Carlotta Ferrari

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Carlotta Ferrari. Fotograf und Jahr unbekannt

Carlotta Annunciata Felicita Ferrari (* 27. Januar 1831 in Lodi; † 23. November 1907 in Bologna)[1], auch bekannt als Carlotta Ferrari da Lodi, war eine italienische Komponistin und Dichterin.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Carlotta Ferrari war das erste Kind des Volksschullehrers Luigi Ferrari und seiner Frau Maria Anna, geborene Morosini. Sie hatte zwei jüngere Geschwister: einen Bruder Achille (* 21. Februar 1837), über dessen weiteres Leben wenig bekannt ist, und eine Schwester Larissa, eine Pianistin und Autorin von Romanen und Erzählungen.[1][2] Carlotta erhielt ersten Unterricht in Gesang bei Giuseppe Strepponi, dem Großvater der Sängerin Giuseppina Strepponi. Von 1844 bis 1850 studierte sie am Mailänder Konservatorium[3] Klavier bei Antonio Angeleri. Ihr Kompositionslehrer dort war Alberto Mazzucato.[4] Sie lebte seit 1875 in Bologna, wo sie Klavier und Gesang unterrichtete. Ihr Leben lang hatte sie finanzielle Probleme, mitverursacht durch Italiens schwierige politische Situation. Trotzdem schlug sie Kompositionsaufträge für Aufführungen in Paris aus.[3]

Schaffen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit sechsundzwanzig Jahren schrieb Carlotta Ferrari ihre erste Oper Ugo (1857),[5] für die sie nicht nur die Musik, sondern auch das Libretto selbst schuf. Für die Uraufführung in Lecco sammelte sie Spenden und „she conducted the highly successfull performances self“ (sie dirigierte die sehr erfolgreichen Aufführungen selbst).[6] Wie Ugo sind auch ihre beiden Opern Sofia (1866) und Eleonora d’Arborea (1871) Lyrische Dramen nach eigenen Libretti. Letztere Oper sowie ihr Werk Beatrice Portinari beschäftigen sich mit zwei berühmten italienischen Frauengestalten des Mittelalters, was auf ihr geschichtliches Interesse an italienisch-nationalen Themen hinweist. Andererseits ist Ferraris Interesse an Werken zeitgenössischer Kollegen, deren Bearbeitungen sowie ihre Verbindung zu internationalen Zentren und Künstlern (Paris, Russland, Irland) offensichtlich. 1868 wurde in Turin ihr Requiem in Memoriam König Carlo Alberto aufgeführt, das, wie mehrere ihrer Werke, im gleichen Jahr gedruckt wurde.[7] . Der belgische Musikforscher François-Joseph Fétis nahm sie schon in den 1860er Jahren in seine internationale Biographie universelle des musiciens et bibliographie générale de la musique auf, als sie in zweiter Auflage in Paris erschien.

Insgesamt ist Ferraris vielseitiges Schaffen im Catalogo del Servizio Bibliotecario Nazionale in 81 Nummern dokumentiert, wobei sich darunter neben Drucken und Notenausgaben vereinzelt Autographen und Partituren befinden.[8] Das ist für eine international weitgehend unbekannte Komponistin eine gute Überlieferungslage. Beim Überblick ihrer Werke gilt ihr Schaffen zu gleichen Teilen der Musik und Texten, wobei im Mittelpunkt Drama und Oper stehen. Man kann Ferrari Dichterkomponistin nennen; so stammen neben ihren Opern auch fast alle Texte von rund 40 weiteren Vokalkompositionen (Kantaten und Lieder) von der Komponistin selbst. Ihr erstes Werk ist, laut Druck 1853, das Album Prime Poesie. Ihre Dichtungen, Libretti und ihr Prosa-Werk sind in vier Bänden zusammengefasst und gedruckt: Versi e prose (1878–1882). Sie errangen großes Interesse, wie z. B. das Poem In morte di Felice Romani für den bedeutenden italienischen Librettisten-Kollegen[9] oder das Drama in 4 Akten Il vicario di Wakefield nach ihrem irischen Zeitgenossen Oliver Goldsmith (1728–1774).

