Betriebliches Umweltinformationssystem

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Betriebliche Umweltinformationssysteme (BUIS) haben die Aufgabe, umweltrelevante Daten und Informationen in einem Betrieb systematisch zu erfassen, zu verarbeiten und bereitzustellen. Sie sind in der Regel softwarebasiert und stellen ein grundlegendes Konzept des Nachhaltigkeitsmanagements dar.

Grundlagen und Umsetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein BUIS ist ein Informationssystem, das „für die Erfassung, Dokumentation, Planung und Steuerung von Umweltauswirkungen aus betrieblichen Tätigkeiten genutzt wird und somit das betriebliche Umweltmanagement in seinen Aufgaben unterstützt“.[1] Ein BUIS erfasst, verarbeitet und gibt umweltrelevante Daten aus und dient damit der Quantifizierung und Bewertung der Einflüsse unternehmerischen Handelns auf die natürliche Umwelt.[2] Ein Betriebliches Umweltinformationssystem lässt sich damit der Klasse der Umweltinformationssysteme zuordnen.

Umweltinformationen im Sinne eines BUIS sind nicht nur physikalische Messgrößen (z. B. Emissionen, Abfälle, Energieverbräuche), sondern auch damit verbundene monetäre Auswirkungen. Diese können beispielsweise in einer Umweltkostenrechnung abgebildet und analysiert werden. Die computergestützte Umsetzung fällt dann in den Aufgabenbereich von BUIS.[3]

Neben der Erfassung von Ist-Zuständen bietet ein BUIS auch die Möglichkeit, Alternativen zu analysieren und betriebswirtschaftlich abzuwägen. Bezogen auf den betrieblichen Alltag können BUIS somit als Planungsinstrumente eingesetzt werden. Sie erlauben es, komplizierte Zusammenhänge zwischen betrieblichen Handeln, Umweltbelastungen und monetären Auswirkungen zu erkennen und darauf angemessen reagieren zu können. Je nach Komplexitätsgrad der Software kann ein BUIS auf operationaler, taktischer und strategischer Ebene eingesetzt werden.[4]

Betriebliche Umweltinformationssysteme können in der Praxis grundsätzlich auf drei Arten umgesetzt werden:

  • als eigenständiges Softwaresystem (Insellösung),
  • in andere Betriebliche Informationssysteme integriert (integriertes System),
  • oder an vorhandene Systeme über eine Schnittstelle angegliedert.

Umweltrelevante Daten als Datengrundlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Umweltrelevante Daten bilden die Datengrundlage für BUIS. Sie lassen sich in fünf Kategorien einteilen (vgl. Lang-Koetz 2006):

  • Stoff- und Materialstammdaten (Stoff- und Materialeigenschaften),
  • Strukturdaten (Organisationsstrukturen, Produktionsstrukturen und Prozessabfolgen),
  • Prozessdaten (funktionale Zusammenhänge innerhalb einzelner Prozesse),
  • Stoff- und Energieflussdaten (Art und Menge der im Unternehmen fließenden Stoffe, Materialien und Energien),
  • Organisationsdaten (Dokumentationen organisatorischer Abläufe).

Umweltrelevante Daten finden sich in ERP-Systemen als Plandaten und Istdaten, maschinen- oder personalbezogen in der Betriebsdatenerfassung im PPS-System, in technisch-industriellen Informationssystemen oder in speziellen BUIS (zum Beispiel Emissionsdatenbanken, Abfalldatenbanken oder Gefahrstoffdatenbanken). Als standardisierte Schnittstelle zwischen ERP-Systemen und BUIS fungiert die PAS 1025.

