992, ISBN 978-3-931185-27-5, S. 19–33.
  3. Thomas Weaver: Model–Maker Grimm. In: The Architectural Association (Hrsg.): AA Files 73. London 2016, S. 96.
  4. a b Eva Zimmermann: Grimms Gipsmodelle. In: Architectural Digest (Hrsg.): Architectural Digest: Best of Germany. New York Oktober 2008, S. 68.
  5. Ansgar Oswald: Meister der Miniaturen: Architekturmodellbau. DOM publishers, Berlin 2008, ISBN 978-3-938666-05-0, S. 36.
  6. Villa Massimo Stipendiaten: Ehemalige Stipendien: Praxis-Stipendium. www.villamassimo.de, 20. Juni 2023, abgerufen am 20. Juni 2023.
  7. a b c Eva Zimmermann: Grimms Gipsmodelle. In: Architectural Digest (Hrsg.): Architectural Digest: Best of Germany. New York Oktober 2008, S. 70.
  8. Oliver Elser: Die Sammlung der Architekturmodelle nach eigenen und historischen Entwürfen. In: Andres Lepik (Hrsg.): O. M. Ungers: Kosmos der Architektur. Hatje Cantz Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-7757-1820-2, S. 44.
  9. a b Jan Maruhn: Sammler–Seminar: Baukunst en miniature – Architekturmodelle sind wunderbare Kunstwerke. In: Weltkunst, Nr. 118, August 2016, S. 73
  10. Hubertus Günther: Tempietto in San Pietro in Montorio. (PDF, 2,34 MB) Universität Heidelberg, 28. März 2012, abgerufen am 3. März 2019.
  11. a b Ansgar Oswald: Meister der Miniaturen: Architekturmodellbau. DOM publishers, Berlin 2008, ISBN 978-3-938666-05-0, S. 87.
  12. Thomas Weaver: Model–Maker Grimm. In: The Architectural Association (Hrsg.): AA Files 73. London 2016, S. 100.
  13. Oliver Elser: Die Sammlung der Architekturmodelle nach eigenen und historischen Entwürfen. In: Andres Lepik (Hrsg.): O. M. Ungers: Kosmos der Architektur. Hatje Cantz Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-7757-1820-2, S. 41.
  14. a b Liebe zur Kunst: Bernd Grimm: Bronzereliefs Zeitreise. www.triotop-koeln.de, 15. Juli 2011, abgerufen am 20. Juni 2023.
  15. Bernd Grimm: Rampa (Scala) del Bramante. (PDF, 1,74 MB) www.villamassimo.de, 24. Mai 2018, abgerufen am 20. Juni 2023.
  16. Bernd Grimm: Rampa (Scala) del Bramante. (PDF, 1,74 MB) www.villamassimo.de, 24. Mai 2018, S. 1, abgerufen am 20. Juni 2023.
  17. a b Bernd Grimm: Rampa (Scala) del Bramante. (PDF, 1,74 MB) www.villamassimo.de, 24. Mai 2018, S. 6, abgerufen am 20. Juni 2023.
  18. Förderpreis 2017. In: www.linnekamp-stiftung.de. Abgerufen am 2. August 2019.
  19. a b c d e f g Werkverzeichnis: Bauaufnahme, Rekonstruktionen. In: berndgrimm.info. Abgerufen am 20. Juni 2023.
  20. Bernd Grimm: Santa Maria del Priorato, Rom, Architekt Giovanni Battista Piranesi – Gebaute Architekturgrafik. (PDF, 144,06 MB) In: www.berndgrimm.info. 1. Mai 2016, abgerufen am 8. Februar 2019.
  21. a b c d Ungers Archiv für Architekturwissenschaft: Modellwerkstatt. Abgerufen am 4. Februar 2019.
  22. a b c Ungers Archiv für Architekturwissenschaft: Architekturikonen. Abgerufen am 4. Februar 2019.
  23. Benedikt Totze: Ungers Ikonen. (pdf, 945, 26 KB) In: Baunetzwoche, Heft 4, 2006. 27. Oktober 2006, S. 4, abgerufen am 4. Februar 2019.
  24. Fachbereich Design. Veranstaltungskalender 1999/2000. (PDF, 175,84 KB) Köln International School of Design, 13. Oktober 1999, abgerufen am 10. Februar 2019.
  25. Internationales Sommerstudio „The Rural in the City“. (PDF,240,07 KB) www.hcu-hamburg.de, 20. April 2016, abgerufen am 10. Februar 2019.
  26. ID.BA.KP.03 Wendeltreppen. www.hfk-bremen.de, abgerufen am 20. Juni 2023.
  27. Oswald Mathias Ungers: 10 Kapitel über Architektur. Ein visueller Traktat. DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2000, ISBN 978-3-7701-5270-4 (Anlässlich der Ausstellung erschienen).
  28. Lambert Rosenbusch (Hrsg.): Industrial Design 10: Architektur. Thomas Helms, Schwerin 2000, ISBN 978-3-931185-78-7.
  29. „Zwischenraumzeit“ in der Galerie suitcasearchitecture. www.art–in–berlin.de, 4. Februar 2003, abgerufen am 8. Februar 2019.
  30. Römisch-Germanisches Museum: Archiv. www.roemisch-germanisches-museum, abgerufen am 8. Februar 2019.
  31. Archiskulptur. www.fondationbeyeler.ch, abgerufen am 8. Februar 2019.
  32. O. M. Ungers. Kosmos der Architektur. www.smb.museum, 26. Oktober 2006, abgerufen am 20. Juni 2023.
  33. Das Architekturmodell - Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie. In: Baunetzwoche, Heft 272, 2012. Abgerufen am 16. Juni 2019.
  34. Zehn Jahre Villa Massimo im Martin-Gropius-Bau. Villa Massimo, 25. Februar 2016, abgerufen am 8. März 2019.
  35. Yann Rocher; Frédérique Aït-Touati (Hrsg.): Globes: architecture et sciences explorent le monde. Norma Editions, Paris, ISBN 978-2-37666-010-1 (französisch).