Erfolge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Carlotta Ferrari wurde zu Lebzeiten von Francesco Dall'Ongaro (1808–1873)[10], von dem Carlotta einige Texte vertonte, als „die italienische Sappho“ bezeichnet und ihre Verse und eingängigen Melodien mit Vincenzo Bellini verglichen.[11]

Im Jahr 1875 wurde sie auf Empfehlung des französischen Opernkomponisten und Direktors des Pariser Konservatoriums Ambroise Thomas als Accademico onorario in den Kreis der maestri compositori der Accademia Filarmonica in Bologna aufgenommen. Die Seltenheit, als Komponistin diesem Männerbund als Frau beizutreten, war 100 Jahre vor ihr bereits den Komponistinnen Marianne Martinez und Maria Rosa Coccia gelungen. Ferraris Vokalkompositionen wurden wegen ihres „vorbildlich dramatisch-patriotischen Ausdrucks“ gelobt. Auch galt sie als Meisterin des Kanons, einer alten Kompositionskunst.

Die amerikanische Eventkünstlerin und Feministin Judy Chicago verewigte in den 1970er Jahren Carlotta Ferraris Namen in der Liste der 999 Frauen in ihrer Dinner Party. Dort steht er in Goldschrift auf einer der weißen, den Boden bedeckenden handgefertigten, dreieckigen Fliesen geschrieben, zusammen mit 20 weiteren berühmten Musikerinnen dem symbolischen Gedeck der englischen Komponistin Ethel Smyth[12] zugeordnet.

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Le Prime Poesie, 1853
Eleonora d’Arborea. Dramma lirico in 4 atti, 1870

Einzeltitel (Auswahl), chronologisch absteigend:

  • Intermezzo sinfonico von Pietro Mascagni. Klavierbearbeitung von Carlotta Ferrari. Niedernhausen (Idstein), Edition Kemel 2016
  • A Beatrice Portinari. BiblioBazaar, 2009. (Nachduck von 1890, il IX giugno MDCCCXC, VI centenario della sua morte le donne italiane. Florenz 1890.[13])
  • Versi e prose. Vier Bände. Bologna, 1878–82. (Angebliche) Zusammenfassung ihrer literarischen Werke bis 1882, darin die drei Opern-Libretti.
  • Album lirico di Carlotta Ferrari da Lodi, Torino, F. Blanchi [1876][14]
  • Libretto der Oper La Vita per lo Czar (Ein Leben für den Zaren) von Michail Glinka. Mailand 1874.[15]
  • Roma. Poema in tre Canti. Ai Caduti per la romana liberta. 1871
  • Messa di Requie. 1868
  • Lotario. Poemetto lirico di Carlotta da Lodi. 1867 (Digitalisat bei liberliber.it)
  • In morte di Felice Romani. Cantica di Carlotta Ferrari. 1865
  • Carme di Carlotta Ferrari da Lodi. Torino 1864 (Seconda edizione)
  • Rime di Carlotta Ferrari di Lodi. Torino 1861
  • Le Prime Poesie di Carlotta Ferrari. Lodi 1853