Stärken und Potentiale zur Begegnung der Nachhaltigkeitsherausforderung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ökologisch: Umweltinformationen sind die Grundlage der Steuerung betrieblicher Umwelteinwirkungen und somit eine zentrale Voraussetzung zur Begegnung der ökologischen Nachhaltigkeitsherausforderung. BUIS stellen sicher, dass Umweltinformationen für die Entscheidungsträger in Unternehmen verfügbar und transparent sind und liefern Anhaltspunkte für eine kontinuierliche Reduzierung der unternehmerischen Umweltwirkungen.[5]

Ökonomisch: Der Einsatz von BUIS trägt zur Erschließung von Effizienzpotentialen bei, insbesondere hinsichtlich des Energie- und Materialverbrauchs. Durch die Integration ökologischer und ökonomischer Daten werden Mitarbeiter und Führungskräfte in die Lage versetzt, die Ökoeffizienz ihrer Produktion kontinuierlich zu steigern und auf diese Weise Kosten zu reduzieren.[6]

Integrativ: BUIS werden zunehmend stärker in die bestehenden IT-Strukturen integriert und interagieren mit anderen betrieblichen Informationssystemen. Zugleich werden auch in herkömmlichen ERP-Systemen zunehmend BUIS-relevante Daten integriert, so dass sich eine Entwicklung zu vollintegrierten Lösungen abzeichnet.[6]

Grenzen und Schwächen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Datenqualität betrieblicher Umweltinformationen beeinflusst auch die Aussagekraft von BUIS. Zahlreiche Daten mit Umweltrelevanz können häufig nur geschätzt bzw. allgemeinen Ökobilanz-Datenbanken entnommen werden oder sie müssen kosten- und zeitintensiv gemessen und ermittelt werden. Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit wird in BUIS bisher weitestgehend ignoriert.[6]

