Berthild von Chelles

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Berthild von Chelles (auch Bertila, Berthila, Bertille oder Bertilla) (* um 630 in der Region von Soissons[1]; † 705 in Chelles) war merowingische Ordensschwester und erste Äbtissin der Abtei Chelles.[2]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über das Leben der Nonne und Äbtissin Berthild liegt die vermutlich im 8. Jahrhundert geschriebene Vita Bertilae Abbatissae Calensis vor.[2][3]

Laut der Vita ist Berthild in der Provinz Soissons geboren worden und stammte von vornehmen Eltern ab. Bischof Audoin von Rouen soll sie zum Eintritt ins Kloster ermuntert haben und ihre Eltern stimmten dem Eintritt in die Abtei Jouarre zu.[2][3] Zeitlich dürfte das in der Regentschaft von Königin Balthilde für ihren minderjährigen Sohn Chlothar III. gelegen haben, also nach etwa 657.[4]

Bathilde gründete zwischen 658 und 660 die Abtei Chelles.[1] Sie wurde in ihrer Regentschaft neben dem Hausmeier Ebroin von Bischof Audoin und von dem späteren Bischof Genesius von Lyon unterstützt. Zum Einflussbereich der Sippe des ersteren gehörte die Abtei Jouarre und der zweite soll der Königin Berthild als Äbtissin empfohlen haben.[5][3] Die Berufung diente auch der Unterstützung der in Jouarre praktizierten „Mischregel“ aus der neueren, asketischeren von Columban von Luxeuil eingeführten Klosterregel des irofränkischen Mönchstums einerseits und der etablierten Benediktsregeln andererseits, die von den Nachfolgern Columbans im Kloster Luxeuil realisiert worden war und die Balthilde über ihre Neugründung in Chelles verbreiten half.[6] Die neu entstehenden Klöster hatten große Anziehungskraft auf den fränkischen Adel und Bathilde ging nach ihrer Verbannung aus den Regierungsgeschäften 664 selbst als Nonne in ihre Neugründung Chelles.[5]

Berthild soll 46 Jahre bis zu ihrem Tod als Äbtissin in Chelles gewirkt haben. Um 705 starb sie.[2][3]

Laut der Vita soll Berthild ein vorbildhaftes und asketisches Leben geführt haben[2], was in Heiligenlexika ausführlich übernommen wurde.[7]

Nachleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sie ist eine Heilige in der katholischen Kirche, ihr Gedenktag ist der 5. November.[8][9]

Judy Chicago widmete ihr eine Inschrift auf den dreieckigen Bodenfliesen des Heritage Floor ihrer Installation The Dinner Party. Die mit dem Namen Bertille beschrifteten Porzellanfliesen sind dem Platz mit dem Gedeck für Hrotsvit zugeordnet.[10]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quelle
Wissenschaftliche Literatur
  • Nicole Suhl: Die "Vita Bertilae Abbatissae Calensis" – eine Quelle für mögliche Unterschiede in der Religiosität von "Volk" und "Elite" im frühen Mittelalter? In: Hans-Werner Goetz und Friederike Sauerwein (Hrsg.): Volkskultur und Elitekultur im Frühen Mittelalter: Das Beispiel der Heiligenviten (Medium Aevum Quotidianum 36). Krems 1997, S. 39–58 (sbg.ac.at).
  • Eugen Ewig: Das Formular von Rebais und die Bischofsprivilegien der Merowingerzeit. In: Hartmut Atsma (Hrsg.): Eugen Ewig, Spätantikes und fränkisches Gallien, Gesammelte Schriften (1952–1973). Band 2. Artemis, München 1979, ISBN 3-7608-4653-X, S. 472 f.
  • Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich. 5., aktual. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019473-1, S. 153.
Heiligenlexika
  • Agnes Baillie Cunninghame Dunbar: A Dictionary of Saintly Women: in two volumes. George Bell and Sons, London 1904, S. 121 (archive.org).
  • Alban Butler: The Lives of the Fathers, Martyrs, and Other Principal Saints. Compiled from Original Monuments and Authentic Records by the Rev. Alban Butler, in twelve volumes. James Duffy, Dublin 1866 (bartleby.com).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Eugen Ewig: Das Formular von Rebais und die Bischofsprivilegien der Merowingerzeit. In: Hartmut Atsma (Hrsg.): Eugen Ewig, Spätantikes und fränkisches Gallien, Gesammelte Schriften (1952–1973). Band 2. Artemis, München 1979, ISBN 3-7608-4653-X, S. 472 f.
  2. a b c d e Vita Bertilae Abbatissae Calensis in Bruno Krusch, Wilhelm Levison (Hrsg.): Scriptores rerum Merovingicarum 6: Passiones vitaeque sanctorum aevi Merovingici (IV). Hannover 1913, S. 95–109 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).
  3. a b c d Nicole Suhl: Die "Vita Bertilae Abbatissae Calensis" – eine Quelle für mögliche Unterschiede in der Religiosität von "Volk" und "Elite" im frühen Mittelalter? In: Hans-Werner Goetz und Friederike Sauerwein (Hrsg.): Volkskultur und Elitekultur im Frühen Mittelalter: Das Beispiel der Heiligenviten (Medium Aevum Quotidianum 36). Krems 1997, S. 39–58 (sbg.ac.at).
  4. Eugen Ewig: Balthild. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 1. Artemis & Winkler, München/Zürich 1980, ISBN 3-7608-8901-8, Sp. 1391 f.
  5. a b Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich. 5., aktual. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019473-1, S. 152–160 (153).
  6. Arnold Angenendt: Das Frühmittelalter. 2., durchgesehene Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 1995, ISBN 3-17-013680-1, S. 216 f.
  7. Siehe zum Beispiel: Alban Butler: The Lives of the Fathers, Martyrs, and Other Principal Saints. Compiled from Original Monuments and Authentic Records by the Rev. Alban Butler, in twelve volumes. James Duffy, Dublin 1866 (bartleby.com). oder Agnes Baillie Cunninghame Dunbar: A Dictionary of Saintly Women: in two volumes. George Bell and Sons, London 1904, S. 121 (archive.org). Letztere schreibt, sie "was ambitious of martyrdom, but as no persecutors were forthcoming, she martyred herself with austerities."
  8. Elisabeth Grünbeck: Bertila. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 2. Herder, Freiburg im Breisgau 1994, Sp. 293.
  9. Berthild von Chelles. Ökumenisches Heiligenlexikon, abgerufen am 9. Dezember 2020.
  10. Brooklyn Museum: Bertille. In: brooklynmuseum.org. Abgerufen am 9. Dezember 2020.