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Carlotta Ferrari: Memoria documentata sulle mie opere musicali, in: Versi e prose, Band 3, Bologna 1878, S. 131–194
  • Elena Cazzulani: Carlotta Ferrari da Lodi. Poetessa e musicista. L’immagine, Lodi 1992.
  • Franco D'Intino: Ferrari, Carlotta. In: Fiorella Bartoccini (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 46: Feducci–Ferrerio. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1996.
  • Matteo Sansone: Ferrari, Carlotta, in: Julie Anne Sadie, Rhian Samuel (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Women Composers. London: Macmillan, 1996 (1994), S. 167 (führt weitere Literatur von 1925 und 1982 auf)
  • Patricia Adkins Chiti: Kurz-Biographie der Komponistin (S. 82). In: Italian Art Songs of the Romantic Era. 1994.[16]
  • Pinuccia Carrer: Francesca Nava D'Adda, Carlotta Ferrari da Lodi, Antonietta Banfi: A trio of romantic women composers. In: Fondazione Adkins Chiti: Donne in Musica (Hrsg.): Le lombarde in musica. Colombo, Rom 2009, ISBN 978-88-6263-008-5, S. 225 f. (italienisch, englisch).
  • Notiizie artistiche. Gazzetta Piemontese (auf Italienisch). 27. April 1875, S. 1.
  • Lilio Galemi: Carlotta Ferrari. In: Archivio storico per la città e comuni del circondario di Lodi, 26 (1907), S. 178–186; (Digitalisat bei internetculturale.it (EVA 184 F9978), italienisch)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Carlotta Ferrari – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Carlotta Ferrari – Quellen und Volltexte (italienisch)

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Giovanni Antonelli: La data di nascita di Carlotta Ferrari. In: Archivio storico lodigiano 16 (1968), S. 182; Digitalisat bei internetculturale.it (EVA 186 F10206; italienisch, mit Abschrift des Taufeintrags). Das New Grove Dictionary of Women Composers sowie MGG 2, Personenteil, Supplementband 2008 geben das Geburtsjahr fälschlich mit 1837 an, das Dizionario Biografico degli Italiani mit 1830; die Enciclopedia delle donne nennt den 23. Januar 1831.
  2. Franco D'Intino: Ferrari, Carlotta. In: Fiorella Bartoccini (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 46: Feducci–Ferrerio. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1996.
  3. a b Teresa Chirico: Ferrari, Carlotta. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Supplement für beide Teile. Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2008, ISBN 978-3-7618-1139-9, Sp. 194 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
  4. Matteo Sansone: Ferrari, Carlotta, in: Julie Anne Sadie, Rhian Samuel (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Women Composers. London: Macmillan, 1996 (1994), S. 167
  5. Dieser Titel erinnert an eine andere Oper von Gaetano Donizetti Ugo, conte di Parigi (1832) nach einem Libretto von Felice Romani.
  6. Siehe Literatur von Patricia Adkins Chiti 1994, S. 82.
  7. Siehe Literatur von Patricia Adkins Chiti 1994, S. 82.
  8. Siehe Catalogo del Servizio Bibliotecario Nazionale.
  9. 1788–1865. Er gilt als der bedeutendste italienische Librettist seiner Zeit.
  10. Giuseppe Monsagrati: Dall'Ongaro, Francesco. In: Massimiliano Pavan (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 32: Dall’Anconata–Da Ronco. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1986.
  11. „Bellini in Röcken“ in: New Grove of Women Composers 1996, S. 167.
  12. Brooklyn Museum: Carlotta Ferrari
  13. Nachweis, Ferrari da Ladi [sic!], Carlotta.
  14. Nachweis im Opac des SBN; enthält die Vertonung zweier Gedichte von Francesco Dell'Ongaro. Das Datum ergibt sich aus dem noch erhaltenen Manuskript: Nachweis im Opac des SBN.
  15. Carlotta Ferrari als poetische Bearbeiterin des von A. De Gortschakoff aus dem Russischen übersetzten Librettos. Italienische Erstaufführung Mailand 1874: Nachweis im Opac des SBN; Piero Mioli: Il grande libro dell'opera lirica. I cento migliori libretti della tradizione operistica Roma 2001, S. 1010–1017, ISBN 88-8289-626-9
  16. Darin neben Kompositionen von bekannten Zeitgenossen 16 Lieder mit Klavierbegleitung von Carlotta Ferrari. Die Titel der 16 Lieder, Kurzbiographie, Noten des 1. Liedes. Dessen Überschrift Non t'accostare all'urna = 1. Zeile des Liedtextes von Jacopo Vittorelli.