Praxisbeispiel Mohn media[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mohn Media betreibt in Gütersloh eine der größten Druckereien Europas und hat den Umweltschutz in die Produktion integriert. Bereits 1991 wurde eine Umweltdatenanalyse durchgeführt und infolgedessen zahlreiche weitere Maßnahmen ergriffen.[7] Im stoffstrombasierten BUIS von Mohn media sind alle umweltrelevanten Anlagen erfasst. Insgesamt werden jährlich ca. 6.000 Materialienstammdaten erfasst und aus dem Einkaufsverwaltungssystem ca. 100.000 Bewegungsdaten in das BUIS integriert. Dies ermöglicht eine automatische Generierung einer transparenten und detaillierten ökologischen Betriebsbilanz und zahlreiche Auswertungen hinsichtlich Material- und Energieeffizienz auf verschiedenen Ebenen (z. B. Gesamtunternehmen, Standorte, Produktionslinien, Maschinen).[8][9]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bundesumweltministerium (BMU); econsense (Hrsg.); S. Schaltegger, C. Herzig, O. Kleiber, T. Klinke, J. Müller: Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen. Von der Idee zur Praxis: Managementansätze zur Umsetzung von Corporate Social Responsibility und Corporate Sustainability. 3. Auflage. BMU, econsense, Centre for Sustainability Management, Berlin/ Lüneburg 2007. CSM Lüneburg (PDF; 1,6 MB)
  • S. Handke, D. Schnapperelle, I. Scholz: Referenzarchitektur zur Integration von BUIS in Umweltmanagementsysteme. In: M. Hilty, D. Schulthess, T. F. Ruddy (Hrsg.): Strategische und betriebsübergreifende Anwendungen betrieblicher Umweltinformationssysteme. Metropolis Verlag, Marburg 2000, S. 97–112.
  • P. Hofmann, W. Jänicke: Kann man den in Standardsoftware vorhandenen Datenschatz für das Umweltcontrolling heben? In: M. Tschandl, A. Posch (Hrsg.): Integriertes Umweltcontrolling. Gabler, Wiesbaden 2003, S. 199–216.
  • G. Jürgens, C. Lang, S. Beucker, T. Loew: Anforderungen an Betriebliche Umweltinformationssysteme (BUIS) zur Unterstützung von Instrumenten des Umweltcontrolling, Zwischenbericht des Forschungsberichts INTUS. Stuttgart 2001.
  • Lang-Koetz: Ein Vorgehensmodell zur Einführung eines integrativen Umweltcontrollings auf Basis eines ERP-Systems. Jost-Jetter Verlag, Heimsheim 2006. (zugl. Universität Stuttgart, Diss.)
  • I. Lippert: Environment as Datascape: Enacting Emission Realities in Corporate Carbon Accounting. In: Geoforum. 66, 2015, S. 126–135. doi:10.1016/j.geoforum.2014.09.009
  • J. C. Marx Gómez: Betriebliches Umweltinformationssystem. In: K. Kurbel, J. Becker, N. Gronau, E. Sinz, L. Suhl (Hrsg.): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik. – Online-Lexikon. Dritte Auflage. Oldenbourg, München 2009.
  • A. Möller: Grundlagen stoffstrombasierter Betrieblicher Umweltinformationssysteme. Bochum 2000.
  • A. Möller, S. Schaltegger: Die Sustainability Balanced Scorecard als Integrationsrahmen für BUIS. In: M. Tschandl, A. Posch (Hrsg.): Integriertes Umweltcontrolling. Gabler, Wiesbaden 2003, S. 243–266.
  • A. Möller, T. Viere: Einsatzfelder Betrieblicher Umweltinformationssysteme anhand des EMA Frameworks. In: C. Lang, U. Rey (Hrsg.): Betriebliche Umweltinformationssysteme - Best Practice und neue Konzepte. Shaker, Aachen 2005, S. 51–69.
  • C. Rautenstrauch: Betriebliche Umweltinformationssysteme : Grundlagen, Konzepte und Systeme. Berlin/ Heidelberg/ New York u. a. 1999.
  • U. Rey, G. Jürgens, A. Weller: Betriebliche Umweltinformationssysteme: Anforderungen und Anwendung. Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart 1998.
  • U. Rey, C. Lang, S. Beucker, D. Heubach: Architektur zur Integration von ERP-Systemen und BUIS, Ergebnisbericht 4 aus dem Forschungsbericht CARE, IAT. Universität Stuttgart, Stuttgart 2003.
  • V. Wohlgemuth: Komponentenbasierte Unterstützung von Methoden der Modellbildung und Simulation im Einsatzkontext des betrieblichen Umweltschutzes. Shaker, Aachen 2005, ISBN 3-8322-4383-6.
  • V. Wohlgemuth (Hrsg.): Konzepte, Anwendungen, Realisierungen und Entwicklungstendenzen betrieblicher Umweltinformationssysteme (BUIS). Shaker, Aachen 2008, ISBN 978-3-8322-7385-9.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundlagen
Institute
Forschung
  • IT-for-Green, Forschungsprojekt zur Konzeption und Entwicklung von neu ausgerichteten Betrieblichen Umweltinformationssystemen für den proaktiven Umweltschutz
  • MOEBIUS – Forschungsprojekt zur Konzeption und Entwicklung open-source basierender Anwendungen zur Erfassung umweltrelevanter Informationen via Mobile Computing als Datenquelle für Betriebliche Umweltinformationssysteme.
  • Uwe Rey: Internet-Katalog betrieblicher Umweltinformationssysteme (IKARUS). (Memento vom 15. Februar 2010 im Internet Archive) Forschungsbericht des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, 2001.
Lehre
kommerzielle Anbieter

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jürgens u. a. 2001.
  2. Butterbrodt u. a. 1995.
  3. Rautenstrauch 1999, S. 11.
  4. Wohlgemuth 2005.
  5. Schaltegger 2007, S. 78.
  6. a b c Schaltegger 2007, S. 79.
  7. Wir denken an alles – auch an unsere Umwelt. (Memento vom 9. Februar 2012 im Internet Archive) auf: mohnmedia.de
  8. ifu.com (Memento vom 11. September 2011 im Internet Archive)
  9. V. Skrzypek, V. Wohlgemuth: Anwendung und Integration von Umberto® in die betriebliche IT-Struktur am Beispiel der Bertelsmann Großdruckerei MOHN Media Mohndruck GmbH. In: H.-J. Bullinger, S. Beucker (Hrsg.): Stoffstrommanagement – Erfolgsfaktor für den betrieblichen Umweltschutz. Stuttgart 2000.