Canned Heat Blues

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Canned Heat Blues ist ein von dem amerikanischen Delta-Blues-Musiker Tommy Johnson geschriebener und von ihm 1928 in Memphis (Tennessee) aufgenommener und 1929 bei Victor Records veröffentlichter „klassischer“ Bluessong.[1] Der Canned Heat Blues wurde 2013 in die Blues Hall of Fame aufgenommen.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dose mit Brennpaste (1922)

Der Songtitel, der so viel wie „eingedoste Hitze“ bedeutet, nimmt Bezug auf die Markenbezeichnung Sterno “Canned Heat”, unter der seit ca. 1915 in den USA eine in Blechdosen (cans) abgefüllte Brennpaste verkauft wird.[2] Diese besteht im Wesentlichen aus geliertem Ethanol, dem zur Vergällung eine gewisse Menge Methanol zugefügt wurde. Die zum Betrieb von Kochern oder Rechauds bestimmte Paste wurde insbesondere zu Zeiten der Prohibition in den Vereinigten Staaten (1920–1933) und der Great Depression (1929–1941), aber auch noch lange danach[3] bei der ärmeren Bevölkerung zur Gewinnung von billigem Schnaps-Ersatz verwendet. Unter Zuhilfenahme eines Tuchs oder einer Socke presste man aus dem zuvor erwärmten Gel die alkoholische Flüssigkeit (Squeeze),[4] die dann meist mit Wasser verdünnt oder mit Obstsaft vermischt getrunken wurde. Das berauschende, vor allem durch seinen relativ hohen Methylalkohol-Anteil aber stark toxische Getränk führte in zahllosen Fällen zu schweren Nervenschäden wie Erblindung und – wie bald bekannt war – vielfach zum Tod.[5] Entsprechendes gilt auch für das in der ersten Strophe des Songs erwähnte und ebenfalls als Spirituosensurrogat verwendete Alcorub (von »rubbing« alcohol, also Reinigungsalkohol = Isopropanol):[6]

“Crying canned heat mama / sure Lord killing me
Takes alcorub / to take these canned heat blues.”

Tommy Johnson (1928)[7]

Tommy Johnsons Song, der als „eines der verheerendsten Suchtporträts aus der Perspektive des Süchtigen“ beschrieben wurde,[8] spiegelt offenbar die persönlichen Erfahrungen des Komponisten und Sängers wider. Jedenfalls schrieb der US-amerikanische Blues-Musiker und -Forscher David Evans, dass Tommy Johnson Canned Heat nicht nur getrunken und gemocht habe; er habe es gelebt – wohl wissend, dass es ihn eines Tages umbringen würde.[9]

Cover-Versionen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1956 sind bisher (2019) wenigstens 13 weitere Versionen des Canned Heat Blues (teilweise auch als Canned Heat) veröffentlicht worden, darunter die folgenden:[10]

  • K. C. Douglas auf Blues and a Guitar (Cook Records 5002; 1956).
  • Canned Heat auf Hallelujah (Liberty LST-7618; 1969).[11]
  • Houston Stackhouse auf Mississippi Delta Blues Vol. 1 (Arhoolie Records ST 1041; 1969).
  • John Henry „Bubba“ Brown auf The Legacy of Tommy Johnson (Saydisc SDM 224; 1972).
  • Boogie Bill Webb auf Drinkin’ and Stinkin’ (Flying Fish FF 70506; 1989).
  • Sean Costello auf WFRG Memorial CD of Rare & Unreleased Tracks (WFRG Radio; 2008).

Namensgeber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 1965 gegründete amerikanische Bluesrockband Canned Heat benannte sich erklärtermaßen nach dem Song.[12]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Discography of American Historical Recordings, s.v. Victor matrix BVE-45462. Canned heat blues / Tommy Johnson, Zugang: 23. Juni 2019. Der Titel wurde im Oktober 1929 gemeinsam mit dem Big Fat Mama Blues veröffentlicht; vgl. Canned Heat Blues / Big Fat Mama Blues (Discogs)
  2. Zuvor war diese als Sternau Solid Alcohol beworben worden: s. die Anzeige in: Evening Star vom 17. Juli 1914, S. 5 (online bei Chronicling America. Historic American Newspapers).
  3. Vgl. etwa für 1962 Police Start Drive on Drinkers of Canned Heat. In: The Sarasota Journal vom 5. Januar 1962 (online bei Google News).
  4. Der Vorgang wird in einer kurzen Sequenz gegen Ende des 1956 entstandenen dokumentarischen Films On the Bowery gezeigt.
  5. »Canned Heat« Causes Death Says Inquest. In: The Devils Lake World Vol. XII. Nr. 47 vom 22. November 1922, S. (2) (online bei Chronicling America. Historic American Newspapers).
  6. Death Follows Heavy Drinking. In: The Brattleboro daily reformer. Vol. 9. Nr. 213 vom 7. November 1921, S. 1 (online bei Chronicling America. Historic American Newspapers).
  7. Zit. nach Michael Taft: Talkin’ to Myself. Blues Lyrics, 1921–1942. Routledge, New York / London 2005, ISBN 978-0-415 97377-9 (Online-Vorschau bei Google Books).
  8. So Julia Simon: Time in the Blues. Oxford University Press, New York 2017, ISBN 9780190666552, bei Anm. 83: “One of the most devastating portraits of addiction from the perspective of the addict […]”.
  9. David Evans: Tommy Johnson. Studio Vista, London 1971, ISBN 978-0289701515, S. 58; zit. bei Julia Simon: Time in the Blues. Oxford University Press, New York 2017, ISBN 9780190666552, Anm. 83.
  10. Eintrag bei secondhandsongs.com
  11. online bei YouTube. – Nach Rebecca Davis: Blind Owl Blues. The Mysterious Life and Death of Blues Legend Alan Wilson. 2007, S. 130 (als Vorschau online bei Google Books), handelt es sich dabei um eine very modified version, da insbesondere Alan Wilson im Vorfeld Probleme damit gehabt hätte, den namengebenden Tommy-Johnson-Song in einer ihm angemessen erscheinenden Weise einzuspielen: “I just can’t play it any way that sounds good to me.”
  12. Rebecca Davis: Blind Owl Blues. The Mysterious Life and Death of Blues Legend Alan Wilson. 2007, S. 114 (als Vorschau online bei Google Books), wies zudem darauf hin, dass das Foto auf dem Cover des ersten Albums der Band von 1967 (Canned Heat, Liberty – LST-7526) als deutliche Anspielung auf Tommy Johnsons Song zu verstehen ist: […] “the average record owner typically sees only a group of longhaired musicians sitting around a table, which is covered with an odd assortment of objects. But to Tommy Johnson, it would have been clear what they were doing. To him, the paraphernalia – Sterno cans, handkerchiefs, sugar, and lemon slices – would have been just as obvious as a razor, a mirror and a rolled-up dollar bill to a cokehead. The band was making the drink that was their namesake.”